============== Page 1/1 ============== Chaosradio 275 vom 14.2.2022: Digitale Barrierefreiheit Begrüßung Marcus Richter (= MR): Hallo und herzlich willkommen zum Chaosradio 275, der Sendung, in der wir, wir der Chaos Computer Club Berlin im weitesten Sinne, uns einmal im Monat damit beschäftigen, aus einer – sagen wir: Nerd-Perspektive auf die digitale Welt zu gucken und Dinge zu erklären. Manchmal auch zu zerklären. Das kommt ganz darauf an, um welches Thema es geht. Wir enden regelmäßig dabei, dass wir zwei Extreme haben: entweder alles anzünden oder die Welt besser machen. Manchmal sogar beides. Ich bin sehr gespannt, wo wir heute landen werden. Mein Name ist Marcus Richter. Ich versuche, durch diese Sendung zu führen. Wir sprechen heute über Barrierefreiheit. Nicht für die ganze Welt, sondern erstmal nur für den digitalen Teil, wie’s beim Chaosradio so häufig ist. Vielleicht gehen wir auch noch woanders hin, das müssen wir aber sehen. Wir sprechen also darüber, wie diese Welt, die für, sag ich mal, die engere Zielgruppe dieser Sendung ganz natürlich ist, vielleicht doch gar nicht so niedrigschwellig und zugänglich ist, wie man das manchmal glaubt. Gästevorstellung Woran das liegt, was man dagegen machen kann, und wie das vielleicht alles besser wird, bespreche ich heute mit Niclas Schmidt. Er gibt Sensibilisierungsworkshops und ist engagiert bei be able e.V. (https://be-able.info/de/be-able/) Hallo und guten Tag. Niclas Schmidt (= NS): Hallo Marcus, schön, dass das hier stattfindet. MR: Ich bin sehr gespannt. Dr. Irmhild Rogalla. Sie ist fachliche Leitung des Instituts für digitale Teilhabe der Hochschule Bremen und dort auch Leiterin des Instituts für praktische Interdisziplinarität. (https://www.hs-bremen.de/person/irogalla/) Hallo und guten Tag. Irmhild Rogalla (= IR): Hallo Marcus, ich freue mich, dass ich dabei sein kann. MR: Herzlich willkommen. Und dann haben wir noch Dennis Morhardt. Er ist Webentwickler und unter anderem spezialisiert auf die technische Seite von digitaler Barrierefreiheit. https://dennismorhardt.de/ Hallo, guten Tag. Dennis Morhardt (= DM): Hallo Marcus. Inwiefern ist Barrierefreiheit realisierbar? MR: So. Jetzt ist das Thema ein sensibles und gleichzeitig unterrepräsentiertes und gleichzeitig eines, wo man sich als Mensch, der sich nicht viel damit beschäftigt, immer wenn man darauf gedrängt wird oder stößt, denkt: Da müsste ich mich eigentlich viel mehr damit beschäftigen. Und aus diesem sozusagen fast ein kleines bisschen Schuldbewusstsein resultiert dann immer auch so eine große Unsicherheit, wie damit überhaupt umzugehen ist. Und deswegen – aber nicht nur deswegen, denn das machen wir im Chaosradio eigentlich immer – fangen wir ganz von vorne an und fragen erstmal: Barrierefreiheit – kann man das überhaupt definieren? Und ich würde die Frage aber tatsächlich nicht nach der Definition stellen, nicht fragen: „Was ist Barrierefreiheit?“ Denn instinktiv ist das glaube ich klar. Es bedeutet, dass idealerweise jeder ‘nen gleichen Zugang hat, unabhängig von seinen Fähigkeiten. Deswegen würde ich praktisch fragen: Ist Transkript Ursula Walther, 26.2.22 1 Barrierefreiheit ein realisierbares Ziel oder ein erstrebenswertes, aber letztlich nicht erreichbares Ideal? Irmhild, vielleicht magst du anfangen. IR: Na ja, ich bin schon der Meinung, Barrierefreiheit ist möglich und auch anzustreben. Also auch wirklich Barriere f r e i heit, nicht nur Barrierearmut. Seit Jahrzehnten wird uns bei der Digitalisierung erzählt, dass die alles besser macht und so unglaublich flexibel ist. Und wir erleben – da kommen wir ja bestimmt nochmal drauf – eigentlich immer mehr Barrieren an vielen Stellen. Also „wir“ jetzt im Sinne von all den Menschen, die irgendeine Form spezielle Anforderungen haben. Und das sind ja nicht wenige. Ich finde schon, dass an der Stelle Digitalisierung mal zeigen könnte, dass sie auch wirklich flexibel ist und zum A b b a u von Barrieren beitragen kann. Und ich glaube auch, dass das tatsächlich technisch möglich ist. Man muss allerdings was dafür tun. MR: Es geht nicht von alleine, das habe ich befürchtet. Jetzt hast du aber schon einen Unterschied gemacht, nämlich zwischen Barrierefreiheit und Barrierearmut. Kannst du das mal erklären? IR: Na ja, Barrierefreiheit heißt tatsächlich, wenn wir jetzt mal kurz auf so etwas wie eine Definition gehen, dass wirklich jeder mit jeder Beeinträchtigung – Beeinträchtigung steht in diesem Falle tatsächlich für verschiedene Arten von Behinderung – teilhaben kann. Und zwar ja, wirklich komplett teilhaben kann. Und das ist ein extrem hoher Anspruch. Schon allein, wenn man an Menschen mit Seheinschränkungen oder gar Blindheit denkt, weil diese Einschränkungen so unterschiedlich sind. Und dementsprechend ist auch das ganz unterschiedlich, was die jeweiligen Menschen brauchen. Und barrierefrei, wenn das wirklich der Anspruch ist, jeder kann gleichermaßen teilhaben, würde dann bedeuten, all diese verschiedenen Einschränkungen zu berücksichtigen und eben dafür zu sorgen, dass es für all diese barrierefrei ist. Und das ist unglaublich aufwändig. Einfach deswegen spricht man ganz oft von Barrierearmut, weil man eben den einschlägigen Standard nicht ganz erfüllt, sondern nur auf der mittleren Stufe, oder weil einem eben sogar bewusst ist, dass man bestimmte Menschen – meistens auch solche wie mich, die nicht hören können – ausschließt, weil es zu viel kostet, das für sie barriere f r e i zu machen. MR: Niclas, wie würdest du das Problem oder die Definition oder diese Frage einschätzten? NS: Ja, ich glaube, ich habe dazu, wie so oft, gar keine fixe Antwort, sondern nur so ein paar losere Gedanken. Ich bin im Verlauf meines Engagements und der Workshops, die ich mache, auf den Begriff „Zumutungsnorm“ gestoßen. Für mich hat der relativ viel erklärt. Ich habe den ursprünglich aus – es gab mal so eine schöne, so ein Magazin, das hieß „Mondkalb“. Das ist auch so ein Begriff, der früher für Behinderung und so im Umlauf war. Die Zeitschrift, das Magazin für das organsierte Gebrechen. Das erzähle ich auch nur, weil es so lustig ist. Und die Zumutungsnorm ist sozusagen der Gedanke: Wenn wir uns einen Bordstein anschauen, dann haben die meisten Leute kein Problem, da irgendwie hoch und runterzuhüpfen. Kinder haben da Spaß dran, keine Ahnung. Wenn wir uns jetzt aber überlegen, diesen Bordstein machen wir höher, weil irgendwer das für eine schlaue Idee Transkript Ursula Walther, 26.2.22 2 hält, und packen den auf 20 Zentimeter, dann ist es für die kleinen Kids irgendwie schon schwierig. Oder für jemanden, der einen Rollator dabei hat, wenn es keine abgesenkten Bordsteine gibt, oder vielleicht auch mit dem Kinderwagen. Und dieses Experiment können wir weiterspinnen, über 50 Zentimeter, 80 Zentimeter, 1 Meter, 1,20 Meter. Und dann merkt man: Ok, das ist irgendwie so eine flexible Skala, auf der wir uns befinden. Also, es gibt so einen Moment, wo die meisten Leute sagen: „Ja, ok, das ist völlig bescheuert, was soll ich mit einem Bordstein, der 1,20 Meter hoch ist?“ Darüber finde ich diese Frage über Barrierefreiheit oder Barrierearmut für mich immer so ein bisschen fassbarer. Weil: Es geht auch immer um Aufwand, es geht immer darum, wie viel Energie kann ich oder will ich aufwenden, um an irgendwas teilzuhaben oder teilzunehmen. Und es geht auch immer darum, auf so einer gesellschaftlichen Ebene zu schau‘n: Wie viele Leute fallen denn gerade hinten runter? Das ist ja nicht, was offiziell verhandelt wird. Aber ich glaube, es gibt so ein intuitives Gefühl dafür. Und ich glaube auch, dass im Bereich Barrierefreiheit oder Barrierearmut … der spannende begriffliche Punkt ist ja: Freiheit ist ja eigentlich absolut. Und Armut kann ich auf so einer Skala mir auch irgendwie angucken. Ich glaube, das ist für das System, in dem wir leben, sinnvoll, oder da macht es Sinn, eben mit einer Armutsidee zu kommen und zu sagen: Na ja, wir sind ja schon relativ nah dran, und das Ideal werden wir nie erreichen. Und ich glaube, das ist auch total wichtig, wie Irmhild das gesagt hat: immer wieder einen starken Begriff von Freiheit mit in den Diskurs zu geben und zu sagen, nee, es geht nicht darum, nach 70 oder 80 Prozent des angenommenen Weges aufzuhören. MR: Das hört sich für mich so ein bisschen an wie das, was der Chaos Computer Club selber in politischen Diskussionen oft macht, nämlich immer die Maximalforderung stellen. Also immer sagen, es geht darum, die Welt zum bestmöglichen Platz zu machen. Und ja, auf dem Weg dahin muss man Kompromisse eingehen, und es gibt vielleicht politische Diskussionen, aber man darf das nie aus den Augen verlieren. Das finde ich ganz spannend. IR: Ja, das sehe ich auch so. Weißt du, es sind ja gerade, wenn wir über Barrieren reden, oder eben das Gegenteilige, Zugänglichkeit – wir reden ja immer über Menschen, die wir ausschließen. Und zwar teilweise komplett ausschließen. Und je digitaler die Welt wird, von umso mehr Sachen schließen wir solche Menschen aus. Und deswegen finde ich schon: Das Ziel muss wirklich Barriere f r e i heit sein. MR: Ich finde das Bild von dem Bordstein tatsächlich auch ganz hilfreich für mich, denn trotz Beschäftigung mit dem Thema habe ich immer Schwierigkeiten gehabt, weil es, egal, ob ich das will oder nicht, in meinem Kopf immer doch ein bisschen ins Lagerdenken ging. Also wir und die, und dann sind die vielleicht drin, aber dann gibt es immer noch die anderen. Wenn man sich aber diesen sozusagen wie in einem Schieberegler veränderbaren Bordstein vorstellt, der eben auch nicht nur beliebig tief sein kann, um möglichst vielen Leuten den Übergang zu ermöglichen, sondern auch fürs Gedankenexperiment beliebig hoch werden kann, dann merke ich auf einmal selber: Dass das für dich keine Barriere ist, ist nur eine Frage dessen, dass der Bordstein zufälligerweise nicht größer als 1,50 Meter ist. Und das, merke ich, hilft mir gerade im Kopf sehr, dann zu verstehen, dass es eben nicht ‘ne Frage ist von Barrierefreiheit, Barrierearmut ist ein Zusatzaufwand, sondern es geht eigentlich immer um Zugänglichkeit. Also Zugänglichkeit ist eigentlich fast schon das schönere Wort. Jetzt ist es aber so, dass das … obwohl, nee, stopp. Transkript Ursula Walther, 26.2.22 3 Standards für digitale Barrierefreiheit Ich wollte gerade zum nächsten Thema übergehen. Aber wir haben ja noch Dennis da. Dennis, der das als Job macht, Dinge im Netz barrierefreier zu machen. Jetzt will ich noch nicht auf die einzelnen Beispiele eingehen. Weil: Das ist der nächste Punkt, zu dem ich gleich kommen will. Aber wenn wir über irgendwelche Definitionen reden, und du bist ja sozusagen Techniker: