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"Gopher Dir einen'" sagt Rop

Referent:
Hans Hübner, Datenreisender
Rop Gonggrijp, Hacktik, Amsterdam (rop@hacktik.nl)
padeluun, Medienkünstler (padeluun@bionic.zer.de)

Nein, hält Hans Hübner dagegen. 'Worldwide Web' ist viel besser. Sagt er. Beides macht in etwa das gleiche. Natürlich ganz anders. Aber das soll uns hier nicht interessieren. Da alle Computer im Internet vernetzt sind und es möglich ist, sich einfach eine Datei von einem weit entfernten Rechner auf den eigenen Computer zu holen, versuchen 'Gopher' und 'Worldwide Web' ein Problem zu beheben: Wo finde ich was?

Verlassen wir den Disput der Fachleute und vermischen wir mal beides zu einem vorstellbares Scenario. In der Unibibliothek sitzt eine freundliche junge Dame, Studentin der Jurisprudenz, am Terminal. In Ihrer linken Hand (sie ist Linkshänderin, was für diesen Bericht aber völlig unbedeutend ist) hält sie das 'Zeigeinstrument', auch manchmal 'Maus' genannt. Auf Ihrem Bildschirm klickt sie 'Gopher' an. Es erscheint ein Menue. "Was wollen Sie wissen?", buchstabt der Computer fragend und bietet eine Auswahl an. "URHEBERRECHT" . Und das nächste Menue erscheint: "KUNST SOFTWARE THEORIE RAUBKOPIE". Lilli klickt "KUNST" an. Und wieder erscheint ein Auswahlmenue, das verschiedene Punkte anbietet. Zum Beispiel das Manuscript von Professor Kurt Alsleben über 'Urheben' (auf welches wir an einer anderen Stelle näher eingehen wollen). Dieser Text wird angezeigt und Lilli studiert ihn aufmerksam. Im Text selbst erscheint das Wort "PICASSO". Lilli klickt dieses Wort an und schon erscheint ein Untermenue mit der Nachfrage, ob Lilli sich dem Malergenie selbst annähern möchte, oder ob sie Ihre Zeit mit dem Werk Picassos verbringen möchte. "WERK" entscheidet Lilli und klickt sich weiter zum Bild "GUERNICA". Das erscheint auf dem Monitor und aus dem Lautsprecher ertönen die sanften Klänge von Erik Saties "Trois Gnoissiennes".

Lilli sitzt in Bielefeld. Dort ist auch das erste Menue installiert, das sie mit dem Befehl 'Gopher' aufruft. Aber schon nach dem ersten

befindet sie sich auf einem Rechner in der Göttinger Universität. Dort hatte ein freundlicher Systemadministratur auch die 'gopherbaren' Dateien eines Kunstinstitutes in Bonn Bad Godesberg eingebunden. Hier liegt der Text von Kurt Alsleben. Das Anklicken des Wortes "Picasso" allerdings ist ein Feature, das nicht aus 'Gopher' kommt, sondern jetzt mehr ein 'Worldwide Web'-Feature ist. Während nämlich 'Gopher' ein Finden von interessanten Texten über Menues darstellt, bedient sich 'Worldwide Web' eher den sogenannten Hypertextfunktionen. Das auf dieses Art jede Information, die weltweit auf irgendeinem Rechner liegt zu finden ist, ist der Traum der 'Netzmenschen'. Und natürlich alles mit Multimedia. Texte, Bilder, Töne. Radiosendungen, Fernsehen. Weitergedacht ist es also völlig egal, zu welcher Uhrzeit ich welchen Film sehen möchte. Ich klicke mich auf meinem Hausfernseher einfach durch Genres und die Vidiothekenrechner der Welt, bis ich (schnell) meinen Lieblingsfilm (Dr. Schiwago im ja panischen Original mit fränkischen Untertiteln) gefunden habe und ihn per Glasfaserleitung angezeigt bekomme.

Ein sanftes Kopfschütteln macht sich bei solchen Visionen breit. Aber im Kleinen funktioniert es bereits so. Sehr weit scheinen wir also von der Recipientengesellschaft nicht mehr entfernt zu sein.

Natürlich kann so ein Verfahren auch andersweitig sinnvoll angewendet werden. Wenn Datenbanken, Dokumentensammlungen einfach per Klick angewählt werden können (und die Datenleitungen der TELEKOM in Deutschland nicht so verdammt unerschwinglich wären), wäre es möglich, sich wirklich sehr effektiv auf Recherchearbeit zu begeben. Neue Urteile müßten nicht mühsam von der JURIS GmbH gesammlet und in den eigenen Rechner eingespielt werden, sondern ein Rechtsanwaltbüro setzt in sein 'Gopher-' oder 'Worldwide Web'-Menue die Gopheradresse von JURIS ein ein JURIS sendet nur noch das Auswahlmenue mit den dort installierten Verzweigungen. Nach der Auswahl geht die Reise nahezu unmerklich in den Rechner des jeweiligen Gerichts. Dort wird das Gesuchte abgeholt und zu Hause gelagert. So ist sichergestellt, daß Daten wirklich immer auf aktuellem Stand sind.

Der Hauptunterschied zwischen 'Gopher' und 'Worlwide Web' scheint zu sein, daß bei 'Gopher' nur Menuepunkte eingestellt werden müssen, bei 'Worldwide Web' dagegen müssten auch die Verzweigungen innerhalb der Texte installiert werden. Das ist Arbeit.

Diese Arbeit müßte bezahlt werden. Da es aber noch keinen Geldaustausch im Netz gibt (dazu an anderer Stelle mehr), können Abrechnungen (die ja auch erst ab einem bestimmten hohen Betrag sinnvoll sind) derzeit nicht erstellt werden. Das System ist also darauf angewiesen, daß es - sobald es den Universitäts- und Forschungsbereich verläßt - daß beim Austausch der Information auch ein verifizierter Geldfluß stattfinden kann.

Bis dahin macht 'Gophern' Spaß und bringt aha-Erlebnisse zu diesen technischen Möglichkeiten. Erfunden ist es. Nun muß die (gesamte) Gesellschaft entwickeln und verbreiten. Und brav alle Briefe im Computer tippen...

Autor: ppc

 

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