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EINE DATENBANK-ETHIK

EIN POSITIVES FEMINISTISCHES MODELL

Gravierende Probleme ergeben sich aus Datenbankanwendungen wie Auskunfteien. Es gibt bereits Unternehmen, die gegen Bezahlung ein Dossier zu Ihrer Person anlegen. Über ihre an ein Modem angeschlossenen Computer durchsuchen sie zahlreiche öffentlich zugängliche Datenbanken. In den Volkszählungsunterlagen sind Angaben über das durchschnittliche Jahreseinkommen enthalten. Die Kfz-Zulassungsstelle, Grundbucheintragungen und andere harmlos anmutende Informationen können Rückschlüsse auf Ihre Kreditwürdigkeit zulassen. Es kann also ein umfassendes Bild von Ihrer Person erstellt werden.

Ein beängstigender und wenig beachteter Eingriff in die Privatsphäre ist dadurch gegeben, daß viele Vereine, Unternehmen und Zeitschriften ihre Adressenlisten ohne die Erlaubnis ihrer Mitglieder, Abonnenten oder Kunden verkaufen. Auskunfteien und sogar Behörden können diese Listen erwerben. Welche Zeitschriften Sie lesen, sagt sehr viel über Ihre politische Gesinnung aus. Auch Geschäfte, in denen Sie einkaufen, lassen Rückschlüsse auf Ihre Lebenshaltung zu. Das Finanzamt in den USA kommt mit Hilfe dieses Verfahrens Personen auf die Schliche, die keine Steuern zahlen (Für Personen, die ihr Einkommen zu niedrig ansetzen, wurde diese Methode bisher noch nicht verwendet). Es werden Adressenlisten von eleganten und teuren Zeitschriften gekauft. Mit Hilfe von Computern werden daraufhin die Namen überprüft um festzustellen, ob die angeblich wohlhabenden Abonnenten auch Einkommensteuererklärungen eingereicht haben.

Die Big Brother-Gesellschaft Orwells ist auf unbehagliche Weise näher gerückt. Es gibt leider keine Gesetze, die den Handel mit Informationen regeln. In einigen Branchen, etwa dem Bankbereich, gibt es glücklicherweise Regelungen. Im allgemeinen jedoch darf jeder Informationen kaufen und verkaufen. Es gibt zwar in den USA den Freedom of Information Act, der den Bürgern jedoch nur das Recht einräumt zu erfähren, welche Informationen eine Behörde über sie gespeichert hat. Es wird hingegen keineswegs geregelt, welche Informationen ein Privatunternehmen oder eine Behörde über eine Einzelperson speichern oder verkaufen darf.

Fast jeder kann irgendwelche Schreckensgeschichten berichten, die ihm im Zusammenhang mit gespeicherten Informationen widerfähren sind. Falsche Daten, die sich in eine Datei eingeschlichen haben, können Sie regelrecht verfolgen. Es kann passieren, daß Sie für kreditunwurdig erklärt werden, die Uberweisung einer Kaufhausrechnung verspätet ankommt oder Sie einen bereits bezahlten Strafzettel noch einmal zahlen sollen. Aufgrund der sich aus falschen Informationen ergebenden Probleme unterliegen die Banken gesetzlichen Regelungen. In fast allen Staaten der USA sind Sie befugt, jederzeit Einsicht in die über Sie angelegte Bankakte zu nehmen. Wenn Ihnen ein Kredit verweigert wurde, muß Ihnen die Bank kostenlos eine Kopie Ihrer Akte zustellen, ansonsten müssen Sie hierfür bezahlen. Aber was ist mit all den anderen Akten, die über Sie angelegt wurden?

Ein bescheidener Vorschlag

Ich persönlich plädiere für die Auflage, daß jedes Unternehmen und jede Behörde, die Daten über Sie gespeichert hat, Ihnen jedes Jahr eine Kopie derselben zuschicken muß. Die Daten befinden sich bereits im Computer und können daher ohne großen Aufwand ausgedruckt und Ihnen zur Verfügung gestellt werden. Bei Banken ist dies bereits üblich. In regelmäßigen Abständen erhalten Sie Kontoauszüge, so daß Sie die Korrektheit der Bankabrechnungen nachprüfen können. Warum sollte ein Privatunternehmen, das sein Geld mit Informationen über Sie verdient, nicht dasselbe tun? Die damit verbundenen Belastungen dürfen allerdings nicht den einzelnen Personen aufgebürdet werden. Sie dürfen nicht gezwungen sein, Ihre Zeit und Mühe darauf zu verwenden, bei jedem Unternehmen Ihre Akte anzufordern, das Informationen über Sie gespeichert hat. In diesem Fall würden nur wenige von ihrem Recht Gebrauch machen und Fehler in den Dateien sowie falsche Informationen meistens unentdeckt bleiben (wie würde man überhaupt von der Existenz der gespeicherten Daten erfahren?).

