Bürgerdatenfunk als Daten-CB
0. KONZEPT
Die Funkanwendung "BÜRGERDATENFUNK im 50 MHz Band" beruht auf in
anderen Zusammenhängen bewährter und
zugelassener Technik wie "Packet Radio"
nach AX.25 in Verbindung mit handelsüblichen, noch nicht zugelassenen Funktelefonen
in diesem Bereich. BÜRGERDATENFUNK
dient der Computer-Vernetzung im Nahbereich für Einrichtungen von Bildung und
Kultur, Jugendzentren sowie der elektronischen Nachbarschaftshilfe.
Im 50 MHz-Ausschuß wird über die Neuverteilung der Fernsehkanäle 2, 3 und
4 (je 7 MHz von 47-68 MHz) um die
Jahrtausendwende diskutiert. In einigen
Nachbarländern ist der Bereich von 50-54
MHz schon den Funkamateuren zugewiesen
und Kanal 4 ist als Ausweichkanal für
Digitalradio im Gespräch. Hier der Versuch einer Zusammenfassung aufgrund des
gegenwärtigen Erkenntnisstandes als Tischvorlage:
1. BEREICHSWAHL
Die Möglichkeit der Nutzung
anderer Bänder oder anderer Medien ist
nicht gegeben; Bürgerdatenfunk-Versuche
im 27 MHz Bereich wurden bislang nicht
genehmigt und die Kanäle sind dort schon
von Sprachdiensten mehr als belegt.
2. EIGNUNG
Das Band ist nach den bisherigen Versuchen
(Anschluss von bei Amateuren üblichen
Packet Radio Stationen an Funktelefone)
für die Bürgerdatenfunkanwendung gut
geeignet.
3. PHYSIKALISCHE VERTRÄGLICHKEIT MIT NUTZUNGEN IM AUSLAND
Nach derzeitigen Erkenntnissen sind Störungen nicht bekannt; das gilt sowohl für
den Frequenzbereich von 47 bis 50 MHz als auch für den im Ausland teils dem Amateurfunk
zugewiesenen Bereich von 50 bis 54 MHz.
4. VERHÄLTNIS UNBEFRIEDIGTER FREQUENZBEDARF
1/0=Unendlich, da Bürgerdatenfunk bislang ohne jede Zuteilung
5. ZAHL DER BETRIEBENEN BZW. ERWARTETEN SENDE-/EMPFANGSFUNKANLAGEN
Bürgerdatenfunk für Bildung, Kultur und
elektronische Nachbarschaftshilie wird sich
durch eine Frequenzzuweisung massenhaft
verbreiten, weil nicht nur der Bedarf
da ist, sondern die Datenfunkstationen
kostengünstig herzustellen und anzubieten
sind. Die Zahl der derzeit betriebenen Anlagen ist aufgrund der gesetzlichen Auflagen noch gering
und beruft sich überwiegend auf den übergesetzlichen Telekommunikationsnotstand in den
fünf neuen Ländern im Versuchs- und Probebetrieb. Da auiser
neu zu beschaffenden Geräten auch ausgemusterte C64er mit Billiginterface für
Bürgerdatenfunk genutzt werden können,
kann von einem Wachstumspotential weit
über dem Mailboxbereich (derzeit fünf
bis sechsstellige Teilnehmerzahl) ausgegangen werden. Nach einer Zulassung ist mit
einer grögseren Zahl von Gruppeninstallationen bei Institutionen im Bildungs- und
Kulturbereich insbesondere in der exDDR
zu rechnen. Für den Chaos Communication Congress 1991 wird die Aufstellung
eines Faradayschen Käfigs geplant, innerhalb dessen Bürgerdatenfunk-Versuche ohne
Genehmigungsauflagen stattfinden dürfen.
6, INDUSTRIEPOLITISCHER WERT
(INTERNAT. WETTBEWERBSSITUATION)
Internationale Konkurrenzfähigkeit setzt
KnowHow beim Umgang mit modernen
Techniken nicht nur unter einer kleinen
Gruppe von Spezialisten, sondern in der breiten Bevölkerung voraus. Der Vorsprung,
den andere Länder hier haben (Japan, USA;
aber auch Frankreich dank Minitel) und der
damit verbundene wirtschaftliche Vorteil
anderer Länder könnte durch die Allgemeinzula.ssung von Bürgerdatenfunk etwas
aufgeholt werden.
7, STRUKTURPOLITISCHER WERT (U. A. GESETZLICHER AUFTRAG)
Der Einsatz von Bürgerdatenfunk kann
aufgrund der gegebenen Verfügbarkeit der
Technik helfen, den Telekommunikationsnotstand in der exDDR zu zumindest für den
Datenaustausch lindern.
8. KULTURELLER WERT
Frequenzen sind nicht nur eine begrenzte Ressource, die wirtschaftlich genutzt und in Zukunft
womöglich sogar meistbietend versteigert wird, sondern auch kulturell bedeutsam. Es bedurfte
einer heftigeil Debatte im Frequenzausschuäs, um dieses für das Protokoll festzustellen.
