============== Page 1/1 ============== D O CD ED )®8 H1111 o c ED CO IN) Ul AZ, CO CD 00 CID AK VOILL 0 00 CAROLA SCHEWE. Krank durch Computer upalpcumumospini ••Q DIJDril Millionen von Menschen arbeiten heute r)ildschirmgeräten, vor allem Frauen. Und immer mehr klagen über Sehstörungen und Haltungsschäden, über Schlaflosigkeit, Herzbeschwerden und andere Krankheitssymptome. Berichte über Fehlgeburten und Mißbildungen an Neugeborenen beunruhigten schon vor Jahren die Öffentlichkeit. Doch Bundesregierung, Wissenschaft und Schulmedizin verharmlosen das Problem. Bei einer ergonomisch sinnvollen Gestaltung des Arbeitsplatzes— so der offizielle Tenor —sind keine Gesundheitsschäden zu erwarten. Arbeitsüberlastung und Bildschirmstrahlung als mögliche Krankheitsursachen werden dabei geflissentlich übersehen. Niederfrequente Strahlung durch Bildschirme gilt hierzulande offiziell als ungefährlich. Neue Forschungsergebnisse aus anderen Ländern, die • dieser Einschätzung widersprechen, werden nur widerstrebend oder gar nicht zur Kenntnis genommen. Effektive Arbeitsschutzbestimmungen gibt es bisher kaum—ganz anders als etwa in Schweden. Schon seit Jahren müssen die öffentlichen Arbeitgeber dort bei Neuanschaffungen darauf achten, daß die Geräte strahlungsarm und gegen elektrostatische Entladungen abgeschirmt sind. Viele Betroffene fühlen sich mit ihren Beschwerden allein gelassen. «Ich weiß ja nicht, ob der Bildschirm die Ursache ist»—eine Aussage, die Carola Schewe bei Gesprächen mit Menschen, die am Bildschirm krank wurden, immer wieder hörte. Dieser Verunsicherung und den offiziellen Beschwichtigungen von Ärzten und Behörden setzt die Autorin die sachliche Aufklärung entgegen. Sie lichtet das Durcheinander widersprüchlicher Informationen, beschreibt den aktuellen Kenntnisstand und gibt praktische Ratschläge, wie Betroffene sich schützen können. Krank durch Computer ... und wie man sich dagegen schützen kann CAROLASCHEWE, geb. 1955, ist Journalistin und lebt in Aachen. Als Setzerin und Bildschirmtext-Redakteurin hat sie mehrere Jahre an Bildschirmgeräten gearbeitet. Bücher zum Thema bei rororo aktuell: Alix Arnold/Rolf Satzer: Kaputt und auch noch selber schuld. Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (5908) Bernd Passens I Ingrid Schöll: Textverarbeitung. Praxiswissen für Arbeitnehmer am Computer (5641) Elisabeth Vogelheim (Hg.): Frauen am Computer. Was die neuen Technologien den Frauen bringen (5529) ro ro ro Rowohlt Ingke Brodersen • Freimut Duve r. Einleitung 7 «Der Bildschirm hat mich krank gemacht.»—Betroffene erzählen Maria D.: «Schlafstörungen waren nur der Anfang.» 1 5 Jutta K.: «Ich bin ein reines Nervenbündel.» 2 2 Sabine S.: «Ich werde nicht schwanger.» 2 4 Theodor B.: «Die Pumpe hämmert.» 2 9 Carla A.: «Ich bekam Allergien gegen alles und jedes.» 3 4 Ingeborg May-Steinhausen: «Ich habe gekündigt.» 3 7 Die Informatiogsltelle für Bildschirmgeschädigte 4 2 Die Bildschirmkrankheit—Ergebnisse einer Umfrage ' 45 Was die Experten sagen—Wissenschaft und Arbeitsschutz Auch die Brille hilft nicht—Augenschmerzen 5 1 Verkrampfte Muskeln und Haltungsschäden 5 9 Veraltet und unverbindlich—die «Sicherheitsregeln» 6 3 Originalausgabe Redaktion Thomas Becker Veröffentlicht im Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg, Februar 1989 Copyright © 1989 by Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg Alle Rechte vorbehalten Umschlaggestaltung Jürgen Kaffer/Peter Wippermann (Foto: Friedrun Reinhold) Satz Times (Linotron 202) Gesamtherstellung Clausen & Bosse, Leck Printed in Germany 880-ISBN 3 499 12518 8 Was ist Bildschirmstress? 7 0 Der Bildschirm—Wie er funktioniert und welche Strahlungen dabei entstehen 7 3 Es funkt —Elektrostatische Entladungen verletzen die Haut 7 6 Treten wirklich keine Röntgenstrahlen aus? 8 4 Niederfrequente Strahlung—Viele Krankheiten, eine Ursache? 9 1 Niederfrequente Strahlung und Schwangerschaftsschäden 1 0 2 Bildschirmstrahlung muß nicht sein 11 4 Vorbeugung tut not 11 8 Welche Rechte haben Sie? Besteht ein Anspruch auf Entschädigung? .z,3 Einleitunr Mitbestimmung—Mischen Sie sich ein! 127 Nützliche Adressen 131 Anmerkungen 135 «Ich war jetzt sicher, daß meine Krankheiten von der Arbeit am Bildschirm herrührten. Und ich wußte, ich habe noch zwanzig Berufsjahre vor mir.» Dies sagt eine Maschinenzeichnerin, die am CAD-Schirm arbeitete. Sie kündigte, weil sie ihre Gesundheit nicht ruinieren lassen wollte. Einfach kündigen? Die allermeisten Bildschirmbeschäftigten haben diese Möglichkeit nicht, sie sind angewiesen auf ihren Arbeitsplatz. Doch es ist nicht nur die Angst vor der Arbeitslosigkeit, die sie vor dieser Konsequenz zurückschrecken läßt. Es ist auch die Unsicherheit den eigenen Beschwerden gegenüber. Nervosität, Schlafstörungen, Ekzeme .7 wieviel hundert Ursachen mag es dafür geben? Eine Frau, die partout nicht schwanger wird, fühlt sich eher selbst schuldig, als daß sie ihrem Arbeitsplatz die Schuld zuweist. Die meisten Bildschirmbeschäftigten waren wahrscheinlich schon beim Arzt wegen Beschwerden, die mit ihrer Arbeit in Verbindung stehen. Einige meiner Interviewpartnerinnen berichteten, der Krankenstand in den EDV-Abteilungen ihrer Firmen liege gewöhnlich bei 30 Prozent. Aber alle fühlen sich mit ihrer Krankheit allein gelassen. Und so gehen sie wieder zurück an den krank machenden Arbeitsplatz; verunsichert durch die ärztliche Unfähigkeit, über die Grenzen der Schulmedizin hinauszudenken; verunsichert durch angeblich neutrale Forschungsergebnisse; verunsichert durch die Beschwichtigungen der Behörden. Niemand glaubt den Betroffenen. So glauben sie sich selbst nicht mehr. Um die Ursachen des Unglaubens geht es in diesem Buch auch: um die Verquickung von «objektiver» Wissenschaft mit den Interessen der Industrie und deren Lobbyisten in den Parlamenten und den Institutionen des Arbeitsschutzes. Ob ein Wissenschaftler Betroffene ernst nimmt oder nicht, das ist auch eine Frage der politischen Haltung. I n der Bundesrepublik haben sich bisher nur sehr wenige industriekritische Wissenschaftler/innen mit den Gesundheitsgefahren durch Bildschirmarbeit auseinandergesetzt. Ihre Ergebnisse werden meist nicht in Regierungsstatements verkündet; sie 7 nsuss,.., 'HAL, oistaiungen unernaupt zu finanzieren. Lierade sie kommen in diesem Buch zu Wort. In Nordamerika, Japan und Schweden werden Computer wesentlich intensiver genutzt als hierzulande; so ist auch die Arbeitsschutzforschung in diesen Ländern weiter fortgeschritten als bei uns. Ihre Erkenntnisse sind in der Bundesrepublik bisher zum Teil gar nicht oder nur verstümmelt referiert