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Daten raus - umsonst und sofort

Zwei Stunden lang kommen täglich von 10 bis 12 auf SDR3 interessante Leute zu Wort wie der Hamburger Sexualwissenschaftler Wawerzonnek mit seiner These vom ... multiplen Orgasmus" » Am 4. Juni 1988 waren vom CCC Andy aus Hamburg und Bernd aus Heidelberg zu Gast bei Moderator Stefan Siller. In der zweiten Stunde ging es um social hacking.

M: Andy und Bernd, ihr gehört zum Chaos Computer Club. Dieser Club macht unter anderem dadurch Schlagzeilen, daß er so etwas wie das Eindringen in die NASA-Computer an die Öffentlichkeit bringt. Macht ihr das, um der NASA zu helfen? Paßt mal da auf, daß das nicht wieder passiert?

A: Da gibt es unterschiedliche Motivationen. Einmal gibt es die Motivation des Hackers, der macht das aus Spaß. Es ist natürlich auch ein Machtgefühl, wenn man mit seinem 500 Mark-Heimcomputer im Wohnzimmer sitzt und weiß, in den Staaten steht irgendwo ein Rechner und da ist man jetzt drin, da bewegt man jetzt auf einer Platine ein paar Bits umher. Das ist schon ein Wahnsinnsgefühl. Unsere Motivation, Schwachstellen aufzudecken bringt uns auch Probleme. Uns wird auch vorgeworfen, die Trüffelschweine der Software-Industrie zu sein, unter dem Motto: Wir nutzen unser Wissen aus, um die Welt dicht zu machen. Da müssen wird differenzieren: Wir wollen jetzt nicht irgendwie die totale Zugangskontrolle. Wir setzen einen ganz klaren Unterschied zwischen den Datenbereichen zum Beispiel des Militärs, die wie wir meinen, geschützt sein müssen. Auf der anderen Seite gibt es die Datenbanken, die für jedermann zugänglich sein sollten. Da fordern wir weltweiten freien Informationsfluß.

M: Zu weichen Datenbanken zum Beispiel?

A: Da gibt es viel Forschung, zum Beispiel Bioforschung.

M: Von privaten Firmen?

A: Von privaten Firmen, aber nicht nur. Auch von staatlicher Seite.

M: Die sagen natürlich: Wir stecken unser Geld da rein, das ist unsres.

A: Für die staatliche Seite haben wir das so formuliert: Wir fordern die maschinenlesbare Regierung. Mit Hilfe der Computer und der Netzwerke ist so was einfach möglich. Dadurch ist es möglich, Daten transparent zu machen. Diese Technologie existiert dazu. Es ist nur die Frage, wie sie eingesetzt wird.

B: In dieser Beziehung sind die Bundesrepublik oder große Teile von Europa wirklich noch Entwicklungsland. Seit 1974 gibt es in Amerika das "Freedom of Information Act", das jeder Person in den USA erlaubt, Daten, die von der Öffentlichkeit in Regierungsstellen fließen, auch wieder abzufordern. Das beinhaltet Volkszählungsdaten, das beinhaltet aber auch Observationen. In den USA ist es sogar so, daß wenn man observiert wird und es mitbekommt, wie das bei der Joan Baez mal der Fall war, daß sie ihr gesamtes Dossier auf Grund des Freedom of Information Act" vom CIA zurückfordern konnte und daß ein Recht auf Einsicht in Umweltakten besteht. Es wird ja auch hier in der Bundesrepublik registriert, welche Firmen welche Stoffe wo einleiten und mit welcher Berechtigung. Diese Daten werden uns vorenthalten. Und der Ansatz, der jetzt mittlerweile auch von den Grünen und von der SPD gefordert wird, ist ein guter Ansatz, nämlich Einsicht in die Umweltakten. Es ist ja ganz klar: Handeln tut man auf Grund von Informationen; wer keine Informationen über die Welt hat, ist nicht in der Lage, in dieser Welt richtig zu agieren. Insofern ist es in einer Demokratie unumgänglich, daß alle Daten, die von der Regierung produziert oder von der Regierung gesammelt werden, der Öffentlichkeit auch wieder zugänglich gemacht werden.

M: Aber das ist ein sehr zweischneidiges Schwert. Bei manchen Daten kann ich mir vorstellen, daß es sinnvoll ist, wenn die Öffentlichkeit, wenn jeder Zugang zu diesen Daten hat. Bei anderen würde ich doch sehr den Datenschutz in den Vordergrund stellen.

A: Das sagen wir ja auch vollkommen klar. Wir fordern ja auch überhaupt nicht, daß zum Beispiel der militärische Abschirmdienst alle Daten, die er hat, auf den Tisch legt.