Gibt es eine technische Definition, einen ISO-Standard, ein RFC 83 987-C für Barrierearmut oder Barrierefreiheit (allgemeine Heiterkeit), wo man sagen kann: Wenn man das alles erfüllt hat, dann hätte man zumindest nach einer technischen Definition Barrierefreiheit? DM: Das ist ja nicht nur ein Nerdproblem. Das ist auch ein Problem des Gesetzgebers. Weil der oder die müssen ja auch sagen: Wann ist es denn barrierefrei. Einerseits aus eigener Auflage, weil sie sich sagen, na ja, wir sind immer digitaler, mehr Behördenleistungen gehen digital, da können wir wirklich niemanden ausschließen. Weil es im Zweifel auch um finanzielle Leistungen geht. Deswegen gibt es die natürlich. Es gibt von der WCAG, vom W3Konsortium, also die, die einige Webstandards schon gemacht haben, von denen zum Beispiel auch html kommt, die haben tatsächlich einen Standard dafür. Und der ist einfach so gut, dass mehr oder weniger alle Gesetzgeber der Welt gesagt haben: Ja, den nehmen wir. Also es gibt in den USA diese Section 508, die beziehen sich drauf. Wir hatten in Deutschland die BITV und dann später die BITV 2.0, das ist die Barrierefreiheitsverordnung in der Informationstechnik. Und weil das sehr hip war, hat man dann irgendwann die Revision 2.0 genannt, weil das diese Web-2.0-Phase war. Und auch die bezieht sich auf die WCAG. Und wir haben jetzt auch auf der europäischen Ebene eine EU-Richtlinie, 2016/2102 müsste es sein. Aber da kann ich noch eine weitere Zahl reinwerfen. Weil sich der EUGesetzgeber ja nicht auf irgendwas im Web beziehen kann, musste das noch in eine europäische Norm gegossen werden. Das heißt es gibt ein – quasi – Copypaste der WCAG in die EU-Norm, oder europäische Norm, 301549. Und auf die bezieht sich dann das Gesetz. Aber am Ende ist tatsächlich die WCAG in der aktuellen Version, das ist die 2.1, quasi d e r Standard für Digitales im Web. MR: Ok, wollte ich grade sagen, das finde ich ganz spannend. Und lasst uns jetzt bitte mal darüber tatsächlich als nächstes reden, nämlich übers Web. Oder sagen wir im weitesten Sinne: Bildschirmgeräte. Also nicht nur Webseiten, sondern vielleicht auch Apps. Also erstmal reden wir sozusagen nur über diese Dinge, die – wenn ich jetzt klassisch sage, ist das (unverständlich) –, im Computer stattfinden oder auf dem Smartphone. Jetzt geht es ja sozusagen erstmal und vordergründig, auch dazu kommen wir noch, um Menschen mit Behinderung. Unter- und Betitelung Es gibt eine Sache, die mir aufgefallen ist, die mit dem Aufkommen von Tiktok tatsächlich ganz stark zugenommen hat, und das ist, dass viele Videos untertitelt werden. Gerade auf Tiktok machen sich die erfolgreichen Creators, also die Menschen, die echt große Follower*innenzahlen haben oder auch Geld damit verdienen, die Mühe, das selber zu machen, also das selber zu untertiteln. Und es gibt eine automatische Untertitelung, die – soweit ich das auseinanderhalten kann – auch leidlich gut funktioniert. Und deswegen wäre das meine erste Frage: Wie barrierefrei ist im Alltag das Netz oder das Web oder Bildschirmarbeit und Geräte und Angebote für Menschen, die eine Behinderung mit oder im oder am Gehör haben? Transkript Ursula Walther, 26.2.22 4 IR: Na ja, wenig, wenn ich das mal so pauschal sagen darf. Also ja, es stimmt, die Untertitelung, vor allem die automatische Untertitelung, hat zugenommen. Und sie ist auf Englisch, das muss man auch sagen, super gut geworden. Gerade in der letzten Zeit, also in den letzten zwei, drei Jahren. Auf Deutsch, das ist die andere Sprache, wo ich das beurteilen kann, ist es in aller Regel immer noch eine Zumutung. Man ist zwar geneigt, zu sagen: Das ist doch leidlich verständlich. Das ist es auch meistens. Nur: Wenn man darauf angewiesen ist, und das womöglich stundenlang, dann reicht „leidlich“ nicht. Wenn ich mir immer noch jedes Komma, jeden Punkt und jede Großschreibung denken und dabei alle Schreibfehler ausgleichen muss, und wenn Namen und Zahlen notorisch nicht richtig erkannt werden, ebenso Fremdsprachen, also alle Arten von fremdsprachlichen Ausdrücken, dann ist das einfach auf die Dauer sehr, sehr, sehr anstrengend. So, das ist das eine. Das ist jetzt, sag ich mal, die Position von jemandem, der wie ich gut Deutsch kann, lautsprachlich – also mit deutscher Laut- und Schriftsprache – aufgewachsen ist, auch schreiben und lesen kann, so einigermaßen zumindest. Wenn wir jetzt aber die Position derjenigen einnehmen, deren Muttersprache Gebärdensprache ist, also die sich selber in Gebärdensprache ausdrücken und es nicht nur gerne möchten, sondern in vielem auch darauf angewiesen sind, dass sie Input in Gebärdensprache bekommen, die sind oftmals mit deutscher Laut- und Schriftsprache nicht souverän. Sie gehen damit nicht souverän um. Traditionell ist das sogar noch viel schlimmer, aber das lassen wir mal weg. Und dann habe ich nämlich ganz schnell ein Problem. Also ich bin hier ja auch mit Gebärdensprachdolmetscherinnen unterwegs, weil das auch für eine wirkliche Kommunikation viel, viel besser ist als Untertitel. Untertitel reichen da nicht. Und in dem Moment kann man sehr deutlich sagen: Nein, wenn man das möchte, also Gebärdensprache, egal jetzt ob hier in Deutschland oder auch in den USA – wobei es in den USA ein bisschen besser ist -, kann man von Zugänglichkeit oder gar von Komfort überhaupt nicht reden. Sondern muss kämpfen für auch nur ein bisschen Zugänglichkeit. MR: Wie ist es denn mit der anderen, wenn man an jetzt an Bildschirmgeräte denkt, offensichtlichen Behinderung, über die man dann reden muss, nämlich Blindheit oder Sehbehinderung? Auch da gibt es im Kleinen etwas, was mir, als jemand, der damit keine Probleme hat, immer wieder oder häufiger begegnet. Indem das auf Twitter relativ massiv – das ist natürlich auch eine Frage der eigenen Timeline, wem man folgt – eingefordert wird: dass, wenn da Bilder gepostet werden, auch Bildbeschreibungen dazugepostet werden. Damit die Geräte, die den Bildschirmtext ablesen, eben auch darstellen können: Hier ist ein Bild. Wie ist da aber der generelle Durchschnitt? Kann man sagen, da ist das Web, das Bildschirmleben, schon auf einem guten Weg? Oder ist es eher so: Es gibt erste Anzeichen von, aber eigentlich ist das eher der hohe Bordstein? NS: Ich gehe davon aus, dass die Frage in meine Richtung geht. MR: Immer alle, die gerne möchten, das heißt auch gerne du. NS: Sehr schön. Genau. Also wir hatten es ja eingangs nicht erwähnt. Ich bin ja selbst so mit rechnerisch zwei Prozent Sicht unterwegs. Um sich das vorstellen zu können, also: Auf einem Bildschirm oder ich schlag ein Buch auf – ich sehe von einem Wort da drin einen Buchstaben. Ich habe einen ganz krassen Tunnelblick und finde mich damit manchmal auch Transkript Ursula Walther, 26.2.22 5 so ein bisschen in dieser, ich sag mal „Schulblade“, eben auch noch so zwischen den Schubladen. Oder zwischen den Stühlen. Weil ich mach viel noch mit sogenanntem Sehrest und mach viel mit akustischer Ausgabe. Und ich kann da immer nur für mich sprechen, und ich hab dann teilweise – also gerade was das angeht – keine besonders gute Stichprobe, sage ich mal. Also Bilderuntertitelung. Ein anderes Thema ist, was bei mir immer wieder auftaucht oder wo ich gefragt werde: Gender in Sprache mit Sternchen, dann gab es irgendwie diese Geschichte „Ja, mach das doch mit Doppelpunkt, weil das von den Screenreadern für blinde und seheingeschränkte Menschen anders vorgelesen wird“ – ist glaube ich auch nochmal eine andere Frage. Insgesamt, mit den Bildern, mit denen ich zu tun hatte, sah das eher mau aus. Also das ist zum einen auch eine Kunst, würde ich sagen. Und da fehlt ein bisschen Wissen bei den Leuten, die sowas einbinden. Oder da fehlen vielleicht auch Kurse oder Wissensvermittlung. Wenn ich auf einem Wikipedia-Artikel bin und, weiß ich nicht, mir da ein Bild von Jane Austen …, dann interessiert mich natürlich auch, was dieses Bild transportieren will. Ist das eine Fotografie, ist das eine Malerei, eine Zeichnung? Was für eine Stimmung wird da reproduziert? Das kann jetzt sein, dass irgendwelche anderen Leute das hier hören und aus einer ähnlichen Perspektive da draufgucken und sagen: „Nein, auf keinen Fall, das will ich alles gar nicht wissen!“ Also wir sind da auch in der Problematik von: den Leuten das geben, was sie haben wollen und vielleicht auch – ich spinn jetzt mal rum – auf verschiedenen Komplexitätsleveln. Zu sagen: Ey, ich will hier nur so einen kurzen Überblick. Ich will aber genau wissen, wo befindet die sich da. Was ist auf dem Bild drauf? Das Foto von der Freiheitsstatue – ist da gutes Wetter oder schlechtes Wetter? Wenn ich ein Bild von der Freiheitsstatue angucke und da steht drauf „ein Bild von der Freiheitsstatue“, dann ist mir halt nicht besonders viel geholfen. Und einen halben Schritt zurück. Also wenn wir – Dennis hat es angesprochen – in diesem Bereich von Web-Accessibility, Webcontent-Accessibility-Guide, also WCAG unterwegs sind, da sind wir an einem Punkt in einer ganz langen Kette. Ich habe letztens versucht, es so zu erzählen, ich glaube mit einer Eimerkette oder mit Stille Post. Also: Wir haben Menschen, die sitzen irgendwo und produzieren diesen Content. Die Leute bei Tiktok zum Beispiel. Die Leute, die Websites programmieren, was auch immer. Und sei es irgendwie das Interface für einen Geldautomaten oder so. Die benutzen Software dafür. Da kommt dann irgendwas raus, das wird irgendwo vermittelt, das wird ins Web geladen, das landet vielleicht auf einer Maschine. Dann komm ich an und habe einen sogenannten User-Agent-Browser auf meinem Handy oder in meinem Computer. Auch für diese User-Agents gibt es einen Standard von der W3C und auch für die Developer-Agents auf der anderen Seite gibt’s einen Standard. Und dann kommt meine Assistive Technology, meine Assistenztechnologie dazu. Und die versucht jetzt, aus diesem Browser das rauszuholen, was ich jetzt gerade haben will. Und das entweder in Brailleschrift, in Punktschrift auf der Braillezeile umzuformulieren, oder akustisch auszugeben. Also was ich damit deutlich machen will: Da gibt es halt sehr, sehr, sehr viele Orte, an denen etwas schieflaufen kann. Erst recht, wenn auf diesem ganzen Weg halt so ein paar Standards unterwegs sind und dann sind die natürlich auch nicht verpflichtend. Und ähnlich ist es mit dieser Bildbeschreibung. Wenn ich da Bock drauf hab, dann mach ich das, und wenn ich gut da drin bin, dann schreibe ich das da rein. Und wenn nicht, dann schreibe ich da rein „Bild 2“, und tschüss (allgemeine Heiterkeit). MR: Transkript Ursula Walther, 26.2.22 6 (unverständlich) ganz spannend. Die Frage, was ein Jane-Austen-Bild transportiert, ist