[Chaos CD]
[Datenschleuder] [37]    Bürgerdatenfunk als Daten-CB
[Gescannte Version] [ -- ] [ ++ ] [Suchen]  

 

Bürgerdatenfunk als Daten-CB

    0. KONZEPT
    Die Funkanwendung "BÜRGERDATENFUNK im 50 MHz Band" beruht auf in anderen Zusammenhängen bewährter und zugelassener Technik wie "Packet Radio" nach AX.25 in Verbindung mit handelsüblichen, noch nicht zugelassenen Funktelefonen in diesem Bereich. BÜRGERDATENFUNK dient der Computer-Vernetzung im Nahbereich für Einrichtungen von Bildung und Kultur, Jugendzentren sowie der elektronischen Nachbarschaftshilfe. Im 50 MHz-Ausschuß wird über die Neuverteilung der Fernsehkanäle 2, 3 und 4 (je 7 MHz von 47-68 MHz) um die Jahrtausendwende diskutiert. In einigen Nachbarländern ist der Bereich von 50-54 MHz schon den Funkamateuren zugewiesen und Kanal 4 ist als Ausweichkanal für Digitalradio im Gespräch. Hier der Versuch einer Zusammenfassung aufgrund des gegenwärtigen Erkenntnisstandes als Tischvorlage:

    1. BEREICHSWAHL
    Die Möglichkeit der Nutzung anderer Bänder oder anderer Medien ist nicht gegeben; Bürgerdatenfunk-Versuche im 27 MHz Bereich wurden bislang nicht genehmigt und die Kanäle sind dort schon von Sprachdiensten mehr als belegt.

    2. EIGNUNG
    Das Band ist nach den bisherigen Versuchen (Anschluss von bei Amateuren üblichen Packet Radio Stationen an Funktelefone) für die Bürgerdatenfunkanwendung gut geeignet.

    3. PHYSIKALISCHE VERTRÄGLICHKEIT MIT NUTZUNGEN IM AUSLAND
    Nach derzeitigen Erkenntnissen sind Störungen nicht bekannt; das gilt sowohl für den Frequenzbereich von 47 bis 50 MHz als auch für den im Ausland teils dem Amateurfunk zugewiesenen Bereich von 50 bis 54 MHz.

    4. VERHÄLTNIS UNBEFRIEDIGTER FREQUENZBEDARF
    1/0=Unendlich, da Bürgerdatenfunk bislang ohne jede Zuteilung

    5. ZAHL DER BETRIEBENEN BZW. ERWARTETEN SENDE-/EMPFANGSFUNKANLAGEN
    Bürgerdatenfunk für Bildung, Kultur und elektronische Nachbarschaftshilie wird sich durch eine Frequenzzuweisung massenhaft verbreiten, weil nicht nur der Bedarf da ist, sondern die Datenfunkstationen kostengünstig herzustellen und anzubieten sind. Die Zahl der derzeit betriebenen Anlagen ist aufgrund der gesetzlichen Auflagen noch gering und beruft sich überwiegend auf den übergesetzlichen Telekommunikationsnotstand in den fünf neuen Ländern im Versuchs- und Probebetrieb. Da auiser neu zu beschaffenden Geräten auch ausgemusterte C64er mit Billiginterface für Bürgerdatenfunk genutzt werden können, kann von einem Wachstumspotential weit über dem Mailboxbereich (derzeit fünf bis sechsstellige Teilnehmerzahl) ausgegangen werden. Nach einer Zulassung ist mit einer grögseren Zahl von Gruppeninstallationen bei Institutionen im Bildungs- und Kulturbereich insbesondere in der exDDR zu rechnen. Für den Chaos Communication Congress 1991 wird die Aufstellung eines Faradayschen Käfigs geplant, innerhalb dessen Bürgerdatenfunk-Versuche ohne Genehmigungsauflagen stattfinden dürfen.

    6, INDUSTRIEPOLITISCHER WERT
    (INTERNAT. WETTBEWERBSSITUATION)
    Internationale Konkurrenzfähigkeit setzt KnowHow beim Umgang mit modernen Techniken nicht nur unter einer kleinen Gruppe von Spezialisten, sondern in der breiten Bevölkerung voraus. Der Vorsprung, den andere Länder hier haben (Japan, USA; aber auch Frankreich dank Minitel) und der damit verbundene wirtschaftliche Vorteil anderer Länder könnte durch die Allgemeinzula.ssung von Bürgerdatenfunk etwas aufgeholt werden.

    7, STRUKTURPOLITISCHER WERT (U. A. GESETZLICHER AUFTRAG)
    Der Einsatz von Bürgerdatenfunk kann aufgrund der gegebenen Verfügbarkeit der Technik helfen, den Telekommunikationsnotstand in der exDDR zu zumindest für den Datenaustausch lindern.

