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Das (D)aDa-Gefuehl


"An die Datenwandervoegel im globalen Dorf !

Die Speichernot ist gross. Spart RAM und Telefonkosten !
Volltextsucher werden gebeten, die Helptexte an der Leine zu fuehren.
Disketten sind an den Sysop zu versteuern.
Dieser Platz ist fuer die ungehinderten Daten abzugeben. Jede
Konferenz ist Benutzung unbefugten Hauptspeichers (auch der Chat).
Eproms sind untersagt und von der Weiterleitung ausgeschlossen.
Ungeschuetzte Daten muessen in die Mailbox treten.
Nicht in den Dateitransfer tippen (wenn der Cursor steht).
Nicht lesen, bevor der Text haelt (wenn der Transfer faehrt).
Das ist der Fehler unseres Systems."

Quelle: Kluengel, Ausgabe 0
Autor : Das wuessten wir auch gern, auch wenn wir es ahnen.

Dies ist vermutlich der einzige Text aus der Kluengel Nullnummer, der
sich in der Chalisti verwenden laesst, ohne einen mittelschweren Aufstand
zu provozieren. Die Kluengel ist vieles: eine etwas andere Zeitung, ein
Lebenszeichen, ein Aufstandgrund, 23 Seiten bedrucktes Papier und - eine
persoenliche Abrechnung.

Kluengel, "Das Fachblatt fuer Intrigen" tauchte kuerzlich als Postsendung
in dem Raeumen des Chaos Computer Club auf. Es gibt Vermutungen woher diese
Publikation stammt.

Im wesentlichen ist es eine CCC-interne Vergangenheitsbewaeltigung ueber
Notpressereferate, Verfassungsschutz und Clubstrukturen. Als Steffen
Wernery in Paris verhaftet wurde drohte der CCC auseinanderzubrechen.
Konflikte, die schon immer schwelten, brachen offen aus. Welten prallten
aufeinander. Auf der einen Seite die Hackerromantik, in der Frechheit,
Spontanitaet und galaktische Vereinigungen ohne feste Strukturen den Ton
angeben - auf der anderen Seite jene Fuehrungsfiguren, die mit dem Ruecken
an der Wand versuchten, gegen eine Kriminalisierung der Szene anzukaempfen
und dabei bisweilen recht autoritaere Methoden anwendeten - nach aussen und
nach innen. Zwischen Geheimhaltungsnotwendigkeiten und einer Medienoeffent-
lichkeit mit eigenen Gesetzen, clubinternen Strukturen, Spielregeln und
Traditionen entbrannte ein Machtkampf, der nicht mit Wattebaellchen auszu-
fechten war.

Inzwischen hat sich der Chaos Computer Club weitgehend erholt und er kann
sich - bei aller Kritik - auf die Fahnen schreiben, eine der wenigen
Organisationen zu sein, die den massiven Druck auf Strukturen und Einzel-
personen in einem positiven Sinne umgesetzt hat. Der CCC scheint aus
den Vorgaengen gestaerkt herausgekommen zu sein. Der letzte Hackerkongress
in Hamburg mag andeuten, wie sich der CCC in Zukunft entwickeln koennte.
Dabei muss darauf geachtet werden, dass der CCC vor lauter Professionalitaet,
wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Arbeit den Kontakt zur "Szene" nicht
verlieren darf bzw. dieser muss zum Teil wieder geschaffen werden. Evntl.
muss sogar erst die Frage behandelt werden, was diese "Szene" heute ist.

Dass nun, nach fast zwei Jahren, alte Wunden wieder aufgerissen werden, passte
vielen im CCC nicht. Der Schlammschlacht-Stil vergangener Zeiten sollte nicht
die konstruktiven Aktivitaeten neuerer Zeit vergiften. Dabei ist es natuerlich
einfach, diesen Stil als solchen zu bezeichnen. Als das Teil in Hamburg auf-
tauchte gab es Diskussionen, ob Kluengel verteilt werden soll oder nicht.
Doch derartiges verteilt sich von selbst - diese Diskussion eruebrigt sich
also.

Der Vorwurf, Kluengel verbreite Desinformation, ist da interessanter. Das
heisst im allgemeinen Sprachgebrauch: Jemand will Aerger machen oder Luegen
verbreiten. Ist das eine Art von Vergangenheitsbewaeltigung ?

In der Kluengeln versucht jemand, sein Leben mit dem CCC aufzuarbeiten. Es
ist schlimm genug, dass zu solchen Mitteln in einen Kommunikationsclub ge-
griffen werden muss. Aber man sollte nichts beschoenigen. Was in der Kluengel
steht, ist stellenweise falsch - aber objektiv falsch sicher nicht.

Ein Mensch sitzt im Leben oft dem falschen Glauben auf, er koenne logisch
denken. Der Kluengel-Autor macht diesen Fehler ebenfalls. Mensch sieht die
die Auesserungen und Handlungen eines Menschen, dazu kommen verschiedene
Informationen teilweise unklarer Herkunft, und die werden dann logisch
verknuepft.

Und wie leicht glaubt man dann, die Vorgaenge durchschaut zu haben und
handelt entsprechend der so entstandenen "Vor"-Urteile.
Diese menschliche Schwaeche ist wohl niemanden neu. Jeder von uns hat schon
den Fehler gemacht, etwas fuer "wahr" zu halten, weil es die Logik behauptete.
Der Fehler ist eigentlich banal: Menschen sind eben nicht auf Aussagen wie
wahr und falsch reduzierbar. Man kann das vielleicht mit der Schroedinger
Unschaerferelation in der Quantenmechanik vergleichen (was fuer ein Vergleich).
Saetze wie: "Ich kenne diesen Menschen und weiss, was er denkt" oder "Der
hat das aus dem und dem Grund getan" sind die Wurzel des Uebels.

Der Kluengel-Autor hat sich ein subjektives Bild gemacht. Man kann es als
verkehrt bewerten - aber ob es deshalb falsch ist?
Vielleicht wollte er sich dieses Bild auch machen, vielleicht auch eine
"logische" Konsequenz, weil um ihn herum die Menschen mit Scheuklappen
herumliefen.

Vielleicht sollte man weniger auf den Autor schimpfen, sondern auch mal jene
fragen, die er angreift. Wer seine Handlungen nicht erlaeutern kann, will oder
darf, wer von Glasnost redet aber nicht praktiziert, der muss damit rechnen,
missverstanden zu werden.

Genaugenommen gibt die Kluengel keine Desinformation. Sie hat nicht
zum Ziel zu verletzen, obwohl sie es streckenweise tut. Der Autor beginnt
im Editorial mit den Worten: "Diese Zeitschrift ist restlos abhaengig und
parteiisch, sie ist emotional und ueberzieht staendig. Sie hat keinen
Geschmack, nicht einmal schlechten." Mensch sollte die Kluengel als das sehen,
was sie vermutlich darstellt: Einen Spiegel.
Und jene fuer den dieser Spiegel geschrieben wurde, sollten es sich nicht zu
leicht machen, indem sie von "Desinformation" reden.

                                                  Frank Simon
                                             Juergen Wieckmann

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