worden, weil sie der Skepsis gegenüber dem Bildschirm Nahrung geben. Die meisten Forschungsberichte, die die Erzählungen von Betroffenen mit «harten» Fakten untermauern, kommen aus Schweden. Hier gibt es nicht nur — im Verhältnis zur Einwohnerzahl — mehr Bildschirmgeräte als irgendwo sonst auf der Welt, in Schweden werden auch Arbeitsschutz und soziale Fürsorge ernster genommen als in vielen anderen Ländern. Im Frühjahr 1986 fand in Stockholm der erste internationale wissenschaftliche Kongreß über mögliche Gesundheitsschäden durch die Arbeit an Datensichtgeräten statt. Eine Forschergruppe des Stockholmer Karolinska-Instituts trat hier mit den Ergebnissen ihrer «Mäuse-Studie» an die Öffentlichkeit. Mäuse, die ähnlichen Strahlen ausgesetzt waren, wie sie aus Bildschirmen austreten, wurden seltener trächtig als unbestrahlte, hatten mehr Frühgeburten und brachten häufiger mißgebildete Föten zur Welt. Die schwedischen Behörden nahmen diese Erkenntnisse sehr ernst. Bei der Neuanschaffung von Bildschirmgeräten achten sie seitdem darauf, daß die Strahlenemissionen möglichst niedrig liegen. Schwangere Bildschirmarbeiterinnen im schwedischen Staatsdienst können sich auf einen anderen Arbeitsplatz umsetzen lassen. Eigentlich sollten solche Alarmmeldungen Anlaß auch für bundesdeutsche Institutionen sein, Vorbeugung zu betreiben. A b e r Fehlanzeige. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz ließ es bis heute bei einer gewundenen «Empfehlung» bewenden, die an Vieldeutigkeit nichts zu wünschen übrigläßt: Da wird zuerst behauptet, es gebe keine Anzeichen dafür, daß Bildschirmarbeit wirklich schädlich sei. Und dann überläßt man dem Betriebsarzt das letzte Wort. Im Einzelfall könne er eine Versetzung befürworten ... Ein anderes Beispiel: im schwedischen Fernsehen führen Schreibkräfte ihre Hautschäden vor, die sie sich bei der Bildschirmarbeit zugezogen haben. Namhafte Forscher machen die elektrostatischen Aufladungen der Bildschirme für Pusteln und Rötungen verantwortlich. Auch hier reagierten die schwedischen Behörden und beschlos8 statischen F r a r erzeugen. Ein maßgeblicher deutscher Professor dagegen, Mfte,..ed in dem zuständigen berufsgenossenschaftlichen Fachausschuß, ließ sich von den (unerwünschten?) Forschungsresultaten nicht beirren. Er behauptete weiterhin, selbst hohe Feldstärken begründeten keinerlei Gesundheitsgefahren für Bildschirmbeschäftigte: «Es gibt keinerlei Anhaltspunkte für das Auftreten von Hautschädigungen, welche die Verwendung von Filtern als mögliche Prophylaxe begründen könnten.»1 Es gibt sie, er will sie nur nicht wahrhaben. Die Mauer der Ignoranten ist massiv. Ich finde es jedoch erstaunlich, daß ihre Töne immer giftiger und unsachlicher werden. Als ein Bremer Forschungsteam im April 1987 seine Strahlenmessungen an Bildschirmgeräten veröffentlichte, konnte die «Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin» nicht an sich halten: «... ist es völlig unverständlich, daß immer wieder, vor allem von Nichtmedizinern, Behauptungen über angebliche Gefahren durch Bildschirmarbeitsplätze in die Welt gesetztwerden, welche allen bekannten, wissenschaftlich gesicherten Tatechen widersprechen). Was heute «wissenschaftlich gesichert» ist, darüber kann man durchaus geteilter Meinung sein. Und daß die Wahrheit nur aus dem Munde deutscher Mediziner spricht, das war mir bisher nicht bekannt. Mit spitzer Feder ziehen die Herren gegen alle Kritiker der Bildschirmtechnik ins Feld. Und sie nehmen es sehr persönlich, wenn «elektrische und magnetische Felder angeschuldigt» werden. Als seien diese Felder schützenswerte Lieblingskinder. Das sind sie wohl auch. Seit Beginn der Computerisierung der Arbeitswelt hat es immer wieder Diskussionen um gesundheitsschädliche Auswirkungen gegeben. Die industriefreundliche Wissenschaftlerlobby hat sich bisher zugute halten können, die meisten dieser Diskussionen erfolgreich abgeschmettert zu haben. Doch Computertechnik ist nicht so sauber und ungefährlich, wie uns ihre Verfechter glauben machen wollen. Vorbeugung ist dringend nötig, und zwar nicht nur für Schwangere. Rücken- und Augenprobleme, Herz- und Kreislaufbeschwerden... Die Liste der möglichen Erkrankungen ist lang. Vor allem Frauen sind davon bedroht, denn sie stellen das Gros der Bildschirmbeschäftigten. A u f vier weibliche kommt ein männlicher Datenerfasser. . Eine amerikanische Gewerkschafterinnengruppe stellte bei einer 9 Befragung fest, daß es jeder zweiten B i r ;hirmarbeiterin schlechter ging als vor ihrer Zeit am Computer.3 Eine englische Studie an dreitausend Bildschirmbeschäftigten ergab, daß deren Gesundheit sich in fast jeder Hinsicht seit Beginn der Bildschirmarbeit verschlechtert hatte.' Die vielfältigen Krankheiten bescheren den Betroffenen nicht nur einen schwierigeren und schmerzhafteren Alltag. Sie verursachen auch gesellschaftliche Kosten, zum Beispiel durch die Krankenhausaufenthalte. Langzeitschäden zeigen sich erst nach Jahren der Bildschirmarbeit. Was heute noch als harmlose Belästigung gewertet wird, kann sich in Zukunft zu einer Epidemie mausern: Millionen von Kurzsichtigen, Hunderttausende von Rückengeschädigten, Zehntausende angeblich psychischer Erkrankungen, Tausende Fälle ungewollter Kinderlosigkeit. Niemand weiß genau, wie viele Bildschirmgeräte in bundesdeutschen Firmen und Haushalten stehen. Nach Schätzungen der Firma Siemens waren es 1986 im Bürobereich bereits über eine Million. Gisela Ott-Gerlach und Gabriele Albrecht gehen davon aus, daß im selben Jahr 1,25 Millionen Erwerbstätige den größten Teil ihres Arbeitstages mit Computerarbeit verbrachten.3 Einer Industriestudie zufolge werden in jedem Jahr zwanzig- bis dreißigtausend EDV-Systeme allein in bundesdeutschen Handwerksbetrieben installiert.6 Es gibt heute kaum noch ein Büro, in dem nicht zumindest über die Einführung von Personal Computern geredet wird. Es gibt kaum noch technische Zeichnerinnen, die im Laufe ihres Berufslebens nicht auf CAD werden umlernen müssen. Immer mehr Kinder kommen in der Schule mit einem Heimcomputer in Berührung. Die Hobby-Computerfans mehren sich, die ihre Lohnsteuererklärung nicht mehr von Hand machen können. