Datenschleuderer unter sich
Die 1. Hacker-Tagung in Hamburg
Bericht von Werner Pieper
"Information
- where can I get some? Information - that's what I need some
Give me a little Information... If only I could find a way...
what I need is a lead, but I don't know where to start... Information "
Dave Edmunds, Information
Ich laufe durchs winterliche Eidelstedt. Eben bin ich mit dem Nachtzug
angekommen. Nun suche ich das Bürgerhaus. Dort findet die erste Tagung
des Chaos Computer Club statt, der Computer Hacker Verschwörung. Dave
Edmunds "Information" hallt mit maximaler Lautstärke vom Walkman in
meine grauen Zellen. Aufwachen! Bürgerhaus! Treten Sie ein.
Das Tagungshaus hat äußerlich den Charme eines Behördenhauses der DDR
aus den Fünfzigern. Gerade freue ich mich über das Erfolgserlebnis,
den Eingang hinten gefunden zu gaben, schon stürzt ein Knabe mit
fanatischen Augen und einem Detektor auf mich zu. "Fotoapparat?
Waffen?". Der Piepser piepst wie verrückt. Aber eine Körper-und
Taschenkontrolle fördert nichts Unerlaubtes zu Tage. OK. Eine Karte
bitte (Eintritt für zwei Tage 30 DM, für Mitglieder 20 DM, für Frauen
10 DM, für die Presse 50 DM). Glücklicherweise habe ich die
Ankündigungen genau gelesen und ein gefordertes Paßbild dabei. Das
wird in den Ansteckausweis geklebt, auf dem auch dein Name (muß ja
nicht der richtige sein) und deine Spezialgebiete eingetragen werden.
PC? Funk! BTX? Engl.? Mein Vorsatz hellwach zu werden wird durch die
bequemen Sessel im Archiv und Kopierraum zunichte gemacht. Ich bin
pünktlich. Aber ein Dutzend anderer waren pünktlicher- sie haben schon
eine Nacht durchgemacht. Für nicht wenige ist dies die erste von drei
Nächten ohne nennenswerten Schlaf.
Ueberall stehen elektronische Versuchungen herum: mehrere
Videomaschinen kopieren ("Dr. Wau's gesammelte Auftritte in ARD u.
ZDF" u.a.), der fürs Wochenende zur Verfügung gestellte Fotokopierer
kommt überhaupt nie zur Ruhe und im Computerraum unten geht man mit
den Bits nicht zimperlich um. Nix von wegen "Bitte ein Bit!". Hier
gehts um Megabites, so scheint mir.
Die Tagung findet in mehreren Räumen in zwei Stockwerken statt. Die
Hauskommunikation erfolgt mit Hilfe von Feuerwehrtelefonen zum
Kurbeln. Der Besucherstrom setzt ein. Viele Leute suchen einen Platz
für ihren Schlafsack. Ob sie ihn wirklich brauchen werden? Frühe
Ausgaben der DATENSCHLEUDER, dem Vereinsorgan des CCC werden verlangt
und müssen kopiert werden. Die DATENSCHLEUDER ist meist bald
vergriffen. Chaos Aufkleber? Abhoeraufkleber? "With Chaos you can't go
wrong!" Chaos Paraphernalia.
Ich setz mich ins Archiv und blätter in herumliegenden Papieren.
"Security of Sensitive Areas in working hours - The new philosophy." -
"Proof of Identitiy - A review". Infos des Bundesministers des Innern.
"Innere Sicherheit" auf Graupapier, 100 % schonend. Immer mehr Jungs
schauen herein. Eigentlich nur Jungs. Auch in den kommenden zwei Tagen
wird es kaum Frauen geben hier. Hacken ist eine Männerdomäne. Die
einzigen Frauen, die auftauchen werden sind die Fernsehassistentinnen.