Eine Datenbank-Ethik - ein positives (ferninistisches) Modell

Nachdem ich Sie vor den schlimmsten Folgen des Mißbrauchs von Computer-Datenbanken gewarnt habe, möchte ich eine interessante Möglichkeit aufzeigen, wie eine Datenbank unter Einbeziehung moralischer Gesichtspunkte konzipiert sein kann.

Die Einrichtung von Datennetzen gehört zu den positiven neuen Möglichkeiten, die sich durch die Nutzung von Datenbanken ergeben. 1981 machte ich eine interessante Beobachtung. In den USA gab es zahlreiche Fraueninitiativen, die daran gescheitert waren, daß zu wenig Leute von ihrer Existenz wußten. Ihre Aktivitäten waren dringend notwendig; sie umfaßten die Bereiche Frauenhäuser, Krisenintervention bei Vergewaltigungen, Rechtshilfe für besondere Frauengruppen, zum Beispiel Geschäftsfrauen, alte Frauen und Frauen aus Minderheiten; ferner auch Beiträge zur Frauenkultur, wie Kleinverlage für Frauenbücher und Produktion von Kunst, Musik, Theater und Film von Frauen. Leider fehlte selbst den erfolgreichsten Initiativen das Geld, um sich in der Presse oder im Radio, ganz zu schweigen vom Fernsehen, Werbung leisten zu können. Daher blieben ihre Aktivitäten den Frauen, die sie ansprechen wollten, weitgehend unbekannt. Andererseits hatten Frauen, die Kontakt zu diesen Initiativen suchten, keine Möglichkeit, sie zu finden.

Als Unterstützung für diese Gruppen richtete ich unter dem Namen Ihe National Women's Mailing List (Landesweites Anschriftenverzeichnis für Frauen) eine elektronische Datenbank ein. Dieses vernetzbare Anschriftenverzeichnis sollte als Beispiel für eine elektronische Datenbank dienen, in der Informationen über Personen nach feministischen (moralischen) Prinzipien gespeichert sind.

Ich bezeichne diese Prinzipien nicht deswegen als feministisch, weil sie auf Frauen beschränkt sind, sondern weil sie am eindringlichsten von Frauen artikuliert wurden, die sich als Fenünistinnen mit diesem Thema auseinandergesetzt hatten (zum Beispiel Judy Smith vom Women and Appropiate Technology Network und Corky Bush von der American Association of Universtry Women. Im einzelnen handelt es sich um folgende Prinzipien:

  • Anerkennung der Rechte der Einzelnen
  • Die Beteiligten haben die Kontrolle über das System
  • Die Anwender sind an der Gestaltung des Systems beteiligt
  • Im voraus erkennen, was die Folgen eines Systemausfalls sind. Und dieser Ausfall kommt unvermeidlich!

Das Anschriftenverzeichnis für Frauen

Ich möchte anhand der National Women's Mailing List erklären, was diese Prinzipien in der Praxis bedeuten. Die meisten elektronisch gespeicherten Anschriftenlisten werden einfach dadurch geschaffen, daß Personenverzeichnisse gekauft und in einer Datenbank zusammengefaßt werden. Die Betroffenen wissen nichts davon und werden auch nicht um ihre Zustimmung gebeten. Unser Anschriftenverzeichnis dagegen beruht auf Freiwilligkeit. Um aufgenommen zu werden, müssen Sie ein spezielles Erfassungsformular unterzeichnen, sei es als Einzelperson oder als Frauenorganisation.

Das Erfässungsformular ist in zahlreiche Felder aufgegliedert. Hier können die Teilnehmerinnen Angaben über Alter, Beruf, ethnische Zugehörigkeit, Familienstand machen oder den Zweck ihrer Organisation beschreiben. Jede Frau gibt an, zu welchen Themenbereichen sie Informationen erhalten möchte. Dazu steht ein breites Feld an Frauenthemen zur Auswahl. Jeder Themenbereich im Datenbanksystem ist einem separaten Feld zugeordnet. Das eingeschickte Formular wird als Datensatz in die Datei eingegeben.