ja fast schon Interpretation, könnte man sagen, und nicht so sehr eine Bildbeschreibung. Aber da können wir vielleicht hinterher noch ein bisschen genauer reden. Ich wollte nur noch eine Sache nachfragen: Wenn wir hier schon von Standbildern im weitesten Sinne reden, dann höre ich zwischen den Zeilen auch raus: Über Autodeskription von professionellen Fernsehund Streamingdienst-Angeboten müssen wir nicht reden. NS: Nein, da brauchen wir nicht drüber reden. Nicht, soweit ich das gerade irgendwie überblicken kann. Alles, was da computergestützt versucht wird. Unterstützung für verschiedene Eingabeinterfaces MR: Wie sieht es denn aus für Menschen mit körperlicher Behinderung im weitesten Sinne? Wird Rücksicht genommen auf besondere Eingabegeräte? Oder, das kann ich vielleicht auch anders fragen, weil ich das gar nicht weiß: Ist es überhaupt ein Problem? Die meisten Interfaces sind ja ausgerichtet auf Touch oder Maus, und da ist mir jetzt gar nicht klar: Ist ein Touchscreen oder eine Maus etwas, was sich sehr leicht auch in einem Gerät umsetzen lässt, was bestimmte Dinge aufgreift oder ersetzen kann? Oder ist das eine ähnliche Lage wie beim Hören und Sehen? Dass die Leute, die Hände haben und Finger, einfach ihre Interfaces bauen und nicht weiter darüber nachdenken, dass das ein großes Problem ist? IR: Nein. Da ist es tatsächlich bei den Interfaces etwas leichter, weil das stärker standardisiert ist. Da kann man einfach … Was Niclas eben sagte – dass das so kompliziert ist und verschiedene Standards ineinander greifen, die nicht unbedingt eingehalten werden –, das ist etwas, das trifft grundsätzlich auch auf die Ausgabegeräte zu. Nur: Da sind die Standards eindeutiger und werden auch eingehalten. Sonst würde auch eine Maus, eine Tastatur oder ein Tablet, also so ein Grafiktablet, nicht funktionieren. Und da kann man wohl relativ gut Daten abgreifen und die dann eben – das ist ja dann ‘ne mechanische Sache – dass ich sozusagen das umsetze in eine andere Art von Endgerät. Also beispielsweise für Leute, die sich gar nicht mit Händen oder Füßen bewegen können, in eine Pust-Steuerung – hast du vielleicht schon mal irgendwo gesehen, sowas gibt es ja. Oder auch nur einen dicken Ball aus der Maus mache, für jemanden, der sich nicht so genau bewegen kann. Das ist auf der technischen Ebene etwas einfacher, meiner Kenntnis nach. Es ist aber ein großes Thema im Gamesbereich gewesen, lange Zeit. Also da, wo es spezielle Eingabegeräte braucht, und die auch in das Gerät, also in einen Gameboy oder so, fest eingebaut sind. Da gab‘s immer nur Bastellösungen. Allerdings gibt es da auch eine große Szene, die sich darum kümmert. Und das ist in den letzten Jahren besser geworden, weil die Hersteller selbst da auch etwas anbieten. Da ist eindeutig sowohl die Szene gewachsen als auch gehen die Hersteller da mehr darauf ein. Und es gibt tatsächlich mehr Standards in dem Bereich. DM: Wobei man halt sagen muss, dass es aus der Webentwicklung her natürlich einen Unterschied macht, ob man nur auf eine Maus programmiert und dann quasi ignoriert, was auf der Tastatur passiert. Wenn ich jetzt meine, ich muss meinen Button … der ist nur klickbar, also mit der Maus, dann habe ich jemanden ausgeschlossen, dessen Eingabegerät über die Tastatur funktioniert. Oder dass das Tastatursignale sind. Dasselbe gilt auch für Touch. Und da ist ja nicht nur die technische Seite, also ob mein Button alle drei Eingabeformate unterstützt, Tastatur, Maus und Touch. Transkript Ursula Walther, 26.2.22 7 Das andere ist natürlich das Design. Also wenn ich den Button so klein mache, dass er einerseits für jemand eine Schwierigkeit ist, der mit der Maus nicht so genau ist, oder wenn wir … Also, das beste Beispiel für Universal Design ist … Wir haben ja auch temporäre Einschränkungen. Wenn ich jetzt einen Handschuh trage und auf meinem Smartphone rumdrücke, da sind kleine Buttons ein bisschen nervig, weil ich nicht so genau treffe. Und da fängt es dann halt an. Zu gucken: Wie kann man denn die Zielgruppe auch erweitern für sowas? Wenn meine Wetterapp einfach nur aus so kleinen Buttons besteht, dann habe ich nicht nur Leute ausgeschlossen, die eine dauerhafte Einschränkung haben, sondern dann habe ich quasi alle ausgeschlossen, die gerade Handschuhe tragen müssen, weil es kalt ist. Und da fängt es an. Das heißt, das ist nicht nur ein … Die Standards sind wirklich am Ende der Kette. Einschränkung durch Design Das fängt wirklich auch schon ganz am Anfang an, beim Design. Weil: Ich kann natürlich auch den Button klein machen. Und dann schön, dass der jetzt barrierefrei ist, technisch gesehen. Aber in Wahrheit ist er es immer noch nicht. MR: Also ich halte mal fest: Was das Zeigen auf Bildschirmen angeht, ist es so, dass das leichter zu emulieren geht. Selbst wenn sich derjenige, der das Interface designt hat, keine Mühe damit gibt, aber es trotzdem wünschenswert ist, dass man das macht, aus den Gründen, die Dennis gerade erzählt hat. Jetzt gibt es ja noch mehr. Wo wir gerade von Computerspielen sprechen: Da ist es tatsächlich sozusagen … Da, weiß ich gar nicht, muss auch irgendeine Richtlinie gewesen sein, dass seit einer Weile sowohl Geräte als auch verschiedene größere Spiele warnen vor … Oder Warnungen für Menschen, die möglicherweise fotosensitiver Epilepsie ausgesetzt sind. Und immer wieder, wenn es um Texte geht, geht es um leichte Sprache. Sind das Dinge, die auch schon eine Rolle spielen, oder sind das letztlich Leuchtturmprojekte, wenn sowas passiert? NS: Ich würde ganz gern nochmal kurz davor anschließen. Weil ich das Thema aus dem Bereich Sehen auch immer wieder erwähnenswert finde. Es gibt Leute, die mit Vergrößerungssoftware arbeiten und mit Kontrastveränderung. Die einfach eine Seheinschränkung haben, aber das ist sozusagen das Mittel der Wahl. Und dazu ist mir gerade noch eingefallen, dass das auch für eine Anordnung von Buttons und ein Aussehen von einem User-Interface ein wichtiger Anspruch sein kann. Wenn ich einen großen – weiß nicht, 24-Zoll-Monitor habe, auf dem sehe ich aber eigentlich nur das, was so scheckkartenformatgroß ist, was ich mir gerade ganz unten links im Bild anschaue, dann … Könnt ihr euch das vorstellen? MR: Ich weiß nicht genau. Meinst du, man hätte einen sehr großen Monitor, wo man sich „nur einen Ausschnitt“ eines „normalen“ Bildes anschaut? Oder meinst du, man hat einen sehr großen Monitor, aber die Software ist nicht so gemacht worden, dass man Dinge vergrößern kann. Sondern man hat einfach nur einen riesigen Monitor, wo etwas ganz, ganz klein draufsteht? NS: Transkript Ursula Walther, 26.2.22 8 Nein, was ich meine, ist: Du guckst ja im Interface mit einer 300-Prozent-Vergrößerung. Dann ist der Bereich, den du auf deinem Monitor sehen kannst, im Vergleich zu normal 100 Prozent k l e i n e r . Weil du ja Dinge dreimal vergrößert hast. MR: Wie ’ne Lupe eben. NS: Genau. Und wenn ich dann auf einem Interface oben links, oben rechts in den Ecken oder auch noch unten in der Mitte irgendwelche Buttons finden muss, dann muss ich meinen Sichtausschnitt weiter verschieben. Das macht so eine Button-Interaktion auch noch mal schwieriger. Das wollte ich einfach nur noch hinzufügen. MR: Das heißt, man hat da wirklich so eine Art gordischen Knoten. Einerseits dürfen die Buttons nicht so klein sein, dass man sie in der normalen Sicht gar nicht mehr treffen kann, andererseits dürfen sie auch nicht zu groß und zu weit auseinander sein, weil man sonst mit einer Vergrößerung in Schwierigkeiten kommt. Da scheinen mir spannende Herausforderungen verborgen zu sein. DM: Es ist einfach die Erwartbarkeit, glaube ich. Also, das ist ja das Ding, wir … Wenn du nach deinem eigenen Alltag gehst: Wo erwartest du denn die Suche auf einer Webseite? Den Suchbutton? Meistens oben rechts. Das ist irgendwie so gelernt, funktioniert einigermaßen. Viele halten sich daran. Das ist diese Erwartbarkeit. Und wenn du dann plötzlich anfängst, ein Formular zu haben, wo der Absendebutton aber – ich weiß nicht – oben rechts ist, unten links oder irgendwo versteckt, dann ist es halt schwierig. Da kann der barrierefrei sein, aber dann ist es trotzdem nicht verständlich. MR: Ich habe gerade überlegt: Vielleicht gibt es für viele Menschen, die sich nicht mit dem Thema beschäftigen, ein ganz hervorragendes Beispiel, wie man sich das vorstellen kann. Stellt euch vor, das ganze Netz wäre so programmiert wie Cookiebanner. Also sozusagen im Sinne der Irreführung, des Möglichst-sollst-du-falsch-wohin-klicken und so. Natürlich hinkt dieser Vergleich, wie alle Vergleiche. Aber vielleicht kann man das, vielleicht ist das auch sozusagen ein kleines Bordsteinbild. NS: Ich finde es gar nicht schlecht. Auf jeden Fall, weil es da ja um Intuition oder um unintuitives Design geht. Eine Idee, die bei mir so ein bisschen im Hirn ‘rumschwimmt, vielleicht ist das ein Weg: Wenn ich mir als User Content zugänglich machen will, dass ich dann eine Interaktion herstelle und sage: Bitte, stell mir den Content auf diese Art und Weise dar. Es muss ja nicht e i n Interface für alle Menschen geben. Vielleicht gibt es da ja auch eine Möglichkeit, zu sagen: Hej, ich sende da irgendwie … Also genauso, wie wir jetzt ja auch schon mobile Versionen von Websites haben, und mein Browser kriegt das hin und checkt, ob ich mobil unterwegs bin oder ob das mein Desktop-PC ist. Also vielleicht ist das auch eine Möglichkeit, in der Richtung weiterzudenken. Aber ich bin halt kein IT-Spezialist. DM: Definitiv gibt’s die. Also das ist … Ich glaube, die meisten Nerds kennen ja den Dark Mode. Der wird jetzt von Webseiten ja auch respektiert, weil der Browser quasi der Webseite sagt: Ey, die Nutzerin oder der Nutzer würde jetzt gerne die Webseite in Dunkel haben. Und so gibt es tatsächlich auch so Sachen wie: Hier, die Person möchte reduzierte Animationen Transkript Ursula Walther, 26.2.22 9 haben oder hat einen hohen Kontrastmodus angeschaltet. Auf diese Informationen kann man und sollte man halt reagieren. Am Ende gibt es diese schönen Prinzipien aus der WCAG, die sind: Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Verständlichkeit und, der vierte Punkt, Robustheit. Das heißt, man muss auch eine Webseite so programmieren, dass im Zweifel, wenn die Nutzerin die Schriftgröße auf 400 Prozent gestellt hat, es immer noch funktioniert. Die Webseite muss auch immer noch funktionieren – das ist jetzt zum Beispiel eine Anforderung der WCAG 2.2 –, wenn die Nutzerin den Zeilenabstand hochgedreht hat. Weil das einfach hilft. Und da muss man dann auch damit testen. Man muss einfach mal bewusst versuchen, einfach die Werte wirklich hochzudrehen und zu gucken, was passiert. Und es gibt echt so Tricks, wo … Ja, hier ist … responsive Schriftgrößen. War ein Hype, jahrelang, dass die Schriftgrößen sich automatisch an die Browserbreite anpassen. Stellt sich raus: Dieser technische Hack ist sehr barriere-unfrei. Weil er dafür sorgt, wenn Nutzer*innen ihre eigene Schriftgröße im Browser eingestellt haben, also die vom Standard abweicht, ist das komplett um die Ohren geflogen. Es hat einfach erstmal ein paar Jahre gedauert, bis diese Erkenntnis dann gereift und es auch vorangegangen ist, aber der Schaden ist trotzdem entstanden. Und da muss man halt immer gucken. Man muss wirklich – am besten tritt man mal ordentlich gegen seine eigene Website und guckt, was dann runterfällt. MR: Ich habe gerade einen Verdacht. Es ist mir ja … Ich mach das mit dem Chaosradio jetzt schon eine Weile. Was mir häufiger passiert, ist Folgendes: Man spricht über Dinge, und dann sagen Menschen, die davon Ahnung haben: „Eigentlich wäre es gut, wenn d a s auch dabei wäre.