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Studenten auf den Netzen ?
Nachdem sich die Studierenden im Wintersemester 1988/89 mit vielen Fragen (u.a. zu Forschung und ihrem Bezug zur Gesellschaft) zu Wort gemeldet hatten ist an vielen Orten das Beduerfnis erwacht, sich mit seinen studierenden KollegInnen im Fach und darueber hinaus auszutauschen. Und bald merkte man, wie schlecht das wirklich geht: - Jede echte Diskussion war ohne das Zusammentreffen vieler (wenn nicht aller) unmoeglich. - Niemand hatte die Uebersicht, was wirklich geschah, denn selbst die oertlichen Studi-Vertretungen waren ueberrascht und ueberfordert. - Zu Zeiten, wo selbst die Uebersicht und Kommunikation innerhalb von Fakultaeten stockte, war die ueberregionale nur noch ein Hort von Geruechten. Man stellte fest, dasz selbst die letzte verfuegbare Quelle von Infor- mation und Kommunikation, die oeffentlichen Medien (Funk, Fernsehen und Zeitungen) dem Beduerfnis nicht gewachsen war, eine Diskussion zwischen vielen am Laufen zu halten. Einige Studenten (und hier mueszte man wohl bei der maennlichen Form bleiben) fanden sich auf den "grauen" Medien, den Computernetzen. Sie versuchten, dieses Medium zu diesen Zwecken zu nutzen, wie sie dies schon immer getan haben. Hier kommt ihre Geschichte. Wie alle wissen, war Berlin und ihre Studenten wieder einmal fuehrend. Die Studenten der Berliner Universitaeten (TU und FU) streikten schon seit Ende Oktober 88. Auf den Netzen erschienen erste Anzeichen dieses Streiks gegen Ende Dezember. Dann waren auch schon die Leute der AG Impulse Westdeutschland da und erzaehlten ueber die Studenten in Berlin, brachten eine Videozeitung mit. Die alten Medien waren noch schneller. Weitere Infos kamen nun meist aus Berlin ueber die Netze, dort eta- blierte sich eine Netz-Redaktion. Es wurden auf Bitnet und dem UUCP- Net erste Mailinglisten geschaffen, immerhin 43 Addressen waren darin aufgezaehlt, ungefaehr je zur Haelfte auf dem UUCP-Netz und EARN. Berliner Studenten haben als erste die Netze benutzt, um Informationen ueber geplante Aktionen oder Berichte ueber Ereignisse zu publizieren. So gab es Einladungen zum UNiMUT-Kongress (6.-9.1.89), Informationen ueber Hintergruende und auch Streikbeschluesse. Bald gab es auch an der Uni Hamburg eine Mailboxgruppe. Im Januar und Februar flossen reichlich Infos ueber die Netze, wer wo wann und warum streikt. Bremen, Dortmund, Ulm, Stuttgart, Berlin, Hamburg, Hildesheim, Erlangen-Nuernberg usw. waren auf den Netzen zu finden. Kommentare der GI (== Gesellschaft fuer Informatik) ueber die Aktionen kamen ueber das Netz, Berichte ueber die Demo in Stuttgart und schlusz- endlich sogar etwas ueber Schuelerdemos in Ba-Wue. Man sollte in dem Zusammenhang vielleicht feststellen, dasz Rechnernetze den Kontakt zwischen Schulen und Hochschulen foerdern koennten, wenn solche Dinge an Schulen etabliert wuerden. Entsprechende Anstrengungen gibt es z.B. im englischen Sprachraum (Mail-A-Scientist, Kidsnet). Formale Regeln wurden eingefuehrt (Feb. 89). Man wollte unterscheiden zwischen Leuten auf den News-Netzen (sub, dnet, wobei diese evt. lokal in diskjunkten Mengen enthalten sind), jenen auf den Mail-Netzen (Bitnet/EARN, DFN) und in der Art der gesendeten Information. TeX war in manchen Bereichen aufgrund seiner weiten Verbreitung sehr erwuenscht. Gegen Ende des Streiks (8.3.89) wird eine zweite Kontaktliste verteilt, mit 10 Unis, davon 7 auf dem UUCP, einer im EAN/DFN und 4 im Bitnet (Manche haben mehrere Adressen). Es ist mir bis heute unklar, warum ploetzlich so viele wegfielen. Nun zeigte sich erstmals die Flexibilitaet eines privat und dezentral verwalteten News-Netzes: Die Newsgroup sub.studium wird eingerichtet. Da es dagegen weder auf EARN noch auf dnet moeglich war, eine News- group zu diesem Thema einzurichten (da fehlts wohl an Basis-Demo- kratie...), war dies auch aufgrund des hohen Volumens notwendig geworden. Ein Nachteil: Auch auf dem Subnet war man damit etwas zu spaet aktiv geworden, nur wenig streik-relevante Informationen wurden zu diesem Zeitpunkt ausgetauscht, der Streik war zu Ende. Leider ist es mir unbekannt, inwieweit zu diesem Zeitpunkt Informationen ueber die Aktionen ueber das Zerberus-Netz ausgetauscht wurden. Spaeter fand ich die Zerberus-Gruppen /Z-NETZ/UNI mit den Themen Streik&Aktionen, Mailboxen, News, Politik, Wissenschaft. Leider ist die Grundversorgung mit Zerberus-Boxen hier in Sueddeutschland etwas mager. Im ZER habe ich nichts mehr zu diesen Themen gefunden... Auf den Netzen sind dann nur noch vereinzelt Dinge gelaufen. Tief- punkt war wohl gegen Ende des Sommersemester. Zu erwaehnen: Ulms Buerobesetzung ! Nach(?)streikzeit ----------------- Zwar sind aufgrund der allgemeinen Erschlaffung keine groszen Dinge mehr geschehen, aber unter der Oberflaeche brodelt es, werden an manchen Ecken Lehren aus den Aktionen des WS88/89 gezogen. Ueberall entdeckt man Indizien, die auf Netze und deren Verwendung in zukuenftigen studentischen Aktionen hinweisen. Auf dem EARN/BITNET gibt es Chamas, unter anderem mit Infos ueber ASten und FSRaete, ein elektronisches Brett ueber die KIF (Konferenz der Informatik-Fachschaften) (CHAMAS@DOLUNI1). Verwaltet wird dieses System von Studenten. Das schnell expandierende Zerberus-Netz wird nun auch intensiv von Studis genutzt. Die Hochschulkontaktliste vom 06.10.1989 (zusammen- gestellt von ted@uploxa.UUCP) enthaelt immerhin 17 Zerberus-Mail- Adressen, sowie noch 9 UUCP- und eine EARN/Bitnet-Adresse. Auch die Newsgroup sub.studium des Subnetzes ist seit Beginn des Winter- semesters aus seinem langen Schlaf erwacht, hier werden aktuelle Daten ueber Scheine/Pruefungsbedingungen und Hiwi-Loehne ausgetauscht. Wie das auf dem Zerberus-Netz aussieht, entzieht sich leider wieder einmal meinem Kenntnisstand... Einzelne Fachschaften haben es schon gewagt (schlieszlich eine nicht zu unterschaetzende Technologie !), sich EMail-Adressen zuzulegen, darunter sogar einige Informatiker (!!!). Der elektronische KIF-Verteiler enthaelt schon 24 Adressen von 15 Fachschaften (25.08.89). Wie wenig Studis man ueber die Netze erreicht, wird deutlich, wenn man sich anschaut, welchen Ruecklauf eine Umfrage des AStA der FH Luebeck bis jetzt (23.11.89) erreichte: Von 230 (sic!) angeschriebenen Studi-Represaentationen haben 15 geantwortet, davon haben schon vier ein Modem (Karlsruhe, Stuttgart, Berlin, Bonn), drei wollen