[Chaos CD]
[Datenschleuder] [63]    Telekommunikationskundenschutzverarschung (TKV)
[Gescannte Version] [ -- ] [ ++ ] [Suchen]  

 

Telekommunikationskundenschutzverarschung (TKV)

§ 16 Abs. 1: Beschreibt das, was schon immer passierte, wenn eine überhöhte Rechnung reklamiert wurde. Es wird - auch ohne vorherigen Auftrag des Kunden - ein Einzelverbindungs-nachweis für den fraglichen Zeitraum erstellt und eine "technische Prüfung" durchgeführt, also eine Zählervergleichseinrichtung geschaltet und der Anschluß des Kunden wird so für einen bestimmten Zeitraum n a c h dem fraglichen Zeitraum doppelt überwacht. Diese Maßnahmen dienen letztlich dazu, den "Beweis des ersten Anscheins" oder kurz "Anscheinsbeweis" vorzubereiten.

Exkurs Anfang:

Was ist ein Anscheinsbeweis? In unserem Rechtssystem muß - Gott sei Dank - immer derjenige, der von einem anderen etwas haben will (hier beispielsweise der Anbieter die Bezahlung einer überhöhten Rechnung) die Voraussetzungen dafür sowohl d a r l e g e n als auch b e w e i s e n. In bestimmten Fällen kann sich der Beweispflichtige (hier der Anbieter) dazu auf die Beweiserleichterung des Anscheinsbeweises berufen.

Diese Beweiserleichterung wurde von der Rechtsprechung entwickelt. Der Anscheinsbeweis kommt aber nur dann in Betracht, wenn ein Sachverhalt nach der "Lebenserfahrung" (so nennen das die Juristen ;)) auf einen bestimmten, typischen Verlauf hinweist. Dann kann von einer feststehenden Ursache auf einen bestimmten Erfolg oder - umgekehrt - von einem feststehenden Erfolg auf eine bestimmte Ursache geschlossen werden. Er gilt also nur für typische Geschehensabläufe. (Bitte erst durchdenken!)

Beispiel: Wenn ein Dach kurz nach der Errichtung einstürzt, dann spricht der Anscheinsbeweis dafür, daß das Dach fehlerhaft errichtet wurde.

Damit könnte dann die Behauptung als bewiesen angesehen werden. Das gehört alles zur Beweiswürdigung, die das Gericht durchführt und bedeutet k e i n e Umkehr der Beweislast, sondern eben nur eine Erleichterung der Beweislast.

Ist der Kunde also hilflos ausgeliefert? Nein!

Er kann den Anscheinsbeweis entkräften, dann muß wieder der andere (hier der Anbieter) den vollen (strengen) Beweis für seine Behauptung erbringen (hier die in Rechnung gestellten Einheiten). Der Anscheinsbeweis ist entkräftet bzw. erschüttert, wenn der Gegner (hier der Kunde) Tatsachen behauptet und beweist, aus denen sich die e r n s t h a f t e Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs ergibt, wenn also etwas anderes e r n s t h a f t in Betracht kommt.

Exkurs Ende. Der Kunde kann dann verlangen, in diese Dokumentationen Einsicht zu nehmen ("ist vorzulegen"). Einen Anspruch auf Aushändigung hat der Kunde nicht. Diese Regelung ist aber Unsinn, denn in einem Prozeß müssen Klageschrift und Beweismittel in dreifacher Ausfertigung eingereicht werden (für das Gericht im Original, für den Beklagten (Kunden) und für den Rechtsanwalt des Kunden). Deswegen sollte man auf diesen Umstand hinweisen, wenn eine Weigerung der Herausgabe dieser Dokumen-tation seitens des Anbieters erfolgt. § 16 Abs. 2: Ist klar, hier wird deutlich gemacht, daß der Kunde nichts Unmögliches verlangen kann. Wenn die Entgelterfassungsgeräte vom Blitz getroffen wurden oder der Kunde nicht möchte, daß seine Verbindungsdaten gespeichert werden, kann der Kunde sich eben auch auf § 16 Abs. 1 nicht berufen; was nicht da ist, kann auch nicht eingesehen werden. Mehr bedeutet Abs. 2 nicht, insbesondere n i c h t , daß derjenige Kunde, der auf eine Speicherung der Verbindungsdaten verzichtet hat, jeglichen Rechtsschutz verliert.

