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Neue Poststruktur ab 1. Juli


1. Juli 1991, Magdeburg (mik) - So gut wie alle Buerger sind von den
juengsten Veraenderungen bei der Post betroffen. Bis 30. Juni galt
Verwaltungsrecht bei den bislang relativ kostenguenstigen
Auseinandersetzungen zwischen Postbenutzern und der Postverwaltung.
Zwei Jahre hatte die Post Zeit zur Umstellung auf privatrechtliche
Verhaeltnisse wie zwischen Kunde und Verkaeufer einer Ware ueblich. Diese
damals vom Poststrukturgesetz vorgegebene Frist endet mit dem 30. Juni
1991. Allgemeine Geschaeftsbedingungen (AGB) ersetzen nun die
althergebrachten Postordnungen in allen drei Bereichen der Post.

Bei der Telekommunikation und dem Briefdienst wird die Monopolstellung
der Post begrenzt. Nur ueber bestimmte hoheitliche Aufgaben, wie die
Frequenzzuweisung, entscheidet weiterhin der Minister als Amtsperson.
Im Bereich Bereich der Postbank gelten zukuenftig ausschlieszlich
Allgemeine Geschaeftsbedingungen (AGB). Postgiro-Ordnung sowie
Postsparkassen-Ordnung entfallen.

Ueber 660 Seiten umfassen derzeit die bislang von der Post
veroeffentlichten "Allgemeinen Geschaeftsbedingungen", Preislisten und
Berichtigungen dazu. Das ist jedoch nur ein kleiner Teil der kommenden
Flut von Verordnungen. Bis wenige Tage vor Auszerkrafttreten der
Telekommunikationsordnung - allein die TKO erfordert drei Aktenordner
- wurde an der ab 1. Juli gueltigen neuen Telekommunikations-
Verordnung gearbeitet. Sie wurde am 10. Juni vom Infrastrukturrat und
am 21. Juni vom Bundeskabinett beschlossen. In anderen Bereichen der
Post befand sich die Umstellungsarbeit aehnlich nahe am letztmoeglichen
gesetzlich verlangten Termin.

Nicht nur gewoehnliche Postkunden, sondern auch die Mitarbeiter der
Post sind schwer gefordert, alle neuen Bedingungen zu lesen, zu
verstehen und im Umgang mit den Kunden entsprechend zu verwirklichen.

Doch auch fuer Unternehmen ist die Lage schwierig. So koennte das
private Mobilfunknetz D2 zwar ab 1. Juli starten, doch was der Betrieb
des Netzes kostet, ist nicht kalkulierbar. Die Post hat bislang nur
ueberteuerte Tarife vorgelegt, die nicht genehmigungsfaehig sind. Auch
bei Tarifen fuer Leitungsmiete bei der Post gibt es Wuchergrenzen.
Immerhin muessen aus weiterhin bestehenden Monopolgruenden fuer das D2-
Netz alle Kabelverbindungen zwischen den D2-Funkstationen von der Post
gemietet werden.

Noch schlimmer ist es fuer die fuenf neuen Laender. Fuer den TELEKOM-
Bereich versaeumte der Minister die Rechtsangleichung zwischen alten
und neuen Laendern. Zumindest in den Bereichen Postdienst und Postbank
gilt in Ost und West nun gleiches Recht.

Bei der Umstellung auf privatrechtliche Bedingungen bei Briefdienst
und Postbank sind kaum Probleme zu erwarten, auch wenn die neuen
Rechtsverordnungen erst nach dem 1.7. vorliegen. Anders ist es beim
zukunftstraechtigen TELEKOM-Bereich. Dort werden die
Wettkampfbedingungen noch nach dem Startschusz zum Wettkampf im
Postministerium diskutiert. Eine "zeitgerechte Loesung", wie es das
Postverfassungsgesetz verlangt, ist das - nach zwei abgelaufenen
Jahren - wohl kaum.

Bei allem Bemuehen zu einer angemessenen Abwaegung zwischen den
Interessen der TELEKOM und ihrer Nutzern verweigerte sie den Kunden -
entgegen allen bisherigen Gepflogenheiten - die Moeglichkeit, den
beschluszfertigen Text der Telekommunikationsverordnung zu erhalten und
dazu Stellung zu nehmen. Dabei war es bisher ueblich, neue
Benutzungsverordnungen mindestens ein halbes Jahr vor Inkrafttreten zu
verkuenden. Das galt als rechtsstaatlich korrekt. Zum 1. Juli kommt nur
eine Postpressemitteilung ueber die Moeglichkeiten der Telekom "wie
frueher" zu "Leistungsunterbrechungen aus uebergeordneten
Gesichtspunkten". Den Wortlaut der so zitierten
Telekommunikationsverordnung (TKV) jedoch kann man erst in Kuerze
erhalten.

Diese Terminnoete sind derzeit Alltag im Postministerium. Auch die
Frist von drei Wochen - so das Postverfassungsgesetz, fuer die
Genehmigung bzw. Zurueckweisung gravierender Gebuehrenerhoehungen vom 7.
Mai 1991 fuer den Geschaeftsbereich TELEKOM - reichte dem Minister nicht
aus. Das nimmt sowohl der TELEKOM als auch den Postkunden jede
Planungsmoeglichkeit.

Eines jedoch kann sich jeder Postkunde merken: Die Haftung der Post
ist im Vergleich zum Zivilrecht eingeschraenkt mit der Begruendung, dasz
flaechendeckende Dienstleistung nur so zu erschwinglichen Preisen
geliefert werden koenne.

Insgesamt bleibt festzustellen, dasz alle Verordnungen zur
Privatisierung der Post, die - wie das Gesetz es verlangt - zwingend
zum 1.7.1991 in Kraft treten sollen, auch dann in Kraft treten, wenn
deren genauer Wortlaut noch nicht vorliegt.

Autor: Wau Holland, MIK_Magazin Nr. 27

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