============== Page 1/1 ============== Tafel: Die fünf Pforten der Manipulation Manipulation ist überall. In allen Systemen wird manipuliert. In biologischen Kreisläufen, bei der Militärausbildung, in der Werbung, im täglichen Umgang miteinander, sogar aus mikroskopischer Ebene findet wir Zeichen von Manipulation. Egal ob bei Parasiten, beim Militär oder in der Werbung: Manipulation lebt von Platzhaltern, Bildern und Signalen, die entweder etwas Eigentliches, Ursprüngliches verdecken und es mit neuen Signalen ersetzen. Oder aber sie ruft fertige Verhaltensmuster ab, die dem Zwecke des Manipulators dienen, nicht aber unserem eigenen. Womit wir bei einer ersten Definition wären: Tafel: „Manipulation ist Verhaltensbeeinflussung zu fremden Nutzen.“ (Rupert Lay) Aber alle zeichnet noch etwas anderes aus. Sie sind Kreisläufe. Interessanterweise würden viele dieser Kreisläufe ohne die Manipulatoren, ohne die kommunikativen Strippenzieher, in sich zusammenbrechen. Das gilt für die Psychologie, die Biologie wie für die bunte Welt des Konsums. Immer dasselbe: Eine erste Wirklichkeit wird abstrahiert, distanziert. Das Zeichen wird stärker als das Original. Die Simulation übernimmt. Das vorherige System oder Signal verschwindet bis die manipulierte Botschaft übernimmt. 2023-07-24, © Ralf Grauel 1 Manipulierte Information ist also wie eine Magenpille im Zuckermantel, oder wie trojanisches Pferd. Bild: Logo der Werbeagentur Jung von Matt Ein Selbstmordbefehl, der wie eine Erlösung klingt. Ein Opferungsbefehl, der sich wie Sex anfühlt. Eine als Unterhaltung verkleideter Kaufbefehl. Die Frage ist, wie funktioniert das? Wie bringt man einen Menschen dazu, sich gegen seinen eigenen Willen, manchmal sogar gegen seinen Instinkt zu verhalten? 2023-07-24, © Ralf Grauel 2 Schritt 1 Film: Nikita wird verurteilt, schlägt um sich und wird eingesperrt. Tafel: Trenne das Opfer von der Herde. Trennung ist schlimm. Das Schlimmste. Eigentlich müsste man bei Adam und Eva anfangen. Bild: Adam und Eva mit Schlange im Paradies Die böse Schlange manipuliert Adam und Eva, vom Baum der Erkenntnis zu essen. Vorher waren sie eins. Mit Natur, mit Gott. Mit der Frucht vom Erkenntnis aber leiten sie ihren Rausschmiss ein. Sie werden Mensch und erleiden das größte Trauma: Trennung von ihrem Ursprung, von ihrer Herde. Tafel: Trennung (überblenden) erzeugt Schuld In den meisten Fällen wird Trennung als Strafe empfunden. Trennung erzeugt Schwäche, die erzeugt Schuld. Für ihre Sünde werden sie fortan mit der Gewissheit ihrer Schuld begleitet. Ihre Freiheit wird zum Kerker. Adam muß im Schweiße seines Angesicht sein Dasein fristen. Eva ist fortan das sündige Weib, nur unter Schmerzen soll sie gebären können. Aber das eigentliche Ziel der Vertreibung, dieser traumatischen Trennung, ist ein anderes. Tafel: Schuld (überblenden) erzeugt Abhängigkeit 2023-07-24, © Ralf Grauel 3 Die Ursünde wird Adam und Eva für immer an ihren Gott binden. Wer getrennt wird, will immer zurück. Das Trauma der Trennung machen sich so gut wie jedes Umerziehungsprogramm zugute. 1993 wurde in den USA ein Gesetz der „Freedom of Information Act“ verabschiedet . Im Rahmen dessen wurden zahlreiche Geheimdokumente veröffentlicht. Bild: CIA I Darunter befand sich auch das Handbuch für Verhöre feindlicher Agenten und Spitzel. „KUBARK: Counterintelligence Interrogation“. Zahlreiche Stellen sind geschwärzt, aber das Handbuch wurde schnell zur Gebrauchsanleitung für Autoverkäufer, Trickkbetrüger und andere Gauner. (Die Rollenspiele: Good Guy/Bad Guy, Alice In Wonderland, Nobody Loves You, die zwei Informanten) Bild: CIA II In diesem KUBARK nun ist die Isolation, die Trennung von der Herde einer der wichtigsten Vorraussetzungen für den Erfolg eines Verhöres. 