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung bekommt das Problem der gesundheitlichen Schäden durch Bildschirmgeräte eine gewaltige Dimension. Aber wer will schon eine Zukunftstechnologie in Frage stellen? Die Wirtschaft erhofft sich eine konjunkturelle Belebung von den neuen Techniken. Regionalpolitiker schlagen sich um die Ansiedlung von High-Tech-Firmen. Gewerkschafter sehen den Niedergang der alten Schwerindustrien und setzen auf die neue, angeblich so saubere Technik. Was tut man dagegen? Computer im ganzen in Grund und Boden verdammen und sich für ihre Abschaffung stark machen? Sind Leute, die etwas gegen Gesundheitsschäden durch Monitore haben, 10 moderne M a r nenstürmer? Meistens nicht; die Frage hat mit dem Problem gar nichts zu tun. Die heutigen Bildschirmgeräte abzulehnen heißt nicht, die Computertechnik als ganze abzulehnen. Denn es gibt schon viele Möglichkeiten der Vorbeugung. Welche, das schildere ich in diesem Buch. Wann sicherere Geräte auf den Markt gelangen, das ist weniger ein technisches als ein finanzielles Problem. Also ein politisches. Vorläufig fehlt es hierzulande noch an dem nötigen öffentlichen Druck. Ohne den werden die Firmen ihre Entwicklungspolitik nicht ändern. Wie stellt sich solch ein Druck her? Zunächst einmal durch Information, durch Aufklärung der Öffentlichkeit. Dazu trägt dieses Buch bei. Ich dokumentiere zunächst die Berichte von sechs Betroffenen—fünf Frauen und einem Mann. Dann fasse ich den internationalen Erkenntnisstand zum Thema zusammen. Es kommt mir dabei nicht auf Vollständigkeit an. Es geht mir vor allem darum, kaum bekannte Ergebnisse zu verbreiten; Ergebnisse, die hierzulande gern verschwiegen werden, weil sie den offiziellen Beruhigungsfloskeln widersprechen. Ich möchte den Betroffenen Wissen vermitteln, das sie stärker macht—stärker in Diskussionen mit ihren Ärzten, in Verhandlungen mit ihren Chefs, in Begegnungen mit medizinischen Gutachtern. Die «Tips» hinter jedem Kapitel geben Hinweise darauf, wie man sich schon hier und heute schützen kann. Zum Schluß geht es darum, welche rechtlichen Möglichkeiten Bildschirmbeschäftigte haben, um ihre Situation zu verbessern. Ich wünsche mir, daß meine Leserinnen und Leser zweierlei mit diesem Buch anfangen: mit anderen darüber reden und ihre Beschwerden nicht mehr so einfach hinnehmen. Weniger Euphorie den neuen Techniken gegenüber, weniger unkritische Faszination — das wäre schon ein Erfolg. aa j)el d 2 a u l t 1 heü uuth henk gemsührftom 1-23eiedfferne1271ff hüen LY l U I 1.4.4 L l . . ‘ S O l d l l a l a U 1 1 6 C 1 1 (waren nur der Anfang.» Ich bin jetzt 47 Jahre alt. Seit 1970 bin ich im öffentlichen Dienst in einer EDV-Abteilung beschäftigt. Nach einer Scheidung mußte ich damals schnell Geld verdienen. Außerdem interessierte ich mich für die neue Technik, und so war ich anfangs froh, diesen Arbeitsplatz gefunden zu haben. Zunächst arbeitete ich mit dem Streifenlocher. Das war anstrengend, aber bei weitem nicht so erschöpfend wie die Bildschirmarbeit, die später folgte. Als ich Lochstreifen fabrizierte, hatte ich nachmittags noch genug Energie, um etwas zu unternehmen. Ich war zum Beispiel in einem Judoverein und habe Ballett getanzt. Damals war. ich völlig gesund. Die gesundhnlichen Beschwerden begannen erst zwei Jahre später, als wir die ersten Bildschirme bekamen. Es waren noch diese kleinen Monitore, etwa acht mal zwölf Zentimeter groß. Qualifikationen, die vorher gefragt waren, wurden überflüssig. Daß ich den Lochstreifen lesen konnte, das war jetzt nicht mehr von Bedeutung. Es ging nur noch um Schnelligkeit. Die Arbeit bestand ausschließlich darin, Zahlen in das Gerät hineinzutippen: vier Zahlen, zwei Leertasten, vier Zahlen, zwei Leertasten. Und das acht Stunden am Tag! Schon bald, wenige Wochen nach der Umrüstung, konnte ich nachts nur noch schlecht schlafen. Wenn ich von der Arbeit nach Hause kam, hatte ich genug zu tun: einkaufen, Schulaufgaben mit dem Kind machen und so weiter. Ich war also erst einmal abgelenkt. Aber sobald ich im Bett lag und die Augen schließen wollte, kamen die Zahlen wieder, und es ging mir ständig durch den Kopf: vier Zahlen, zwei Leertasten. Damals waren die Tastaturen noch anders, man mußte sich sehr auf das konzentrieren, was man schrieb. Aber Mitdenken war nicht gefragt. Was ich tagsüber an Daten erfaßte, versuchte ich nachts zu verarbeiten. Wenn ich morgens aufstand, hatte ich das Gefühl, als hätte ich überhaupt nicht geschlafen. Ich dachte, daß sich das mit der Zeit legen würde. Dem war nicht 15 • • 4 1 4 . 4 . L 4 zittern. lcn war kaum noch in der Lagc, Messer und Gabel zu halten. Damit meine Kolleginnen nichts mei{ n , ging ich nicht mehr in die Kantine essen. Auch meine Knie zitterten. Wenn ich aufstehen wollte, fürchtete ich umzufallen. Mir wurde schwindelig. Ich hatte das Gefühl, wie betrunken zu torkeln. Viel später stellte sich heraus, daß es anderen Kolleginnen ähnlich ging. Aber in der ersten Zeit redeten wir überhaupt nicht über unsere Beschwerden. Wir hatten einfach Angst. Ich gab meinen Sport auf, weil ich keine richtige Körperbeherrschung mehr hatte. Außerdem hatte ich keine Zeit. Wenn ich nachmittags nach Hause kam, mochte ich überhaupt nicht reden, wollte nur meine Ruhe haben. Bald ging ich regelmäßig nach der Arbeit ins Bett und überließ das Kind sich selbst. Danach mußte natürlich der ganze Haushalt im Eiltempo erledigt werden. So ging das monatelang. Es war nicht einfach, dem Kind das alles zu erklären—daß die Mutter daliegt und nicht in der Lage ist zu sprechen. Ich war auf meinen Arbeitsplatz angewiesen, und ich hatte Angst, mich zu beschweren. Dann stehst du plötzlich auf der Straße, dachte ich. Immer hatte ich die Hoffnung, daß ich mich irgendwann an die Arbeit gewöhnen würde. Und natürlich hoffte ich auf ärztliche Hilfe. Nach einem halben Jahr Bildschirmarbeit ging ich zum Arzt, weil ich zwanzig Pfund abgenommen hatte. Die Hausärztin verschrieb mir Beruhigungstabletten, überwies mich dann aber an einen Nervenarzt. Mit dem redete ich über meine privaten Probleme, über meine Schwierigkeiten als alleinerziehende Mutter. Für meine Arbeitsbedingungen interessierte er sich nicht. Er verschrieb mir Valium, erst Valium 5, dann Valium 10. Geholfen hat das nicht. Auch mit Valium hatte ich nie das Gefühl, richtig geschlafen zu haben; ich blieb immer halb wach. Später verschrieb er mir dann eine Kur. Schon am ersten Abend kam ich ohne Tabletten aus. Während dieser Kur wurde mir klar, daß ich keine Beruhigungsglocke über mir brauchte, sondern das Gegenteil: geistige Anstrengung. Ich beschloß, mich mit den Hintergründen und Zusammenhängen meiner Arbeit zu beschäftigen. Ich dachte mir zum Beispiel technische Möglichkeiten aus, wie meine Arbeit überflüssig werden könnte. Statt mich mit Valium vollzupumpen, holte ich nun das Denken, das mir tagsüber verboten war, abends in intensiver Form nach. Inzwischen war die Verwaltung in ein neues Gebäude gezogen. 