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G10: Mailboxen unter Kontrolle der Geheimdienste
Die Telekommunikationsanbieter sollen zum verlaengerten Arm von Polizei und Geheimdiensten gemacht werden. Mit der Verabschiedung des Poststrukturgesetzes wurden - von der Oeffentlichkeit kaum bemerkt - die Ueberwachungsmoeglichkeiten durch Polizei und Geheimdienste bei Telekommunikationsdiensten erheblich erweitert. Zur Abwehr von drohenden Gefahren fuer die freiheitlich demokratische Grund- ordnung duerfen die Verfassungsschutzbehoerden (VS), der Militaerische Abschirmdienst (MAD) und der Bundesnachrichtendienst (BND) den Tele- kommunikationsverkehr ueberwachen und in beliebiger Form mit beliebigen Medien aufzeichnen und in beliebiger Form mit beliebigen Medien aufzeichnen (1). Dasselbe duerfen jetzt die Strafverfolgungsbehoerden im strafrechtlicher Ermillungen gem. Par. 100 a und 100 b StPO. Bislang durften der Fernmeldeverkehr nur auf Tontraeger aufgenommen werden. Damit sind die rechtlichen Voraussetzungen zur Anwendung jeder beliebigen Speicherungs- und Auswertungstechnik von Sprache und Daten durch die Geheim- dienste und Strafverfolgungsbehoerden geschaffen worden. Diese Techniken sind fuer die effektivere Ueberwachung digitalisierter Netze, insbesondere der Kommunikation im ISDN fuer die Geheimdienste von besonderem Interesse. Bestimmte Ueberwachungsmethoden koennen eine neue Qualitaet erreichen. Bereits 1978 hat der Bundesnachrichtendienst einen bestimmten Prozentsatz des Post- und Fernmeldeverkehrs in die DDR mit folgendem Verfahren ueberwacht (2). Es werden regelmaessig computergesteuert Gespraeche mitgeschnitten, in denen bestimmte Begriffe oder Silben enthalten sind. Diese Auswertungen sind nach einem Urteil des BVerfG von 1985 (3) nur verfassungsmaessig, weil es sich gem. $ 3 G 10 um eine strategische Ueberwachung handele, die Sach- und nicht personenbezogen sei. Die Partner der Gespraeche blieben unbekannt, weil es im Fernsprechverkehr in der Regel technisch nicht moeglich sei, die Gespraechspartner zu identifizieren, wenn sie nicht selbst, was selten genug der Fall sei, sich im Verlauf des Gespraeches ueber ihre Identitaet aeussern (4), so das BVerfG. Im ISDN ist dies vermutlich nicht mehr der Fall, falls die Geheimdienste ihre Ueberwachungsmassnahmen in den Vermittlungstellen durchfuehren. Zumindest sind ueber das Gespraechsende die Vermittlungsdaten rekonstruierbar. Die Gespraechs- partner lassen sich ueber die Verbindungsdaten in den Vermittlungstellen identifizieren. Die strategische Ueberwachung gem. $ 3 G 10 waere im ISDN personenbeziehbar. Mit den neuen Dienstleistungsangeboten wie TEMEX, Mailboxen, Pressedienste, elektronischen Bestellungen usw. auf der einen Seite und der Speicherung der Verbindungsdaten im Netz selbst durch die Post auf der anderen Seite, entstehen fuer automatisierte Ueberwachungsverfahren ganz neue Moeglichkeiten. Zudem muss jeder Telekommunikationsanbieter jetzt fuer die Geheimdienste taetig werden. Auf Anordnung des Innenminsters oder der zustaendigen Laenderbehoerden muessen Telekommunikationsanbieter den Geheimdiensten und Strafverfolgungs- behoerden Auskunft ueber den durchgefuehrten Fernmelde- und Datenverkehr erteilen, Sendungen die ihnen zur Uebermittlung auf Telekommunikationsnetzen anvertraut worden sind, aushaendigen und die Ueberwachung und Aufzeichnung des Telekommunikationsverkehrs ermoeglichen (5). Fuer die Durchfuehrung muss jeder Telekommunikationsanbieter derartiger Mass- nahmen Personal bereithalten, dass nach den Bestimmungen des Gesetzes ueber die Zusammenarbeit des Bundes und der Laender in Angelegenheiten des Verfassungs- schutzes vom Verfassungschutz ueberprueft ist und zum Zugang zu Verschlussachen des jeweiligen Geheimhaltungsgrades ermaechtigt ist (6). Damit muss jeder Telekommunikationsanbieter (z.B. Mailboxbetreiber) dem Verfassungsschutz mindestens eine Person zu nennen, die vom Verfassungsschutz sicherheitsueber- prueft wird und aufgrund dieser Ueberpruefung die Berechtigung zum Zugang zu Verschlussachen hat. Wer derartiges Personal nicht bereitstellt, kann mit einer Geldbusse bis zu 30.000,- DM bestraft werden (7). Jeder Telekommunikations- anbieter ist verpflichtet, dem Verfassungschutz MitarbeiterInnen zu nennen, die dieser im Rahmen einer Sicherheitsueberpruefung ausschnueffeln darf und die fuer die Ueberwachungsmassnahmen der Geheimdienste zur Verfuegung stehen. Bei Anbietern, die Telekommunikationsdienstleistungen alleine oder zu zweit an- bieten, kommt dies einer generellen Sicherheitsueberpruefung von Tele- kommunikationsanbietern durch den Verfassungschutz gleich. Zudem koennen die zustaendigen Stellen natuerlich jederzeit die Ueberwachungsmassnahmen mit eigenen Mitarbeitern durchfuehren. Nach dieser Aenderung des G 10 muss jeder Telekommunikationsanbieter und jeder Nutzer damit rechnen, dass die Geheimdienste auch rueckwirkend sowohl die Herausgabe von Daten ueber Verbindungen, als auch den Inhalt z.B. von elektronischen Faechern in Mailboxen, verlangen koennen. Massgeblich fuer die rueckwirkende Herausgabe, ist der Zeitpunkt der Anordnung. Sie ergeht schrift- lich und ist dem Telekommunikationsanbieter mitzuteilen. Sie sollte sich jeder Betroffene vorlegen lassen. Andernfalls ist weder Herausgabe noch Ueberwachung zulaessig. Weiterhin muss jeder Telekommunikationsanbieter Ueberwachungs- massnahmen fuer die Zukunft bei Vorliegen einer Anordnung dulden. Diese ist auf hoechstens drei Monate befristet und darf jeweils nur um drei Monate ver- laengert werden, falls die Vorraussetzungen der Anordnung fortbestehen. Die vom Gesetz intendierten Ueberwachungsmassnahmen richten sich dabei nicht primaer gegen den Telekommunikationsanbieter, sondern gegen die Nutzer der Telekommunikationsdienste. Der Telekommunikationsanbieter wird im Falle von Ueberwachungsmaanahmen einer besonderen Schweigepflicht unterworfen (8). Teilt er einem anderen die Tatsache der Ueberwachung mit, so kann mit Freiheitstrafe bis zu zwei Jahren bestraft werden. Ein zynischer Wermutstropfen: Die Geheimdienste bezahlen alle Leistungen, die fuer sie im Rahmen von 8 $ 10 Abs.1 G 10. 9 $ 13 G 10. Jochen Riess / Institut fuer Informatios- und Kommunikationsoekologie Uni Bremen/Prof. Kubiczek -------------------------------------------------------------------------- |
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