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Was soll der Staat duerfen ?
Von den Notstandgesetzen bis zur Stasi-Abschaffung
Da der angefragte SPD-Politiker Peter Paterna (PP; Postexperte
der SPD, Mitglied des aus 5 Maennern bestehenden G10-Ausschusses
des Deutschen Bundestages; nicht erschienen ist, wird die
Podiumsdiskussion ohne ihn begonnen. Mit Peter Greger und Dr. Peter
Pas nehmen zwei Kenner der Computerscene der DDR und Mitglieder
des Neuen Forums (NF) an der Diskussion teil.
Adolf Groeger (Nickname Addy) Fachschaft Jura; Gruppe Datenschutz;
Uni Bielefeld) fuehrt moderierend ins Thema ein: Dies ist der erste
Congress, auf dem Gesellschaftspolitik betrieben wird!
Provokante These:
"Elektronisches Medien werden benutzt,um Politik zu verdraengen!"
"Terrorismus" nach der Definition der Bundesregierung ist "Bewaffneter
Kampf fuer politische Ziele!" Einstieg ist das G10 (Gesetz zur
Einschraenkung des Grundrechte nach Art. 10 Grundgesetz: Brief- und
Fernmeldegeheimnis). Im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens koennten
Aenderungen am G10 durch das Postreformgesetz gekippt werden!
Antragsberechtigt sind (weil Betroffene im Sinne des Grundgesetzes) User
und Mailboxbetreiber. Der BuKaKo (KandesBunzler) muesste sich freuen, wenn
wir nach Koeln (Verfassungsschutz) oder Pullach (BND) kommen, wie er sich
gefreut hat, als DAS VOLK das Ministerium fuer Staatssicherheit (MfS) der
DDR besichtigt hat!
Laut Datenschleuder (Zentralorgan des Chaos Computer Clubs), so ein Einwurf
eines Mailboxbetreibers, behauptet der Bundespostminister (BPM): "Es geht
bei G10 nur um privat betriebene Vermittlungseinrichtungen (nicht aber um
Mailboxen)!"; das G10 sagt aber: "Alle Betreiber von Fernmeldeeinrichtungen!"
BPM: "Es ist alles nicht durchschaubar." Gemessen am Gesetzestext ist das
gelogen.
Die Vertreter des NF: "Private Anbieter von Telekommunikationsdiensten gab
es nicht in der DDR." Nicht mal mehr eine privat initiierte Zeitung (wie
die DS) waere moeglich gewesen! Ausrede fuer diese Restriktionen "Dann kann
auch kein rechtsradikales Gedankengut verbreitet werden!" Funktamateure aber
wurden zugelassen und schaerfstens beaeugt!
Ein Vergleich der Situationen in DDR und BRD zeigt:
BRD: Der Staat hechelt der technischen Entwicklung hinterher! Im Prinzip
determiniert die Oekonomie die gesetzlichen Regelungsbeduerfnisse!
Regierung schliesst Nischen (ist eine Nische etwas Unverzichtbares oder
etwas, was schleunigst geschlossen gehoert?).
Historische Dimension: der Postdienst von Thurn und Taxis (16. Jh) wurde
eingefuehrt, um revolutionaere Daten abzufangen!
DDR: Der Staat bestimmt, was sein darf und was nicht und legt damit die
technische Entwicklung fest! Besuch des MfS hat andere Gruende und steht
in einer voellig anderen historischen - naemlich revolutionaeren - Situation.
Die Bedrohung war viel unmittelbarer als in der BRD; Wegen G10 waere auch in
der DDR niemand zum MfS gegangen.
Der anwesende Prof. Dr. Klaus Brunnstein (im folgenden KB genannt): Am
Beispiel Wackersdorf laesst sich das Primat der Oekonomie zeigen; dass die
Industrie selbst merkt wann es sich nicht mehr lohnt!
NF: Ist kapitalistische Demokratie wirklich der Weg, um die Interessen des
Volkes durchzusetzen? Aber eine andere Struktur (Sozialismus, d.S.) ist auf
lange Sicht diskreditiert ("vermauert und verbaut")! Volksentscheid wird
vom NF als Moeglichkeit der Einflussnahme auf Poltik angestrebt.
Am Runden Tisch wird z.Zt u.a. ueber ein Mediengesetz diskutiert.
Den Rundfunk oeffentlich-rechtlich zu organisieren ist ein Weg,
gesellschaftliche Kontrolle auszuueben. Die die das Geld haben, werden
bestimmen! Die breite Masse ist allerdings konsumorientiert!
Addy: Sichern heisst einschraenken! (Das ist zwar trivial, aber muss immer
mal wieder gesagt werden, der Aetzer)
KB: Telefonnetz vergesellschaften! Computerisierung okkupieren!
NF: Kommunikationssystem wird geschaffen - aber fuer die Wirtschaft!
