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Stellungsnahme zu Unregelmäßigkeiten bei der Telekom

Am Mittwochmorgen dieser Woche berichtete die 'International Herald Tribune' ueber einen Schadensfall bei der Deutschen Telekom in einer Gesamthoehe von 500 Millionen DM. Telekom-Mitarbeiter, so die 'International Herald Tribune', haetten Provisionszahlungen von Anbietern auslaendischer Ansagedienste dafuer bekommen, illegal Gespraeche zu erzeugen, deren Kosten teilweise die Telekom, aber auch Kunden der Telekom zu tragen haetten. Moeglich wird dies durch die anteilsmaessige Zahlung der anfallenden Telefongebuehren an den auslaendischen Ansagedienst-Betreiber.

Die Telekom, vertreten durch ihren Sprecher Juergen Kindervater, versuchte zunaechst gegen Mittag, die Darstellung der 'International Herald Tribune'als "unzutreffend" zurueckzuweisen und erklaerte, es handle sich um einen 1993 bekanntgewordenen Fall von Calling-Card-Missbrauch der amerikanischen Telefongesellschaft MCI. Weiter behauptete der Sprecher der Telekom, derzeit werde gegen keinen ihrer Mitarbeiter ermittelt.

Erst nachdem am Mittwochnachmittag zwei Telekom-Mitarbeiter festgenommen wurden, wurde diese Stellungnahme durch eine andere ersetzt. Nunmehr hiess es, "den festgenommenen Mitarbeitern wird vorgeworfen, in einem Fernmeldeamt [ ... ] eine Verbindung zu einem teueren auslaendischen Telefonansagedienst hergestellt zu haben"(Zitat AP). Die Stellungnahme der Telekom verwies jedoch ausdruecklich darauf, dies sei unter Umgehung der Zaehleinrichtungen geschehen und es sei bisher nicht nachgewiesen, dass derartige Schaltungen zu Lasten der Telefonrechnungen nichtsahnender Kunden hergestellt werden koennten.

Zumindest die letzte Aussage ist sachlich falsch. Jeder Telekom-Techniker kann dies bestaetigen, Schon das weitgehend ungesicherte Leitungsnetz der Telekom macht es fuer ihre Mitarbeiter sowie fuer jeden Hobby-Elektriker genauso leicht, sich auf beliebige Kundenleitungen zu klemmen und darauf herumzutelefonieren, oder Rufumleitungen zu aktivieren.

Zu den weitergehenden raffinierteren Umprogrammierungstricks, die offenbar auch die in Duesseldorf durchsuchte Firma ausnutzte, ist am Donnerstag, dem 08. 12.1994, noch ein ganz anderer Fall hinzugekommen.

Eine Hamburger Firma, die 0130-Nummern unterhaelt, welche fuer den Anrufer kostenlos und den Angerufenen gebuohrenpflichtig sind, wurde stundenlang von bis zu mehreren dutzend Leitung gleichzeitig von einer zunaechst unbekannten, aber inzwischen identifizierten ISDN-Rufnummer angerufen,

Nach mehreren Versuchen, den leitungsbelastenden und teuren "Besucher" loszuwerden, verkleinerte sich zwar die Anzahl der gleichzeitigen Anrufe, allerdings trat auch noch ein anderer Effekt auf.

Die als Ursache der Anrufe identifizierte Rufnummer veraenderte sich zur privaten ISDN-Rufnummer des Geschaeftsfuehrers, der dies erstaunt zur Kenntnis nehmen musste, befand er sich doch in den Firmenraeumen und nicht zuhause,

DieserVorfall, und die seit rund 2 Jahren bekanntgewordenen Faelle von ueberhochten Telefonrechnungen, passen nicht zu den Aussagen der Telekom. Vielmehr entsteht der Eindruck, die Telekom habe ihre Technik nicht einmal ansatzweise im Griff.

Dass Computersysteme Fehler machen, ist nicht erst seit dem Pentium-Prozessor bekannt. Dass es immer Moeglichkeiten gibt, auf Kosten anderer zu telefonieren, ergibt sich aus der grundsaetzlichen Anfaelligkeit der Netztechnologien fuer Missbrauch und Manipulation. Um dies zu erkennen, bedurfte es keiner ueberhochten Telefonrechnungen.

Die Telekom allerdings bestreitet all dies im Prinzip grundsaetzlich. Dies aeussert sich auch in den Allgemeinen Geschaeftsbedingungen, aus denen sich ergibt, dass bei "ueberhoehten Telefonrechnungen" der Kunde beweisen muss, die Gespraeche nicht gefuehrt zu haben. Die Telekom hingegen muss nicht beweisen, dass der Kunde die Gespraeche gefuehrt hat.

Es kann nicht akzeptiert werden, dass Computer, die die Neigung haben, verrueckt zu spielen, "rechtsverbindliche" Daten ausspucken, die unter Umstaenden den finanziellen Ruin eines Mensehen bedeuten.

Wir fordern einen rechtsverbindlichen Zachler, der beim Endkunden aehnlich wie beim Gas-, Wasser- und Stromnetzwerk installiert ist. Die Verluste des Leitungsnetzes hat, aehnlich wie bei den Loechern in Gasleitungen, der Netzbetreiber zu zahlen und nicht der Endkunde.

09.12.1994 fuer den Chaos Computer Club Andy M.-M.

 

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