§ 16 Abs. 3: Besteht aus drei Sätzen. Satz 1 ist der interessanteste. Mit "Schnittstelle des allgemeinen Netzzugangs" kann ja wohl nur die TAE-Anschlußdose (analoge Leitung) oder der (das?) NT (digital bzw. ISDN Leitung) in der Wohnung des Kunden gemeint sein. Bei "Leistung" handelt es sich um die duplexen Signalübertragungen (analog oder digital) bei einer Verbindung bzw. das Bereithalten der Möglichkeit, eine solche Verbindung herzustellen.

Störend ist dabei aber der Begriff "bis" zur Schnittstelle. Soll das heißen "nur bis" oder "auch bis"? Wenn nun jemand die "Leistung" von der Vermittlungsstelle bis zur Wohnung des Kunden ganz oder teilweise induktiv oder galvanisch abgreift, hat dann der Anbieter die "Leistung" "bis" zur Wohnung des Kunden dennoch im Sinne von § 16 Abs. 3 Satz 1 erbracht?

Ist es denn überhaupt technisch möglich, zu erfassen, "bis" wo hin ein elektrischer Strom fließt, ohne daß am Ziel ein Meßgerät installiert wurde? Die Tatsache allein, daß der Strom verbraucht wurde, bringt dazu ja wohl keine Erkenntnis, wo er denn wohl verbraucht wurde (beim Kunden oder beim unredlichen Dritten?).

Dazu ein Beispiel: Irgendwo auf der Strecke von der Vermittlungsstelle zur Wohnung des Kunden durchtrennt ein unredlicher Dritter die Leitung und versieht sie mit einer Steckverbindung. Bei Bedarf trennt er die Leitung und telefoniert auf Kosten des Kunden, danach verbindet er die Leitung wieder.

Hier dürfte wohl klar sein, daß die Leistung eben nicht bis zur Wohnung des Kunden erbracht wurde. Wie aber will der Anbieter so seiner Beweispflicht nach Satz 1 nachkommen? Dies ließe sich nur durch einen manipulationssicheren Zähler an der Anschlußdose in der Wohnung des Kunden realisieren, vergleichbar mit den allseits bekannten Strom-, Gas- und Wasserzählern.

Wenn dieser Satz 1 richtig angewendet würde, wären auch die Sätze 2 und 3 überflüssig. Anhand deren Existenz ergibt sich aber, daß Abs. 3 DIE Mogelpackung der TKKuschVO überhaupt ist, denn beim Überfliegen des erstens Satzes drängt sich der Eindruck auf, der Anbieter müsse nunmehr nachweisen, daß sämtliche in Rechnung gesetzten Einheiten auch tatsächlich vom Kundenanschluß genutzt wurden. Jedoch muß Satz 1 auch immer im Zusammenhang mit den Sätzen 2 und 3 gelesen werden.

Tatsächlich gibt der § 16, insbesondere Satz 3, nur den bekannten Ablauf des Verfahrens wieder, der beim Beweis des ersten Anscheins angewendet wird. Die dort genannten "Tatsachen" sind nichts weiter als die greifbaren Anhaltspunkte, die geeignet sind, den Anscheinsbeweis zu erschüttern.

Im Ergebnis hat sich also nichts geändert. Von Beweislastumkehr kann nicht die Rede sein. Nach wie vor muß der Kunde beweisen, daß der Netzzugang im vom Kunden nicht zu vertretendem Umfang genutzt wurde. Oder er muß Tatsachen beibringen, die die "Annahme rechtfertigen", daß Manipulationen Dritter an den Netzen Einfluß auf die Höhe der Entgelte hatten. Der Anbieter braucht nach wie vor nur zu beweisen, daß richtig gerechnet wurde und alles technisch einwandfrei ablief. Dazu reichen dem Anbieter die technischen Protokolle und das Ergebnis der Zählervergleichseinrichtung sowie ein entsprechnd aufbereiteter, sachverständiger Vortrag eines technischen Angestellten des Anbieters vor Gericht.

