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Down in the ValleyPost - KriegeNachdem das Spitzenmanagement Tandems im November 1982 die Einfrierung der Löhne und den Einstellungsstop bekanntgab kam ich am nächsten Tag zur Arbeit, wo ich eine elektronisch übertragene Nachricht vorfand, die ein mutiger Techniker aus einer weit entfernten Geschäftsstelle der Firma gesendet hatte. Die Nachricht enthielt Protestäußerungen gegen die Lohneinfrierungen und den Einstellungsstop - diese Maßnahmen wären schändlich und ungerecht. Das elektronische Brief - und Postnetz läßt direkte Verbindungen zwischen den meisten Beschäftigten zu, selbst wenn sie tausende Meilen voneinander entfernt sind. Um das Postnetz benutzen zu können, mußte der Beschäftigte sowohl Zugang zu einem Datensichtgerät haben als auch ein Kennzeichen besitzen - das elektronische Äquivalent eines Postfachs. Ungefähr dreiviertel der 4000 Beschäftigten des Unternehmens hatten Zugang zu dem Kommunikationsnetz (Post) - Büro - und Lagerarbeiter, die field technical writers und die Systemanalytiker miteinbegriffen. Das Kommunikationnetz funktionierte wie ein schwarzes Brett. Nachdem das Wort Post in ein Datensichtgerät eingegeben wurde, konntest Du die verschiedenen Postmitteilungen, die Du erhalten hattest, durchblättern. Wenn du selbst eine Nachricht einem anderen zukommen lassen wolltest, konntest du entweder eine Nachricht erster Klasse in den Briefkasten werfen, in diesem Fall würden andere sie nicht zu Gesicht bekommen (so ist anzunehmen), oder sonst konntest du eine Nachricht zweiter oder dritter Klasse An eine genau bestimmte Gruppe Postbenutzer senden. Post zweiter Klasse war für arbeitsbezogene Themen reserviert. Diese bestanden meist aus Fragen über technische Angelegenheiten, so z.b. knifflige Sachen bei einer bestimmten Anfrage eines Kunden. Post dritter Klasse wurde als eine Art Vergünstigung für die Angestellten dargestellt. Da das Postnetz benötigt wurde, damit die Leute über technische und fachbezogene Fragen bezüglich ihrer Arbeit kommunizieren konnten, störte die Firma sich nicht daran, wenn du zusätzlich das Netz benutzt hast, um deinen '68er Chevy oder die überflüssigen Karten für das Talking Heads Konzert zu verkaufen. Der Protest des Technikers jedoch zeigt, wie Beschäftigte das Postneiz auf Arten und Weisen benutzen können, wie es vom Management nicht vorgesehen war. Bei der »Nachrichtenverbreitung« hast du die Mitteilung an jeden aus einer definierten Gruppe geschickt so z.B. an alle-Beschäftigten in Nordkalifornien oder an alle, oder an alle Beschäftigten des Unternehmens in der ganzen WeIt. Es gab von der Sache her klar begrenzte Gruppen wie z.b. alle »IBM - PC« Besitzer. Wenn du eine Nachricht an alle Mitarbeiter deiner Abteilung schicken wolltest, ohne daß die Firmenleitung sie sieht, konntest du eine Postgruppe eigens dafür festlegen, indem du die genaue »Postidentitätsziffer« jedes Mitarbeiters verwendet hast. Manchmal haben sich die Leute einfach gelangweilt und verschickten dann Witze. Bei manchen Anläßen führten Witze und Kommentare zu Kontroversen, da verschiedene Leute ihre Antwort hinzufügten. Dieses Hin - und Her wurde bald Post - Kriege genannt. Der wahrscheinlich größte Postkrieg wurde durch eine harmlose Mitteilung ausgelöst, die von einem Mann verbreitet wurde, der einer Gruppe mit der Bezeichnung »High Tech Gays (X)- angehörte. Die Nachricht warb für die Gründung einer Postgruppe schwuler Beschäftigter sowie eines Klubs. Die Organisatoren betrachteten sich nicht als »Aktivisten«. In ihren Augen organisierten sie lediglich eine »Kaffeeklatschrunde«. Die Antworten erstreckten sich über ehemalige Teilnehmer, Aktivisten und »normale« Unterstützer bis hin zu »Schwulen« Beinamen und den vorhersehbaren religiösen Verrückten. Jemand aus dem Lagerraum in Santa Clara schickte eine der drohenderen Antworten. »Betr.: Eine Postgruppe für schwule Beschäftigte
bei Tandem. Hier ein anderer Brief von derselben Art, abgeschickt aus dem Mittelwesten: »Betr.: Bleibt in den dunklen Verstecken, ihr
Schwulenficker. Später sprach ich mit Steve Eastman (der Koordinator der Schwulengruppe) über diese und andere Antischwulenbrief e, die er erhielt. Er bezweifelte, daß die Leute, die solch derbe Beleidigungen in der Isolation ihres Büro - oder Arbeitsraumes durchgeben, bei einer direkten Be,gegnung von Angesicht zu Angesicht notwendig so reagieren würden. Da Menschen vereinzelt sind, wenn sie über das Postnetz kommunizieren, kämmunizieren die Menschen mit einem geringeren Bewußtsein über den anderen Menschen als mit jemandem, der auf das, was sie sagen, reagieren wird. Einer von Steve Eastmans nicht schwulen Mitarbeitern sah zufällig die Sorte engstirniger Antworten, die er erhielt: »Betr.: Fanatiker und Haßbriefe bei Tandem. Garys Brief, der an alle ging, brachte die Kontroverse an die Öffentlichkeit. Die Vorurteile gegen Schwule, die dann auftauchten, waren etwas zurückhaltender. Zum Beispiel: "Betr.: An Gary. Mehr zu Schwulen, Fanatikern und andren.