“ Datenschutz ist so ein schönes Beispiel. Und dann gibt es Menschen, die machen ganz viel, erstellen neue Produkte, und überlegen sich dann hinterher: „Ja, Moment mal, jetzt muss da auch noch Datenschutz sein. Vielleicht können wir den ja noch irgendwie draufpropfen.“ Und mir scheint das hier genauso. Also wenn ihr das so erzählt, scheint mir, dass die praktische Erfahrung auch ist: Leute designen ein Interface, und dann kommt hinterher jemand und sagt: „Ähm, wie wär’s eigentlich mit einem bisschen Zugänglichkeit?“ Und dann, wenn man es versucht, reinzufriemeln – wenn ich das Wort mal verwenden darf –, dann hat das eher zum … Dann ist es halt eher schwieriger oder aufwändiger. Dann hat man vielleicht auch … hat man möglicherweise das Argument: Das ist aber sehr aufwändig, wenn wir das jetzt noch extra dazumachen müssen. Accessibility by Design Es gibt ja beim Datenschutz das schöne Schlagwort Privacy by Design, was eben genau sagt: Wenn ihr neue Datenangebote macht, überlegt doch gleich von Anfang an, wie die datenschutzfreundlich funktionieren können und nicht erst, wenn sie fertig sind. Verdacht hier, oder Frage an euch: Ist das bei der Zugänglichkeit, Barrierefreiheit, Barrierearmut auch exakt dasselbe Problem in Grün? (Was vielleicht nicht so gut ist für Menschen mit Farbenblindheit – oh Gott, Stolpersteine überall!) Aber ist es sozusagen ein ähnlich gelagertes Problem der Missachtung, dass man sagen müsste: Eigentlich, wenn wir zu diesem idealen Ziel hingehen wollen, dass alles barrierefrei ist, müsste man das immer von Anfang an mitdenken. Aber das ist was, das passiert viel zu selten. IR: Transkript Ursula Walther, 26.2.22 10 Ja, so ist es. Definitiv. Das Stichwort heißt hier Accessibility by Design, und wenn du noch eine dritte Parallele haben willst und das auch der Bereich ist, wo es ja schon funktioniert, ist Security by Design. Das haben viele schon kapiert. Tatsächlich haben alle drei Dinge dasselbe Problem: Man muss von Anfang an dran denken. Wenn man von Anfang an daran denkt, und wenn die Leute das auch können, also dazu in der Lage sind, wissen, was es bedeutet, dann klappt das auch. Dann ist es auch wirklich nicht mehr besonders aufwändig, sondern irgendwann selbstverständlich. Dann sind wir aber bei Accessibility … also, bei Privacy by Design sind wir da noch nicht, und bei Accessibility by Design sind wir da auch noch nicht. Wenn ich da eben mal was erzählen darf, aus meinem früheren Leben. Bevor ich Leiterin des Instituts für digitale Teilhabe geworden bin, war ich nämlich ganz, ganz lange, also seit 2005, in der Entwicklung des europäischen Kompetenzrahmens, „European e-Competence Framework“. Das ist mittlerweile auch ein Standard, ein europäischer Standard, derweil Version 4.0, und der beschreibt die verschiedenen Kompetenzen von Fachkräften in der ITBranche, aber eben auch darüber hinaus. Also sowas wie: Was bedeutet es denn, Softwareentwicklung – das ist so der Klassiker – wirklich zu können? Aber es gibt auch eine Kompetenz, die heißt Testing, und so weiter und so fort. Insgesamt über 40 mittlerweile. Das haben Expertinnen und Experten aus verschiedenen europäischen Ländern gemeinsam entwickelt. Und das Problem bei dem Ding war immer und ist bis heute: Was machen wir mit diesen Querschnittsdingern? Also genau Sicherheit, Datenschutz und eben seit einiger Zeit auch Accessibility? Und tatsächlich haben wir jetzt in der neusten Version, die letztes, nee, vorletztes Jahr rausgekommen ist, das wirklich als Querschnittsaspekte auch nochmal hervorgehoben. Also es gibt jetzt sozusagen immer mindestens eine Kompetenz, die sich wirklich explizit auf den Bereich bezieht, also zum Beispiel eben Security. Aber es gibt eben zusätzlich sieben sogenannte Transversal Effects, drunter eben Sicherheit, Accessibility und Privacy, wo wir sagen: Das muss in jeder Kompetenz mit drin sein und immer mit berücksichtigt werden. Das ist jetzt erstmal nur auf Papier, völlig klar, aber das ist die Richtung, in die das meines Erachtens gehen muss. Genau um dieses Ding hinzubekommen. Ja, da muss man von Anfang an dran denken. MR: Jetzt würde mich noch interessieren wie man das gut motivieren kann. Bei Privacy by Design ist es ja so: Das ist ein Kapitalismusproblem. Da sind wir schnell wieder beim Allesanzünden, bei der Allesanzünden-Kategorie. Da ist es vielleicht schwieriger, Privacy by Design zu denken, weil ja tatsächlich ein monetäres Interesse besteht, dass eben genau die Privacy nicht by Design da ist. Aber bei Security by Design in dem Moment, weil du das gerade gesagt hast, das zeichnet sich ja tatsächlich so ein bisschen ab … Also es gibt immer noch genug Unfug, der getrieben wird. Aber es zeichnet sich so ein bisschen ab, dass sich langsam aber sicher die Erkenntnis durchsetzt: Wenn ich Security by Design mitdenke, ist das eben nicht nur ein zusätzlicher Kostenfaktor, sondern das sorgt tatsächlich dafür, dass mir mein System seltener um die Ohren fliegt. Und jetzt ist natürlich eine Frage … Also, nicht, dass das die Motivation sein sollte, aber wenn wir uns in der bösen, kalten Welt rumklicken, ist es manchmal so, dass es vielleicht doch hilft, wenn man sagen kann: Accessibility by Design wäre nicht nur der ideale Zustand, der möglichst viele Menschen mit reinholt, die er sonst ausschließt. Weil die Leute dann sagen könnten: „Das ist uns aber egal, das ist eine viel zu kleine Zielgruppe, die hat viel zu wenig Geld.“ Hat das denn auch andere … also wenn man Accessibility by Design denkt: Hat das andere Effekte, die sich vielleicht positiv auf digitale Angebote oder Interfaces auswirken? Und ich spiele damit zum Beispiel auf das an, was Dennis gerade gesagt hat: Transkript Ursula Walther, 26.2.22 11 Wenn man eben dafür sorgt, dass sich Dinge leicht klicken lassen, dann kann man vielleicht Smartphones auch mit dem Handschuh bedienen. Gibt es sowas als größere Motivationshilfe, die man sozusagen den Unwilligen unterschieben könnte, noch mehr, wo man sagen kann: Hey, Accessibility by Design ist gut für alle? IR: Ja, ist es definitiv. Es gibt ja eine Menge Technologie, die aus diesem Accessibility-Bereich in den allgemeinen übergegangen ist. Ich würde hier aber, gut kapitalistisch, etwas anders argumentieren, weil man geneigt ist, bei Accessibility an behinderte Menschen zu denken. Tatsächlich ist es aber so, dass all das ja viel mehr Menschen betrifft. Und insbesondere, das ist wichtig und darauf will ich hinaus, die ganz große und immer größer werdende Gruppe der älteren Menschen. Nicht nur, weil Behinderung und Ältersein sich stark überschneiden, sondern weil man einfach mit dem Alter – das merken wir, die wir hier versammelt sind, ja auch – schlechter sehen kann, man kann schlechter hören, man kann sich schlechter bewegen usw. Und umso mehr Probleme hat man unter Umständen mit dem Digitalen. Also mit den digitalen Devices. Eben weil die Knöpfe zu klein sind, die Farben nur Grautöne haben oder sonstige Pastellschattierungen und so weiter. So. Jetzt hatten wir ja bisher das so gehabt, dass wir immer das Phänomen hatten: Ok, Internet und Digitales, das ist mehr was für junge Männer. Schon länger vorbei, ja? Aber die … Wir kommen ja mehr und mehr in die Situation, dass diese ganze digitale Welt wirklich von allen Menschen bewohnt wird. Und damit erschließt man mit Accessibility by Design auch die sehr, sehr große Gruppe der Seniorinnen und Senioren oder, wie sie an anderer Stelle auch heißen, der Silver Ager. MR: Und die Grey Gamer nicht zu vergessen (allgemeine Heiterkeit). IR: Also das wäre das gut kapitalistische Argument. Was sich übrigens statistisch, also was die Nutzerzahlen und Veränderung des Nutzerverhaltens angeht, auch unglaublich gut belegen lässt. DM: Ja, also da einzugreifen: Ist das wirklich … Ich versuch das auch, den Leuten zu erzählen. Also wenn mir erzählt wird … Ich erinnere mich: Vor ein paar Jahren, als ich das erste Mal mit dem Thema auch selber in ein Projekt reingegangen bin, dann hieß es so: Die sind ja nicht unsere Zielgruppe. Ich so: Nein, so funktioniert das nicht. Und da hilft die Denkweise wirklich, also aus meiner … Es gibt von Microsoft, deren Designabteilung hat so ‘ne schöne Grafik, in der in einer Tabelle aufgezeichnet ist … Es gibt situative Einschränkungen und temporäre, und dauerhafte. Und der Klassiker ist: Du hast ’ne App, die kannst du nur mit zwei Händen bedienen. Das ist einerseits doof, wenn du nur einen Arm hast, andererseits ist es aber auch doof für Millionen von Eltern, die gerade ein Baby auf dem Arm haben. Die können deine App auch gerade nicht benutzen. Und das ist eine Riesenzielgruppe, die du gerade damit ausgeschlossen hast. Herzlichen Glückwunsch! Damit ist die Verwertbarkeit deiner Applikation, deiner Webseite, weg. So, und da muss man halt einfach mit reindenken. Und zumindest aus meiner Sicht, wie ich auf dieses Thema gestoßen bin, als Entwickler, ist: weil es einen gesetzlichen Zwang dazu gab. Also die Kund*innen, die bei meinem Arbeitgeber aufgetaucht sind, die müssen das machen. Widerwillig, aber sie müssen es machen. Und so stand ich dann vor dem Ding. Mir hat das auch keiner so richtig beigebracht, und es gibt auch … Das ist auch immer noch nicht so richtig der Umgang in der beruflichen Ausbildung. Ich hatte tatsächlich jetzt vor zwei Transkript Ursula Walther, 26.2.22 12 Jahren meinen Fachinformatiker nachgeholt, also quasi wirklich die berufliche Ausbildung, die jetzt mein Beruf ist. Da kommt das noch nicht vor. Das war 2020. Und das ist ein bisschen komisch, ehrlich gesagt, weil das so langsam … Einerseits, weil auch der EUGesetzgeber irgendwann mal jetzt sagt: So, Leute, ihr müsst