16 künstliche( 'Licht und Leistungskontrolle. D e r Abteilungsleiter hockte in einem Glaskasten und beobachtete alles. Sobald wir mal zur Seite blickten, wurden wir über Lautsprecher ermahnt. Jeder Fehler, jeder Anschlag wurde festgehalten. Die Bruttozeit aus der Stempeluhr wurde eingegeben und gegen die reine Schreibzeit aufgerechnet. Wenn man zuwenig Anschläge brachte, gab es gleich einen Anpfiff. Als Draufgabe bekamen wir in jeder Stunde eine Viertelstunde Musik eingespielt, ausgesucht nach psychologischen Kriterien. In den müden Stunden des Nachmittags war sie munterer als morgens. Ob wir das überhaupt hören wollten, fragte niemand. Das Betriebsklima wurde immer schlechter. Wi r konnten uns nicht mehr Kolleginnen nennen; wir hatten schlicht keine Zeit mehr, miteinander zu reden. Der Chef schämte sich nicht einmal, uns nahezulegen, den Mantel doch im Dauerlauf abzulegen. In der Mittagspause saßen die Kolleginnen meist mit geschlossenen Augen im Pausenraum. Niemand sprach. Wir waren viel zu erschöpft. Wenn sich doch einmaLein Gespräch ergab, ging es um belanglose Dinge. Es muß wohl iiich in anderen Abteilungen große Mißstände gegeben haben. Jedenfalls wurde nach dem Umzug zum erstenmal ein Personalrat gewählt, der der ÖTV angehörte. Der alte hatte lieber mit dem Chef ein Glas Sekt getrunken, als sich für die Angestellten zu engagieren. Kurz nach dieser Wahl passierte folgendes: Eine Kollegin wurde zum Chef gerufen und kam weinend zurück. Der Mann hatte ihr gesagt, sie hätte die schlechteste Anschlagsleistung; sie würde tausend Mark verdienen, aber nur für achthundert arbeiten. Wir wagten es, zu ihr hinüberzuschauen. Einige standen auf und gingen hin. Für den Abteilungsleiter war das Grund genug, den Direktor zu verständigen: Arbeitsverweigerung! Wilder Streik! Der Direktor fragte, was denn los sei. Und ich erklärte es ihm. Er behauptete, das hätte er nicht gewußt, alles solle sich ändern. Wir informierten den Personalrat, und sofort erwirkte er eine einstweilige Verfügung gegen die Leistungskontrolle. Ein Urteil bestätigte diese Entscheidung später; die Geschäftsleitung ging nicht in die Berufung. Bald danach wurde eine Pausenregelung eingeführt: fünfzig Minuten arbeiten, zehn Minuten Pause. Das Urteil und unsere Pausenregelung gingen durch die Presse. Damals, vor 1980, gab es ja noch keine Sicherheitsregeln der Berufsgenossenschaft. 17 nuigaoe, vierzig neue Kolleginnen anzulernen. Nur zwischendurch saß ich noch am Bildschirm. D r var kurz nach der Kur. Es kam also einiges zusammen: eine angehehmere Arbeit, intellektuelle Anstrengungen nach Feierabend, mehr Gespräche mit den Kolleginnen. Meine Beschwerden verminderten sich. Erschöpfung und Schwindelgefühle blieben allerdings bestehen. Durch die Pausenregelung hatten wir jetzt alle mehr Zeit, miteinander zu reden—auch über unsere Beschwerden. So erfuhr ich, daß von den elf Kolleginnen aus meinem Block acht in nervenärztlicher Behandlung waren. Meiner Meinung nach hätten die anderen drei auch in Behandlung gehört — obwohl die ja nicht allzuviel brachte; denn der Streß blieb. Eine Frau war in dem gleichen Kurhaus gewesen wie ich. Und wir wußten nichts voneinander! Weil ich bei meiner neuen Tätigkeit von einer Kollegin zur anderen gehen mußte, konnte ich sie alle gut beobachten. Bei vielen zuckte der Nerv am Lid. Die meisten machten unkontrollierte Bewegungen mit den Fingern. Ich hatte oft den Eindruck, daß mir Ameisen übers Gesicht krabbelten. Darüber klagten auch andere. Einige Frauen erzählten, daß ihnen schwindlig würde, daß sie Angst hätten umzufallen. Eine hatte Gleichgewichtsstörungen, andere zu niedrigen Blutdruck. Die Kolleginnen kamen öfter zu mir, weil sie wußten, daß ich mich mit unseren Arbeitsbedingungen beschäftigte. Aber sie selbst wollten nichts unternehmen. Sie sagten: «Was nützt das ganze Reden? Für uns tut doch keiner etwas. Wir sind ja doch nur Menschen zweiter Klasse.» Ich konnte mich damit nicht zufriedengeben. Ich begann, alles mögliche zu lesen über Belastungsforschung, über physiologische Zusammenhänge, Gehirnfunktionen. Kurze Zeit nach dem Umzug war ich in die ÖTV eingetreten, hauptsächlich um des Rechtsschutzes willen. Ich wußte, ich habe einen großen Mund; vielleicht würde ich einmal Schutz brauchen. Nach unserem «wilden Streik» besuchte ich einige Fortbildungsseminare der ÖTV und Arbeitsschutzkongresse. Damals, 1979, 1980, ging es vor allem um Ergonomie, um die Höhe der Schreibtische, die Lichtverhältnisse und so weiter. Ich sah auch ein, daß das wichtige Dinge sind. Wenn der Schreibtisch zu niedrig ist und man in gekrümmter Haltung davor sitzen muß, schädigt das auf die Dauer die Gesundheit. Ganz klar. Wenn die Augen nicht mitspielen, verkrampft man sich—logisch. Aber das ist ja nicht alles. 18 rüstet. Maniragte uns, welche Farben wir haben wollten. Die Geschäftsleituh, .schickte uns zum Augenarzt. Aber unsere Beschwerden verringerten sich nicht. Es sind eben keine Schaufensterpuppen, die vor den Geräten sitzen. Es sind Menschen, die nicht nur funktionieren, sondern menschliche Arbeitsbedingungen brauchen. Trotz ergonomisch sinnvoller Einrichtung waren wir immer noch schnell müde, viel erschöpfter als bei anderen Arbeiten. Obwohl unser Abteilungsleiter inzwischen abgesetzt war, blieben also noch genügend Probleme. An der Arbeitsbelastung selbst hatte sich ja nicht viel geändert. Der neue Vorgesetzte kam einmal kurz vor Weihnachten zu mir und fragte mich, ob er den Frauen für die geleistete Arbeit danken sollte. Ich riet ab: «Die Arbeit wird hier nicht freiwillig erbracht. Wir sitzen in einem Ballon, der kurz vor dem Platzen ist. In so einer Situation bedankt man sich nicht.» Das sah er ein. Nach dem Verbot der Leistungskontrolle und der Einführung der Pausenregelung kümmerte sich auch der Personalrat nicht weiter um uns. Die Kollegen sitzen ja selber nicht an den Bildschirmgerätenna gibt es keine persönliche Betroffenheit. Das sind Männer, die haben andere Probleme an ihren Arbeitsplätzen. 