M: Meine persönlichen Daten sind ja auch was weiß ich überall gespeichert - bis zur Krankenkasse. Da will ich doch nicht, daß irgend jemand, der zufällig in dieses System rein kommt, erfährt, wann ich an welcher Krankheit gelitten habe. . .

A: Richtig, das ist vollkommen verständlich. Da setzen wir uns auch gar nicht dafür ein, daß diese Daten nun jeder bekommt. Aber im Moment ist es so, daß eigentlich alles gesichert wird- und das auch mehr schlecht als recht- und das ist, meinen wir, nicht der richtige Weg.

B: Man kann es ganz einfach definieren: Die Daten, die die Öffentlichkeit betreffen, müssen auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Wenn jetzt jemand sagt, er muß eine neue Umgehungsstraße bauen aus den und den Gründen, weil sich das zum Beispiel aus der Volkszählung ergibt, dann muß es doch auch möglich sein, daß diese Daten, auf Grund derer Regierungsentscheidungen getroffen werden, nachprüfbar sind. Diese Nachprüfbarkeit ist ein wesentliches Element der Demokratie und unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung, daß Regierungsentscheidungen kontrollierbar sein müssen.

M: Aber das ist ja jetzt nichts, was sich jetzt erst durch das Computerzeitalter ergeben hätte. Man könnte die Regierung ja auch dazu verpflichten, das in irgendeinem Buch zu veröffentlichen, ansonsten steht jeder ohne einen Computer außen vor.

A: Das ist richtig, aber die Entwicklung weist ja in Richtung elektronische Medien. Zum Beispiel: Die Bundesregierung ist auch Anbieterin im BTX-System. Und was sie da an Informationen bietet, ist - ich sag jetzt mal meine Meinung -eine Frechheit. Da kommt eigentlich nichts rüber, obwohl im Bildschirmtext die Möglichkeit besteht, daß jeder Bürger, der an dieses Bildschirmtextsystem angeschlossen ist, Informationen über irgendwelche Verhandlungen bekommt. Die technischen Voraussetzungen sind da und manchmal nicht da. Insofern ist es schon verständlich, aber auf Papiermedium ist das alles kompliziert und vor allem teuer. Aber auf den elektronischen Medien ist das sehr einfach, sehr billig und es könnte eingesetzt werden.

M: Aber nicht demokratisch, weil nicht jeder so ein Ding hat.

B: Da wollt ich grad noch mal drauf eingehen. Wir sind daran gewöhnt, daß es überall diese kleinen gelben Häuschen gibt, in denen man telefonieren kann. Wieso ist es so unvorstellbar, daß es gelbe Häuschen mit einem Computer drin gibt, wo man seine 5 Mark oder wieviel auch immer rein wirft, und dann die Möglichkeit hat, auf die Daten zuzugreifen. Man muß ja den Computer nicht selbst besitzen.

A: Das wollen wir an dieser Stelle auch mal klarstellen: Wir sind für eine Verkabelung der Weit. Aber über das Wie und Warum müssen wir uns noch mal unterhalten.

M: Ihr habt eben gesagt, wir fordern die Verkabelung der Welt. Unabhängig davon, ob ihr das fordert, wird es dazu kommen - der Weg dort hin ist wohl vorgegeben. Aber das eröffnet ja nun auch vielen unangenehmen Begleiterscheinungen Tor und Tür, wie zum Beispiel Wirtschaftskriminalität. Auf 15 Milliarden schätzt man jetzt schon den jährlichen Schaden. Und je mehr Leute sich ins Kabel hängen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß manipuliert wird. Wir haben von dem Börsenmakler bei VW gehört, das ist ja auch über den Computer gelaufen. Läßt sich so was nicht verhindern, wenn die Sicherungen mal so gut werden, daß so was nicht mehr passiert?