2023-07-24, © Ralf Grauel 4 „Der Gefangene soll glauben, er sei völlig abgeschnitten von freundlichen oder unterstützenden Kräften. Falls das klappt, weiß er, das nur er selbst die einzige Quelle für seine Erlösung ist.“ „Salvation“ steht tatsächlich im Original. Bild: Kubark Verdächtige werden am besten in den frühen Morgenstunden verhaftet, dann sind die psychischen und physischen Abwehrkräfte am niedrigsten. Besonders eitle Charakter bekommen Kleidung verpasst, die zwei Nummern zu groß ist, ohne Gürtel. Dann geht es daran den gewohnten Rhythmus völlig zu verändern. Essen, Schlafrhythmus und andere Fundamente werden gestört. Ständig. Es werden Uhren umgestellt, zwei Stunden nach dem Mittagessen gibt es Frühstück. Das kennen wir auch aus Stammheim. Angst und Hilflosigkeit sind die Folge. Autoritätsschocks folgen. Näheangebote. Das Ergebnis: Identitätsverlust. Als nächstes kommt der Entzug der sinnlichen Reize. Stimulus-Entzug. Bild: Die total verbunden Al-Quaida-Häftlinge im Gefängnis auf Kuba Wir sehen hier die 10 kleinsten Einzelzellen der Welt. Was wir auf dieser Abbildung sehen, geschieht nicht zum Schutz der Gefangenen oder der Wärter. Es ist Teil des Verhörs. Wassertank-Tests: Die längsten haben es drei Stunden ausgehalten. Bei Testpersonen, die ähnlich verpackt waren, wie diese Al-Quaida Kämpfer, stellten sich nach einem halben Tag Halluzinationen und Wahnvorstellungen ein. Ziel dieser Einzelhaft: die letzten erlernten Charakter- und Wertvorstellungen abzuschälen, bis man zu einem inneren verletzlichen 2023-07-24, © Ralf Grauel 5 Kern vordringt. Ziel aller dieser Verhörmethoden ist es, Regression beim Opfer hervorzurufen. Trennung von der Herde, Unsicherheit, Schuld und am Ende Regression. Der Zugang zur Verletzlichkeit, zu tieferen, beeinflussbaren Persönlichkeitsebenen. Der Verhörende bietet Sicherheit, die helfende Hand. Das von der Herde getrennte Opfer taucht aber auch an anderen Stellen auf. Bild: Clementine Die Hausfrau der Sechziger Jahre befand sich gleichsam in Einzelhaft, und Clementine war ihr vertrauensvoller Wärter. Werbung der Sechziger zielt noch stark auf die Produktion eines Schuld- oder Minderwertigkeitsgefühls ab. Das Ego wird isoliert, dann desoliert. Es folgen Halluzination, Auflösung der Wirklichkeit. Bild: Meister Propper Wir sehen hier: Meister Propper, den halluzinierten Hausgeist und imaginären Freund der Hausfrau. Werbung hatte damals noch ein echtes didaktisches Problem, wie sollte die Hausfrau in einen glaubhaften Dialog treten, der ihr am Ort der Erfüllung die Vorteile des Produktes erklärt? 2023-07-24, © Ralf Grauel 6 Ein kommunikativer Kniff, den jeder versteht. Wer in der Einsamkeit nicht abspaltet, wird tatsächlich verrückt. Können Sie sich an Tom Hanks Volleyball erinnern in Stranded? Eine runde Sache in den Sechzigern/Siebzigern. Die übliche Schuld-undLösung-Werbung. Standbild: 40 Aber mit Schuld allein lockt man heute keinen mehr hinter dem Herd hervor. Da muß man tiefer einsteigen. 2023-07-24, © Ralf Grauel 7 Schritt 2 Film: Nikita 2: Allein in der Zelle, erster Kontakt, sie weint. Tafel: Beobachte es. Lerne es kennen. Finde den Eingang. Sie haben es mittlerweile erkannt. Nikita sitzt in der Zelle, isoliert. Es folgt eine kurze Phase Marktforschung. Danach: der erste menschliche Kontakt. Nichts hat so viel Macht über einen Menschen, wie seine eigenen Emotionen. Wer etwas bewegen will, muß Emotionen erzeugen. Die Emotionen oder Muster, die bei seinem Opfer, seiner Zielperson ureigene Gefühle oder Reaktionsmuster ansprechen. Jeder Mensch hat einen eigenen Eingang, manche sogar mehrere. Aber wieso haben Gefühle so viel Macht? Bild: Das Gehirn I Die Psyche ist in Schichten aufgebaut, das Gehirn auch. Das Abbild unserer stammesgeschichtlichen Entwicklung. Alles was in den Kopf geht, durchläuft diese Stationen. Biologisch betrachtet sind Gefühle Abkürzungen. Mentale Kontoführung, die das Erinnern und Speichern von Informationen erleichtert. Es ist einfacher und zeitsparender, sich an ein Gefühl zu erinnern, als an eine Situation, einen Gedanken. Bild: Gehirn II Stammhirn: Reptilienhirn. Hier haust die träge Echse in uns. Umwelteinflüsse werden auf ihre relevanz für den Körper beurteilt. Von hier wird das gesamte vegetative System gesteuert. 