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Automatenspiele treiben Jugendliche nicht ins soziale "Aus"
Forschung widerlegt weit verbreitete Vorurteile UEber Spielhallen Bochumer Untersuchung zum Freizeitverhalten Heranwachsender Im Urteil der OEffentlichkeit kommen Spielhallen mit Automaten- und Bildschirmspielen nicht gut davon: Die Spieler vereinsamen, so heiSSt es, durch brutale Spielinhalte stumpfen sie ab, Leistungen in der Schule lassen nach, Leseinteressen verkUEmmern. Bildschirmspiele machen aggressiv, so die gAEngige Meinung, und sind - exzessiv betrieben - auch noch gesundheitsschAEdigend. Der Haken dabei: Die wissenschaftliche Forschung im Freizeit-, Spiel- und Medienbereich kommt zu ganz anderen Erkenntnissen. Die weit verbreiteten Vorurteile kOEnnen nicht bestAEtigt werden. Im Gegenteil: Die neuen Medien und Freizeitorte haben vielmehr einen betrAEchtlichen freizeitkulturellen Stellenwert und auch bestimmte Funktionen fUEr ihre Nutzer erlangt. Zu diesem Ergebnis kommt der MedienpAEdagoge Dr. Wolfgang Swoboda in seiner Bochumer Dissertation "Bildschirmspiele und AutomatenspielstAEtten im Freizeitalltag junger Erwachsener. Analysen zum Forschungsstand mit einer qualitativen Explorationsstudie UEber Freizeit-, Spiel- und Mediengebrauch", die von Prof. Dr. Joachim H. Knoll (FakultAEt fUEr Philosophie, PAEdagogik und Publizistik der Ruhr- UniversitAEt Bochum) betreut wurde. Viele Spekulationen UEber die Funktion und Wirkung neuer elektronischer Spiele konnten nur deshalb eine so weite Verbreitung finden, weil sie auf Vorurteile trafen und Klischees bestAEtigten; so erklAErt Dr. Swoboda den Widerspruch von wissenschaftlichen Erkenntnissen und OEffentlicher Meinung. Mit der jetzt auch als Buch vorliegenden, international orientierten ForschungsUEbersicht kann der permanente Wirkungsverdacht aufgegeben werden: Weder die allgemein angenommen Negativ- Auswirkungen der Bildschirmspiele noch die von manchen BefUErwortern erhofften positiven Effekte wie etwa eine Steigerung des Reaktions- und KonzentrationsvermOEgens sind in den einschlAEgigen Untersuchungen zweifelsfrei nachzuweisen. Viele Befunde sprechen hingegen dafUEr, daSS Bildschirmspiele und AutomatenspielstAEtten sinnvoll in komplexe individuelle Orientierungs- und Handlungsmuster fUEr den Freizeit-, Spiel- und Mediengebrauch eingebettet worden sind. Um die GesetzmAESSigkeiten beim Besuch der Spielhallen aufzudecken, haben Dr. Swoboda und sein Forschungsteam am Institut fUEr PAEdagogik der Ruhr-UniversitAEt Intensiv-Interviews durchgefUEhrt und in UEber zweijAEhriger Projektarbeit ausgewertet. 85 SpielstAEttenbesucher aus Bochum, Wattenscheid und Hattingen wurden UEber ihren aktuellen Freizeitalltag und die Freizeitgestaltung in ihrer Kindheit und Jugend befragt. Dabei zeigte sich, daSS Kenntnisse UEber die individuelle biographische Lebenslage unerlAESSlich sind, will man die Nutzung neuer Spielmedien adAEquat bewerten. Gymnasiasten, Studenten und BerufstAEtige in der GroSSstadt nutzen Bildschirmspiele in Spielhallen in der Regel nur kurzfristig als LUEckentAEtigkeit, d.h. Pausen und Leerstellen im Tagesablauf werden so von ihnen gezielt UEberbrUEckt. FUEr junge Erwachsene, die in einer Kleinstadt- oder Vorstadtumgebung leben kann eine SpielstAEtte in Ermangelung anderer Freizeitangebote zum regelmAESSigen Treffpunkt und Aufenthaltsort werden. Einen recht hohen Stellenwert - zumindest vorUEbergehend - haben Spielhallen bei Jugendlichen, deren Lebenssituation sich drastisch geAEndert hat, z.B. durch Einberufung zum Wehrdienst oder Zivildienst, Aufnahme einer Ausbildung, BerufstAEtigkeit mit Schichtdienst etc. FUEr die beiden letztgenannten Gruppen gilt, daSS kommerzielle AutomatenspielstAEtten zu den Orten zAEhlen, an denen junge Erwachsene auf zrelativ unkomplizierte Weise Kontakte zu Gleichaltrigen knUEpfen kOEnnen, ohne daSS daraus gleich soziale Verbindlichkeiten erwachsen. Jugendliche in speziellen sozialen Problemlagen oder aus gesellschaftlichen Randgruppen weisen den Spielhallen eine besondere Funktion fUEr die BewAEltigung ihres Alltags zu. Ohne Integration in die Arbeitswelt, ohne strukturierten Tagesablauf und ohne die MOEglichkeit, an der allgemeinen Konsumkultur teilzunehmen, wird der Aufenthalt in AutomatenspielstAEtten zunehmend attraktiver. Nicht zuletzt wegen der vergleichsweise geringen Kosten des Bildschirmspiels halten sich Erwerbslose gern in Spielhallen auf. Diskriminierungen an anderen Orten sind ein wesentlicher Grund dafUEr, daSS auslAEndische Jugendliche so hAEufig in SpielstAEtten angetroffen werden. Die mit authentischen Beispielen und auf breiter Datenbasis gewonnen Einsichten der Studie von Dr. Swoboda machen deutlich, daSS die in der Bundesrepublik ergriffenen MaSSnahmen jugendschUEtzerischer Freizeitkontrolle an den Lebenslagen und FreizeitmOEglichkeiten vieler Heranwachsender vorbeigehen. Kommerzielle Freizeitanbieter dagegen sind erfolgreicher, weil ihr Angebot auf BedUErfnisse trifft, die aus einer VerlAEngerung und Entstrukturierung des Jugendalters entstanden sind. Die Einrichtungen der kommunalen Jugendarbeit und die Vereine haben darauf nicht rechtzeitig reagiert. An die Stelle bewahrpAEdagogischer Aktionen und gelegentlicher Denunziationen der SpielstAEtten und ihrer Besucher mUESSte eine pAEdagogisch gezielte Freizeitarbeit treten, die aufgrund fehlender Mittel oder in Ermangelung adAEquater Programme hAEufig nicht realisiert werden kann. Wolfgang H. Swoboda: Bildschirmspiele und AutomatenspielstAEtten im Freizeitalltag junger Erwachsener. Analysen zum Forschungsstand mit einer qualitativen Explorationsstudie UEber Freizeit-, Spiel- und Mediengebrauch, KOEln/Wien: BOEhlau Verlag 1990, 411 Seiten, ISBN 3-412-03190-9 - Rezensionsexemplare sind erhAEltlich beim BOEhlau-Verlag, Postfach 600180, Niehler StraSSe 272 - 274, 5000 KOEln 60 ------------------------------------------------------------------------------ |
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