mal barrierefrei werden, auch im gewerblichen Bereich. Aber andererseits: Ihr schließt damit einfach wirklich Millionen von Menschen aus, die euch liebend gerne Geld bezahlen würden für eure Services, aber sie sind nicht barrierefrei. MR: Ich glaube, das kann man einfach so stehen lassen als Argumentationshilfe für die, die nur auf den Profit schauen. Ich würde gerne nochmal zurückkehren zu den verschiedenen Dingen … Wir haben jetzt ganz viel über Bildschirme geredet und Smartphones, also Bildschirmgeräte. Ich wiederhole mich. Ich würde aber gerne noch ein bisschen weitergehen, weil es auch, sozusagen, Technik ist. Das eine, was mir aufgefallen ist, was ich ganz interessant fand, ist: Zielkonflikte Bankautomaten hatten lange Zeit Knöpfe. Und diese Knöpfe hatten lange Zeit Braillezeichen. Waren also ertastbar, auch wenn man nicht gut gucken konnte, vermute ich. Ich kann das immer nur vermuten, weil ich selber keine Erfahrung habe. Und jetzt werden zunehmend diese Interfaces als Touchscreens angeboten. Das ist technisch gesehen ein Fortschritt, aber für die Accessibility doch eigentlich dann wieder ein Rückschritt, oder? Oder wird das irgendwie aufgefangen? Gibt es mittlerweile haptisches Feedback an Bankomaten? NS: Also mit Rückgriff auf die Folge zu – ich glaube, es war Reverse Engineering – sag ich einfach auch mal: Es kommt darauf an (allgemeine Heiterkeit). Vielleicht wird das hier so ein Ding. Ich glaube, es kommt tatsächlich sehr auf die Perspektive an. Also, wenn ich eine Person … Ich kenne Personen, die haben Schwierigkeiten damit, Knöpfe zu drücken. Da geht’s um Beweglichkeit in den Händen, oder um Schmerzen, Erkrankungen usw. Insofern … Und Touchscreens und auch das, was wir mittlerweile als Smartphones technologisch in unseren Händen halten und Hosentaschen herumtragen oder was auch immer, das kommt ja, soweit ich da richtig informiert bin, auch aus einer Idee heraus, Menschen das zugänglich zu machen. Und dann – das schließt auch so ein bisschen an das an, was Dennis gerade gesagt hat – und dann plötzlich alle: Yeah, geil, hier überall draufrumwischen und so. Das ist ja nicht nur gut für Leute, die eine motorische oder taktile Einschränkung haben. Für mich jetzt … Klar, also bei mir geht natürlich komplett der Range-Modus an, wenn ich da wieder vor so einem Geldautomaten stehe. Es gibt … Also meistens, oder manchmal. Ich habe noch nicht gezählt, ich müsste vielleicht irgendwann mal eine kleine Studie machen MR: Wir machen einfach das Label dran: anekdotische Evidenz. NS: Ja, sehr schön, genau. Was mir schon untergekommen ist, sind so Buchsen für Kopfhöreranschlüsse. Ich kann dann irgendwie meine Kopfhörer rauskramen, dann muss ich halt nur wissen, wo diese Buchse ist. Dafür muss ich natürlich irgendwie, im Zweifelsfall auch zu Pandemiezeiten, einmal komplett dieses ganze Ding irgendwie abfingern – ja, das ist ganz fantastisch. Und dann funktioniert das eventuell. Wobei ich da … Wenn ich ganz ehrlich bin: Ich vermeide das. Ich bin da so ein alter Vermeider. Ich habe das lange nicht ausprobiert. Zum Beispiel mit dem Smartphone ist es ja so: Wenn ich da meine Transkript Ursula Walther, 26.2.22 13 Sprachausgabe, meine Assistenzsoftware laufen habe, dann verändert sich auch der Input. Wenn ich mit dem Finger irgendwo drauf bin, dann sagt er mir, was das ist, und wenn ich das aktivieren will, muss ich zweimal tippen, anstatt dass ich da einfach einmal draufhämmere. Und da weiß ich jetzt gerade gar nicht so genau, wie das bei dem Geldautomaten ist. MR: Aber im Prinzip, sozusagen für die Idealvorstellung von Barrierefreiheit, bräuchte man eigentlich beides. Man bräuchte Touchscreen für die, die keine Knöpfe drücken können, und man bräuchte die Ertastbarkeit und das haptische Feedback für die, die nichts auf dem Screen sehen können. NS: Ja, und im Zweifelsfall vielleicht noch irgendwas, für eine Person, die mit Eyetracking ihre Sachen steuert oder mit einer Pust-Steuerung oder so. Da bin ich dann auch gerne bereit, die komplette, radikale Bandbreite … Also sich dann nochmal zu überlegen, ok, was passiert denn, wenn wir uns was richtig Verrücktes überlegen, dann aber sagen: Ja, auch für diese Leute soll das doch zugänglich sein. MR: Ich will gerne mal eine kurze Sciencefiction-Frage stellen, und zwar: Es ist ja … Immer wieder verfolge ich am Rande, dass über haptisches Feedback auf dem Display, dass daran geforscht und gearbeitet wird. Ist das eine Zukunftsperspektive, dass man sagt: Die Screens selber haben auch haptisches Feedback? Oder ist das noch so weit in der Zukunft, dass wir da heute eigentlich gar nicht drüber reden müssen? NS: Kann ich nix zu sagen. MR: Weiß niemand was? Ok. DM: Na also, man kann noch ergänzen: Ja, das mag zwar kommen. Aber ich glaube, der FellowNerd kennt ja die lustigen Bilder von Geldautomaten mit Windows XP. Die sind technisch … ja, also sie sind stabil gebaut, würde ich mal freundlich formulieren. Da ist natürlich jede Neuerung auch ein riesen Compliance-Ding. Das steht ja im Zielkonflikt mit dem, was Banken an Sicherheit und Anforderungen an Geldautomaten haben müssen. Und wenn da nicht der Gesetzgeber sagt, das muss barrierefrei sein, dann fällt das halt hinten runter. Weil dann andere Dinge für die Bank wichtiger sind. Geldautomaten müssten so barrierefrei wie möglich sein. Weil: Das ist halt der universelle Zugang zu Geld. Man kann nicht einfach sagen: Na ja, die Person kann ja zum Schalter gehen. Der Schalter hat offen von neun bis zwölf Uhr an ungeraden Wochentagen. Das ist wie die Deutsche Bahn, die sagt: Ja klar, wenn du verreisen willst, dann melde deine Reise doch bitte 48 Stunden vorher an. Oder: Nimm den Seiteneingang, der Vordereingang ist für „normale“ Leute. Und da fängt es halt an. Das ist halt alles irgendwie so ausschließend, dass ich das nicht möchte. Also man müsste eigentlich sagen, ganz radikal: Die müssen barrierefrei sein oder gar nicht. Dann ist es halt dann so. Ja. MR: Also ich halte mal [fest]: Die technische Antwort ist sozusagen: Falls sowas kommt, kommt es zuerst auf Geräten, die profitorientiert verkauft werden, und dann erst sehr, sehr viel Transkript Ursula Walther, 26.2.22 14 später auf den Bankautomaten mit Windows XP. Ich frage mich … Ich glaube, es gibt mittlerweile, könnte ich mir vorstellen, Hörer*innen, die waren noch nicht mal geboren, als Windows XP das Standardbetriebssystem auf Windows-Computern war. Aber wirklich: Falls ihr dazugehört – so alt ist das. Das ist sozusagen wirklich Zeug, das kann man letztlich … Das hätte schon einen Platz verdient im technologischen Museum, das wird aber heutzutage noch benutzt, um Bankautomaten zu betreiben. No Shit (allgemeine Heiterkeit). IR: Aber vielleicht darf ich daran anknüpfend noch was sagen: Eigentlich ist ja Bargeld, wir merken es ja, langsam out. Also von daher wäre es vielleicht viel, viel sinnvoller, wenn wir uns Gedanken darüber machen, wie es eigentlich mit der Barrierefreiheit irgendwelcher Karten oder gar des Bezahlens mit Smartphone oder der dann irgendwann kommenden Weiß-nicht-was-Technologie bestellt ist, als über Windows-XP-Bankautomaten. Also so im Sinne von Accessibility by Design und vielleicht sogar in der Technik vorausschauend. MR: Wobei ich hier schon einen interessanten Zielkonflikt auf uns zukommen sehe, weil ja Kartenzahlung schon nicht so richtig doll Privacy by Design ist, weil einfach noch eine dritte, meistens auch eine vierte Partei weiß, was ich gerade wo, wann, an welchem Ort gekauft habe. Wenn wir das noch ins Handy verlagern, wissen das potenziell noch zwei bis drei Leute mehr. Und das ist auch ein Spannungsfeld, in dem man sich bewegt, oder? NS: Ich glaube, das ist ein total wichtiger Punkt. Also diese drei By-Design-Prinzipien, die wir da jetzt so ein bisschen aufgeschlüsselt oder uns angeschaut haben, zu gucken, dass die irgendwie harmonieren sollen. Also das Schöne am guten, alten Bargeld ist halt: Das ist echt verdammt anonym. MR: Ist das generell sowas? Es gibt ja Dinge, da sagt man manchmal salopp: Das sind Luxusprobleme. Und gerade Datenschutz ist da ein schönes Beispiel. Also WhatsApp ist immer noch mein Lieblingsbeispiel. Es ist halt unfassbar einfach, WhatsApp zu benutzen, wenn einem der Datenschutz egal ist. Und der kann halt auch vielen Menschen einfach egal sein, jedenfalls hier auf der nördlichen Halbkugel, in ‘ner Demokratie. Und ist das eigentlich so, wenn wir über dieses Thema reden, dass man sich manchmal heute schon Accessibility erkaufen muss, indem man die beiden anderen By-Designs vernachlässigt? NS: Ich glaube schon. Also kaufen im Sinne von: Na ja, irgendwie muss ich da in eine Art von Transaktion gehen. Wie oft ich irgendwie … Ich meine, ich hab mit dem ganzen Thema Seheinschränkungen seit über 20 Jahren zu tun. Ich gehöre da zu einer Gruppe, die spät, aber nicht sehr spät damit zu tun hatte. Also man unterscheidet … zwischen frühkindlich und dann altersbedingt, und ich hänge halt mal wieder dazwischen. Und wie oft Leute zu mir gekommen sind, in diesen über 20 Jahren, und gesagt haben: Ja dann kauf dir doch ein iPhone, das funktioniert doch super. Da hast du doch die komplette Accessibility. Und nicht nur, dass man dafür ja an die Barriere „finanzielle Machbarkeit“ gerät und an die Barriere „Niclas Schmidt-großer-Datenschutzfanatiker-Problematik“. Dann steh ich da und denke: Na ja, geil. Ich kann da jetzt meine Ansprüche oder meine Bedürfnisse über Bord werfen, um ein Tool nutzen zu können, und das funktioniert – ich sag mal: leider – das funktioniert extrem gut, was da aus dem Haus kommt. Und ähnlich ist das ja auch, selbst wenn ich ein Android-Smartphone benutze, und mich nicht darum kümmere, da irgendwas anderes, ne (unverständlich) draufzuladen. Und dann brauche ich noch meine Transkript Ursula Walther, 26.2.22 15 Assistive Technology, aber die kommt ja auch wieder vom großen G. Und dann muss man irgendwie rausfinden, ok, wer funkt da, wie oft wird da nach Hause telefoniert. Also das ist extrem aufwändig. IR: Ja, ich kann da sogar noch ein paar Horrorstorys beitragen (allgemeine Heiterkeit): digitale Fernsteuerung von Hörgeräten. Ein wunderbares Thema. Die allermeisten Hersteller … Also, daran beteiligt sind mindestens derjenige oder diejenigen, die die Hörgeräte trägt, der Hörgeräteakustiker oder -akustikerin und der Hersteller. Datenkraken in Hörgeräten Die allermeisten Hersteller von Hörgeräten machen es genauso wie die allermeisten Autohersteller: Sie wollen alle Daten haben und nichts dafür geben. Sie verraten einem nicht mal, welche Daten sie alle erheben. Und bei digitalen Hörgeräten könnt ihr euch ja problemlos vorstellen, was da an Daten