2023-07-24, © Ralf Grauel 8 Zwischenhirn: Pferdehirn. Hier wird es spannend. Das soziale Hirn. Hier wohnen die Instinkte. Reize werden ausgewertet, von hier aus wird ihnen ein angemessener Verhaltensautomatismus zugeordnet. Porschewerbung, der D&W-Katalog, Rentenversicherung und actimelJoghurt: zielen alle auf dieses Zentrum. Großhirn: Primatenhirn. Hier sitzen Bewußtsein, Abstraktionsfähigkeit, Werte, Terminkalender, PIN-Nummern und Kochrezepte, aber auch Vorurteile, Stereotypen und Denkmuster. Couchkartoffel. Arbeitstier. Philosoph. Bild: Katze Das älteste Organ ist die Nase, der Geruchssinn ist der älteste der Welt. Pheromone stteuern unser Sexualverhalten. Männliche Samen finden zum Ei mithilfe von vier Geruchsrezeptoren. Die Nase ist der für Manipulation empfänglichste Körperteil. „Jemanden an der Nase herumführen, jemanden nicht riechen können“… Die Metaphern der Nase sind immer direkt und emotional. Von der Nase aus führt eine Standleitung in das limbische Zentrum. Hier wohnen die Instinkte. Angst, Liebe, Panik, Wut, Lust und Frust. Jeder Geruch wird hier bewertet und erst danach an die Leitzentrale in übersetzter Form weitergeschickt. An dieser Hierarchie der Sinne liegt es, dass uns oft Gefühle oder Bilder kommen, wenn wir etwas riechen. Biologische Waffen, so genannte Panikbomben, bedienen sich genau dieser Mechanik. Allein mit Geruchsstimulierung können ganze Landstriche zum Durchdrehen gebracht werden. Eigentlich sind das Stinkbomben. Rolls Royce-Kunden bemängelten unlängst, ihre Autos würden nicht mehr „wie früher“ riechen. Stimmte auch: Moderne Kleber und Kunststoffe überlagerten den klassischen Mix aus Wurzelholz, Schafswolle und Conollyleder, die heute nur noch furnierfein verarbeitet 2023-07-24, © Ralf Grauel 9 werden. Seit kurzem beduftet die Luxusmarke ihre Neuwagen mit künstlichem Rolls Royce-Aroma. Die Verkaufszahlen steigen. Im Fiat Panda klebt ein Filzsäckchen mit markenspezifischem Neuwagenparfum unter dem Fahrersitz. Nach jedem Werkstattbesuch sprühen die Opel-Meister Markenduft in die Innenräume der Autos. Die Pariser und Londoner U-Bahnen sind kaputt, Aromaspender jagen Jasmin und Rosenduft durch die Belüftungssysteme. Japanische Arbeitgeber verströmen morgens Zitrone, Rose und Minze, das macht wach und senkt messbar die Tippfehlerquote. Mittags Grapefruit, das regt die Verdauung an und nachmittags wird es warm und gesellig dank Holzaromen. Zum Feierabend weckt wieder ein Schuß Zitrone, damit in Stau und U-Bahn keiner einschläft. Krankenhäuser: senkt Lavendel in der Lüftung den Verbrauch von Beruhigungsmitteln bis um die Hälfte. Vanille lindert Angstzustände. Im Klassenraum lernen Kinder schneller bei Karamelgeruch. In Düsseldorf hat sich die erste Werbeagentur für Düfte gegründet, Aerome, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis die ersten Marken eigene Dufteigenschaften jenseits des Parfums entwickeln lassen. 