sich eines anschafften und einige sind strikt dagegen. Auch der AStA FH Luebeck wird sich nichtsdestotrotz ein solches Teil anschaffen und an die Netze gehen. Er wird auf der MAFIA.ZER erreichbar sein. Ein kurzes Wort zum VDS (Verein Deutscher Studenten): Zwar wurde auf der letzten Mitgliederversammlung (Herbst 88) darueber geredet, eine Mailbox zur Verbesserung der Kommunikation einzurichten, doch leider hat sich bisher NICHTS getan. Vielleicht musz der VDS erst mit seinem Protestival auf die Nase fallen UND DIES AUCH MERKEN, bevor er kapiert, dasz Studis normalerweise mehr zu tun haben als Umherreisen zum Zwecke des Protests. Ausblick -------- Auf dem European Student Meeting CHIASMUS (6.-9.9.89) in Bologna war die Idee der Kommunikation eine zentrale Fragestellung. Viele Dinge waren unbekannt aufgrund der totalen Abwesenheit von Kommunikation. Es fand ein Workshop statt, der unter anderem die Nutzung von Rechner- netzen zur Informationsuebermittlung zum Thema hatte. Leider konnte sich die Versammlung nicht dazu aufraffen, den Austausch von Informationen ueber Rechnernetze in irgendeiner Weise zu verstehen oder zu unterstuetzten. Eine Gruppe von 40 Leuten aus zwanzig Laendern Europas hat am Informationsaustausch Interesse gezeigt, darunter auch viele aus den Laendern des Warschauer Pakts. (Anm.: Nur Universitaeten der Staaten des Warschauer Pakts koennen sich elektronische Netze einrichten und leisten, der Privat-Buerger hat dort wenig Chancen.) Auf der letzten KIF (15-17.11.89) fanden sich auch einige Leute aus diesen Laendern ein. Inwieweit Interesse an Kommunikation ueber Netze besteht, ist unklar. Der CCC und Berliner UUCP-Systeme sind stark daran interessiert, Kontakte und Rechnersysteme in der DDR zu etablieren. Dasz dazu nur Berlin in Frage kommt und dort auch nur die Hochschulen, liegt an der desolaten Struktur des DDR-Telefonnetzes (wie ueberall in den Staaten des Warschauer Pakts. Erste Zerberus-Systeme entstehen im Ungarn. Da dortige Hochschulen und Studische Strukturen stark an engen Kontakten zum "Westen" haben, ist dort am fruehesten mit Netzwerkanschluessen zu rechnen. Auch in Polen besteht ein Interesse, sind doch Rechner und Hard- ware vorhanden. Ein Sprecher der NZS (unabhaengige Studierenden- Vertretung in Polen mit ca. 40000 Mitgliedern) bekundete in Bologna starkes Interesse am Zustandekommen von Kontakten ueber Rechner- netze (Ganz im Gegensatz zu Studis aus Britannien, die meinten, dasz ein solches System erst in 20 bis 30 Jahren realisierbar waere :-). Finnische Studenten der TH in Linkoeping haben Studenten in Tallinn seit der Eroeffnung einer direkten Waehlverbindung zwischen Finnland und Tallinn ein Modem geschenkt und versuchen nun, einen Fido-Link zu etablieren (ARONSSON@ELINOR.LYSATOR.LIU.SE) (15.11.89). Eine relativ stabile Mail-Verbindung existiert nach Moskau (Kontakt: dippon@gtc.UUCP). Wer nun mehr ueber das Ganze wissen moechte oder daran teilnehmen will, der kann mich erreichen unter pi%complx@nadia.UUCP, zrzr0111@ds0rus54.bitnet oder pi@cache.ZER. C U on the bytestream ! PI ----------------------------------------------------------------------------- |
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