So gesehen ist das ganze recht un-sexy. Andererseits ist es ein
Vergnügen, so viele pickelige unattraktive Jünglinge, so gut drauf zu
erleben. Die Jungs wissen, daß sie ein Ding gefunden haben, das
spannender ist als Disco. "Nix No Future"!: Hier sind die lustigen
Hackerbuam. Alle auf einem Haufen . Das ist was anderes als die
endlosen Nächte daheim vor dem einsamen Terminal, die man ihnen jedoch
ansieht. Etliche blasse Gesichter führen Selbstgespräche.
Stimmengewirr reißt mich aus meinen Pauschalbeobachtungen. Zumal, was
soll ich klagen, hab ich mir doch ein 20 DM-Zimmer auf der Reeperbahn
gemietet wo meine Provinzleraugen genug von der andern Seite der
menschlichen Medaille sehen. "In den WDR Computer bin ich leicht
reingekommen!"« - "Echt?!". Im Hauscafe wird schon heftig
gefachsimpelt. Drei bayrische Junghacker versuchen ihre
selbstgebastelte Hackerzeitung zu verkaufen. Was für ein
Erfolgserlebnis für sie, als ich eine erstehe. Sie haben nur ein paar
Stunden Zeit und müssen dann wieder nach München. Ob die Eltern das
ahnen? Aber vielleicht waren die damals ebenso pfiffig um mal in den
Starclub zu kommen. Ich bin in einem Haufen Mutanten gelandet. Alle
reden und ich verstehe Bahnhof.
Im Computer-Raum flimmern die Bildschirme. Unerklärliche
Zahlenkolonnen auf laufendem Meter. Vor jedem der 20 Monitore
sitzt/steht eine Traube Neu-Gieriger. Jungs tauschen Disketten wie
ihre Vorväter Briefmarken. Der heutige Vorteil: die Schätze lassen
sich kopieren.
Das erzählte mir auch ein Segeltuchmacher im Hafen. "Was, bei den
Hackern sind Sie? Das sind doch die Piraten von heute. Sie kapern
fremde Schiffe und rauben die Schätze. Nur friedlicher als früher."«
Vor einiger Zeit war ich auf einer europäischen Fachmesse für
technische Kommunikation. Dort gab es 180 Vorträge in zwei Tagen und
genausoviel Fachchinesisch wie hier. Aber was für Unterschiede. Dort
war alles gezwungen, nur Krawattenträger und Graurökke, Wichtigtuer
und Blasierte. Hier ist Leben.
"Da hängt einer am BTX, soll ich ihn rausschmeißen?" ruft jemand aus der
Kommandozentrale. Gefragt wird Wau. Wau sagt: "Jau!". Wau hatte dereinst die
Chaos-Vision, und die Wirklichkeit hat ihn einfach positiv überrumpelt. Er ist
Veranstalter, Hauptredner, Ansprechperson für die Presse wie Provinzhacker.
Er hat ja auch erst letzthin den Coup mit den 130000 DM gelandet. Er kann es
sich leisten, schmunzelnd eine Essenseinladung von dem Schwarz-Schilling aus-
zuschlagen. Er sieht verwegen aus. Gerade wie ein Piratenkäpt'n. Er erzählt im
Vortragsraum was über Mailboxen. Ich muß mich erst langsam an die Sprache
gewöhnen: An Sternchen verdient nur die Post . . . es muß so einfach wie Flip-
pern sein ... Incom Mail Box ist OK. . .Andere haben zu komplizierte Befehls
sprachen ... Mailboxen stürzen noch ab ... Mail Box ist zeilenorientiert ...
BTX seitenorientiert .. . Dann stürzt Wau mitten im Satz selber ab. Moment,
ich bin kurz draußen. Kein Wunder, schon eine Nacht durchgemacht, und
der Streß nimmt zu. Die Multi User Box ist ein Ziel, aber finanziell nicht
erreichbar. Zur Telebox will ich nicht viel sagen, die spricht gegen sich selbst. . . .