2023-07-24, © Ralf Grauel 10 Es geht also beim emotionalen Einstieg, darum, so tief wie möglich zu kommen. Die Instinkte zu treffen. Schale für Schale zu durchdringen und die persönlich tiefste Ebenen zu gelangen. Film: Mercedes-Spot: Achtzehn Auch dieser Junge ist akustisch getrennt von seiner Klasse. When will this moment be mine, singt die Stimme. Nicht Auto. Man sehnt sich ja nicht nach einem Auto, sondern nach einem Erlebnis. Aber man kann noch tiefer rein. Film: Mercedes-Spot: Embryo Zugegeben: mehr Werberimagination als Wirklichkeit. So tief in die Schichten einzudringen, dass sogar der Embryo programmierbar wird. Nicht ganz ohne jedoch, denn gerade laufen die erste Werbekampagnen in Kindergärten. Aber es geht noch ein wenig tiefer. Film: Mercedes-Spot: Samenfaden Wie aber nähert man sich einer Zielgruppe, die schon alles hat. Die weder von ihrer Herde getrennt ist, noch sich schuldig fühlt, der weder kalt noch warm ist, die sich also sauwohl fühlt? Wie bewirbt man ein völlig langweiliges Produkt, das man unmöglich mit irgendwelchen Emotionen verbindet? Wie Spinat, Waschmittel oder Gummibärchen? Bild: Thomas Gottschalk mit Haribo 2023-07-24, © Ralf Grauel 11 Wir sehen: einen klassischen Alpha-Konsumenten. Promiwerbung funktioniert immer. Auch bei Affen. Experiment mit einer japanischen Affenhorde. Die Markteinführung eines Karamelriegels bei den unteren Rängen hat sich als schwierig erwiesen. Nach anderthalb Jahren verzehrten 51 % der Horde die Karamelriegel. Aber keiner der Anführer. In einer andere Horde führte man Weizen ein, bei den Anführern, den Alpha Männchen. Affen gewöhnlich kein Weizen. Die Chefs akeptierten die neue Nahrung. Nach vier Stunden war die ganze Kolonie auf Weizen. So viel zum Wert von Opinionleadern. Tafel: 29 Wichtig also: Der Einstieg. Timing, Motiv und Begierde müssen genau aufeinander passen. Aber was passiert dann? 2023-07-24, © Ralf Grauel 12 Schritt 3 Film: Nikita 3: „Haben wir beide dasselbe Schicksal?“ Tafel: Baue Dich ein. Je tiefer umso besser. Lösche was nicht passt. Werde es. Tafel: 29 Die Frage an dieser Stelle ist die nach der sublimen Botschaft. Das sind unterschwellig gesendete Nachrichten, in so kurzen Zeiträumen oder Fenstern gesendet werden, dass sie bewußt nicht wahrgenommen werden, und quasi direkt in unser Unterbewußtsein einfließen. Von dort aus, so die Theorie, wiederum geben sie Befehle an das Bewußtsein. Das Problem nur: Ob diese Botschaften ankommen und ob sie tatsächlich Verhalten beeinflussen, ist nie bewiesen worden. Ein paar Beispiele: Wir alle kennen den Kinobesitzer, der Coca Cola Botschaften sendete. Das war in den 50er Jahren. James Vicary hat hinterher zugegeben, dass er sich das alles nur ausgedacht hatte. Der Coke-Konsum stieg. Aber nicht wegen der sublimen Botschaft. Das berühmteste Beispiel stammt aus dem letzten US-Wahlkampf. Film: RATS (Wahlkampf-Film der US-Republikaner) Film 2: Rats in Zeitlupe Kasettentest: 2 Gruppen, „Mein Gedächtnis wird jeden Tag besser“ und „Ich habe einen hohen Selbstwert.“ Keine messbaren Ergebnisse. ½ der Tapes waren falsch beschriftet, die Probanden meinten allerdings tatsächlich immer das die jeweilige Beschriftung eingetreten sei. 2023-07-24, © Ralf Grauel 13 Der aktuelle Stand der Forschung: Tafel: Sublim funktioniert nicht. Tafel: Zuerst: Desensibilisierung! Hier noch mal ein kurzer Rücklauf dessen, wo wir uns gerade befinden: Wird das Opfer von der Herde getrennt, haben einen Eingang gefunden, und müssen so schnell wie möglich die Festplatte löschen. Wir befinden uns sozusagen in der Grundausbildung, in der militärischen Ausbildung. Der Aufbau ist immer derselbe: Trennung, und dann schichtweiser Abtrag der Persönlichkeit durch konstanten körperlichen und psychischen Stress. Militärausbildung ist die stärkste Form der Desensibilisierung. Ihr Ziel: Die instinktive Tötungsblockade beim Menschen umzuprogrammieren. Wie alle Säugetiere schreckt der Mensch davor zurück, seine eigene Art zu töten. Piranhas, Klapperschlangen, Löwen, Wölfe, keiner tötet bei Auseinandersetzungen innerhalb der eigenen Art. Menschen eigentlich auch nicht. In modernen Kriegen sind diese Blockaden aber hinderlich. Nach dem zweiten Weltkrieg stellten US-Wissenschaftler fest, dass nur etwa 15-20 Prozent der Soldaten überhaupt ihre Gewehre benutzt hatten. Die meisten davon haben in die Luft geschossen. Keine Feigheit! Sie sind nie geflohen, sind durch feindliches Feuer gelaufen, um ihre Kameraden zu retten, aber sie haben selbst dann nicht zurück geschossen, wenn sie angegriffen wurden. Oder aber in die Luft geballert. 