1980 kam ich wieder ganztags an den Bildschirm-, aber mit einer etwas interessanteren Aufgabe. Ich bekam Originalbelege und mußte selber entscheiden, welche Daten für diesen Arbeitsvorgang gebraucht wurden. Gelegentlich konnte ich auch Daten verschlüsseln. Ich durfte mitdenken, ein bißchen entscheiden. Gesund war ich trotzdem nicht. Ich bekam von der sitzenden Tätigkeit eine Ischiagie, konnte zeitweise kaum noch laufen. Ursache war wahrscheinlich das Tippen in ein und derselben verkrampften Haltung. Ich bekam Cortisonspritzen und Bestrahlungen. Schließlich wurde die Wirbelsäule gestreckt — insgesamt zwölfmal. Bis 1985 hatte ich täglich Schmerzen. I n dieser Zeit wechselte mein Arbeitsplatz häufiger, denn man begann die ganze Verwaltung zu dezentralisieren. Eine Zeitlang mußte ich Berge von Akten schleppen. Da hob ich morgens Zentner an Papier, und nachmittags ging ich zum Orthopäden. Für eine Weile mußte ich auch wieder an meinen alten Arbeitsplatz zurück, zurück zu den vier Zahlen, zwei Leertasten. Nach einer Grippe schwollen mir Finger und Füße an; ich hatte starke Herzschmerzen, außerdem Krämpfe in Waden und Zehen. Ich mußte wieder zur Kur, und zwar aufgrund schlimmerer Diagnosen als frü19 Jui uer nunwink wurde die Diagnose bestätigt: funktionelle Herzstörungen, zu geringer Blutdruck. N a c r er Kur ging ich zu einer Psychotherapeutin, die nicht so versessen war auf Psychopharmaka. Sie sagte mir: «Sie brauchen einen anderen Arbeitsplatz.» Ich schrieb einen Brief an die Geschäftsführung, daß ich aus physischen und psychischen Gründen diese Arbeit nicht länger machen könne, und bat um eine Versetzung. Man schickte mich zum Vertrauensarzt. Ich erlaubte ihm, meine anderen Ärzte zu befragen, damit er sich ein vollständiges Bild machen konnte. Der Vertrauensarzt unterstützte mein Versetzungsbegehren, «um eine frühzeitige Erwerbsunfähigkeit zu verhindern». Ich bekam dann den Arbeitsplatz, den ich heute habe, in einer kleinen Abteilung mit sieben Kolleginnen. Aber auch da sitze ich am Bildschirm. Allerdings habe ich eine gewisse Entscheidungsfreiheit und muß bei der Arbeit nachdenken. Das macht schon viel aus. Schlafstörungen habe ich heute kaum noch. Das Schwindelgefühl hat sich gehalten, die Rückenschmerzen auch. Und die Herzbeschwerden haben sich verschlimmert. Heute spricht der Arzt nicht mehr von funktionellen Herzstörungen, sondern von einer bleibenden Schädigung der Herzkranzgefäße. Ganz seltsam verhält sich mein Blutdruck. Wenn mir mal schlecht wird, nehme ich mir die Freiheit, zum Sanitäter zu gehen und den Blutdruck messen zu lassen. Eigentlich müßte ich ja niedrigen Blutdruck haben. Während der Kur zum Beispiel lag mein Blutdruck immer bei 100 : 60. Nach einer halben Stunde Sport oder einer Fahrt durch den Stadtverkehr steigt er auf 120 : 70. Bei der Arbeit liegt er aber bei durchschnittlich 170 : 100. Also steigt der Blutdruck bei der Arbeit höher an als bei jeder anderen Belastung. Ich bekämpfe diese Blutdruckschwankungen, indem ich öfter mal aufstehe und mich bewege, Kaffee koche oder dergleichen. In meiner neuen Abteilung sagt der Chef nichts dazu. Die anderen machen mir das ganz vorsichtig nach. Morgens koche ich erst einmal Kaffee, und den trinke ich auch—bevor ich anfange. Wir machen eine ausgedehnte Frühstückspause, alle zusammen. Wir lassen alles ruhiger angehen. Deshalb geht es mir besser als früher. Aber gesund bin ich nicht. Mein Herz ist dauerhaft geschädigt. Mein Blutdruck verändert sich krankhaft. Meine Lendenwirbelsäule versteift sich, und auch die Halswirbelsäule ist geschädigt. 20 niedrigen Bpdruck, Kreislaufbeschwerden, chronische Nervenentzündungen.' r e i aus unserer Gruppe leiden unter dem, was die Ärzte pauschal «Angina pectoris» nennen. Eine ganz junge Frau sitzt am Schreibtisch und weint, weil sie Herzstörungen hat. Sie ist schon ein paarmal zusammengebrochen. Sie weint dann immer ein bißchen und arbeitet weiter. Doch ihr Arzt bescheinigte ihr, sie sei vollkommen gesund. Eine Kollegin ist jetzt zur Alkoholikerin geworden, weil sie so erschöpft und zermürbt war. Störungen der Periode kommen bei vielen vor, Zwischenblutungen zum Beispiel. Es gibt auch ungewollte Kinderlosigkeit. Die Frauen kommen morgens an und freuen sich: «Es hat geklappt.» Und dann war es doch nur falscher Alarm. Danach ist die Blutung sehr schmerzhaft. Ich behaupte inzwischen, daß drei oder vier Jahre Bildschirmarbeit die Pille ersetzen. Von unseren sieben Kolleginnen ist jetzt die jüngste Mutter geworden. Aber sie arbeitet auch noch nicht so lange am Schirm. Eine Halbtagskraft, die schon länger am Monitor sitzt, hatte eine Fehlgeburt. prei Kolleginnen bekommen keine Kinder, obwohl sie es wollen l i e ansonsten gesund sind. Die versuchen alles— Hormonbehandlungen, Operationen. Wenn ich mir meine kleine Abteilung so ansehe, geht es uns eigentlich ganz gut: gutes Klima untereinander, ein erträglicher Chef, eine nicht ganz geistlose Arbeit. Aber gesund sind wir alle nicht. 21 Jutta IC: «Ich bin ein reines 1tervenbündel.» Mit achtzehn Jahren fing ich als Datentypistin an. Ich saß zehn Jahre lang täglich acht Stunden am Schirm und tippte. In dieser Zeit wurde ich immer hektischer und reizbarer. Inzwischen, nach siebzehn Jahren am Schirm, bin ich ein richtig nervöses Handtuch geworden. Ganz schlimm wird es, wenn ich unter Arbeitsdruck stehe. Solange alles normal abläuft, hält sich die Nervosität in Grenzen. Aber wenn viel los ist, darf mir keiner querkommen, dann gehe ich hoch wie eine Rakete. Mich ärgert dann schon die Fliege an der Wand. Ich versuchte es mit Baldriantropfen, aber die halfen nicht. Als dann ein Druckgefühl am Hals hinzukam, ging ich zu einem Internisten. E r stellte Schilddrüsenüberfunktion fest. Die Ursache dafür fand er nicht; er äußerte sich gar nicht dazu. In meiner Familie gibt es sonst keine Schilddrüsenerkrankungen, und vor der Bildschirmarbeit hatte ich nie damit zu tun. Noch heute nehme ich Tabletten gegen die Überfunktion. Der Druck am Hals verschwand mit den Tabletten, aber die Nervosität blieb, und ich habe häufig Kopfschmerzen. Ich leide immer noch unter Herzrasen, manchmal zittern mir die Hände, besonders wenn alles auf einmal kommt. Dann flitze ich den ganzen Tag zwischen Schreibmaschine und Computer hin und her und beruhige mich erst wieder, wenn ich zu Hause sitze und mein Strickzeug in den Händen halte. Nachts wache ich öfter auf, bin hellwach, und es dauert lange, bis ich wieder einschlafen kann. Und das, obwohl ich inzwischen eine angenehmere Tätigkeit ausübe. Mit etwa 28 Jahren arbeitete ich mich hoch, machte eine Umschulung. Ich saß dann einige Jahre kaum noch am Gerät, leitete eine ganze Abteilung. Ich mußte die Bandstation kontrollieren, andere anlernen u n d die Daten sichern. Heute habe ich einen Raum für mich alleine. Etwa vier Stunden täglich tippe ich in den Bildschirm. Während der anderen Tageshälfte sitze ich an der Schreibmaschine. Die Zeiten 'wechseln und sind auch nicht streng getrennt. Ich arbeite heute an Altos-Personalcomputern; die stehen auf den gleichen Tischen, die wir in der Kantine haben — von genormter 22 Höhe keine 7-^de! Das ist wohl auch der Grund für meine Rückenschmerzen. Asse paar Monate springen zwei Wirbel heraus, und ich muß sie wieder einrenken lassen. Ich informierte den Betriebsrat