Mit Löschbefehlen wie "Lall"streut man den Leuten doch Scheiße ins Hirn . - -
Unterliegen Hausklingeln der Genehmigungspflicht? Auch eine Türklingel
bedeutet einen "raurmüberschreitenden Datenverkehr". Warum sollen dann Mo-
dems aus selbstgebastelten Gummistöpseln anmeldepflichtig sein? Die
Posthoheit sollte an der Steckdose enden! Apotheker benutzen unangemeldete
Modems. Bei legalen Problemen muß einfach jeder selber wissen, wie eng er
das sehen will! Und wenn ungebetener Besuch von der Post kommt so sagen
sie ihm durch den Briefschlitz der Tuer :
"Rufen Sie mich doch bitte vorher an." - Auch ein Postler braucht einen
Hausdurchsuchungsbefehl. Das ist ihr Problem.- Die eine Seite, die Post, versteht
nichts, aber dürfte, die andere Seite - die Polizei, versteht, aber
darf nicht. Postlerwitze sind gut, und Wau's Humor kommt allemal rüber. Auf
die gute englische Art. Ein Hacker macht einen Fehler nur einmal versehentlich - fort
an mit Absicht. Man dankt ihm mit sattem Applaus, und er gibt noch einen
guten Tip für Telefonfreaks: Die Bundespost hat Hefte und Bücher zum Thema
Telefon. Da steht alles drin, um ein Telefonsystem zu verstehen. Und wenn man
es versteht kann man damit arbeiten.
Vor allem, was zwischen den Zeilen steht, ist das Geld wert. Jaja, hier haben
oft die dümmsten Sätze die tiefste Bedeutung. Aber manchmal auch nicht.
Im Zoo ist ein Delphinbaby gestorben. Ich mache einen Reeperbahnbummel,
esse und laufe gegen Mitternacht wieder im Tagungszentrum ein. Da
sitzen 20 Hardcore Hacker und hacken. "Hands on"
heißt die Devise und mit normalem Sprachdeutsch kommt man hier kaum
mehr klar. Bei uns fängt die Intelligenz schon vor der Tastatur an!
Alle Maschinen volle Kraft voraus. Nachts wird man weniger gestört und
die Telefoneinheiten geben mehr her fürs Geld. Ich gehe schlafen.
Ein neuer Tag, aber die Szene scheint schon altvertraut. In der
vergangenen Nacht hat man mit Hilfe von zwei Amerikanern eine BTX
Konferenz mit dem Greens Network in New York abgehalten. Alles
klappte, nur mit der Verbindung der Deutschen Bundespost ist man mehr
als unzufrieden. Zitat: Wär Schwarz-Schilling hier gewesen, wir
hätten ihn geteert und gefedert. Der Kopierraum ist inzwischen so
überlaufen, daß man ihn kurzerhand absperrt. Only five at a time. 15
000 Blatt Papier waren gespendet worden - wo sind sie geblieben?
Der Türsteher mit dem Piepser hat inzwischen zwar keine Schußwaffen,
so aber doch Sprays bei potentiellen Saboteuren gefunden. Paranoia?
Immerhin kann man heute in der BILD lesen, gestern seien 1000 Hacker
dagewesen. Mehr als die Hälfte hatte wohl Tarnkappen auf. Warum haben
die Kollegen vom Revolverblatt so übertrieben. Wer hat der dpa die
Meldung übermittelt, die Chaos Chaoten seien über Nacht in eine
Frankfurter Bank eingestiegen und hätten sie elektronisch um ein paar
Hunderttausende erleichtert? Gerüchte schwirren, wie es sich für eine
zünftige Verschwörerversammlung gehört. Inzwischen ist reichlich
Presse anwesend und die will wissen "Wann kriegen wir was für unser
Geld, Wau?" Und Wau erzählt ...