Ein Mitglied meiner Abteilung erwiderte mit folgender ironischen Antwort: »Betr.. Noch mehr Fanatiker und andere Indem das Thema des Vorurteils gegenüber Schwulen an die Öffentlichkeit gebracht wurde, machte die Kontroverse es vielen Leuten - »normalen« und Schwulen - möglich, ihre Solilarität mit ihren schwulen Mitarbeitern auszudrücken und direkt gegen die Vorurteile zu argumentieren. In der Zwischenzeit waren die ranghöchsten Vorgesetzten des Unternehmens offenbar von der Ebene der Debatten, die über das Postnetz erzeugt wurde, gestört. Der Schwulenpostkrieg wurde bald von einem pronunciamento erster Klasse an alle Beschäftigten, von Mr. BIG Jimmy Trebig unterbrochen. Indem zu einem Ende alldessen aufgefordert wurde. Seine Mitteilung beklagte, was er als »nichtprofessionelles Verhalten« bezeichnete, aber peinlichst darum bemüht war, eine Andeutung wie Zensur zu umgehen. Bald darauf wurde eine neue Verfahrensweise über die Benutzung des Postwesens angordnet, die unter anderem die Benutzung des Postnetzes für die Werbung »politischer, religiöser oder anderer Zwecke« untersagte. Die obersten Vorgesetzten waren offenbar von der Aussicht eines unkontrollierten Gebiets der Redefreiheit gestört, das jedem freien Zugang zu anderen Beschäftigten ermöglichte. Gerade noch vor kurzem wurde eine neue Variante des Post-Programms eingerichtet bei dem automatisch der ganze Name des Absenders bei jeder Mitteilung gezeigt wird. Der Zweck dessen ist die Verbreitung anonymer Briefmitteilungen auszuschließen. Aber es ist nicht klar, ob das funktionieren wird. Clevere Beschäftigte haben manchmal unter einem anderen als ihrem eigenen ldentitätscode Mitteilungen eingetragen und abgeschickt. Die Vorgesetzten stürzen - eine wahre GeschichteEin Mitarbeiter hatte mir zu verstehen gegeben, daß man uns bespitzelte. Der einzige stichhaltige Beweis, auf den er hinwies, war jedoch ein Zwischenfall, bei dem Al, mein etwas sonderbarer und unsozialer Aufseher, eine längere Zeit hinter ihm gestanden hatte und zusah, was er in sein Datensichtgerät eingab aber dabei nichts sagte. Nichtsdestotrotz habe ich vorsichtshalber alles was meine Aufsicht nicht sehen sollte, zwischen den arbeitsbezogenen Computerakten verschwinden lassen. Ich hatte gelegentlich einen Teil der Zeit meines Arbeitgebers dazu benutzt, Artikel übpr politische Themen zu schreiben und ich wollte nicht, daß diese entdeckt werden. Einmal tauchte plötzlich die Mitteilung Big brother is watching you auf meinem Bildschirm auf. Oh, er hat wieder Paranoia, dachte ich. Zwei Tage später, während ich auf meinen Tasten herumdrückte, kommt Al zu mir an meinen Arbeitsplatz. »Ich möchte mit dir reden«, sagte er. In der vertraulichen Zurückgezogenheit des Konferenzzimmers zeigte er mir eine große Mappe, die, so erzählte er mir, einen durch den Computer ausgedruckten Bogen mit allem aus meinen Akten enthielt. »Sie wandelten auf falschen Wegen« bemerkte er. Er sagt mir, der politische Inhalt meiner Schriften interessiere ihn nicht (und verdreht dabei die Augen). Ihm paßt einfach die Tatsache nicht, daß ich meinen eigenen Kram mit den Unterlagen der Firma ermenge. Er sagt, er hat ein kleines Programm, das er verwendet, wenn er jemanden »verdächtigt«. (er lacht) Im wesentlichen sucht das Programm das Verzeichnis aller Akten in dem Computersystem ab und findet nur die Akten, die im Laufe des Tages von Leuten aus unserer Abteilung geändert wurden. Dann spuckt er eine Liste dieser Akten aus - dazu die Zeiten, zu denen sie zuletzt bearbeitet wurden. Spätnachts, wenn sonst niemand da war, lies Al den Inhalt der Akten ausdrucken, um zu sehen, ob