2023-07-24, © Ralf Grauel 14 Diese Rituale haben Geschichte.  Auch die Bajonette im 1. WK wurden selten zum Stechen benutzt. Die meisten Soldaten drehten die Gewehre einfach um, und benutzten sie als Keulen.  Neuguinea: Kriegerische Ureinwohner ziehen Federn aus den Enden der Pfeile heraus und machen sie so unbrauchbar, wenn sie gegen einen anderen Stam in den Krieg ziehen.  Die historischen Schlachten waren also größtenteils Schrei- und Imponierorgien. Trotz dieser starken, tief verankerten Blockaden ist es Ausbildern der modernen Militärs gelungen, diese Blockaden zu durchbrechen. Im Korea-Krieg lag die Rückschussquote bei 55 Prozent. In Vietnam schossen 95 Prozent auf den Feind. Da wird zuerst der Kopf rasiert. Dann folgt der Drill. Extreme Körperliche Anstrengung, die sozusagen die psychischen Poren öffnet. Umso konkreter wird das Töten geübt. Statt auf Zielscheiben (wie vor dem zweiten Weltkrieg) schießen die Rekruten heute auf menschliche Silhouetten. Wer trifft wird belohnt, mit einem Klingeln oder einer Lampe. Wer nicht trifft, wird bestraft, macht Liegestützen. In der Einzelkämpferausbildung konditioniert man durch mit Ballons ausgestopfte Uniformen, als Köpfe dienen Kohlköpfe, die man mit Ketchup füllt. Um zu verdeutlichen, wie drastisch das vor sich geht: In den USA gibt es dafür eine Fernsehshow: Fox-TV Serie von 2001. Echte Ausbilder. Preisgeld 500.000 US Dollar. Zahlreiche US Army und Spezialeinheiten Ausbilder bieten ihre Dienste als Motivationstrainer an. 2023-07-24, © Ralf Grauel 15 Bild und Sounds: Bootcamp (Saal bleibt dunkel, schlimme Bilder, schreckliches Geschrei. Böse) Es geht also darum, den ursprünglichen - Angst auslösenden Reiz durch Distanzierung zu abstrahieren. Dann: Die neue, erwünschte Reaktion so oft zu simulieren, bis sie wirklich erscheint. Bis die Simulation, der Platzhalter, die Stelle der Realität einnimmt. Dazu Lieder, deren Ziel: das Feindbild zu abstrahieren. Zu Entmschlichen: Ein Beispiel eines Gesangs (1974): Tafel: I wanna RAPE, KILL, PILLAGE‘n‘BURN, annnnnD: EAT dead BABIES! I wanna rape, kill… Die Umformatierung hatte seinen Preis. 500.000 sogenannte psychisch Verwundete kehrten aus dem 1. WK heim. Für Vietnam gehen Experten davon aus, dass zwischen 1 Mio und 1,5 Mio Veteranen an PTSD leiden (Post Traumatic Stress Disorder). Alte Inhalte werden markiert und dann gelöscht, die seelische Festplatte wird neu formatiert und die neuen Programme so oft wiederholt, bis sie sitzen. 2023-07-24, © Ralf Grauel 16 Merke: Wir befinden uns noch immer im Kapitel Baue Dich ein. Je tiefer umso besser. Lösche was nicht passt. Werde es Zum Töten bedarf es also eines relativ starken Programmierungsaufwandes. Wenn es ums Kaufen geht ist das natürlich einfacher. Es gibt sogar Produkte, die kommen ohne Impulse, ohne Kaufbefehleaus. Denn sie sind so tief und perfekt eingebaut, das sie quasi eine Symbiose mit ihrer Zielgruppeeingehen. Sie werden getragen und weitergegeben durch eine bestimmte soziale Gruppe. Am besten: Objekt und Zielgruppe gehen eine Symbiose ein. Die Impulse von außen sind dann minimal. Bild: Tupperware Tupperware ist die größte Konsum-Community weltweit. 