über die unbequemen Möbel, aber der kümmerte sich nicht darum. Ich beschwerte mich beim Chef, und irgendwann bekam ich dann wenigstens einen vernünftigen Stuhl. Aber viel nützt der nicht. Ich bringe es einfach nicht fertig, den ganzen Tag aufrecht zu sitzen wie eine Kerze. Die Bildschirme sind zwar kippbar, aber trotzdem nicht in Blickhöhe. Vom Schreiner habe ich mir ein kleines Podest bauen lassen, das ich unter das Gerät schob. Das half etwas. Ich muß mich nicht mehr ganz so weit nach vorn beugen. Seit meiner ersten Zeit am Schirm habe ich ein Ekzem in der Handfläche. Wenn ich aufstehe und zum Drucker gehe, bekomme ich regelmäßig einen gewischt. Der Teppichboden soll angeblich antistatisch sein. Man hat mir auch eine antistatische Matte ins Büro gelegt, aber das hat nichts genützt. Filter gibt es bei uns nicht. Manchmal fühlen..sich meine Augen ganz trocken an. Ich will dann irgendwelche Staubkörner wegwischen, die aber gar nicht da sind. Seit etwa zehn Jahren muß ich bei der Arbeit eine Brille tragen, und in den letzten zwei Jahren hat sich meine Sehschärfe so verschlechtert, daß ich gar nicht mehr ohne Brille auskomme. Ich fahre kaum noch nachts mit dem Auto, weil ich einfach zuwenig sehe. Ich kann doch nicht dauernd das Fernlicht anstellen. Vor einem Jahr passierte etwas ganz Schlimmes, das sich niemand erklären konnte. Zuerst waren es nur Seitenstiche, und ich dachte mir nicht viel dabei. Doch nach ein paar Tagen war es kaum noch auszuhalten, zum Arzt ging ich schon völlig gekrümmt vor Bauchschmerzen. Er schickte mich sofort ins Krankenhaus, und ich kam gleich auf den Tisch. Es war fünf vor zwölf: Ich hatte ein großes Loch im Dickdarm. Vorher war alles in Ordnung gewesen. Ich war gesund, hatte keine Tendenz zu Magengeschwüren — nichts! Die Ärzte standen vor einem Rätsel. Wir entwickelten alle möglichen Theorien über die Ursache: zuviel Cola getrunken, Stress, Rauchen— aber wer sagt mir, daß es nicht an Bildschirmstrahlen gelegen hat? Wie soll ich die Ursache für meine Beschwerden herausfinden? Auch bei meinen Kolleginnen kommen Dinge vor, die wir uns nicht erklären können, Beschwerden, die vor der Bildschirmarbeit nicht da waren. Wir sprechen darüber, machen uns Gedanken—aber wir sind alle sehr unsicher. 23 Ich bin dreißig Jahre alt und von Beruf eigentlich Lehrerin. Seit drei Jahren arbeite ich jetzt als selbständige Fotosetzerin an verschiedenen Bildschirmgeräten. Wir haben eine CRTronic 150, einen PandaPersonalcomputer (das ist ein umbenanntes Gerät eines anderen Herstellers) und einen Personalcomputer von Zenit. Alle haben Kunststoffgehäuse. Die ersten beiden Geräte zeigen ein grün-grünes Schriftbild, das dritte ein schwarz-weißes. Wir haben Filter davor gesetzt: einen Glas- und zwei Nylonfilter gegen das Flimmern. Ein Gerät steht leider in der Nähe des Fensters, weil sonst kein Platz da ist. Ein anderes ist in einem Raum mit ausschließlich künstlichem Licht aufgestellt. Der Bodenbelag ist antistatisch. Im ersten Jahr saß ich etwa vier Stunden täglich am Schirm. Heute sind es durchschnittlich sechs Stunden, manchmal, wenn viel zu tun ist, allerdings auch zehn, vierzehn. Ich arbeite gewöhnlich tagsüber, doch es gab auch eine Phase, in der wir Nachtschichten einlegen mußten. Damals begannen meine Sehstörungen, eine A r t Nachtblindheit. Die tritt seitdem immer dann auf, wenn ich länger als sechs Stunden getippt habe. I n der Dämmerung sehe ich einen Schleier vor den Augen — wie durch eine schmutzige Brille. Ich meine dann, ich müßte Licht anknipsen, obwohl das auf der Straße ja nicht geht. Ich habe große Schwierigkeiten, etwas genau zu erkennen. Wenn ich nach der Arbeit spazierengehe, wische ich mir dauernd über die Augen; das ist natürlich sinnlos. Von Beginn der Bildschirmarbeit an waren die Augen meist gerötet. Nach einigen Monaten ging die Rötung auch am Wochenende nicht mehr weg. Die Augen taten richtig innen drin weh. Ich habe mir irgendwann in der Apotheke harmlose Augentropfen zum Beruhigen geholt. Schließlich bin ich zum Arzt gegangen. Er hat Überanstrengung diagnostiziert und mir eine schwache Brille verschrieben. Ich trage sie nur bei der Arbeit; sie hilft auch. Die Augen ermüden nicht so schnell. Aber nachts sehe ich mit und ohne Brille schlecht. Die Haut: ich hatte immer Probleme mit fettiger Haut. Seit ich am 24 stelle fest, d e die Haut sich leicht rötet, empfindlicher ist als früher. Ich muß sie(( ‘elmäßig eincremen. Wir alle haben häufig Rückenschmerzen. Seit wir uns Manuskripthalter angeschafft haben, ist es besser geworden. W i r werden uns jetzt noch mindestens einen Hockstuhl kaufen — so einen, wo das Becken nach vorn gekippt wird und das Gewicht auf den Knien ruht. Darauf sitzt es sich gerader. Das Setzen ist eine sehr nervige Arbeit. Ich war Stress ja gewöhnt —die Referendarjahre waren kein Zuckerschlecken. Aber die Bildschirmarbeit hat mich von Anfang an mehr geschlaucht. Ich habe kaum noch Lust, nebenbei intellektuell zu arbeiten oder auch nur zu lesen. Von den Augen und vom Kopf her ist mir das einfach zu anstrengend. Normalerweise komme ich abends nach Hause und werfe mich aufs Sofa. Wenn ich mich nicht sehr überwinde, bleibe ich für den Rest des Abends da sitzen. Früher habe ich viel mehr unternommen, aber heute ist mir alles zuviel. Es liegt wirklich an der Bildschirmarbeit und nicht daran, daß ich etwa zu lange ackere. Wenn ich einen Büroteg einlege, Buchführung mache, komme ich abends so frisch nach Hause, als hätte ich überhaupt nicht gearbeitet. Und wenn ich mal ein paar Tage krank zu Hause liege, habe ich gleich wieder Lust, Artikel zu schreiben—und ich kann's dann auch. Besonders deutlich spüre ich dieses Gelähmtsein an Tagen, wo ich nur Text heruntertippe, kaum kurze Pausen und keine Abwechslung habe. Das ist so geisttötend, daß man hinterher völlig abgestumpft ist. Wenn ich Akzidenz-Satz mache (Tabellen, Überschriften und dergleichen), geht es mir besser. Da bin ich abends auch sehr müde, aber nicht ganz so erschlagen. Akzidenz-Satz ist eine sehr abstrakte Arbeit: Ich sehe nicht, was ich produziere, ich habe nur die Steuerzeichen vor mir. Diese Arbeit ist selbständiger, ich,muß dabei auf verschiedenen Ebenen denken. Wenn aber zu den normalen Belastungen Termindruck kommt und der Kunde uns im Nacken sitzt, bin ich nicht mehr in der Lage, solch abstrakte Arbeiten am Bildschirm zu leisten. Ich mache dann dauernd Fehler. Wenn irgend möglich, erledige ich Akzidenz-Satz morgens. Bis zwölf Uhr, die ersten drei Stunden, arbeite ich relativ fehlerfrei. Seit Beginn der Bildschirmarbeit nehme ich nicht mehr zu, wenn ich Süßes