das, was wir während der Firmenzeit getan hatten, sich auch auf die Arbeit der Firma bezog. Am nächsten Tag - Freitag - wurde den Mitarbeitern die Spitzeltätigkeit bewußter, als Beweisstücke anfingen aufzutauchen. Jemand fand Kopien persönlicher Akten in der »Ausgabe« der Diskettenspeicherung, die für die Vorgesetzten bestimmt war. Zwei der Leute, die zur besonders genauen Überprüfung ausgesucht worden waren, waren Leute, die sich bei der Personalabteilung über die willkürliche und Mißbrauch treibende Leitung in unserer Abteilung beschwert hatten. Eine Frau , deren Arbeitsplatz neben meinem liegt, erzählt mir, daß sie die Briefe, die sie an ihren Sohn schreibt, sofort von der Diskette löscht, nachdem sie sie ausdrucken ließ, weil sie nicht will, »daß Al sie sieht«. Die Operator erzählen uns, daß sie gegenüber Al's Tun mißtrauisch werden. Monate vorher hatten einige Frauen im Haus anonym elektronische Nachrichten wie z.b. »ich liebe dich« erhalten - eine Art elektronische sexuelle Belästigung. Die Operatoren hatten die Erstehung dieser Mitteilungen auf eine Zeit in der Nacht zurückverfolgen können, zu der nur Al sie abgeschickt haben konnte. Die Aufsichten in unserer Abteilung waren so damit beschäftigt, die Leute zu kontrollieren, daß dies anfing, die Produktion der Abteilung zu beeinträchtigen. Weder können Vorlagen, die zum Photographieren fertig waren, ausgedruckt werden, noch können die Seiten für das Drucken fertig gemacht werden im Offsetverfahren, bis die Aufsichten die Konzepte gelesen, die künstlerische Gestaltung überprüft haben usw. Ungelesene und nicht genehmigte Handbücher türmten sich Fast alle Leute, die nicht der Leitung unserer Abteilung
angehörten, erhielten folgende Mitteilung, die die Besorgnisse
der Vorgesetzten bezüghch ihrer- Autorität «
kommentierte:» Betr.: Überlegung des Tages An dem Nachmittag beobachtete Wayne - der Verfasser obiger Nachricht - wie Al eine Kopie einer privaten Nachricht ausdrucken ließ, die er an einen Mit-Arbeiter geschickt hatte. Wayne fing dann damit an, an diversen Stellen seiner Akten die Äußerung »Fuck you, Al« einzufügen, da er jetzt wußte, daß Al überall rumschnüffeln würde. Fast den ganzen Tag konnte man Menschenklüngel sehen, die redeten. Wenig Arbeit wurde erledigt. Der folgende Montag war der 2.Mai, der Tag nachdem 50000 Arbeiter zur Unterstützung von Solidarnosz in Warschau demonstrierten. Als Mitglied der »Bay Area Solidarity Support Campaign« hatte ich Buttons mit der Aufschrift »Solidarnosz« verteilt, deshalb nahm ich welche mit zur Arbeit. Im Laufe des Tages kamen öfters Leute an meinen Arbeitsplatz, um Buttons zu holen. In unseren Augen.drückten die Buttons nicht nur eine Unterstützung der polnischen Arbeiter aus, sondern auch Solidarität miteinander. Die Buttons ermöglichten uns, die Solidarität so auszudrücken, daß die Vorgesetzten nicht ohne weiteres dagegen vorgehen konnten. Währenddessen war Al darin vertieft, Waynes Akten ausdrucken zu lassen. An einer Stelle bemerkte er plötzlich die Botschaft »Fuck you, Al«. Er sprang von seinem Drucker auf und lief schnellstens hinüber in den Arbeitsraum des Produktionsleiters. Er packte ihn am Hemd, wonach dann alle Vorgesetzten sich in das Büro des oberen Betriebsleiters zurückzogen (dem Büro wurde von den gewöhnlichen Arbeitern die Bezeichnung -Führerbunker- zugewiesen) Später an demselben Tag gingen die Vorgesetzten. Nachher haben wir herausgefunden, daß sie entschieden hatten, eine Anklage wegen einer »Verschwörung zur Untergrabung der Autorität der Geschäftsleitung« auszuhecken. Sie nahmen Waynes Mitteilungen zur. »Überlegung des