anfällt. Also, nicht dass man den Inhalt aufnehmen kann, ja? Aber wir wissen ja, wie aussagekräftig allein Metadaten sind. Also so ein ganz typisches Beispiel, kommt noch dazu dieselbe Erfahrung, die Niclas gerade auch schon schilderte: Wenn man so etwas haben will, muss man auch Googledienste auf seinem Handy installieren. Also, da habe ich vielleicht gekämpft. Aber es geht nicht. Also ohne Googledienste geht es nicht. So, und das ist die eine Geschichte. Ich möchte aber noch eine ganz andersartige Geschichte dazu beitragen, über die ich mich auch ziemlich aufrege, und zwar erstmal unabhängig von der digitalen Welt. Ich war und bin ja viel auf Veranstaltungen unterwegs, eben in dem Kontext, den ich eben schon sagte: Erstellung europäischer Framework, überhaupt Entwicklung von Berufen und so weiter. Und ich war auf einer … Und die Leute haben mit der Zeit auch gelernt, dass ich mit Gebärdensprachdolmetscherinnen unterwegs bin. Typischerweise bin ich in dem Kontext und auch sonst weit und breit die Einzige, die mit Gebärdensprachdolmetscherinnen unterwegs ist. Auf der Veranstaltung war’s dann so: Die verteilte sich auf mehrere Räume, also sozusagen Workshops, und die zeitliche Abstimmung war nicht besonders. Wir waren in unserem Raum fertig und haben den Raum gewechselt, meine Dolmetscherinnen gehen vor, nach vorne, weil sie klassischerweise eben auf oder neben der Bühne sitzen, und eine ganze Reihe von Menschen, die da sitzen, dreht sich um, um mich zu begrüßen. Weil alle wussten: Wenn die Dolmetscherinnen kommen, kommt auch Frau Rogalla. Ja? So. Das war in dem Fall nicht so schlimm, das war halt ‘ne Community, die ich kenne und die mich kannte. Aber in der digitalen Welt, dafür, dass man überhaupt teilhaben darf, dafür, dass es überhaupt Dolmetscherinnen gibt, immer offenbaren zu müssen, dass man nichts hören kann, hat mit Privacy nichts, aber auch gar nichts zu tun. Das geht ganz vielen anderen Menschen genauso. Also das ist jetzt nicht spezifisch auf Hören oder so bezogen. Man muss im Grunde immer, damit man überhaupt teilhaben darf, eine der intimsten Informationen, die es überhaupt gibt, schon mal öffentlich machen. Das finde ich, ehrlich gesagt, schwer daneben. MR: Das ist quasi ein Sich-outen-Müssen. IR: Ja. Ja, genau. Transkript Ursula Walther, 26.2.22 16 Künstliche Intelligenz als Helfer? MR: Ich möchte jetzt tatsächlich doch gerne ein Thema, über das wir auch schon häufiger geredet haben, nochmal anschneiden. Was auch belächelt wird oder für Stöhnen und Augenrollen sorgt, nämlich künstliche Intelligenz. Das kam ja vorhin schon mal so ein bisschen auf, bei der Untertitelung, da wird es ja eben durch maschinelles Lernen gemacht. Oder anders rum. Untertitelungsalgorithmen funktionieren oft durch maschinelles Lernen, und das ist das, was wir landläufig unter künstlicher Intelligenz hören, wenn in den Medien darüber berichtet wird. Ist die Hoffnung da, dass sich sozusagen durch die Technologisierung von Übersetzungsinterfaces, in welcher Richtung auch immer, das Problem der Zugänglichkeit generell verbessert, weil es halt den Babelfish im Ohr gibt oder man eine automatisierte Text-to-irgendwas-Übersetzung auf ‘nem Display vielleicht hat, dass das besser wird und dass das kommt, dass man sich deswegen … dass sich deswegen Anbieter vielleicht ausruhen und sagen: Das wird eh von Technologie erschlagen, das müssen wir nicht von Hand machen? Aber dass das auch eine Hoffnung ist, die man hat? Spielt das eine Rolle? Oder ist das, wie in anderen Fachgebieten auch? Es gibt dieses Schlagwort „KI wird alle unsere Probleme lösen“. Und die Leute, die Ahnung von Accessibility haben, sagen: nein. NS: Ja, wahrscheinlich dann mit der Blockchain (allgemeine Heiterkeit). Soweit ich weiß, ist das Problem, oder e i n Problem in dem Bereich die Datenlage. Also ich rede jetzt gar nicht unbedingt über so Sachen wie schlechte Datensätze, Dirty Data oder so, sondern wenn wir uns … Ich weiß nicht, wie viele Sprachen es auf dieser Welt gibt. Keine Ahnung. 200, oder so? Ich fisch‘ jetzt im Trüben. Aber ich habe mich vor einer Weile mit einem Kollegen unterhalten, der im Linguistikbereich im Verlagswesen arbeitet, und der meint: Das Problem ist, es gibt eine Handvoll Sprachen wo Daten überhaupt erhoben werden können, weil die viel gesprochen werden, weil es viele Aufzeichnungen gibt, viele Ressourcen, die man konsultieren kann. Das hört aber auf nach Deutsch, Englisch, Spanisch, Italienisch, Russisch war glaube ich auch noch dabei, Chinesisch auch … Es kommt also darauf an, wie viele das sprechen, wie aktiv das benutzt wird, welche Quellenlage es gibt. Und dann ist irgendwann ganz schnell Schluss. DM: Also es ist ja noch, das Ding ist ja: Bei den Modellen, die zum Beispiel Facebook benutzt, um alternative Texte für Bilder zu generieren … Ja, das spuckt Sachen raus. Aber die können halt alle auch nicht hilfreich sein. Ja, es kann natürlich auch immer noch besser werden, wenn wir es wieder mit neuen Daten füttern. Aber es ist halt die Frage: Kriegt man denn dieses Modell auf jedes Handy, auf jedes Gerät drauf, wenn das so riesig ist, dass es die ganze Welt im Zweifel erklären muss? Also de facto die Augen ersetzen und das ganze Wissen, das wir im Leben ersammelt haben, um die Welt zu interpretieren? Das muss diese KI, dieses AI-Modell dann plötzlich machen. Dann haben wir vielleicht so einen zentralen Dienst, wo wir alle unsere Bilder hochschicken. Und dann gibt es uns das wieder zurück – also dann sind wir wieder bei der Privacy. Alles ein bisschen doof. MR: Das heißt für mich, der ab und zu in dieser Sendung sitzt und die Frage stellt: „Wird die Zukunft technisch alle Probleme lösen?“, könnte man zusammenfassen: Es ist hier so wie in anderen Bereichen auch. Vielleicht ja, aber das ist a so unklar und b noch in so weiter Zukunft, dass wir uns heute nicht drauf verlassen wollen. Ist das sozusagen vielleicht eine grobe Zusammenfassung, die man da treffen könnte? IR: Transkript Ursula Walther, 26.2.22 17 Ja, aber im Bereich Accessibility tatsächlich noch zu verbinden mit einer deutlichen Warnung. Nämlich das, was du vorhin gesagt hast: Es gibt dann zu viele Leute, die glauben: Ach, das funktioniert ja automatisch und wir müssen nichts anderes mehr machen. Also, gerade bei automatisch erzeugten Untertiteln ist diese Gefahr sehr deutlich schon jetzt da. NS: Ich würde noch hinzufügen: Ich sehe tatsächlich eine Chance. Deshalb, glaube ich, sind wir mit dem Thema hier auch an einer sehr, sehr schönen Stelle, im Chaosumfeld und in den Communitys, die damit zu tun haben. Weil es irgendwie dann doch auch um eine zwischenmenschliche Ebene geht. Wenn wir Lösungen wollen, kommen wir nicht darum herum, dass wir miteinander ins Gespräch kommen sollten, dass wir erstmal freundlich aufeinander zugehen, uns nicht irgendwelche Worte übel nehmen und verbieten, sondern sagen: Hey, komm, erstmal reden können, und dann können wir uns vielleicht darüber unterhalten, w i e wir miteinander reden wollen, um dann eben zu schauen … Also diese Communitiy ist ja unglaublich findig. Und da kommen super, super viele Sachen raus. Ich glaube, an der einen oder anderen Stelle muss man sich da … muss man den Fokus nochmal schärfen, und auch deutlich machen: Das ist jetzt hier nicht just for Fun … Es geht um eine gelebte, ich würde fast sagen: eine gelebte radikale Demokratie, wenn es um Zugänge geht. Egal, ob offline, in der großen Welt, oder digital. MR: Ich möchte zwei Fragen stellen, die ein bisschen persönlich gefärbtes Interesse sind, aber die, gerade wo du sagst, dass … Wir reden ja hier jetzt auf einer sehr institutionellen, gesellschaftlichen Ebene, die auch ins Kleine geht. Und das eine ist tatsächlich einfach dieser Podcast, der auch zu einer bisschen größeren Frage wird. Ist es ok, nicht (komplett) barrierefrei zu sein? Das Chaosradio ist ja eine Sendung, die den Anspruch hat, die Welt dadurch ein kleines bisschen besser zu machen, dass man Dinge erklärt. Ist sie barrierefrei? Auf gar keinen Fall! Was wir nämlich nicht haben, ist ein Transkript dieser Sendung. Das liegt aber daran, und da ist gleich die Frage verbunden: Das können wir nicht leisten. Wir sind halt ein Trupp von Menschen, die das alle aus Spaß an der Freude machen oder weil wir das Gefühl haben, das ist etwas, was die Welt braucht. Wir investieren alle so viel, wie wir können, und ein Transkript zu leisten, schaffen wir nicht. Aber natürlich ist es auch ein total valider Punkt, zu sagen: Ihr wollt halt nicht. Und das stimmt. Die Menschen, die das Chaosradio machen, brauchen das alle nicht. Und jetzt ist aber die Frage … Das ist das eine. Man könnte also sagen, na ja, Barrierefreiheit als das Ideal, das wir unbedingt erreichen wollen. Dann muss das eine Anforderung sein. Ein anderer Spruch, der mir aber bei dieser Problematik durch den Kopf geht, ist … Eine befreundete Soziologin hat mal gesagt – oder ich weiß gar nicht, wo das herkommt, anyways: Individueller Verzicht ist keine Lösung für gesellschaftliche Probleme. Das heißt, die Frage ist: Wenn man jetzt im Nerd-Umfeld ist, dann ist ja dieser Übergang fließend zwischen „Das ist ein Projekt, wo jemand oder ein paar Leute Spaß an einer Sache haben und dann genau nur so viel machen, wie sie Bock haben“, oder nicht. Muss man barrierefrei sein und letztlich dann sagen: Ok, wenn ihr das nicht leisten könnt, dann sollt ihr bitte aber auch nicht den Podcast machen, also jetzt mal ganz überzogen formuliert? Oder ist es auch ok, das nicht zu schaffen und ist das ein valides Argument, so lange es eben nicht etwas ist, wohinter man sich versteckt? IR: Transkript Ursula Walther, 26.2.22 18 Ich glaube schon, dass das ein valides Argument ist. Es muss auch eines sein, weil es … Was einfach auch wichtig ist: sowas wie gesunder Menschenverstand. Also wir reden ja an vielen Stellen einfach über gesetzliche Regelungen, letztlich gesetzliche Regelungen, weil es sonst keiner tut. Also da können wir ja auch mit sowas wie Frauenquoten oder so anfangen, ja? Es braucht die einfach an manchen Stellen, und gerade da, wo wir über kapitalistische Strukturen und sowas reden. Da, wo wir über freiwilliges Engagement reden, sieht das aus meiner Sicht – also das ist jetzt meine persönliche Meinung – ganz anders aus. Und was ich dabei auch noch wichtig finde – das klang schon ein paarmal an –, ist halt dieser menschliche Faktor, weißt du. Auch wenn man ein Mensch mit Einschränkungen ist, man braucht nicht die perfekte Lösung, egal, ob jetzt technisch oder nicht technisch. Sondern ein sichtbares Bemühen, was auch immer dabei rauskommt. Und auch dieses: Es ist selbstverständlich, dass man dabei ist, auch