B: Dies ist meiner Meinung nach einfach unwahrscheinlich, weil die Systeme von Menschen konzipiert werden, von Menschen betrieben werden und damit ganz einfach vom Prinzip her nicht sicher gemacht werden können. Das ist aber auch gar nicht so sehr der Ansatzpunkt. Wenn wir, wie Andy vorhin, von der Verkabelung der Welt reden, meinen wir damit nicht so sehr, daß sich alle Wirtschaftsunternehmen verkabeln, sondern wir haben eine ganz andere Perspektive, daß nämlich die Linken, sage ich jetzt mal so generell, sich eher technikfeindlich verhalten und es nicht begreifen, daß Computer für sie ein Medium sein können, das sie sehr sinnvoll einsetzen können. Um mal einen Begriff von Robert Jungk zu benutzen: Wir sind im Chaos Computer Club eine Zukunftswerkstatt. Wir denken über die Zukunft nach, über dag, was man machen kann, um die Zukunft lobenswert zu gestalten. Und mittlerweile - zum Glück, kann man da sagen - begreifen auch die Bürgerinitiativen, daß sie Computer einsetzen können für ihre eigenen Zwecke. Es gibt heute beispielsweise schon computer-überwachte Atomanlagen, wo die Bürgerinitiativen Meßgeräte aufbauen, die Daten sammeln und dann über Computer weitergeben. Und die Idee, die jetzt in München geboren wurde, ist, daß man alle Bürgerinitiativen, die sich mit Umweltschutz beschäftigen, miteinander vernetzt. Dazu muß man sagen: so positiv dieser Ansatz eigentlich ist, so verkennt er doch, was ein Computernetzwerk ist. Der Computer im Netzwerk ist ein Strukturverstärker, so will ich das mal nennen. Das heißt, er verstärkt eigentlich nur vorhandene Sozialstrukturen. Wenn Leute, die in ganz verschiedenen Städten sitzen, schon so nicht miteinander auskommen und nicht miteinander reden können, dann werden sie das mit dem Computer noch viel weniger können und es wird in die Katastrophe führen. Insofern muß, bevor da ein gut funktionierendes und effizientes Computernetz installiert wer den kann, zuerst die notwendige Sozialstruktur geschaffen werden, damit die Leute dann auch in der Lage sind, den Computer sinnvoll zu nutzen. Das ist überhaupt ein generelles Problem, daß meiner Meinung nach in der Gesellschaft mit dem Computer so viel falsch läuft, weil der Computer sozusagen vorhandene Strukturen bei uns in der Gesellschaft verstärkt und - das muß man schon so sagen - das sind nicht immer sehr glückliche Strukturen. Wenn es darum geht, viel Geld zu verdienen und diese Strukturen der Gesellschaft da ist, dann verstärkt das der Computer und provoziert natürlich so was wie Computerkriminalität.

M: Im Moment noch kein sehr demokratisches Instrument, der Computer.

A: Ein Computer ist weder demokratisch noch undemokratisch. . .

M: Die Anwendung des Computers fördert im Moment noch nicht die Demokratie.

A: Ich will jetzt nicht anfangen, von der Regierung zu reden, aber was da eingesetzt wird bezogen auf die Offenheit gegenüber den Bürgern, kann man so sehen.

B: Die Struktur ist nicht dafür geeignet, daß der Computer wirklich demokratisch förderlich wäre. Es geht also zuerst darum, das Vorfeld zu bereiten, damit Computer für diese grundsätzlich demokratische Aufgabe genutzt werden können.

M: Du hast eben konkrete Projekte angesprochen, die jetzt unter den sogenannten Linken laufen, bei Umweltschutzverbänden. Versteht sich euer Blättchen, die Datenschleuder, auch als Medium für diese Projekte?

B: Es heißt ja, die Datenschleuder ist das wissenschaftliche Fachblatt für Datenreisende. Und in dem Sinne verstehen wir uns als Wissenschaftler. Wissenschaftler wird man nicht dadurch, daß man an irgendeiner Universität Irgendeinen Abschluß macht, sondern Wissenschaftler ist der, der sich kompetent zu Sachen äußern kann. Dieses Wissen wollen wir sinnvoll einbringen und dazu benutzen wir verschiedene Medien. Das ist zum einen die Datenschleuder, die erscheint unregelmäßig. . .

A:...in Papierform. Das ist auch wichtig. Leute, die da nicht irgendwie mit ihrem Computer was machen, denen das auch zugänglich zu machen. Die Datenschleuder versteht sich auch nicht so sehr als Fachblatt in dem Sinne, daß da die neusten technischen Dödelfezzen ausgetauscht werden, sondern als Informationsblatt über - na sagen wir mal - den Stand der Entwicklung oder so.

B: Dann gibt es noch zusammenfassend die Hackerbibel - die erste Bibel mit Fortsetzung, der zweite Teil wird voraussichtlich zur Buchmesse verfügbar sein -, das ist eine Zusammenfassung von dem, was wir machen. Das ist nicht so sehr die Zukunftsperspektive, sondern "state of the art", darzustellen, wie weit wir im Moment sind.

(Und dann war die Sendezeit leider um...
Für die Hackerbibel Teil 2 wurde obiges, leicht redigiertes Gesprächsprotokoll angefertigt)
 

 

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