Tages«, meine linksgerichteten politischen Schriften und die »Solidarnosc« - Buttons als Beweisstücke. Sie wandten sich mit dieser lächerlichen Geschichte an Jimmy Trebig, der sie an den stellvertretenden Personaichef verwies. In der folgenden Woche riefen der stellvertretende Personalchef und der Leiter unseres Gebäudes eine Versammlung mit der Belegschaft unserer Abteilung ein. Der stellvertretende Personalchef blieb in seiner Manier cool und väterlich. Wir saßen schweigend da, als er seine aalglatte Ansprache hielt. »Politische Abhandlungen und unflätige Mitteilungen sind eine unangebrachte Verwendung der Kapitalressourcen« Da wurde er von einem älteren Mitglied der Abteilung unterbrochen, einem Ingenieur und Konservativen von eigenen Gnaden,»Schauen sie her, sagte er, sie reden nur über Symptome. Sie dringen nicht vor zur Ursache. Das wirkliche Problem ist eine tyrannische und Mißbrauch treibende Leitung.« Dann fing er an, All über seine Eingriffe in das Privatleben anderer Menschen, über Dossiers, die gegen Leute verwendet werden sollten, ins Kreuzfeuer zu nehmen. Einer nach dem anderen unterbrachen andere Mitglieder der Abteilung den Ablauf der Sitzung, indem sie ihrer eigenen Empörung Ausdruck gaben. Am Ende der Versammlung gab die oberste Betriebsleitung kund, daß eine »Teillösung angegangen werde«, da J im, der Leiter der Abteilung zusammen mit den anderen Aufsichten zurückgetreten war. Al's Schicksal hing jedoch noch in der Luft. Als wir die Versammlung ve'rließen, gab mir ein Mitarbeiter zum Kommentar:-Ich bin mit derZahl der Leichen nicht zufrieden.« Al und der Produktionsleiter wurden bald danach zurückversetzt und von privater Seite gedrängt, sich woanders Arbeit zu suchen. Innerhalb von ein paar Monaten waren sie weg. Einige Tage nach der Versammlung wurden einige Computerprogramme, die in der manuellen Produktion benutzt werden, sabotiert. Es scheint, daß die Vorgesetzten, die. gefeuert wurden zuhause Datengeräte hatten und damit immer noch Zugang zu dem Computer über das Telefonnetz. Am. Schluß der Versammlungen mit den honchos murrte der Leiter unseres Hauses über das »feindliche Verhältnis«, weiches sich in unserer Abteilung entwickelt hatte. Als ob der Kapitalismus nicht auf einem »feindlichen Verhältnis« beruhen würde! Während »sanftes Management« in Situationen wie der, obigen von den Beschäftigten zu ihren eigenen Gunsten benutzt werden kann, sollten wir im Kopf behalten, daß dies nicht einfach ein »Geschenk« der Vorgesetzten ist. Der weniger autoritäre Führungsstil existiert, weil manche Firmen ihn als eine wirkungsvollere Methode betrachten, die Mitarbeit der Arbeiterschaft zu gewinnen, um die Ziele der Betriebsleitung zu erreichen. Aber sie wurde nur unter dem Aspekt des Widerstands, sowohl des passiven als auch des aktiven der Arbeiter gegen eher offenkundig autoritäre Führungsmethoden als wirkungsvoll betrachtet. Sanftes Management beseitigt nicht - kann nicht - den sehr realen Interessenkonflikt zwischen Arbeitern und Arbeitgebern. Die Tatsache bleibt bestehen, daß Arbeiter weder den Betrieb leiten noch Kontrolle über das Kapital haben. Das macht Konflikte unumgänglich. (X) Diese Gruppe war neulich in den Nachrichten wegen ihrer Beschwerde, daß Schwule durch Diskriminierung von militärbezogener Arbeit ausgeschlossen wurden, da sie Sicherheitsunbedenklichkeitsbescheide erhalten müßten. Es ist bedauerlich, daß der Zugang zur Arbeit beim Militär als Teil des Kampfes um Emanzipation betrachtet wird - dies bewegt sich auf derselben Ebene wie Frauen, die Bullen werden wollen. |
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