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Parlakom: Einfache Recherche fuer einfaches Denken
1. Juli 1991, Hamburg (mik) - Einfache Abgeordnete im deutschen Bundestag werden langsam zu Mitarbeitern einer Textbaustein-Fabrik. Den Buergern sind sie als computerisierte Buettel, die Serienbriefe verschicken, bislang kaum bekannt. Waehrend der gewoehnliche Buerger seine Informationen meist aus der Tageschau bezieht, werden die Bonner Parlamentarier von ihren Fraktionspitzen her ueber ein Computernetzwerk instruiert. Einfache Recherche fuer einfaches Denken? Eine Alternative formulierte Prof. Eckard Raubold, Institutsleiter der Gesellschaft fuer Mathematik und Datenverarbeitung (GMD). Nach Raubold schafft die dezentrale Datenverarbeitung Kommunikationsanforderungen, durch die bisherige Entscheidungshierarchien ihre Daseinsnotwendigkeit verlieren. So wurde das 1984 in Mainz neu eroeffnete Sendezentrum des ZDF auch als "offenes Netz" und nicht hierarchisch konzipiert. Doch noch Mitte der 80er Jahre entschied die Verwaltung des deutschen Bundestages, die Abgeordneten kuenftig mit hierarchisch vernetzter High-Tech auszustatten. Unter der Ueberschrift "Das programmierte Parlament" berichtet Norbert Mappes-Niediek im ZEIT-Dossier vom 27.6.91, wie sich die Technik auf die politische Arbeit auswirken wird. Konsequenz: Durch den Computereinsatz werden die Abgeordneten im Alltag dequalifiziert. Die Volksvertreter leben als Serienbriefe verschickende Datensammler. Dabei muessen sie die jeweils schon elektronisch verschickten Aeuszerungen der Vordenker in der jeweiligen Fraktion beachten. Am besten ausgestattet ist weiterhin die CDU, die sich von der Firma Wang bereits Anfang der 80er Jahre beraten liesz. Wang verfuegte ueber Erfahrungen in den USA. Dort vermietete das Unternehmen mobile Wahlkampfbueros mit Computer- und Telefonvernetzung inklusive Personal an Politiker. Entsprechend war der US-Kongresz bei der Textverarbeitung weit vorn. Ausgestattet mit dem Privileg der Portofreiheit verschickten die Abgeordneten dort schon seit Jahren intelligente Musterbriefe an ihr Wahlvolk. Die Textbausteine wurden je nach den empfaengerbezogenen Eintraegen im Datenarchiv zusammengefuegt. So bekamen beispielsweise Kriegsgegner eine andere Komposition als Waffennarren. Der Computer wurde zum Werkzeug einer Propaganda-Feinverteilung. Inzwischen ist hierzulande auch zeitlich genau geregelt, wem welche Informationen im Sinne der Parteihierarchie mit der jeweiligen Verzoegerung zugeteilt werden und wem nicht. Der Wettstreit um Minuten, den sich Nachrichtenagenturen in ihrer Nachrichtengebung liefern, hat sich auf das Informationsmanagement der Abgeordneten uebertragen. Die Serienbrieffunktion und Textbaustein-Verarbeitung ist schon seit laengerem bei der CDU im praktischen Einsatz. Die Leser im Wahlkreis sollen durch Einfuehlsamkeit, Reflexionsniveau und Kompetenz beeindruckt werden. Dagegen gab es bei der FDP waehrend des Golfkrieges einen einfacheren Serienbrieftyp. Die computermaeszige Standardantwort besagte, es seien "schon koerbeweise Stellungnahmen" eingegangen. Gebeten wurde um "Verstaendnis" fuer Nichtstun im gehaeuften Einzelfalle. Bei der SPD ist alles noch "im Aufbau" und die GRUeNEN/BUeNDNIS 90 werden geraetemaeszig mit als die Letzten im Bundestag versorgt. Die PDS hat dagegen schon fast alle ihnen zustehende Geraete in Betrieb. Das verwundert kaum, denn noch vor vier Jahren lehnte die damalige Fraktion der GRUeNEN den Computereinsatz ab und war so kurzsichtig, kreative Computernutzung zu verhindern und verzichtete freiwillig auf die von der Bundestagsverwaltung zur Verfuegung gestellten Geraete. Eine noch immer lesenswerte Studie zum sozialvertraeglichen Computereinsatz wurde bislang ignoriert. (GRUeNE KRAFT, D-6941 Loehrbach, ca. 10 DM). Schon damals war der Datenschutz und die Freiheit der Abgeordneten ein heiszes Thema. Staendiges Mauern in den Aussschuessen fuehrte dazu, dasz sich engagierte Datenschuetzer von dort zurueckzogen. Es ist ja auch sinnlos, in derartigen Graemien staendig gute Vorschlaege zu liefern, die ergebnislos versanden. Inzwischen feilt der Geschaeftsordnungsausschusz am 7. Entwurf und der Datenschutzbeauftragte haette seine Mahnungen gleich als Serienbrief mit Wiedervorlage konzipieren koennen. Auf einem Landtags-PC findet sich beispielsweise eine "Besucherdatei" und den "Kontaktpersonen". Gespeichert werden Daten zu Parteimitgliedschaften und Funktionen, Eigenschaften wie "nahestehend" und Posten im oertlichen Fuszballclub. Weiter gibt der Computer dem Abgeordneten aus, wann ein Besucher schon einmal da war und was er gefragt hat. Von der "maschinenlesbaren Regierung", wie sie in der vier Jahre alten Studie gefordert wird, sind wir allerdings noch weit entfernt. Autor: Wau Holland, MIK-Magazin Nr. 27 ------------------------------------------------------------------------------ |
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