Da die Richter - von wenigen Ausnahmen abgesehen - nicht über Grundkenntnisse der modernen Telekommunikation verfügen, wird hier immer noch viel zu voreilig der Anscheinsbeweis angenommen werden.

Ein mutiger Richter würde hier den Anscheinsbeweis nicht vorschnell zubilligen, sondern von § 16 Abs. 1 Satz 1 Gebrauch machen und dem Anbieter einen Hinweis geben, wonach dieser seine Behauptung (streng) beweisen muß, daß er seine Leistung "bis zur Anschlußdose" des Kunden erbracht hat (falls er dazu nicht in der Lage sein sollte, wird er die Klage des Anbieters konsequenterweise abweisen).

Bernd Ruschinzik, beru@bln.de

Auszug aus der Telekommunikations-Kundenschutzverordnung (TKV)

§ 16 Nachweis der Entgeltforderungen

(1) Erhebt der Kunde bei Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit, die auf den für die Sprachkommunikation für die Öffentlichkeit vorgesehenen Telekommunikationsnetzen erbracht werden, Einwendungen gegen die Höhe der ihm in Rechnung gestellten Verbindungsentgelte, so ist das Verbindungsaufkommen unter Wahrung des Schutzes der Mitbenutzer auch ohne Auftrag zur Erteilung eines Einzelentgeltnachweises nach den einzelnen Verbindungsdaten aufzuschlüsseln und eine technische Prüfung durchzuführen, deren Dokumentation dem Kunden auf Verlangen vorzulegen ist.

(2) Soweit aus technischen Gründen oder auf Wunsch des Kunden keine Verbindungsdaten gespeichert oder gespeicherte Verbindungsdaten auf Wunsch des Kunden oder auf Grund rechtlicher Verpflichtung gelöscht wurden, trifft den Anbieter keine Nachweispflicht für die Einzelverbindungen, wenn der Kunde in der Rechnung auf die nach den gesetzlichen Bestimmungen geltenden Fristen für die Löschung gespeicherter Verbindungsdaten in drucktechnisch deutlich gestalteter Form hingewiesen wurde. Soweit eine Speicherung aus technischen Gründen nicht erfolgt, entfällt die Nachweispflicht, wenn der Kunde vor der Rechnungserteilung auf diese Beschränkung der Möglichkeiten des Anschlusses in drucktechnisch deutlich gestalteter Form hingewiesen wurde.

(3) Dem Anbieter obliegt der Nachweis, die Leistung bis zu der Schnittstelle, an der der allgemeine Netzzugang dem Kunden bereitgestellt wird, technisch einwandfrei erbracht und richtig berechnet zu haben. Ergibt die technische Prüfung Mängel, die die beanstandete Entgeltermittlung beeinflußt haben könnten, wird widerleglich vermutet, daß die Verbindungsentgelte des Anbieters unrichtig ermittelt sind. Ist der Nachweis erbracht, daß der Netzzugang in vom Kunden nicht zu vertretendem Umfang genutzt wurde, oder rechtfertigen Tatsachen die Annahme, daß die Höhe der Verbindungsentgelte auf Manipulationen Dritter an öffentlichen Telekommunikations-netzen zurückzuführen ist, ist der Anbieter nicht berechtigt, die betreffenden Verbindungsentgelte vom Kunden zu fordern. (vollständig auf http://www.regtp.de/Rechtsgrundlagen/TKV.htm)

 

  [Chaos CD]
[Datenschleuder] [63]    Telekommunikationskundenschutzverarschung (TKV)
[Gescannte Version] [ -- ] [ ++ ] [Suchen]