esse. Und das, obwohl ich mich weniger bewege. Früher wäre ich bei der gleichen Kalorienmenge mit Sicherheit dicker ge25 worden. Die Arbeit nimmt mich mehr r t als alles, was ich bisher erlebt habe. Immer wieder habe ich Msenschleimhautreizungen. Natürlich kann ich nicht mit Sicherheit sagen: Daran ist der Bildschirm schuld. Es können genausogut auch die Reibereien unter den Kollegen sein, unsere Existenzsorgen als Selbständige oder irgendwelche Gifte in meiner Wohnung. Aber es ist doch auffällig, daß ich früher auf Streß nicht mit Magenbeschwerden reagiert habe. Früher hatte ich einmal im Jahr, meistens im Herbst, meine Grippe. Schnupfen hatte ich fast nie. Erst seit ich am Bildschirm arbeite, bekomme ich alle naselang Schnupfen. Ich habe seit etwa zwei Jahren eine chronische Kiefernhöhlengeschichte - keine regelrechte Vereiterung; nur ist die Kiefernhöhle dauernd verschleimt. Bei einem Abstrich sind keine Bakterien gefunden worden, die nicht dorthin gehören. Es gibt auch keinen Entzündungsherd. Durch die Verschleimung ist die ganze Umgebung der Kiefernhöhlen gereizt. Auf der einen Nasenseite habe ich ein permanentes Druckgefühl. Nachts läuft mir der Schleim in den Rachen. Ich bin anfälliger geworden. Ich fange mir jede Krankheit, die in der Luft liegt. Wenn jemand mit Erkältung zu uns kommt, habe ich ein paar Tage später die gleiche Krankheit. Manchmal bekomme ich auch leichtes Fieber. Je länger ich diese Bildschirmarbeit betreibe, um so häufiger werde ich krank. In diesem Jahr hatte ich alle drei Wochen irgend etwas. Wenn dann irgendeine besondere Belastung dazukommt, liege ich ganz danieder. Nach der Nachtarbeitsphase im letzten Jahr hatte ich eine schwere Virusgrippe. Ich bin danach erst mal eine Woche weggefahren, um mich etwas zu kurieren. In den ersten beiden Jahren der Bildschirmarbeit fuhr ich jeweils vier Wochen in Urlaub. Als ich abreiste, war ich immer krank, als ich wiederkam, kerngesund. Mit Arbeitsbeginn traten auch die Beschwerden wieder auf. In diesem Jahr war ich nur zwei Wochen weg; die haben mir keine Linderung gebracht. Mein größtes Problem ist aber ein anderes: Ich werde nicht schwanger; und ich habe den starken Verdacht, daß das mit der Bildschirmarbeit zusammenhängt. Ich habe mich untersuchen lassen alles in Ordnung. Ich bin organisch vollkommen gesund und in der Lage, Kinder zu kriegen. Der Vater in spe hat sich ebenfalls testen lassen. Die Ärztin weiß einfach nicht, wo die Ursache liegen könnte. Seit zwei Jahren haben wir es immer wieder versucht. Ich hatte oft den Eindruck, es sei zu einer Befruchtung gekommen. Aber dann 26 konnte sich cr '3i nicht einnisten. Die Menstruation danach war immer besonders heftig. Letzten Monat hatte ich ganz seltsame Beschwerden, so einen Druck auf der rechten Unterleibsseite. Ich bin ins Krankenhaus eingeliefert worden mit Verdacht auf Blinddarmentzündung. Mein praktischer Arzt äußerte den Verdacht auf Harnleiterentzündung; und meine Gynäkologin meinte, ich wäre schwanger. Auch ich selbst hatte das Gefühl, daß es jetzt endlich geklappt hätte. Aber nichts davon traf zu. Die Ursache für meine Beschwerden ließ sich nicht feststellen. Ich habe die Ärzte immer darauf angesprochen, ob die Bildschirmarbeit der Grund für meine angegriffene Gesundheit sein könnte. Mein Augenarzt wollte davon gar nichts wissen - obwohl er ja Überanstrengung diagnostizierte. Die anderen Ärzte sagten immer unsicher: «Ja, es kann sein ...» Aber das war auch schon alles. Meine Gynäkologin versprach, sich um Fachliteratur zu kümmern, weil sie von irgendwelchen skandinavischen Forschungen gelesen hatte. Aber sie hat sich dann-nicht mehr dazu geäußert. Mein praktischer Arzt nimmt meine Befürchtungen sehr ernst. Denn ich gehe ja oft trotz Krankschreibung arbeiten; als Selbständige kann man sich so häufige Fehlzeiten nicht erlauben. Der Arzt will da wenigstens sichergehen, daß ich nicht an feststellbaren organischen Krankheiten leide. Er findet aber nichts. Meine Kollegen behaupten, sie hätten keine besonderen Beschwerden, die auf die Bildschirmarbeit zurückzuführen wären. Aber ich beobachte, daß der eine immer nervöser geworden ist; seine Hände zittern ständig. Er klagt auch über Nachtblindheit, obwohl seine Augen nicht schlechter geworden sind. Der andere liebt seine Computer, er sitzt auch nach Feierabend am Gerät. Nackenschmerzen haben beide. Sicherlich gehen sie mit Stress anders um. Sie reagieren nicht mit Krankheit, sie fressen den Stress in sich hinein. Ich habe bei beiden das Gefühl, daß sie irgendwann plötzlich zusammenklappen werden - nicht so langsam und stetig wie ich. Was soll ich jetzt tun - vor allem um endlich ein Kind zu kriegen? Ich kann es mir nicht leisten, mit der Arbeit aufzuhören oder ein halbes Jahr Pause einzulegen. Ich weiß ja noch nicht einmal, ob das alles wirklich von der Bildschirmarbeit herrührt. Wenn du dauernd Beschwerden hast, und alle sagen dir: «Du bist kerngesund» - da zweifelst du am eigenen Verstand. Ich habe mir jetzt vorgenommen, alle anderen möglichen Ursachen für meine Krankheiten und meine 27 Unfruchtbarkeit auszuschalten, soweit( eben geht. Zum Beispiel habe ich begonnen, mich vernünftiger zu ernähren und häufiger Sport zu treiben. Ich versuche, an meiner Psyche zu arbeiten, damit ich mir den Stress nicht mehr so zu Herzen nehme. Und schließlich hoffe ich, daß der Betrieb bald so gut läuft, daß wir alle weniger am Bildschirm arbeiten müssen. Theodor C.: «Die Pumpe hämmert.» Seit zwölf Jahren arbeite ich als Buchhalter am Bildschirm. Als es damit losging, war ich 35 Jahre alt. Während der ersten drei Jahre saß ich täglich etwa zwei Stunden am Gerät. Damals machten wir nur kleinere Eingaben, irgendwelche Belegberichtigungen oder Änderungen von Steuerungswegen. Viele Arbeitsgänge erfolgten noch manuell. Die Arbeitszeit am Bildschirm stieg dann nach und nach an. Erst waren es drei Stunden, später vier. Seit zwei Jahren sitze ich fast acht Stunden am Tag vor dem Schirm. Es gibt natürlich arbeitsbedingte Unterbrechungen, wenn man Unterlagen sucht oder etwas mit anderen Steten klären muß, aber viel macht das nicht aus. Wenn irgendwelche Termine drängen, ist die Beanspruchung besonders stark. Auch in der Urlaubszeit, wenn weniger Personal da ist, steigt der Druck. Überstunden brauche ich allerdings nicht zu leisten. Ich arbeite in einer größeren Firma. Meine Hauptaufgabe ist die Erledigung der Post, also ihre Umsetzung in die EDV. Etwa fünfzehn Vorgänge bearbeite ich täglich: Buchungen, Zahlungseingänge, alles mögliche. Hinzu kommen pro Tag an die hundert Bildschirmabfragen. Unser Betrieb ist voll auf EDV umgestellt. Wenn ich einen Brief bekomme, der sich nicht durch eine einfache Buchung oder Abfrage erledigen läßt—eine Reklamation etwa —, muß ich deshalb oft lange am Schirm suchen, bis ich den Ursprungsvorgang gefunden habe. Man muß dann etliche Wege ausprobieren, bis man die entsprechende Datei auf dem Schirm hat. Wenn ich die Bestellnummer nicht kenne, muß ich oft alle Bestellungen dieser einen Firma durchsehen. Das können schon mal hundertfünfzig bis zweihundert Bildschirmseiten sein. Unter Umständen muß ich mich eine halbe Stunde oder noch länger durchsuchen, mit den Augen ständig auf dem Schirm. Diese dauernden Seitenwechsel strapazieren die Augen sehr stark. Mein Gerät ist ein ITT SEL, ein umfrisiertes Modell, das schon sechs Jahre alt ist. Der Arbeitsraum ist viel zu klein. Für drei Leute und drei Bildschirme stehen dreißig Quadratmeter zur Verfügung. 