wenn das gewisse Einschränkungen hat, für beide Seiten womöglich, ist auch erstmal ok, ist schon sehr schön. Ich persönlich bedaure manchmal, dass es eine Menge Podcaste gibt, die für mich einfach verschlossen bleiben. Aber auf der anderen Seite: Es gibt so viel Input, schriftlich, ich schaff’s eh nicht (allgemeine Heiterkeit). MR: Niclas, wolltest du auch noch? NS: Ja, gerne. Also ich glaube … Ich find’s zum einen total cool … Wir haben ja in der Vorbereitung auch gemerkt, das ist ganz schön anspruchsvoll hier, uns alle miteinander digital zu verknüpfen. Ich komme aus so einer Kinder- und Jugendarbeitsecke, wo es immer früher auch schon Learning-by-Doing hieß, ich fand das manchmal aber ganz schön frustrierend. Ich glaube, wenn‘s um das Chaosradio geht oder, andersrum: Ich habe ja den Kontakt zum Chaosradio letztes Jahr gesucht, weil ich eigentlich mal ein bisschen Staub aufwirbeln wollte im Chaosumfeld. Ich schwadroniere da irgendwie immer schon seit einer Weile rum und hatte so den Eindruck: Ich glaube, ich fänd’s cool, wenn die Leute, die sich damit assoziieren, einfach … wenn man sich fünf Minuten hinsetzt und überlegt: Ja, wie läuft denn das eigentlich so bei uns, in unserer Gruppe, oder auf einem möglichen nächsten offline stattfindenden Kongress? Sich einfach nur mal die Frage zu stellen. Ich glaube, das ist ein wichtiger erster Schritt. Und ich glaube, es geht darum, Schritte zu machen und auf dem Weg zu sein. Also ich find’s total geil, was das Chaosradioteam hier auf die Beine stellt, dass wir diese Folge machen. Und wenn am Ende dabei übrig bleibt, dass jemand überlegt: Hab ich vielleicht Zeit, die Woche noch eine Transkription anzufangen oder nicht? Und selbst wenn nicht – wenn nur irgendwer zehn Minuten Zeit hat und sagt: Aber ich guck mal, ob ich jemanden finde, der vielleicht Bock hat, eine Transkription zu machen. Jetzt nur, um beim Beispiel zu bleiben. Oder: Hey, an die Leute da draußen: Habt ihr nicht Bock, eine Transkription zu machen? Das ist eure Chance. Ruhm und Ehre! Also, so kann’s halt laufen. Ich glaube, es geht darum, auf dem Weg zu sein, und, ganz wichtig, nicht auf so einem unangenehmen Schuldtrip, giult trip zu sein: „Oh Gott, sollen wir nicht einfach alles sein lassen, wenn wir hier nicht das hinkriegen?“ Nee, wir sind alle auf dem Weg. Wir nutzen die Tools, die uns gerade zur Verfügung gestellt werden, um damit bessere zu bauen. MR: Danke. Hat nicht jemand Lust da draußen, mal voll die geile Transkription für diese Radiosendung zu machen? (allgemeine Heiterkeit) Die andere Frage … Transkript Ursula Walther, 26.2.22 19 IR: Mit einer kurzen Zusammenfassung wäre auch schon geholfen. Also einfach um mal so … Wir sind alle auf dem Weg. Muss Technologie Sprache und Gesellschaft folgen? MR: Die andere kleine, wirklich sehr ins Detail gehende Frage ist die, klang auch vorhin schon mal kurz an: Screenreader und Gendergap. Das fand ich eine total interessante Diskussion, als die damals aufkam. Es wurde ja darüber gesprochen: „Hörer innen“, wie stellt man das textlich dar? Macht man das mit diesem Doppel-I, macht man das mit dem Sternchen, macht man das mit dem Unterstrich. Und da war eine Argumentation von vielen „dann macht das doch so und so“ – Niclas hat das glaube ich vorhin schon kurz angeteast, die Screenreader lesen das sonst falsch. Da war ich auch so einerseits, andererseits. Einerseits kann ich das total gut verstehen, dass man sagt: Hey, hier ist eine Gruppe von Menschen, die Sprache in einer bestimmten Art und Weise benutzt, vielleicht könnt ihr euch auch nach denen richten. Andererseits dachte ich: Screenreader, das ist doch jetzt wirklich Technologie. Die Technologie muss sich doch der Sprache anpassen, und nicht umgekehrt. Aber wie bei allen diesen Dingen kann ich das natürlich aus meiner hoch (unverständlich) privilegierten Position total toll rumdenken und habe keine Ahnung von nichts, deswegen würde ich bei Niclas gerne anfangen, aber auch von Irmhild gerne wissen wollen: Wie seht ihr das denn? Also am konkreten Beispiel, aber tatsächlich auch, das ist ja auch die weiterführende Frage: Müssen sich zukünftige Entwicklungen an den derzeitigen technischen Stand von assistiven Systemen anpassen, oder sind die auch in der Verpflichtung, Schritt zu halten? NS: Ja. Ich bin total dankbar, dass du nochmal den Punkt aufgreifst, weil das so ein Thema ist, was mich immer wieder extrem beschäftigt und wütend macht. Also ich bin da auch bei deiner Vermutung und finde, das kann ein Screenreader leisten. Ich komme aber auch über Studium und Ausbildung aus einer gewissen Denkrichtung und sage: Ok, Sprache ist unser Zugang zur Welt, formt unser Denken und unsere Wahrnehmung, und wenn wir uns jetzt gerade einig sind, dass zum Beispiel der Genderstern das Mittel der Wahl ist, um das, was wir wahrnehmen wollen für uns zugänglich zu machen, dann soll doch bitte die Assistenztechnologie sich da mal nicht so haben. Damit sind wir aber schnell wieder in einem ganz anderen Bereich, weil die Frage ist ja: Wer steckt denn eigentlich hinter meiner Assistenztechnologie? Haben die Leute da ein Interesse dran? Ist das, wie wir das schon ein paarmal hatten, so ein Obendrauf, so ein Plus, was nochmal hinten so drangeschoben wird – ja ok, das machen wir jetzt auch noch? Oder steckt da auch ein gewisses anderes Interesse dahinter, Geld generieren oder weiß ich nicht was? Also ich glaube, wenn ich so grob überschlage, wenn’s jetzt um Screenreader wirklich geht und um akustische Ausgabe, komme ich so auf sechs, sieben verschiedene Softwareprodukte, sowohl Desktop als auch mobile Geräte, und da steckt immer eine Firma hinter. Wir hatten in der Vorbereitung ja auch die Frage: Wie funktioniert eigentlich ein Screenreader? Das Schöne daran ist, ohne direkt ins Detail gehen zu wollen: Die funktionieren gar nicht alle gleich. Also in der Frage, wie holen die sich ihre Daten aus dem, was ich vorhin als User-Agent beschrieben habe, aus dem Browser oder aus meinem Mediaplayer oder aus meinem Texteditor, whatever – das machen nicht alle auf die gleiche Art und Weise. Da kocht jeder, jede Firma, so ein bisschen ihr eigenes Süppchen, und wir Transkript Ursula Walther, 26.2.22 20 sind … Ich kenne NVDA – das läuft auf Microsoft Windowssystem –, das ist ein OpenSource-Projekt. Und es gibt einen Screenreader in der Linuxwelt, den ich kenne, möglicherweise kommt jetzt ein zweiter. Der Rest ist proprietär. MR: Also heißt das, sozusagen, also ich hätte ja schon sozusagen ab und zu gefragt: Haben wir hier dasselbe Problem wie in anderen Fassetten der Digitalisierung auch? Heißt das auch hier: Die Aussage „Mein Screenreader kann das nicht“ ist eigentlich nur das potemkinsche Dorf für „Wir haben hier einen weiteren Bereich der Digitalisierung, der voller proprietärer Geräte ist, wo nicht der Nutzer oder die Nutzerin entscheidet, was man mit den Geräten machen kann, sondern die Hersteller, die ihre Geräte so zumachen, dass man sie nicht ändern kann.“? NS: Ja. Ich glaube, da würde ich einfach mal ein solides „Ja“ dranhängen. MR: Irmhild anscheinend nicht. Wir sehen uns auch im Bild, und hier wird ganz bedächtig und skeptisch mit dem Kopf gewackelt, wenn ich das richtig interpretiere. IR: Ja, also ich würde das ein bisschen differenzierter sehen oder vielleicht einen zusätzlichen Aspekt beisteuern wollen. Grundsätzlich bin ich auch der Meinung, natürlich kann die Technik das, und sie muss es auch können, und es ist auch ein Problem proprietärer Geräte. Aber nicht nur. Also die Sache ist tatsächlich ein bisschen komplizierter, weil a, wie Niclas eben schon sagte, die Art und Weise, wie jetzt – wenn wir beim Beispiel Screenreader bleiben – das, was da vorgelesen werden soll, in den Screenreader reinkommt, halt unterschiedlich ist. Und das bereutet auch, dass es wieder teilweise abhängig davon ist, wie dieser Inhalt, der da in den Screenreader rein soll, markiert ist. Also ich schreibe zum Beispiel gerade einen Text, der digital in einem barrierefreien E-Book erscheinen soll. Und ich bin angehalten, jeden englischen Begriff, den ich verwende, auch als Englisch auszuzeichnen, damit die Screenreader den korrekt vorlesen. Weil der Screenreader im Unterschied zu einem menschlichen Leser nicht mal eben unterscheiden kann: Das ist Deutsch, und das spreche ich deutsch aus, und das jetzt ist Englisch, und das muss ich englisch aussprechen. Das muss ihm ja gesagt werden. Das ist der eine Punkt. Der zweite Punkt, den ich aber vor allem beitragen will, ist: Das Ganze hängt auch noch damit zusammen, wie die verschiedenen Benutzerinnen und Benutzer ihre Screenreader einstellen. Weil: Viele, die Screenreader benutzen – gerade wenn sie es schon lange gewöhnt sind – , stellen ja zum Beispiel die Geschwindigkeit sehr hoch. Das heißt, sie lassen sich die Sachen viel, viel schneller vorlesen als sehende oder auch hörende Menschen. Das ist so eine Art Überfliegen beim Lesen. Und sie haben ganz oft auch spezielle Einstellungen, was Sonderzeichen, Satzzeichen und Ähnliches angeht. Es ist ja die Frage, ob ich einen Satz einfach so, wie ich ihn sprechen würde, vorlese, oder ob ich sage: „Ja, Komma, hier geht der Satz jetzt weiter, Komma“ und so weiter. Also da kommen wir wieder in so einen Bereich, wo man sagen muss: Na ja, das muss man halt ein bisschen differenzierter sehen. Das wollte ich ergänzen. Nicht dagegen, sondern nur ergänzen. MR: Also auch das ist Technologie, die beherrscht sein will. Auch das ist ja wieder eine Frage der Zugänglichkeit: Wer kann eigentlich wie seine eigenen Geräte einstellen? Und die aber auch beherrschbar sein m u s s . Also die man auch, sozusagen … Und, dann wiederum auch ein Transkript Ursula Walther, 26.2.22 21 Standardproblem, das ist ja tatsächlich etwas, was mir schon häufig begegnet ist, dass immer gesagt wird: Wir hätten gerne den einen Weg, wie Daten präsentiert werden, nämlich so, dass sie möglichst einfach verarbeitet werden können und dass nachvollziehbar ist, was da passiert. Abschlussrunde: praktische Lebenshilfen Wir haben jetzt ganz viele Teilbereiche gestreift. Ich würde einen heute gerne ‘rauslassen: die rechtliche Seite. Dafür hatten wir eigentlich eine Expertin eingeladen, die ist dann ganz kurzfristig verhindert gewesen. Ich würde das nur in dem Sinne aufgreifen, dass ihr ja gesagt habt: Es gibt zumindest im geschäftlichen Bereich und vor allen Dingen, was offizielle Stellen angeht, gewisse Vorschriften, dass Barrierefreiheit gewährleistet sein muss. Und ich will jetzt gar nicht in die Tiefe gehen, also euch fragen: Was für Gesetze gibt es wie, wer steckt dahinter und so weiter und so fort, sondern einfach zum Schluss der Sendung nochmal drei Sachen in Richtung praktische Lebenshilfe zum Einstieg in ein barrierefreieres Leben bieten, und das erste eben auf diesen Bereich abzielen: Wenn ich jetzt jemand bin, der davon betroffen ist, dass da ein Angebot, das eigentlich mir Zugang verschaffen möchte, das nicht tut, weil eben diese Barrierefreiheit oder diese Zugänglichkeit fehlt: Was kann ich da tun? Wie ist da die Situation? Da kann man wieder einen Vergleich zum Datenschutz ziehen. Da gibt es die Datenschutzgrundverordnung. In der Theorie werden empfindliche Bußgelder verhängt, praktisch ist das dann immer so eine Frage … Wie ist das denn hier in dem Bereich? Kann ich was machen, wenn ich betroffen bin und sage: So, hier, das geht so eigentlich nicht, ihr müsst mir eigentlich Zugang gewähren. Gibt es da Mittel und Wege? DM: Zumindest in der Sache der EU-Richtlinie, die ja für öffentliche Stellen gilt, gibt es diesen Feedbackmechanismus. Da gibt es dann auch Überwachungsstellen, aber die verhängen weder Bußgelder … Die versuchen das halt durchzusetzen, irgendwie. Aber es ist halt schwierig, einer Behörde ein Bußgeld anzudrohen, weil: Wer treibt das ein, das Bußgeld? Richtig: eine andere Behörde. Da beißt sich dann die Schlange in den Schwanz. Das wird dann im öffentlichen Sektor mit diesem European Accessibility Act nochmal ein bisschen was anderes, wenn auch wirklich Leute dann auch sagen können: „Ey, du musst mir das zugänglich machen, und das klage ich im Zweifel auch ein.