    8. KULTURELLER WERT
    Frequenzen sind nicht nur eine begrenzte Ressource, die wirtschaftlich genutzt und in Zukunft womöglich sogar meistbietend versteigert wird, sondern auch kulturell bedeutsam. Es bedurfte einer heftigeil Debatte im Frequenzausschuäs, um dieses für das Protokoll festzustellen. Der Bürgerrechtsanspruch auf CB-Funkkanäle ist inzwischen unstrittig. Kultur findet nicht nur im Theater statt, sondern auch digital. Konzepte wie das "virtuelle Medienzentrum" in Zusammenarbeit mit der Hamburger Kulturbehörde sind ebenso Ansätze, dieses aufzuzeigen wie Bildungseinrichtungen, die Bürgerdatenfunk derzeit am Rande der Legalität nutzen und auf Erlaubnis drängen. Das Packet-Radio-Konzept bietet auch die Möglichkeit, einen digitalen Bürgerkulturkanal zu gestallten. Die Nutzung von Videotext im Offenen Fernsehkanal, wie für den Chaos Comniunication Congress 1991 in Hamburg geplant, ist für Bürgerdatenfunk kein Ersatz.

    9. SICHERHEITSPOLITISCHER WERT
    Umweltschutzgruppen diskutieren, über Bürgerdatenfunk auf dafür verabredeten Kanälen Messwerte eigener Umweltmeiseinrichtungen als öffentlich zugängliche Informationsquelle - wie Wetterdienste - auszustrahlen. Das hat angesichts möglicher Katastrophen wie Tschernobyl sicherheitspolitischen Wert.

    10. WISSENSCHAFTLICHER WERT
    Ausgehend von der gegenwärtigen Packet Radio AX.25-Software ist deren Weiterentwicklung in Kooperation mit den Funkamateuren anzustreben. Innovativ ist das Konzept, die Sendeleistung rechnergesteuert (Rechner sind ja zwangsläufig vorhanden) den jeweiligen Umständen entsprechend so zu steuern, daß die Datenübertragung gesichert und die Sendeleistung möglichst gering ist (Frequenzökononmie). Eine Festschreibung dieses Minimierungskonzeptes als Genehmigungsauflage für den Bürgerdatenfunk ist zu empfehlen.

    11. TENDENZ DER ENTWICKLUNG DER BEDEUTUNG DER FUNKANWENDUNG
    Es ist damit zu rechnen, daa die Nutzung nach einer Einführungsphase wachsen wird und mehr Kanäle erforderlich werden könnten.

    12. GEGENWÄRTIGE UND ZUKÜNFTIGE NUTZUNG DES BANDES IM AUSLAND
    Bestrebungen und Testinstallationen zur Einführung von Bürgerdatenfunk gibt es in verschiedenen europäischen Ländern auf ähnlicher Basis. Gewisse Probleme treten auf, wo mangels anderer Frequenzen einer der wenigen CB-Kanäle durch ständige Datenübertragung von sturen Computern "frei. gemacht wurden. Eine europaweite einheitliche Freigabe erscheint sinnvoll.

    13. RAHMENKONZEPT
    Als Sendeleistung ist an höchstens 100 Milliwatt mit automatischer Runterregelung gedacht. Das Kanalraster sollte 10 oder 12,5 kHz betragen; dabei ergeben sich bei gegenwärtiger kostengÜnstiger Technik digital 1200 Baud und 9600 Baud, ähnlich AX.25. Als Bandbreite folgt ausgehend von Erfahrungen mit Packet Radio 1 MHz, weil das Projekt zur breiten Publikumsnutzung - wie CB - konzipiert ist. Änderungen, die sich aus technischem Fortschritt ergeben, sollten nicht durch Genehmigungsauflagen eingeschränkt sein.
    Die Verbreitung von Computern wird weiter wachsen. Marktstudien erwarten schon für 1992, daß 2/3 der Computerarbeitsplätze vernetzt werden. Computer haben sich vom Investitionsgüter zum Konsumgütermarkt entwickelt. Der hier vorgestellte Bürgerdatenfunk für Jeder mann ist ein Konsumgut im Unterschied zur professionellen Vernetzung. An Stückzahlen kann - insbesondere durch eine Zulassung - eine Verbreitung wie im Marktsegment CB Funk erreicht werden. Kanal 2 reicht von 47-54 MHz. Der Bereich von 50-54 MHz ist in einigen Ländern bereits dem Amateurfunk zugewiesen. Der Bereich unter 50 MHz ist in einigen Ländern bereits dem Funktelefon zugewiesen. Eine Zuweisung in diesem Bereich, für den es Funktelefone gibt, wird angestrebt. Die Vorschriften zur Gerätezulassung sollten, um amtlicherseits Entwicklungsaufwand zu minimieren7 den ausländischen Zulassungskonditionen der handelsüblichen 50 MHz Funktelefone entsprechen. Zwar beschränkt sich die Nutzung der Frequenz für Bürgerdatenfunk auf die Zeitscheiben der notwendigerweise zu übertragenden Daten. Dies geschieht je doch bis zur erfolgreichen Übermittlung, solange Verständigung mit der Gegenstelle überhaupt möglich ist. Damit könnte die Mitbenutzung der gleichen Frequenz durch anders geartete, insbesondere nicht digitale Dienste, für die anderen problematisch wer den und ist nicht zu empfehlen. Experimente auf einem Kanal im CB-Bereich haben gezeigt, daa der Versuch einer Sprachkom munikation auf einem Datenkanal für den Sprecher selbst dann Äugserst frustierend sind, wenn nur gelegentlich, dann aber so stur wie es ein Computer tut, Daten gesendet werden.
Hamburg, 20.9.1991 Wau Holland

 

  [Chaos CD]
[Datenschleuder] [37]    Bürgerdatenfunk als Daten-CB
[Gescannte Version] [ -- ] [ ++ ] [Suchen]