Das Telefonsystem ist das Beste. 150 nationale Anstalten, aber alles
ist weltweit korrekt genormt ... Verkabelung = Kontrolle. Keine
Schwarzseher mehr, im Gegensatz zum Satelliten. Satelliten sind auch
billiger. Einem Bekannten ist es schon geglückt mit einem mit
Silberfolie ausgeschlagenen Regenschirm auf Empfang zu gehen und ein
durchaus respektables Bild zu erzielen. .. . Die Bibliothek der
Oberpostdirektion, da gibt es alle Informationen ... Kostenlos
telefonieren? Black Box .. . ein hochohmiges Herangehen ans Telefon
... Klingeln kostet kein Geld . . . Liste der passenden ausländischen
Münzen, die in deutsche Schlitze passen ... Die Post spart zu unseren
Lasten: die Auskunft ist immer besetzt. Einfach eine Vorwahl anwählen,
dann hat man einen besseren Platz auf der Warteliste ... Ein Zugriff
auf die Telefonnetze der Bundesbahn, der Polizei, der Besatzer? Sehr
schwer ... Hier gibt es keine Kochbuchrezepte sondern nur Strukturen
... viele Postler basteln sich private Schlupflöcher. Was wir brauchen
sind die Berichte der amtlichen Schlupflochsucher . .. Gabelwähler
(tack tack lack) können sich kostenlos selbst anrufen, wenn sie zwei
Anschlüsse haben. Sie wählen sich über London - New York - S.F. -
Tokio - Dehli - Moskau selber an. Hallo? Bin ich es selber?'. . . Wer
telefoniert da aus öffentlichen Zellen mit Hilfe eines Gasanzünders,
der den richtigen Funken rüberbringt, der wiederum durch elektrischen
Impuls gekitzelt deinen Kontostand zum Wachsen bringt? Wie vom Blitz
getroffen. Man weiß halt vorher nicht unbedingt, ob nun die Maschine
kaputt geht . . . wenn Du daheim nicht angemeldete anmeldepflichtige
Geräte an deine Telefonanlage anhängst, so kann die Post das eventuell
aufspüren. Sie hat ein elektronisches System (EWS), das das kann .
Gegen Abhören gibt es keinen Schutz . Echte Lauscher wissen, welche
Leitung in Relaiskästen, die an allen Straßenecken stehen, für die
Techniker immer frei ist. Kasten aufmachen, reinzapfen und schon hat
dein Gespräch nicht nur Priorität, sondern kostet auch nichts. Man
achte auf die letzte römische Zahl . . Wau's Partner Steffen ist
inzwischen auch im Informationsrennen. Die beiden werden permanent
angewählt und rücksichtslos saugen sich TV wie Hacker Infos aus ihnen
heraus.
Welche Droge wird denn hier genornmen? Eindeutig: Kaffee, das gute
alte braune Pulver. In der Tat sehe ich während der ganzen Tagung
keine Line, keine Pille, nix Dope. Und Alkohol und Monitor vertragen
sich allemal nicht so gut. Steffen mag ein Genie an den Tasten sein,
aber als er kurz ein Baby halten soll (original menschlich), da will
er passen "Das hab ich noch nie gemacht!". Das ist ein Kapitel für
sich: Hacken und Privatleben.
Computer versprechen einen Quell des Utopischen. Aber alles was sie
erzeugen ist eine Flut von Informationen. MYTHINFORMATION
(Mischung aus Mißinformation und Mythos): ist eine fast religiöse
Überzeugung, daß ein weit verzweigtes Computer- und
Informationssystem im Verbund mit elektronischer Datenverarbeitung
etc. automatisch eine bessere Welt für die Menschheit bringe. Dem
ist wohl nicht so. Erzählt ein Computerfreak:
Seit 5 Jahren arbeite ich mit Computern, seit zwei Jahren besitze
ich einen. Meine mentalen Gewohnheiten haben sich verändert. Ich
bemerke drei dominierende Veränderungen: Ich arbeite schneller,
aber habe das Gefühl keine Kontrolle über meine Zeit zu haben. Ich
spiele mit neuen Typen kreativer Maschinen, habe aber keine Ahnung
wie ich sie beurteilen soll. Ich arbeite effektiver und spare
Zeit, verplemper sie aber wieder beim Durchforsten von unbezwingbaren
Bergen von Druckinformationen über Computer und die Computerindustrie.
