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Reinhards Bastelstuebchen
EIN GEIGERZAEHLER, EIN MIKROCOMPUTER UND ICH (I)Etwas vernachlaessigt im Bereich der Home- und Personal- Computer ist das Steuern, Messen und Regeln. Ein anderes schoenes Spielchen ist die Telekommunikation - aber wo es an Inhalten mangelt, wird sie leicht zum Selbstzweck. Es gilt, neue Ideen zu entwickeln, was man denn noch machen kann. Zur Inspiration solcher Ideen soll diese LABOR-Rubrik dienen. Die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl hat zwei Dinge sehr deutlich gezeigt. Zum einen: Offizielle Stellen ruecken nur spaet oder gar nicht mit Informationen heraus. Zum anderen: Mailboxen - und Leute, die sich Gedanken machen - koennen dagegensteuern. Die Jungs von der Bayerischen Hackerpost haben damals binnen kuerzester Frist einen qualitativ hochwertigen Informationsdienst in GeoNet auf die Beine gestellt. Doch: Woher kriegt man die Daten, die man in die Netze bringen will? Gewiss nicht von den Behoerden, soviel hat Tschernobyl gezeigt. Und nicht ueberall stehen Firmen parat, die eigene Beitraege leisten. Ergo: selbst ist die Frau/ der Mann. LABOR gibt Hilfe zur Selbsthilfe. Ein Beispiel: Nach Tschernobyl stieg der Verkauf von Geigerzaehlern sprunghaft an, jedermann wollte so ein Geraet haben, egal, ob er was mit den damit gewonnenen Messwerten anfangen konnte oder nicht. Es duerften damals einige hunderttausend Geraete ueber den Ladentisch gegangen sein. Nicht wenige davon liegen jetzt unbenutzt bei Leuten herum, die zufaellig auch einen Computer haben. Was liegt naeher als die Idee, den Geigerzaehler an den Rechner anzuschliessen, damit der die Routinearbeit des Ablesens erledigt? Der Aufwand, die Daten mit dem Rechner zu erfassen, ist relativ gering. Um das deutlich zu machen, wollen wir uns die Arbeitsweise eines Geigerzaehlers mal ansehen: Wie wir sehen, sehen wir nicht viel. Da gibt es eine Roehre, das sogenannte Geiger-Mueller-Zaehlrohr. Dazu ein wenig Netzteil, um die noetigen Spannungen zu erzeugen, ein Messwerk und ein Lautsprecher. Letzterer interessiert uns besonders, denn hier ist die Stelle, an der wir eingreifen koennen, vielmehr: abgreifen. Jedesmal, wenn das Zaehlrohr von einem Strahlungsteilchen getroffen wird (zum Dualismus Welle-Korpuskel bitte im Lexikon nachlesen), knackt es naemlich im Lautsprecher. Kennt man ja aus den einschlaegigen Videos: knk.. knkknk.. knk.. krrrrrrrrrrrrrrrrrrr... Damit der Lautsprecher 'knk' macht, muss eine elektrische €Spannung an ihm anliegen - ein vom Zaehlrohr erzeugter Impuls. Elektrische Spannung? Wie heisst es doch so schoen in den Rechnerhandbuechern, wenn von der internen Arbeitsweise des Teils die Rede ist? Der Rechner kennt nur zwei Zustaende: Spannung oder keine Spannung, Null oder Eins. Jede Zahl kann mittels dieser Zustnde dargestellt und verarbeitet werden. Wir muessen also lediglich dafuer sorgen, dass die elektrische Spannung am Lautsprecher zu den elektrischen Spannungen passt, die der Rechner verarbeitet. Dazu braucht man eine Anpassungsschaltung, gewoehnlich 'Interface' genannt. Sie soll dafuer sorgen, dass der Computer einerseits keine zu hohen Spannungen erhaelt, die ihn beschaedigen koennen; andererseits duerfen sie auch nicht zu niedrig sein, dann wuerde er sie nicht erkennen. Dazu muessen wir uns erst einmal klar werden, mit welchen Spannungen wir rechnerseits und zaehlerseits zu tun haben. Fuer die Rechnerseite ist das ziemlich