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Alternative Computernetzwerke

ReferentInnen:

  • Christine Schoenfeld, GreenNet, London (c.schoenfeld@bionic.zer.de)
  • Christine Wittig, /CL, München (c.wittig@link-m.muc.de)
  • Eric Bachmann, ZAMIRNET, ex-Jogoslawien (e.bachmann@bionic.zer.de)
  • Rop Gonggrijp, APS + Hacktik, Amsterdam (rop@hacktik.nl)

In diesem Workshop wurde die Arbeit einiger Gruppen vorgestellt, die Computernetze in erster Linie für politische Arbeit einsetzen.

Zuerst berichtete Eric Bachman vom ZaMir Transnational Net von den Einsatzmöglichkeiten in einem Kriegsgebiet wie Jugoslawien. Mit der Hilfe eines Computernetzes wird es dort vielen oppositionellen Gruppen ermöglicht, untereinander und sogar international Kontakt aufzunehemen. Da zwischen den Städten oder sogar innerhalb einer Stadt oft Kommunikationsleitungen aus politischen Gründen unterbrochen werden, müssen die Nachrichten oft beispielsweise aus Zagreb über Wien und dann von Wien wieder nach Beograd geleitet werden. Inzwischen erfolgt der Nachrichtenaustausch über das Bielefelder MailBoxsystem //BIONIC.

Christine Schoenfeld arbeitet bei der Zentrale des GreenNet in London. Diese Organisation bietet aus verschiedenen Ländern und Staaten, die über Netzknoten (Nodes) mit dem Internet verbunden sind, privaten und öffentlichen Nachrichtenaustausch in Foren (Brettern) für beispielsweise Umwelt-, Menschenrechts-, Friedens- und Entwicklungsorganisationen an. GreenNet ist der europäische Teil der weltweit arbeitenden Organisation APC (Association for Progressive Communication). Auf Grund der kulturübergreifenden Arbeit haben sich alle angeschlossenen Netzwerke auf Englisch als Benutzersprache geeinigt. Da die Kunden in der Regel keine Computerfreaks sind, ist die Hauptaufgabe der Londoner Zentrale und ihrer regionalen Repräsentanten die Begleitung und Schulung der Benutzer. Im Gegensatz zu vielen anderen Netzwerken überwiegt hier auch nicht der Pointbetrieb. Die meisten Anwender arbeiten online mit dem Hauptrechner über Modemverbindungen. Da GreenNet keine Gewinne machen will, sind die Benutzergebühren vergleichsweise niedrig.

Anschließend ging Rop Gongrijp von Hacktic auf die Situation in Holland ein. Ansatzpunkt war das bereits bestehende Hacktic-Netz, das niederländischen Hackern, die keinen Nutzungszugang über Universitäts Netzanschlüsse haben, den Zugriff auf das weltweite Internet ermöglicht. Eines Tages traten auch alternative Organisationen auf die Amsterdamer zu und wollte die Netze für ihre Zwecke nutzen. Sie installierten daraufhin ein öffentliches non-profit System, auf das inzwischen weit über 1000 Benutzer über Modems zugreifen. Obwohl Rop und seine vier Helfer den Ansturm fast schon nicht mehr bewältigen können, wollen sie als nächsten Schritt acht öffentliche Terminals in der Stadt installieren. Hier sollen dann vor allem untrainierte Benutzer einfache Programme ausprobieren können, um in Kontakt mit der neuen Technologie zu kommen. Für 1994 sind darüber hinaus Einsteigerkurse geplant. Doch die fünf NiederländerInnen haben ihre Ziele weitaus höher gesteckt. Sie wollen Internet Relay Chat (IRC - Unterhalten per Tastatur) mit automatischer Sprachübersetzung anbieten, damit sich alle Netzbenutzer in ihrer Muttersprache unterhalten können. Obwohl es abzusehen ist, daß gerade in den Anfängen eher merkwürdige Sprachkonstrukte auftreten werden, ist es immerhin ein von den Teilnehmern begrüßter Ansatz.

Für das Comlink-Netz (/CL) sprach Christine Wittig aus München, die bei diesem Netz den Benutzer-Service übernimmt. /CL ist in Deutschland, Österreich, Italien, Jugoslawien, Türkei und der Schweiz verbreitet. Inzwischen gibt es etwa 200 MailBoxen im /CL-Netz mit etwa 20000 Teilnehmern. /CL möchte eine alternativ Öffentlichkeit für diverse politische Gruppen schaffen und die MailBox als Instrument anbieten, bei dem die Inhalte und nicht die Technik das Wichtige sind. Die Kosten für die Teilnahme liegen für den Anwender bei etwa 10 bis 20 DM pro Monat, je nach Einkommen. Schulungen werden vom Verein angeboten.

Carsten Jenner hat in Istanbul den türkischen Teil des /CL-Netzes mitaufgebaut. Das System wird sowohl von Türken als auch von Kurden genutzt, wobei hier Wert darauf gelegt wird, daß sie in ihrer Muttersprache kommunizieren können, unabhängig von den Grenzen der bestehenden Technik und existierenden Standards. Die Netze sollten sich nach diesen Anforderungen strukturieren. Basierend auf diese Forderung entwickelte sich eine lebhafte Diskussion zu den technischen Möglichkeiten der Realisierbarkeit anhand von diversen Zeichensätzen und Grafikdarstellungen, die jedoch auf einen separaten Workshop vertagt wurde. Das Ziel der türkischen /CL-Teilnehmer ist jedenfalls klar: Sie wollen eine vom Staat bzw. dem Militär nicht kontrollierbare Kommunikation ermöglichen, um so eine offene Diskussion zu führen und neue Kontakte ins Ausland zu schaffen. Die MailBox in Istanbul ist in regelmäßigem Kontakt mit dem Hamburger Serversystem. Alle deutschsprachigen /CL-Systeme sind aufgerufen, auch türkische Bretter anzubieten, wenn lokale Interessengruppen vorhanden sind, die darauf zugreifen möchten.

In diesem Workshop wurde auf jeden Fall deutlich, daß die internationalen Computernetzwerke schon lange nicht mehr Selbstzweck sind, sondern ihren Beitrag zur Verbesserung der Lebensverhältnisse leisten können, wenn sie genutzt werden.

Autor: henne

 

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