“ Und das wird ein bisschen schwierig. Aber es gibt diesen Feedbackmechanismus, und die Behörden müssen darauf reagieren. Das Schlimmste, was geht, sind glaube ich Verbandsklagen, prinzipiell. Aber das ist natürlich die höchstmögliche Eskalationsstufe, und es ist auch immer schwierig, das am Ende zu machen. MR: Das hört sich so an: Es gibt theoretisch Werkzeuge, praktisch ist es aber schwierig. IR: Ja, es gibt dazwischen auch noch die sogenannten Schiedsverfahren. Das habe ich auch schon mal gemacht, weil die Behörde, an die ich mich gewendet hatte, nämlich schlicht nicht reagiert hat. Was ich natürlich nicht so gut fand, verständlicherweise. Und deswegen habe ich mich dann an die zuständige Stelle, an die zuständige Überwachungsstelle, gewendet. Und die ist dann auch tätig geworden, was nur bedeutet, dass sie einen Brief schreibt, und den Behörden sagt: „Du, du, du, du, du!“ Daraufhin hat wiederum die Behörde einen Brief geschrieben und gesagt: „Ja, aber die Sache ist ja ganz kompliziert, und wir sind ja eigentlich nicht zuständig, und deswegen gilt die Richtlinie ja, wenn wir das eng auslegen, hier gar nicht.“ Man beachte: Das waren alles Juristen, die da miteinander kommuniziert haben. „Aber wir sind ganz großzügig, und in der nächsten Version verbessern wir die Transkript Ursula Walther, 26.2.22 22 Barrierefreiheit.“ Das ist dann tatsächlich auch passiert, man höre und staune. Ob es für die übernächste Version dann auch noch gilt, werden wir sehen (allgemeine Heiterkeit). Aber ja, also das ist tatsächlich noch ein Problem. Ist aber auch irgendwie blöd, weil das ist halt das Problem, was wir eben schon hatten. Die Leute, gerade bei öffentlichen Stellen, die die Website barrierefrei machen müssen, müssen das nachträglich tun. Das ist eben nicht von vornherein mitgedacht worden. Dann haben sie es mühsam gemacht, haben es aber nur halb geschafft. Dafür gibt es auch oft Gründe. Und dann kommen so irgendwelche Leute und sagen: „Ihr habt aber nicht, ihr habt aber nicht, ihr habt aber nicht …“ Und dann geht das den rechtlichen Weg. Der hilft eigentlich keinem wirklich, außer eben, wenn es gut läuft, Bewusstsein zu schaffen. Und da wäre es eigentlich schön, wenn es da andere Wege gäbe, das muss man ganz klar sagen. MR: Das klingt für mich ein bisschen so, als ob es eine ehrenwerte aktivistische Arbeit ist, solche Verfehlungen anzufechten oder aufzuzeigen, aber im praktischen Leben nicht konkret und schnell Hilfe angezeigt ist durch sowas. IR: Ja. MR: Ok. Gehen wir die umgedrehte Seite an. Wenn ich jetzt ein Projekt mache – die Frage geht dann auch so ein bisschen an Dennis, der sozusagen als Dienstleister fungiert für Leute, die sagen: „Ich habe hier ein digitales Angebot, das soll jetzt auch barrierefrei sein.“ Was sind denn gute Dinge, die man – wir haben es ja schon besprochen, dass man am besten gleich von Anfang an dran denkt – die man mitbringt, wenn man den Bordstein, um das Bild vom Anfang zu benutzen, nicht so hoch machen will. DM: Es fängt tatsächlich an, sich einfach zu beschäftigen: Was möchte man erreichen, und wie möchte man es erreichen? Also im Designprozess schon anzufangen. Und da gibt es echt wirklich einfache Tools, die einem die Kontrastwerte checken. Da muss man gar nicht einmal wissen, welcher genaue Wert das ist. Das Ding sagt einem „grün“ oder „rot“, oder „ja“ oder „ok“ – die sind zum Teil auch selber nicht barrierefrei, diese Tools –, aber das ist so der erste Weg, wo man anfangen kann. Ich finde, diese WCAG ist ein ultrahilfreiches Ding, weil … Natürlich ist da sehr viel normativ geregelt. Also: Eine Webseite muss das und das können, und der Nutzer, die Nutzerin, kann jederzeit die Schriftgröße ändern und es darf nichts kaputtgehen. Aber was immer drunter ist, sind immer So-könntest-du-das-erreichenVorschläge. Das sind wirklich so Sachen … Da gibt’s sehr abstrakte Sachen wie: Die Nutzerin muss immer wissen, wo sie sich auf der Webseite gerade befindet. Ja, wie erreicht man denn das jetzt, ehrlich gesagt? Und da steht dann drunter ein Hinweis: Du könntest eine Sitemap anbieten, oder so eine Brotkrumen-Navigation (breadcrumb navigation). Oder das, oder das, oder das, und so kannst du es erreichen. Das ist ultrapraktisch, weil es halt sehr an der praktischen Umsetzung gelegen ist. Und das lohnt sich sehr, einfach da reinzulesen und zu gucken: Was könnte denn der Weg sein zum Erfüllen dieser Voraussetzung? Finde ich zumindest. NS: Und ich glaube … Also ich kann da Dennis total zustimmen, und soweit ich in die WCAG reingeguckt habe, finde ich, ist das eine super Ressource. Was wir mit be able e.V. machen, ist ja auch, uns so ein bisschen einzumischen. Also weniger, wie bei der vorherigen Frage, Transkript Ursula Walther, 26.2.22 23 auf so einer rechtlichen Ebene. Sondern wir versuchen, da eben auch ein Angebot zu machen, um auch im Zweifelsfall mit Unternehmen zusammen Designprozesse mit Inklusion zusammenzubringen und das eben von vornherein mitzudenken. Da geht’s manchmal nicht nur um digitale Produkte. Da geht’s manchmal so richtig noch um Dinge, die man anfassen kann, die aus Elementen bestehen. Aber ich glaube, wo meine Motivation immer herkam, war: Verständnis bei den Leuten hervorrufen. Und ich glaube, das geht nur über das Kennenlernen der Lebensumstände. Ich würde fast soweit gehen zu sagen: Nur was ich selbst erlebt habe, kann ich wirklich richtig nachfühlen. Nachvollziehen. Auf einer Ebene, die über so ein rein rationales „Ah ja, ok, das ist logisch“ hinausgeht. Und ich glaube, wenn der Punkt erreicht ist, … Wie viele Leute mir nach irgendwelchen Aktionen noch Mails geschrieben haben und gesagt haben: „Ey, bei jeder Ampel fällt mir jetzt plötzlich auf: Die klickt und piept, und ich kann da einen Knopf drücken, und das habe ich vorher nie gemerkt!“, oder „Hier sind ja überall so Riffelpflaster!“, um so ganz klassische Barriereabbau-Sachen in der begehbaren Welt anzubringen. Das hat mir immer wieder gezeigt: Es macht total viel Sinn, sich damit auseinanderzusetzen. Und ich glaube, da gibt es gute Vereine, an die man sich wenden kann, um … Wenn man halt Bock drauf hat, vielleicht (allgemeine Heiterkeit). IR: Na ja, man kann da auch ruhig noch größer denken. Also wenn schon, denn schon, würde ich vorschlagen. Das Ganze würde ja auch viel, viel einfacher werden, wenn Menschen mit welchen Einschränkungen auch immer viel selbstverständlicher auch überall wären, sei es in der Schule, sei es im Arbeitsleben, sei es im Alltag, im Verein oder sonstwo. Weil dann nämlich auch jeder jemanden kennt und, wie Niclas auch sagte, zumindest eine Idee hat, was das eigentlich bedeutet, wenn jemand nicht hören, nicht laufen kann, weiß der Geier. Und dann auch daran denkt – das ist doch das Entscheidende. Dass man überhaupt, das haben wir ja schon rausgearbeitet, auf die Idee kommt, mal darüber nachzudenken, dass eben nicht alle so funktionieren wie ich gerade selber, der ich als Web- oder als Softwareentwickler oder weiß der Geier was da sitze und jetzt grade meinetwegen auch nur den Akkuschrauber nur für Männerhände designe. Das ist doch der entscheidende Punkt bei der ganzen Sache. MR: Anfangen, drüber nachzudenken. Ich glaube, das ist der Punkt, wo ich tatsächlich die Sendung gerne beenden würde, weil ich hoffe, das haben wir erreicht. Wenn jetzt nicht Dennis, Irmhild oder Niclas sagen: „Nein, wir haben diesen einen wichtigen Punkt noch vergessen, den müssen wir noch besprechen!“ möchte ich euch an dieser Stelle eine kurze Pause geben, um diese Gelegenheit zu ergreifen (kurze Pause) und ansonsten sagen: Lieber Dennis, liebe Irmhild, lieber Niclas, vielen Dank, dass ihr heute zu Gast wart, dass wir alle so geduldig zusammen durchgestanden haben, dass wir hier auch technisch zusammenkommen konnten. Und für die schönen Einblicke, die ihr uns gegeben habt, und auch das Möglichmachen des Mal-anfangen-drüber-Nachzudenkens. Ich kann jetzt wieder mal nur anekdotisch von mir selbst erzählen: Die Freude, die Fröhlichkeit, mit der ihr in das Thema mitnehmt, und auch so ein bisschen das Beruhigende – es ist mir so ein bisschen peinlich, weil ich der bin, der am wenigsten davon betroffen ist, und jetzt trotzdem immer so Angst davor habe, das Thema anzufassen. Aber diese Fröhlichkeit, zu sagen: „Hey, es ist schon total gut, wenn wir es überhaupt versuchen, und wir streben die Perfektion an, und es ist aber auch klar, dass sie nicht im ersten Schritt erreicht sein muss“ – das finde ich auch einen Gedanken, den ich mir einfach mal hinter die Ohren schreiben sollte, um da keine Berührungsängste mehr zu haben. Transkript Ursula Walther, 26.2.22 24 Verabschiedung Also in diesem Sinne: vielen Dank. Vielen Dank auch ans Chaosradio-Team, das diese Sendung organisiert, zusammengestellt und redaktionell geplant hat. Vielen Dank auch an die Gebärdendolmetscherinnen, die möglich gemacht haben, dass wir so flüssig und zusammen sprechen konnten. Vielen Dank an euch, liebe Hörer*innen, dass ihr wieder dabei wart. Das war das Chaosradio 275, und mir bleibt nur noch eine Sache zu sagen: Lasst euch nicht überwachen und verschlüsselt immer schön eure Backups. Tschüss! Transkript Ursula Walther, 26.2.22 25