"Und wie ist das mit den sozialen Bezügen? Warum sind so viele
Computerfreaks Jungegesellen, bzw. werden welche? Computer rein,
Frau raus?"
Ein Paradebeispiel schildert Art Kleiner,
Mitarbeiter der Whole Earth Review'. Seine Freundin sah keinen
besseren Weg mehr, als ihm eine Botschaft von einem Terminal einer
Freundin auf seinen Monitor zu plazieren. Sie sorgte sich um ihn, da
er nur noch wie besessen vor seinen Maschinchen hockte. Ein paar Wo
chen später brach die Beziehung auseinander.
Dana aus Amerika. "Ich repräsentiere eine kleine internationale
Delegation. Speziell: das nordamerikanische Grünen Netzwerk. - Er wird
von Zwischenrufern unterbrochen, die sich über die TV Kameras
aufregen. Nur ruhig Blut Jungs, dies ist eine Pressekonferenz, auch
wenn es kaum den Anschein hat. Die Halle ist gefüllt und die Presse
traut sich nicht Fragen zu stellen. Also weiter, Dana erzählt von der
Zeitschrift OVERTHROW, die er herausgibt. Ein anarchistisches
Yippieblatt würde ich sagen
(jaja, auch ich bekomme es regelmäßig zugeschickt). Dana erzählt von
den verschiedenen grünen' Strömungen in Amerika. Und von der Post, die
dort immer gerade die wichtigen Briefe zu verlieren scheint. Gerade
deshalb ist ein Medium von Nöten, mit dem man sich über große
Entfernungen direkt unterhalten kann. "Transmission of Information for
the alternativ press" und das am liebsten weltweit. Computer
Konferenzen sind die Lösung, sagt Dana. "Hat die Presse Fragen?" Nur
ein Zehnjähriger meldet sich schüchtern. Wau unterstützt ihn, denn
"schließlich sei er von einer Schülerzeitschrift und damit Presse".
Naja, wenn die großen Brüder keine Fragen haben. "Was machen sie
denn für Aktionen?" will er wissen. "Wir versuchen die Hacker mit
politischen Leuten zusammen zu bringen. Außerdem unterstützen wir
Aktionen wie "Stop the city". In London z. B. hat man große Teile der
Stadt einfach durch passive Aktionen lahmgelegt. " "Man sollte den
Hackern Orden verleihen, denn sie schöpfen doch die Möglichkeiten
einer neuen Technologie voll aus und eröffnen sie dadurch für andere."
Dana erzählt noch etwas vom amerikanischen SDS, daß Terroristen halt
Banken im Vergleich mit Hackern sehr gewaltsam geknackt haben, daß das
Establishment doch immer Führer von Gegenbewegungen aufkauft, man aber
keine ganze Bewegung aufkaufen kann etc. etc. Ist's die schlechte
Luft, das Überangebot von Informationen, meine Müdigkeit oder redet er
langweilig? Irgendwie drängt es mich zum Kaffee.
In der Cafeteria sitzt Wau mit einem Journalisten der nun wissen will,
was für Gefahren auf den normalen Commodore Jüngling warten, der der
Maschine verfällt, sei es nun beim Hacken oder bei Videospielen. Er
schlürft seinen Kaffee während er erschreckt anhören muß, daß es sich
da um Drogen handelt. "Es wirkt wie Heroin!", schallts vom Neben
tisch. O-Ton Wau: "Dies ist eine neue Droge und diese Droge ist legal.
Wenn du allerdings keine gesunde soziale Umwelt hast, kann es durchaus
sein, daß du plötzlich in eine Illusionswelt gerätst. Aber in die
kommst du auch, wenn du dir täglich die Tagesschau ansiehst. "
Wau: "Das Verlängern einer Telefonleitung ist genauso einfach wie das
Auswechseln einer Glühbirne ... Da muß ein Gesetz geändert werden! Die
Post weiß doch selber, daß es geändert werden muß. Wenn man mit denen
spricht, sagen die einem "So schätzungsweise 1987 sind wir so weit."