NF: Blauaeugige Basisdemokratie zerschlagen!
Pu(blikum): Leitungen werden unkontrolliert ueberwacht!
Pu: Idee des Counterparts, d.h. der "fortgeschrittenere" Partner macht
nichts ohne Beteiligung des nicht so weit "Fortgeschrittenen"
KB: Zurueck zur Kommunikationsthematik, d.h. wir diskutieren hier ueber
Verfuegung und Distribution von Informationen!
Technologiefolgenabschaetzung funktioniert nicht, Beispiele sind
Volkszaehlung und ISDN
Ein uneingeschraenktes Fernmeldegeheimnis nach Art. 10 GG (d.h.
ohne G10) ginge nicht, dann haetten wir die Alliierten noch in
den Leitungen.
Noch den Bestimmungen der CoCom-Liste waere ein Datennetz nach vollem
ISDN-Standard gar nicht in die DDR exportierbar. - Das kann eine
Technologie-Folgeabschaetzung natuerlich nicht ersetzen.
PP musste stellenweise fuer die enormen Fehlleistungen seiner Genossen -
vor allem auch als Regierungspartei - harte Angriffe hinnehmen, sein
Eintreten fuer die Volkszaehlung mit dem Hinweis auf dringend benoetigte
Daten z.B. zum Wohnraumbedarf stiess zunaechst auf schallendes Gelaechter
und dann sofort auf scharfen Widerspruch: "Vor allem muessen Sie sich jetzt
vorhalten lassen, mit diesem Datenschrott auch noch zu planen (KB)!
Die Themafrage "Was soll der Staat duerfen?" wurde exemplarisch am Beispiel
des Umgangs des BMPT mit den im ISDN anfallenden Verbindungsdaten
("wer/wann/mit_wem/wielange") diskutiert. PP sah hier vor allem einen
Zielkonflikt. Und zwar zwischen dem "Dienstleistungsangebot" in Form
detaillierter und damit nachpruefbarer Abrechnungen, oder solchen Features
wie selektive Anrufunterdrueckung, Identifikation des Anrufenden schon vor
dem Abheben, Anrufweiterschaltung und aehnlichen Gimmicks einerseits und der
dafuer ggf. hinzunehmenden Einschraenkung in Form von Ueberwachung,
Speicherung. Aber die Frage, ob wir all diese Wohltaten in Form von
vollautomatischen digitalen Dienstleistungen ueberhaupt wollen, ist ja gar
nicht diskutiert worden. Die ISDN-Plaene hat nie ein demokratisch gewaehltes
Parlament abgesegnet, das war eine reine Regierungsentscheidung.
Und das Interesse des BMPT an wasserdichten abrechenbaren Daten waere
durchaus auch anders zu befriedigen, vor allem ohne Datenspeicherung mit der
Moeglichkeit, diffizile und aussagekraeftige Verhaltensprofile zu erstellen.
Hier sei nur an so sensible Zusammenhaenge wie telefonische Beratung
(Aids, Drogen, Psycho...) erinnert. Der Vorschlag, hier koenne nur noch mit
Einzelfallregelungen jeweils ein Spezialriegel vorgeschoben werden, kann
nicht ueberzeugen. Ein Rechtssystem, dass im Wesentlichen mit Einzel-
regelungen arbeitet, kann nicht mehr verstanden werden und ist damit ein
Un-Rechtssystem.
So muessen sich die verantwortlichen Stellen denn auch entgegenhalten
lassen, mit der service-orientierte Argumentation nur Nebelkerzen zu werfen,
um vom fundamentalen Misstrauen der Obrigkeit gegenueber den Menschen
abzulenken.
Die falschen Entscheidungen (ISDN) fuer die naechsten 20-30 Jahre sind
ohnehin schon jetzt nur sehr schwer zu korrigieren, ein solch komplexes
System schreibt man nicht mal eben so auf die Schnelle um.
So fuehrt die Frage nach den Befugnissen des Staates schnell zur Frage nach
dem Bewusstsein und der Verantwortung der Informatiker und Software-
ingenieure. Hier sind die Aussichten gar nicht so finster, gerade
Informatiker wissen oft eher als konventionelle Techniker, auf wessen Seite
sie stehen. Das kann aber eine grundlegende politische Debatte nicht
ersetzen. Ein klares, auch grundgesetzlich verankertes Prinzip der "Achtung
der Privatdaten" koennte die vielen verwirrenden Einzelregelungen zum
Datenschutz ersetzen und vor allem als deutliches Bekenntnis zum Recht des
Individuums auf unerfasstes Denken und Leben Zeichen setzen.
Uli/Ludger ChaosHa(gen)
Uhu@GLOBAL.ZER, Ulrich@BOSKOPP.UUCP
GEDO@GLOBAL.ZER, GEDO@BOSKOPP.UUCP
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