2,5 Mio Umsatz weltweit täglich. Alle 2,7 Sekunden findet irgendwo auf der Welt eine Tupperware-Party statt. Es gibt keine Werbung, kaum Marketing. Das einzige, das Tupperware in das System einspeist, ist Ware. Das Prinzip Tupperware wird einzig und allein regiert und weitergegeben durch Reziprozität (jeder der Tupperpartygäste erhält noch vor der eigentlichen Verkaufsveranstaltung ein kleines Geschenk) und den sozialen Druck (Revanche fürKaffe und Kuchen). Tupperware ist die perfekte Einheit von Vertrieb, Marke und Zielgruppe. Der perfekte Plastikvirus. Einmal drin, ist er nicht mehr rauszukriegen. Es gibt kein Gegenmittel. Tafel: 677 2023-07-24, © Ralf Grauel 17 Schritt 4 Film: Nikita im Restaurant, ihr erster Tötungsbefehl Tafel: Erteile neue Befehle. Deine Befehle. Nikita ist trainiert und entsprechend umprogrammiert. Das bedeutet aber nicht, dass man nicht auch normale, lammfromme Schäfchen zu Killermaschinen umprogrammieren kann. Bild: Milgram Experiment ----> Experiment zum Thema Faschismus. Experiment über Erinnerungsvermögen und Lernfähigkeit. 15 Volt bis 450 Volt. 60 Versuchspersonen. 65 % gehen bis zum Ende, dem scheinbaren Tod des anderen Probanden. Varianten des Experiments: Frau als Versuchsperson Vergleichbares Ergebnis wie bei dem Mann Schüler und Lehrer sitzen im gleichen Raum Nähe: Die Versuchspersonen hören deutlich früher auf Schocks zu geben Schüler bittet um den Schock Keine Versuchsperson geht höher, als es der Versuchsleiter zuläßt Fehlende Autorität Deutlich früherer Abbruch des Experiments und teilweise mehrmalige Verabreichung einer niedrigen Schockstärke Normale Person als Versuchsleiter 2023-07-24, © Ralf Grauel 18 sehr großer Widerstand der Versuchspersonen Autoritätsperson als Opfer Sobald der Versuchsleiter sagt, daß er den Versuch beenden möchte, brechen die Versuchspersonen ab und eilen teilweise in das Nebenzimmer, um ihm zur Hilfe zu kommen. Der entscheidende Faktor ist die Reaktion auf Autorität und nicht auf den Befehl, den Schock zu erteilen. ES IST NIE WICHTIG WAS DIE VERSUCHSPERSONEN TUN, SONDERN NUR FÜR WEN SIE ES TUN!! Autorität ist hier der Auslöser. Es geht abe rauch mit Freundschaft. Oft genügt der soziale Faktor für die Weitergabe Zweites Beispiel „MCI Friends And Family Calling Circle“, ein Rabattsystem: 20 Prozent Ermäßigung gibt es auf Ferngespräche mit Leuten, die man auf einer Liste einträgt. Der Rabatt wird jedoch erst dann wirksam, wenn die Freunde ebenfalls MCI-Kunden werden. Der Clou: Nicht der Kunde selber, sondern ein Mitarbeiter der Telefongesellschaft telefoniert die Liste ab und fragt die Freunde, ob sie nicht MCI-Kunde werden möchten, um ihrem Bekannten, der sie ja auf der Liste eingetragen hat, einen 20 prozentigen Rabatt zu ermöglichen. Man fühlt sich verpflichtet, und „das funktioniert in neun von zehn Fällen“, gestand ein MCI-Vertreter dem US-Magazin Consumer Reports. 2023-07-24, © Ralf Grauel 19 Was aber passiert, wenn der Manipulator nicht Teilnehmer einer hierarchischen Organisation ist und schon gar nicht über die Mittel verfügt, seine Botschaft derart einzuhämmern, wie wir das gesehen haben? Dann gibt er seine Befehle von genau dem Ort aus, von dem sie ihre maximale Wirkung entfalten: Vom Innneren des Organismus. Bilder: Parasiten diverse In jedem von ihnen sitzen derzeit ein paar dieser Parasiten. Die meisten Menschen tragen zwischen fünf und zehn Arten von Parasiten mit sich herum. Das fängt bei der Hautmilbe an und geht beim Bandwurm weiter. Parasiten sind Meister der Manipulation. Die meisten wandern von einem Wirtskörper zum anderen, verändern deren Verhalten durch chemische Botschaften. Sie ernähren sich vom vorhandenen Material, setzen sich Tarnkappen auf, wie zum Beispiel rote Blutkörperchen, bis sie an den Ort gelangen vom dem aus sie ihre Wirkung entfalten. Es gibt keine biologischen Kreisläufe ohne Parasiten. Die meisten werden sogar von ihnen gesteuert. Da werden Geschlechter umgewandelt. Oder Organismen von innen ausgehöhlt, wie hier bei Sacculina, die sich gerade opfert. Beispiel mit den Sporen und dem Sonnenuntergang. Bild: Pilz aus Grille Parasiten, sind verantwortlich