Mit Hilfe der Selektionsmöglichkeiten des Datenbankprogramms lassen sich für eine Vielzahl von Frauenorganisationen und Themen kundenspezifische Listen anlegen. Zu diesem Zweck genügt es anzugeben, welche Felder durchsucht werden sollen. Zum Beispiel können wir den Computer anweisen, die 60.000 Datensätze der Hauptdatei durchzusehen und alle Personen anzugeben, die Interesse an Frauenliteratur haben. Feministische Verlage können dann diesem Personenkreis ihre Buchankündigungen zuschicken. Es lassen sich auch mehrere Felder kombinieren. Wir können zum Beispiel diejenigen herausfiltern, die sich für Frauenliteratur interessieren und in Chicago wohnen. Dieser Personenkreis kann dann über Autorenlesungen in Chicagos Frauenbuchhandlungen informiert werden. Wenn ein Buch den Themenkreis ältere Frauen behandelt, lassen sich alle Personen auffinden, die sich für Frauenliteratur interessieren, in Chicago leben und über 50 Jahre alt sind. Handelt es sich um ein Lehrbuch, so könnten alle Pädagoginnen unter diesen Frauen angesprochen werden. Eine Datenbank kann somit die verschiedensten Anforderungen erfüllen, je nachdem, wie die Suchbedingungen definiert wurden.

Die Aufnahme in die National Women's Mailing List ist nicht nur freiwillig, sondern es werden auch die Wünsche der Teilnehmerinnen respektiert. Es können Frauen mit den verschiedensten Interessen in die Datenbank aufgenommen werden. Sie können sicher sein, daß sie nur zu den von ihnen gewählten Themen Informationen erhalten. Eine Frau, die angegeben hat, daß sie sich nur für Fragen der Frauengesundheit interessiert, wird nie in einer Adressenliste auftauchen, in der Personen mit Interesse am Frauensport zusammengefäßt sind. In ihrem Datensatz ist das Feld für Sport freigelassen. Daher ist ausgeschlossen, daß ihr Name auf einer Liste erscheint, die für die Konferenz über FrauenLeichtathletik bestellt wurde. Da der Computer den Anweisungen blind gehorcht, überspringt er ihren Namen, ohne ihn in die Unterdatei aufzunehmen. Unser Computer kommt voll und ganz den Wünschen der einzelnen Teilnehmerinnen entgegen, und diese müssen sich nicht den Vorgaben des Systems unterordnen.

Das Erfassungsformular

Die Verwendbarkeit einer Datenbank hängt einzig davon ab, wieviele Felder für Informationen vorgesehen sind. Unser Erfassungsformular muß daher so umfassend wie möglich sein. Alle wichtigen Interessengebiete, über die Frauen möglicherweise informiert werden möchten, müssen angegeben sein. Zunächst erstellten wir selbst ein Verzeichnis. Doch bald erkannten wir, daß es nicht vollständig war. Um die Lücken zu füllen, fügten wir unter der Überschrift "Weiteres" am Ende jeder Themengruppe einige Freizeilen ein. Die Antworten wurden sorgfältig ausgewertet und unser anfänglicher Entwurf auf diese Weise um mehr als 20 Kategorien erweitert. Durch die Möglichkeit der Beteiligten, Einfluß auf die Gestaltung des Systems zu nehmen, wurden die Anwendungsmöglichkeiten der Datenbank zwn Vorteil aller erweitert.

Mit Hilfe des Computers läßt sich der Aufbau der Datensätze relativ leicht um neue Felder erweitern. Die Altmitglieder haben natürlich Leerstellen anstelle der neuen Felder. Doch vom Zeitpunkt der Neuorganisation an werden für die Zukunft auch die neuen Daten gesammelt. Dieses Verfahren ist nicht mit dem Bild des allwissenden System-Gestalters vereinbar. Doch jedes gute System sollte für zukünftige Veränderungen offen sein.

Es ist uns wohl bewußt, daß wir nicht jedes für Frauen interessante Gebiet erfassen können. Wir erfüllen die Rolle von Informations-Managerinnen oder Datenbank-Bibliothekarinnen. Unsere Aufgabe besteht darin, den Datensatzaufbau im Computer den Bedürfnissen anzupassen. Dieses Verfahren hat den zusätzlichen Vorteil, mit einem "lebenden" System zu arbeiten und auf sich ändernde soziale Bedingungen eingehen zu können. Zum Beispiel war Stop der Atomenergie beim Aufbau des Systems noch kein Thema. Nachdem wiederholt Interesse daran bekundet wurde, haben wir es unter die vorhandenen Interessengebiete aufgenommen.

aus: "Go Stop Go", einem Buch aus dem Orlando Verlag von Deborah Brecher - ein Frauen-Computer Buch. Empfehlenswert!

 

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