Wir sind halt schon etwas vor der Zeit. Wir zeigen, was man mit dem
heutigen System machen kann, obwohl es noch garnicht dafür gedacht
ist."
Hier haben sich doch eine Menge Menschen zu Gesprächen getroffen. Es
wurden eine Menge von Erfahrungen ausgetauscht, was nur geht, wenn man
sich direkt kennenlernt. Das ist immernoch die effektivste Form der
Kommunikation. Alle Sachen wie Telekommunikation sind zwar praktisch,
billig und helfen Entfernungen zu überbrücken, aber sind letztlich nur
Hilfsmittel. Das direkte Treffen ist doch das Interessante.
"Hamburg calling! New York, wo bist du?" Unser amerikanischer
Entwicklungshelfer führt uns in die Geheimnisse des Datex Systems ein.
Nun, in New York ist es morgens um 8, und da mag niemand wegen so ein
paar elektronischer Fastanalphabeten im alten Kontinent aufstehen.
Washington? Wir rufen das Delphy Netz. Das Passwort bitte. Wo ist Wau?
"Der Mensch ist das Problem, " meint Robert. "Die Bundespost hat uns
schon wieder rausgeschmissen! Sauerei. " Für den Laien ist es eine
Freude, neue Medien in ihren Kinderschuhen erleben zu dürfen. Endlich
sind wir angestöpselt. New York ist wach - aber wieder weg. Shit!
Robert erklärt uns die Vorzüge einer solchen Diskussion via Schrift
auf Monitor gegenüber Telefonsatellitenkonferenzen. Das
Telefon sei persönlicher, emotionaler. Da würde bei politischen
Diskussionen zuviel gebrabbelt. Beim Datex weiß man nicht, mit wem man
zu tun hat. Man weiß weder Alter, Farbe und Geschlecht, es ist
demokratischer.
Nun Robert, da bin ich nicht deiner Meinung, wir hatten letzthin eine
wunderbare Telefon-Satelliten-Konferenz mit 50 Teilnehmergruppen aus
allen Kontinenten und alle zeigten eine bewundernswerte Rededisziplin,
aber es war auch keine politische Diskussion , sondern eine "Marry the
world" Konferenz, aber das ist eine lange Geschichte für sich.
(dokumentiert als TRANSMITTER Cassette, 17,80 DM c/o Transmitter, 6941
Löhrbch, Alte Schmiede.
Inzwischen hat man genug über den Bundesgilb, die Post geschimpft und
ein Kontakt mit NAGMAN ist hergestellt (Nagman = North American Green
Man). , What do you want to do?" fragt der Monitor? Zur Konferenz!
Robert sucht für uns Delphy, aber es meldet sich ein "Glum". Glum
verschwinde! Squelch him off. Nagman, who is Glum? Glum ist Delphy?
Oh, wie peinlich. Glum wo bist du, da wir dich brauchen? Wir finden
Santa Claus on Cray 1. Es findet so langsam eine wirkliche Konferenz
statt. Boston meldet Schnee. Man tändelt herum, wenn auch weltweit.
Ich finds nicht so spannend, wenn ich auch die potentiellen
Möglichkeiten des Systems akzeptiere. Schnell noch einen Kaffee vor
der Abschlußkundgebung.