für biologische Vielfalt und, für einige der wichtigsten evolutionären Entwicklungsschritte. Bild: Seeadler-Kreislauf 2023-07-24, © Ralf Grauel 20 Bild: Gammarus 1 Am Ende der kleine Wurm, der seinen Wirt, einen Käfer, auf einen Stein krabbeln lässt und ihn sich dort so lange fest krallen lässt, bis er von der Ente gefressen wird. Völlig wurmuntypisches Verhalten. Bild: Gammarus 2 Was hat den Käfer gesteuert? Eine Überdosis Serotonin, genau der selbe Neurotransmitter wird ausgestossen, wenn er auf ein Weibchen trifft. Sein Reflex: festkrallen und reiben. Er meint, also, er hätte Sex. Was lernen wir daraus? „Sex sells.“ Bild: Gammarus 3 Tafel: 40 29 677 00 2023-07-24, © Ralf Grauel 21 Schritt 5 Tafel: Unterstütze es. Gib seinem Handeln einen Sinn. Und gib ihm eine neue Herde. Film: Mercedes-Spot: Fans Autos und Fußball haben eigentlich nicht miteinander zu tun, es sei denn man fährt mit dem Auto zum Fußballspiel. Was läuft hier? Tafel: „Erstens: Erzeuge ein Gemeinschaftsgefühl. Zweitens: Heize die Emotionen der Menge an. Drittens: Sprich als ob du Gott wärst oder die Natur.“ Albert Speer Das interessante ist nicht aber das faschistoide Element. So ein Vorwurf ist banal. Das interessante ist die letzte Zeile des Films. „Erleben Sie Sport wie nie zuvor. Mercedes: Jetzt mit SBC, ABC und ESP.“ ABS und andere Buchstabenkürzel werden erst gar nicht mehr erwähnt. Was soll der Buchstabensalat nach so einem Spot? So ein Auto kostet sehr viel Geld. Je teurer der Preis umso aufwändiger die rationale Begründigung für das Nachgeben. Diese Zeile ist der krönende Abschluß für jeden manipulativen Kreislauf. Tafel: „Lässt der Widerstand des Subjektes nach, wird es Zeit, ihm einen gesichtswahrenden Grund oder eine Entschuldigung für seine Gefügigkeit zu liefern.“ KUBARK, Counterintelligence Interrogation Document Tafel: „Kunden brauchen immer eine rationale Entschuldigung für ihre emotionale Entscheidung. Deswegen: Stets eine liefern.“ David Ogilvy Was die Sexbotschaft für den Selbstmord des kleinen Krustentieres, ist das Preis- oder Qualitätsargument für Autokäufer und Mieter. Auch Autos kauft man mit dem Bauch. Aber der Kopf muß eine Erklärung 2023-07-24, © Ralf Grauel 22 liefern. Je höher der Geldwert, umso wichtiger ist die gleichzeitige Lieferung des Argumentes. Bild: Sixt, Schröder Bild: Sixt Müllwagen Also wichtig. Zielgruppe kommunikativ von der Herde trennen, dann emotionale Botschaft an den richtigen Empfänger senden. Anschließend eine Ausrede für den rationalen Teil hinterherschieben. Nicht lange nachdenken. Es reicht ein simples: WEIL. Das Xerox-Experiment von Ellen Langer (1978): Schlange am Bürokopierer, eine Frau versucht, sich vorzudrängeln. Sie stellt folgende Frage: Tafel: „Entschuldigung, ich habe fünf Seiten. Kann ich den Kopierer benutzen, weil ich es eilig habe?“ (93 Prozent) Das Frage-mit-Grund-Ergebnis war überwältigend. 93 Prozent ließen sie vor. Dagegen: Tafel: „Entschuldigung, ich habe fünf Seiten. Kann ich den Kopierer benutzen (60 Prozent) Tafel: „Entschuldigung, ich habe fünf Seiten. Kann ich den Kopierer benutzen, weil ich Kopien machen möchte?“ (93 Prozent) Wir kommen zum Schluß. Etwas haben wir aber die ganze Zeit vergessen. Die Schlange. Wieso empfiehlt sie den Apfel? Was hat die Schlange davon? Bild: Adam und Eva Bild: Adam und Eva, Ausschnitt Schlange 2023-07-24, © Ralf Grauel 23 Gar nichts. Sie ist der eigentlich Verlierer bei dem Spiel. Der Manipulator ist jemand ganz anderes. Nämlich der Erzähler der Geschichte. Bild: Buto 1 Wir sehen rechts außen Buto, die Kobragottheit des alten Ägyptens. Auch genannt Uadjet. Verantwortlich für: Gerechtigkeit, Zeit, Himmel und Hölle. Alle Gottesherrscher im alten Ägypten trugen das Symbol der Schlange in ihrer Krone zum Beweis ihrer Regentenschaft. Die Göttin des