Der Bürgerrechtsanspruch auf CB-Funkkanäle ist inzwischen unstrittig. Kultur findet nicht
nur im Theater statt, sondern auch digital. Konzepte wie das "virtuelle Medienzentrum" in
Zusammenarbeit mit der Hamburger Kulturbehörde sind ebenso Ansätze, dieses aufzuzeigen
wie Bildungseinrichtungen, die Bürgerdatenfunk derzeit am Rande der Legalität nutzen und
auf Erlaubnis drängen. Das Packet-Radio-Konzept bietet auch die Möglichkeit,
einen digitalen Bürgerkulturkanal zu gestallten. Die Nutzung von Videotext im Offenen
Fernsehkanal, wie für den Chaos Comniunication Congress 1991 in Hamburg geplant,
ist für Bürgerdatenfunk kein Ersatz.
9. SICHERHEITSPOLITISCHER WERT
Umweltschutzgruppen diskutieren, über Bürgerdatenfunk auf dafür verabredeten
Kanälen Messwerte eigener Umweltmeiseinrichtungen als öffentlich zugängliche
Informationsquelle - wie Wetterdienste - auszustrahlen. Das hat angesichts möglicher
Katastrophen wie Tschernobyl sicherheitspolitischen Wert.
10. WISSENSCHAFTLICHER WERT
Ausgehend von der gegenwärtigen Packet Radio AX.25-Software ist deren Weiterentwicklung in
Kooperation mit den Funkamateuren anzustreben. Innovativ ist das Konzept, die Sendeleistung
rechnergesteuert (Rechner sind ja zwangsläufig vorhanden) den jeweiligen Umständen
entsprechend so zu steuern, daß die Datenübertragung gesichert
und die Sendeleistung möglichst gering ist (Frequenzökononmie). Eine Festschreibung
dieses Minimierungskonzeptes als Genehmigungsauflage für den Bürgerdatenfunk ist zu
empfehlen.
11. TENDENZ DER ENTWICKLUNG DER BEDEUTUNG DER FUNKANWENDUNG
Es ist damit zu rechnen, daa die Nutzung nach einer Einführungsphase wachsen wird und mehr
Kanäle erforderlich werden könnten.
12. GEGENWÄRTIGE UND ZUKÜNFTIGE NUTZUNG DES BANDES IM AUSLAND
Bestrebungen und Testinstallationen zur Einführung von Bürgerdatenfunk gibt es in
verschiedenen europäischen Ländern auf ähnlicher Basis. Gewisse Probleme treten auf,
wo mangels anderer Frequenzen einer der wenigen CB-Kanäle durch ständige
Datenübertragung von sturen Computern
"frei. gemacht wurden. Eine europaweite
einheitliche Freigabe erscheint sinnvoll.
13. RAHMENKONZEPT
Als Sendeleistung ist an höchstens 100 Milliwatt mit automatischer Runterregelung gedacht.
Das Kanalraster sollte 10 oder 12,5 kHz betragen; dabei ergeben sich bei gegenwärtiger
kostengÜnstiger Technik digital 1200 Baud und 9600 Baud, ähnlich AX.25. Als Bandbreite
folgt ausgehend von Erfahrungen mit Packet Radio 1 MHz, weil das Projekt zur breiten
Publikumsnutzung - wie CB - konzipiert ist. Änderungen, die sich aus technischem Fortschritt
ergeben, sollten nicht durch Genehmigungsauflagen eingeschränkt sein.
Die Verbreitung von Computern wird weiter wachsen. Marktstudien erwarten schon für 1992, daß
2/3 der Computerarbeitsplätze vernetzt werden. Computer haben sich vom Investitionsgüter
zum Konsumgütermarkt entwickelt. Der hier vorgestellte Bürgerdatenfunk für Jeder mann
ist ein Konsumgut im Unterschied zur professionellen Vernetzung. An Stückzahlen kann -
insbesondere durch eine Zulassung - eine Verbreitung wie im Marktsegment CB Funk erreicht werden.
Kanal 2 reicht von 47-54 MHz. Der Bereich von 50-54 MHz ist in einigen Ländern bereits dem
Amateurfunk zugewiesen. Der Bereich unter 50 MHz ist in einigen Ländern bereits dem Funktelefon
zugewiesen. Eine Zuweisung in diesem Bereich, für den es Funktelefone gibt, wird angestrebt. Die
Vorschriften zur Gerätezulassung sollten, um amtlicherseits Entwicklungsaufwand zu minimieren7 den
ausländischen Zulassungskonditionen der handelsüblichen 50 MHz Funktelefone entsprechen.
Zwar beschränkt sich die Nutzung der Frequenz für Bürgerdatenfunk auf die Zeitscheiben
der notwendigerweise zu übertragenden Daten. Dies geschieht je doch bis zur erfolgreichen
Übermittlung, solange Verständigung mit der Gegenstelle überhaupt möglich ist.
Damit könnte die Mitbenutzung der gleichen Frequenz durch anders geartete, insbesondere nicht
digitale Dienste, für die anderen problematisch wer den und ist nicht zu empfehlen. Experimente
auf einem Kanal im CB-Bereich haben gezeigt, daa der Versuch einer Sprachkom munikation auf einem
Datenkanal für den Sprecher selbst dann Äugserst frustierend sind, wenn nur gelegentlich,
dann aber so stur wie es ein Computer tut, Daten gesendet werden.
Hamburg, 20.9.1991 Wau Holland
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