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Realnames - ein Garant fuer Niveau?
---------------------------------- Unlaengst war im MagicNET eine Nachricht zu lesen, in der ein User die These aufstellte, dass alle User mit einem Phantasienamen (Pseudo) 'Kinder' waeren und nicht faehig, die DFUe als ernsthaftes Medium zu nutzen. Auf diese Nach- richt hagelte es Dementis - natuerlich von sog. 'Pseudos'. Da in den Wider- legungen wiederum die Realname-User angeriffen wurden, entbrannte ein zeit- weise heftiger Streit. In diesem tauchte dann immer wieder die Frage auf, ob durch die Benutzung von Realnames auch das Niveau einen Netzes bzw. der darin geschriebenen Nachrichten steigt. Die anfangs sachliche Diskussion versackte dann in sarkastischen Flames und Beleidigungen - beide Seiten verhielten sich mehr oder weniger so, wie sie es der jeweiligen Gegenseite vorwarfen. Dennoch halte ich das Thema 'Sind Netze mit Realname-Pflicht anspruchsvoller' fuer recht interessant und moechte versuchen, dieser Frage einmal nachzugehen. Ein oft gebrauchtes Argument fuer Realnames war: "Wenn man unter seinem eigenen Namen schreibt, dann kommt man nicht so leicht in Versuchung, Beleidigungen und unqualifizierte Nachrichten zu schreiben, weil man ja durch den Realname keine Anonymitaet besitzt". Das Gegenargument der Pseudos lautete dann, dass es ueberhaupt nicht so sei, weil der Pseudoname zwar eine gewisse Anonymitaet bietet, aber der User eben durch sein immer gleiches Pseudo identifiziert wird. Es sei schliesslich egal, ob man sich unter 'Hubert Mueller' oder 'Smurf' den Ruf in dem Netz ruiniert. Ausserdem, so die Pro- Pseudo-User, koenne man ja anhand bestehender Realname-Netze wie z.B. dem FIDO sehen, dass das Niveau durch Realnames nicht unbedingt gesteigert wird. Als Pro-Argument fuer Pseudos wurde immer wieder auf 'das Schuetzen muessen' hingewiesen. Gemeint wurde damit die illegale Benutzung der Modems, den wahrscheinlichen Besitz von Raubkopien u.ae. - argumentiert wurde meistens, dass dieses 'damals, in der Anfangszeit der DFUe' der Fall war, aber einige User machten darauf aufmerksam, dass auch heute die meisten Modems illegal betrieben werden. Ebenfalls als Pro-Argument konnte man lesen, dass ein Pseudonym dem 'Selbstschutz' dient. So wurde ein User bei einer Diskussion mit Rechts- radikalen ueber das Netz massiv bedroht, so dass er gluecklich war, keinen Realnamen benutzt zu haben; Ist es doch ein leichtes, den Standort der Box herauszufinden und dann ggf. den Realname im Telefonbuch nachzuschlagen. Allerdings duerften solche Faelle die Ausnahme darstellen, so dass man sie fast ausser acht lassen duerfte. Neben diesen, eigentlich nebensaechlichen, Argumenten wurde dann darauf hingewiesen, dass es durchaus auch presserechtliche Probleme geben kann. Wie das wohl mit den Urheberrechten an Texten sei, unter denen 'Smurf' als Absender steht, wurde gefragt. Von der 'anderen Seite' wurde dann entgegnet, dass ein 'Konsalik' auch nur ein Pseudonym ist, so dass man diesen Aspekt beiseite lassen kann. Tatsaechlich ist es so, dass lediglich der Absender erkennbar sein muss - und das ist bei Nennung der Box und des Usernamens gegeben - ist doch der User mit seiner Anschrift dem SysOp der Absender-Box bekannt. Sollte naemlich ein User mit seinen Texten gegen existierende Gesetze verstossen (z.B. Volksverhetzung) ist keineswegs der SysOp verantwortlich, sondern der Absender selbst - da Mailboxen nicht dem Presserecht unterliegen, MUSS der SysOp in einem solchen Fall die Identitaet des Absenders preisgeben (siehe dazu Artikel in der Chalisti 11). Aus dieser Sicht gesehen ist es also egal, ob man einen Realnamen oder ein Pseudonym benutzt. Haftbar ist man sowohl in dem einen als auch in dem anderem Fall. Ein Grund, der fuer die Benutzung von Realnamen spricht, ist eher psycho- logischer Natur: So macht es einfach einen serioeseren Eindruck mit einem 'Hubert Mueller' ueber die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung zu dis- kutieren als gleiches mit einem 'Smurf' zu tun. Auch steht die Aussage, man habe schiesslich einen Namen bekommen, mit dem man auch im 'normalen' Leben unterwegs ist - und diesen koenne man dann auch in der DFUe benutzen. Sicherlich wird sich keiner bei seinem neuen Arbeitgeber mit "Guten Tag, mein Name ist Smurf" vorstellen. Und genau das ist vermutlich der springende Punkt: Es kommt darauf an, zu WAS man DFUe betreibt. Wenn sich jemand nach dem taeglichen Stress an den Computer setzt um einfach 'mal abzuspannen', dann ist es sein Hobby - und dabei geht es sicher darum, 'abzuschalten' - und hierfuer ist ein Pseudonym ideal geeignet. Anders verhaelt es sich bei Studenten, die sich in diversen Netzen tummeln und mit diesen Netzen (mehr oder weniger :-)) arbeiten. In diesen Netzen werden gehaltvolle Informationen ausgetauscht, die man zum 'Arbeiten' benoetigt, die aber fuer die Mehrheit der DFUe'ler nicht von Interesse sind. Der Hobby-Nutzer dagegen arbeitet mit den Informationen nicht, sondern moechte einfach nur talken und sich ueber dies und das informieren - ohne, dass er in eine Materie tiefer eintauchen muss. So kommt es wohl zustande, dass in Hobby-Netzen viele Pseudo-User unterwegs sind, in anderen Systemen, die nicht ausschliesslich fuer Freizeit-Zwecke gedacht sind, eben Realnamen die Regel sind. Das aber nun mit 'niveaulos' oder 'niveauvoll' zu umschreiben halte ich fuer falsch - vielmehr handelt es sich um zwei verschiedene Arten der DFUe, von denen jede ein anderes Ziel verfolgt, die sich nicht miteinander ver- gleichen lassen. Allerdings gibt es auch Hobby-Netze, in denen ein Realname Pflicht ist, so dass man vielleicht auch sagen kann, dass die Entscheidung, ob Realname oder Pseudonym einfach der Mentalitaet des/der Netz-Gruender/s unterworfen war. Fazit: So oder so, das Niveau eines Netzes hat nichts mit Realnamen oder Pseudos zu tun. Intelektuelle findet man in jedem Netz sicher ebenso wie Proleten. (Wizard, 25.05.91, 01:20) ------------------------------------------------------------------------------ |
[Contrib]
[Chalisti]
[16]
Realnames - ein Garant fuer Niveau?