sumerischen Baum des Lebens wird begleitet von zwei Schlangen. Uadjet ist die Königin aller Götter. Auch Herrscherin des Himmels genannt. Uadjet ist die Schöpferin der Welt. Und ihr Zeichen ist die Schlange. In allen eurasischen Frühkulturen. Bild: Buto 3 Dann kamen die Hebräer und mit ihnen eine andere, hierarchische Form sozialer Organisation. Ihre Schrift die Textsammlungen des Alten Testamentes gab es schon. Und daran wurde ständig gearbeitet, wie bei uns auch. Die Schöpfungsgeschichte und die Vertreibung aus Paradies ist eines der jüngsten Teile, wurde erst 700 vor Christus hinzugefügt. Vereinfacht gesagt: Die Schöpfungsgeschichte setzt die Schlange als Vermittler einer Urschuld (es war ja auch Eva, die geplückt hat) in die Geschichte. 2023-07-24, © Ralf Grauel 24 Die Göttin ist böse. Der neue Gott der Hebräer ist mächtiger. Die Sache mit Adam und Eva und der Schlange ist eine der größten Umkehrungen mythologischer Zeichensprache. Der größte Turnaround der Geschichte. Plötzlich kommt das Böse durch die Schlange in die Welt. Vorher wohnte und bewachte sie den heiligen Baum des Lebens und der Erkenntnis (der alten Religion). Nun entspringt hier die Trennung, das Leid des Menschen beginnt. Hier beginnt sein Trauma. Seine Beeinflußbarkeit. Vertreibung schafft Schuld. Schuld schafft Abhängigkeit. Abhängigkeit ist die Grundhaltung der westlichen Kultur. Man könnte noch wie Yoda weitermachen, Angst schafft Hass, Hass schafft unendlich viel Leid. Wie schützt man sich gegen Manipulation? Erste Frage: Tafel: Wer spricht? Zu welchem Zwecke? Aus welcher Ecke? Tafel: Vielen Dank! Tafel. Ralf Grauel, Konto 40 29 677 00 2023-07-24, © Ralf Grauel 25 Quellen: Alpha-Konsumenten, Tupperware, MCI Calling Card, das Xerox Experiment, Milgram Experiment (generell die beste Einführung zum Thema): Robert B. Cialdini: Influence – Science and Practice; Allyn and Bacon; Needham Heights/USA, 2001 (gibts aber auch auf deutsch) Ganz allgemeiner Kram, bequem zu lesen, leicht erbaulich: Robert Greene: Power – Die 48 Gesetze der Macht; dtv; München, 2001 Robert Greene: Die 24 Gesetze der Verführung; Hanser Verlag; München, 2002 CIA Handbuch KUBARK: Zum downloaden und bestellen unter www.parascope.com Umerziehungsprogramme beim Militär: www.wdr.com/tv/recht/sendung/beitrag/rs2000013002.html Dave Grossman: On Killing – The Pychological Cost Of Learning To Kill In War And Society; Back Bay Books; Boston/USA, 1995 Dave Grossman: Stop Teaching Our Kids to Kill; Random House, New York/USA, 1999 Über PTSD: Allen R. Kates: CopShock – Surviving Postraumatic Stress Disorder; Holbrook Street Press; USA, 1999 2023-07-24, © Ralf Grauel 26 Alexis Artwohl and Loren W. Christensen: Deadly Force Encounters – What Cops Need to Know to Mentally and Physically Prepare for and Survive a Gunfight; Paladin Press; Boulder/USA, 1997 Schweizer Prof für Militärpsycho und Militärpädagogik: http://www.mfs.ethz.ch/annen.html Über Parasiten: Carl Zimmer: Parasite Rex – Inside The Bizarre World Of Nature‘s Most Dangerous Creatures; Touchstone, New York/USA, 2000 Werbung als Manipulations- und Informationsinstrument Hausarbeit HWP 2001, http://www.wissen24.de/rd/vorschau/723.html Die Schlange, das Paradies und die Umkehrung eines Schöpfungsmythos: Riane Eisler: The Chalice & the Blade – Our History Our Future; HarperSan Francisco, USA, 1988 Riane Eisler, Sacred Pleasure – Sex, Myth, And The Politics Of The Body: New Paths To Power And Love; HarperSan Francisco; USA, 1995 Der Rest beruht auf eigenen Recherchen für vorangegangene Geschichten. Viele diese Texte über Werbung und wie sie funktioniert, finden sich auf www.brandeins.de Einfach meinen Namen im Suchfenster eingeben. Über Fragen, Anregungen und Kritik bin ich stets dankbar: ralf_grauel@brandeins.de 2023-07-24, © Ralf Grauel 27