Wau: "Guten Tag, hier ist die City Bank Frankfurt, Sie sind in unserm
Rechner drin, bitte gehen Sie sofort raus, sonst rufen wir die
Polizei." Was war? Irgendjemand hat der dpa oder der BILD zugespielt,
man habe vom Kongress aus die City Bank geknackt', Sagt Wau: "Es ist
doch klar, daß alle Leitungen hier überwacht werden, wer das
bestreitet ist doch einfach naiv. Wir haben die City Bank angerufen,
und von ihnen kam mit Sicherheit kein solcher Anruf. Das sei nicht ihr
Stil sowas zu machen. Es ist auch nicht unser Stil, so etwas zu
machen. Wenn jemand daheim mit seiner Kiste irgendetwas macht, um
Telefongebühren zu sparen, ist
das juristisch gesehen Betrug. Wenn jemand unangemeldet etwas an sein
Telefon klemmt, ist das juristisch gesehen ein Verstoß gegen das
Fernmeldegesetz. Wenn einer bei Rot über die Ampel rennt, wenn einer
falsch parkt, .. . " Frage: Was passiert denn, wenn man sein
Telefonkabel verlängert o.ä. macht? Habt ihr da Erfahrung?" Holger:
"Einzug der Geräte." - Wau: "Die Post weiß genau, daß sie mit ihrem
Monopol auf einem verlorenen Posten steht. Sie hat für 1987 auch so
etwas in der Planung, ihre Rechtshoheit an der Anschlußdose enden zu
lassen. Man muß sich doch mal überlegen: Dateninfrarotübertragung im
eigenen Wohnzimmer ist von der Post genehmigungspflichtig. Eine
Fernbedienung muß eine FTZ Prüfungsnummer haben. Auf der juristischen
Ebene ist es sehr schwer gegen die Post zu argumentieren."
"Es wird ein neues Gesetz vorbereitet, das einige Lücken in der
bestehenden Gesetzgebung schließt. Zum Beispiel Zeitdiebstahl. Ich bin
kein Jurist und kann hier kein Kolleg über Strafrecht abhalten. Man
kann das aber auf einen Nenner bringen: Wann immer man sich in der
Kommunikation fürjemand anderen ausgibt als man tatsächlich ist,
kollidiert man mit Recht. Ich glaube diese Formel ist so einfach, dass
jeder sie sich merken kann ... "
"Wenn man ein Paßwort weitergibt, das man auf Grund eines
Arbeitsverhältnisses erfahren hat, kann man nur zivilrechtlich eine
Konventionalstrafe erhalten, strafrechtlich ist da nichts zu machen.
Wenn dieser Arbeitsvertrag aber schon beendet ist, ist das rechtlich
nicht zu belangen, es sei denn, es gibt eine extra Vertragsklausel.
Andererseits liegt die Schuld allemal beim Arbeitgeber/Paßwortinhaber,
da dieser dieses ja regelmäßig verändern könnte. Natürlich kann man
nicht belangt werden, wenn man zufällig in ein System reinrutscht. Um
rechtlich verfolgt zu werden, muß schon ein Vorsatz, zumindest aber
Fahrlässigkeit vorliegen. "
Ein juristischer Fachmann von der Uni referiert. Wau faßt kurz
zusammen: "Die gegenwärtige Rechtslage ist so: man kann machen was man
will, passieren kann einem eigentlich nichts. " So ist es. Die
Rechtsgrundlagen kommen aus dem letzten Jahrhundert, und da gab es
Delikte wie "Zeitdiebstahl" noch nicht. In der Hackerszene gibt es
bislang auch noch keine bekannten Fälle der Strafverfolgung. Bei der
Kopiererszene hat Data Becker recht erfolgreich zugeschlagen. Sagt
jemand: "Nun gab es da Fälle, wo Leute Data Becker mit einer
Verleumdungsklage gedroht haben und die daraufhin wiederum ihre Klage
zurückzogen. Das ist alles noch nicht so geklärt, daß man etwas
Grundsätzliches sagen könnte. Klar, wer Software kopiert und
weiterverkauft richtet juristisch gesehen einen Schaden an. Aber was
ist mit der Software, die ich meinem Freund überlasse? Also
zusammenfassend kann man sagen: Wenn man Software oder Paßwörter
weitergibt kann einem erst etwas passieren, wenn man Geld dafür
verlangt."
Ein Hamburger Datenschutzbeauftragter gibt väterliche Hinweise und
Ratschläge. Er hat hier genug gesehen, um unwidersprochen sagen zu
können: "Jeder, der hier war, hat seine Unschuld verloren! "
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