klar. Handelsuebliche Ein/Ausgabebausteine, wie sie zum Beispiel im C64 zu finden sind, arbeiten mit dem traditionellen TTL-Pegel von 5 Volt. TTL heit 'Transistor-Transistor-Logik' und stammt aus der digitalen Steinzeit, als man noch glaubte, Computer bestuenden aus einzeln gekapselten Transistoren, und 4Bit- Systeme von Wolkenkratzergroesse baute. Auf der Zaehlerseite ist das schon schwieriger zu beurteilen. Die Spannung am Lautsprecher haengt von der Bauart des Geraetes ab, von der Staerke des Impulses, usw. Wenn wir sehr vorsichtig sind, koennen wir annehmen, dass die Spannung irgendwo zwischen ein bischen und sehr viel liegt. Ein bischen waeren so etwa etwas mehr als null Volt, ein paar milliVolt etwa. Das waere fuer unsere Zwecke natuerlich zuwenig. Sehr viel waere die hoechste im Zaehler vorkommende Spannung, die schon mal 500 Volt sein kann. Das ist etwas zuviel. Sofern aus den vielleicht vorhandenen Schaltunterlagen des Zaehlers nichts ersichtlich wird, muessen wir messen, wieviel Spannung tatsaechlich am Lautsprecher anliegt, wenn es 'knk' sagt. Das macht man am einfachsten mit einem Oszilloskop - einem Messgeraet, das Spannungsverlaeufe auf einem Bildschirm sichtbar machen kann. Da sowas im Privathaushalt selten zu finden ist, lassen wir es vorerst dabei bewenden. Im Ernstfall wird sich schon jemanden finden, der einem damit aushelfen kann. Aus praktischer Erfahrung koennen wir sagen, dass die tatsaechliche Lautsprecherspannung so zwischen 3 und 9 Volt liegt. Jedenfalls war das bei zwei verschiedenen Geigerzaehlern so, die mir unter die Finger gekommen sind. Wie man dieses Problem in den Griff kriegt, werden wir besprechen, wenn es konkret an die Realisierung des €Projektes geht. Gehen wir zunaechst mal davon aus, dass wir ein Interface haben, das uns ein sauberes Signal fuer den Rechner liefert. Und nun? Es nuetzt uns ja zunaechst mal gar nichts, dem Rechner dieses Signal mitzugeben. Wir brauchen auch ein Programm, das mit diesem Signal etwas anfaengt. Was uns zum Problem der Programmiersprache bringt. BASIC hilft uns nicht viel. Es ist ziemlich langsam, und jede analoge Leuchtziffern- Armbanduhr erzeugt mehr Impulse im Geigerzaehler, als wir mit BASIC je zaehlen koennen. PASCAL und C sind da schon besser. Dies koennte ein Anreiz sein, sich einmal mit diesen Sprachen zu beschaeftigen. Wenn es den unbedingt BASIC sein muss - zum Beispiel, weil's fuer den 64er nur unsaegliche PASCAL- Stmmel gibt - muss zumindest die eigentliche Messung in Maschinencode erfolgen, der den Messwert fuer die eigentliche Auswertung - meinetwegen auch in BASIC - zur Verfuegung stellt. Dazu in einer naechsten Folge mehr. Nehmen wir einmal an, wir haben ein Programm fertig und wollen die gemessenen Daten speichern. Die Zaehlerimpulse werden ueblicherweise in Impulsen je Minute angegeben und ausgewertet. Das ergibt 24 mal 60 Daten pro Tag, etwas mehr als ein KiloByte. Im Jahr waere das mehr als eine PC- Diskette pro Geigerzaehler. Wenn bundesweit 500 Leute Messwerte sammeln, kommen pro Jahr locker 250 Megabyte zusammen. An eine zentrale Mailbox, in der ALLE Werte abrufbar sind, ist also nicht zu denken. Wir muessen uns also bereits in diesem fruehen Stadium Gedanken machen, wie man die Datenmenge sinnvoll reduziert und auswertet, wenn alle etwas davon haben sollen.
Reinhard Schrutzki
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[Labor]
[Nummer 1]
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