28 Er ist auch schlecht eingeteilt: Zwei L ( s sitzen sich am Fenster gegenüber. Wenn ich am Bildschirm sitze und hochsehe, schaue ich direkt ins helle Tageslicht. Ich habe das Gerät etwas gedreht. Aber ideal ist das nicht. Zur Beleuchtung dienen sechs Neonröhren, die vor dreißig Jahren beim Neubau eingebaut wurden. Auch die Teppichböden sind schon sehr alt. Sie sind nicht antistatisch und voller Staub. Die schlechte Beleuchtung und der viele Staub haben sich vor allem auf meine Augen ausgewirkt. Seit meinem siebten Lebensjahr bin ich Brillenträger. Als ich mit der Bildschirmarbeit anfing, hatte sich die Stärke der Gläser seit langem nicht mehr verändert. Aber seit ich den ganzen Tag am Schirm sitze, tun mir die Augen weh. Es fühlt sich an, als hätte ich dauernd kleine Staubkörner in den Augen. In letzter Zeit kann ich manche Dinge einfach nicht mehr lesen — egal ob mit oder ohne Brille, egal ob ich nah herangehe oder weit weg bin. Mittlerweile habe ich eine stärkere Brille bekommen, aber auch damit kann ich vieles nicht genau erkennen—zum Beispiel die kleine Schrift, mit der Kontonummern auf Briefbögen aufgedruckt sind. Ich habe Schwierigkeiten, die winzigen Ziffern zu fixieren. Nach einigen Wochen Urlaub oder Krankfeiern konnte ich stets wieder besser sehen. Aber insgesamt sind meine Augen weit schlechter geworden. Die Sehschwäche hängt eindeutig mit der Bildschirmarbeit zusammen, und mein Augenarzt wollte mich schon bildschirmuntauglich schreiben. Aber dann wäre ich meine Arbeit los. Manchmal stehen mir die Haare zu Berge. Das ist eine eher harmlose Erscheinung, aber lästig. Die Kolleginnen fragen mich dann auf dem Flur: «Was ist das denn für eine Frisur?» Ich habe kein dünnes Haar, das leicht fliegt. Aber die Haare stehen nach allen Seiten vom Kopf ab. Je länger ich am Bildschirm arbeite, desto häufiger passiert das. Ich habe mich immer gewundert, wo das wohl herkommen mag. Vor etwa zweieinhalb Jahren bekam ich Herzbeschwerden, etwa zur gleichen Zeit, als die Bildschirmarbeit von täglich vier auf acht Stunden erhöht wurde. Zeitweise hämmert die Pumpe ganz stark. Das kommt tagsüber, in der Nacht—ohne jeden Anlaß. Plötzlich beginnt mein Herz wie wild zu schlagen, und nicht etwa dann, wenn ich mich aufgeregt habe oder ärgere, auch nicht bei schlechten Träumen. Es ist, als stellte sich mein Körper auf eine große Anstrengung ein, obwohl ich ruhig sitze oder gar liege. Ich atme dann auf einmal schneller, schnappe nach Luft. Mir wird auch heiß. Zuerst kam das 30 nur einmal B. r a g vor, dann immer häufiger. Manchmal habe ich ein paar Stunden Ruhe, und dann kommt es plötzlich wieder. Inzwischen ist das so schlimm, daß ich viel schlechter einschlafen kann. Ich wache nachts mehrmals auf und bin dann sofort hellwach. Seit einem halben Jahr sind auch noch Stiche in der Brust dazugekommen. Ich bin wegen der Beschwerden zum Hausarzt gegangen. Der veranlaßte ein EKG. Das war in Ordnung. Der Arzt vermutete, daß ich einmal einen Herzinfarkt gehabt hätte, ohne ihn zu bemerken. Ein anderer praktischer Arzt hielt nichts von dieser Theorie. Daraufhin ließ ich zwei 24-Stunden-EKGs machen. Kein Befund. Ich hätte in der Nacht zwar einmal ungewöhnliches Herzklopfen gehabt, meinte der Arzt —aber das sei nichts Besonderes. Und auch, daß ich manchmal einen unregelmäßigen Herzrhythmus hätte, sei lediglich eine unangenehme, aber harmlose Begleiterscheinung. Der sagte mir also durch die Blume: «Sie stellen sich an.» Sieben Jahreläng war ich bei keinem Arzt, war kerngesund. Und dann ging's los, nicht nur mit dem Herzen. Mit Anstellen hat das wirklich nichts zu tun. Ich bin sehr nervös geworden und kann mich viel schlechter konzentrieren als früher. Ich vergesse mehr. Wenn ich abends nach Hause komme, habe ich überhaupt keinen Elan mehr. Ich brauche dreimal solange wie früher, um mir eine Lösung für ganz einfache Sachen auszudenken. Und ich lasse alles mögliche unerledigt liegen. Nehmen Sie nur mal die Schublade in der Küche; sie läßt sich nicht mehr richtig schieben. Ich habe schon dreimal zu meiner Frau gesagt: «Die bringe ich heute abend in Ordnung.» Früher wäre mir das nie passiert, daß ich morgens etwas verkünde und es dann abends doch nicht mache. Einmal war ich zu müde; zweimal habe ich es einfach vergessen. Meine Frau muß mir manches dreimal sagen, bevor ich es endlich tue. Am Wochenende klingt diese Konzentrationsschwäche langsam ab, sie geht aber nie ganz weg. Nur im Urlaub war ich endlich wieder der alte. Ich lebe mit einem ständigen Gefühl der Überlastung. Sicher, da spielt auch das Alter mit hinein; ich bin jetzt 47. Aber doch nicht nur! Bevor ich so intensiv am Bildschirm sitzen mußte, habe ich dreimal soviel geschafft wie heute. Ich meine damit Arbeiten am Haus, Basteleien, Hobbies. Doch jetzt strengt mich die kleinste körperliche Arbeit ungeheuer an. Früher war ich der ruhende Pol in der Familie. Heute bin ich manchmal derart reizbar, daß meine Frau sagt, ich 31 wäre nicht zu genießen. Sie wirft mir aucl( )r, daß ich mit dem Kind zu ungeduldig umgehe, es ausschimpfe beim geringsten Anlaß. Das ist sicher richtig. Früher konnte man mich bei jeder Beschäftigung stören. Doch mittlerweile fahre ich sofort aus der Haut, wenn irgend etwas nur ein kleines bißchen vom Normalen abweicht. Meine Infektanfälligkeit ist sehr gestiegen. Bis vor ein paar Jahren hatte ich nur die übliche Frühjahrs- und Herbstgrippe. Ich legte mich dann ein paar Tage lang mit Erkältung ins Bett, aber das war's auch. Ich hatte eine sehr gute Konstitution. Vor drei Jahren war ich zum erstenmal wegen Grippe beim Arzt. Heute liege ich zweimal im Jahr zwei Wochen. Mein Körper ist insgesamt nicht mehr so widerstandsfähig, wie er vorher war. Das hat sogar mein Hausarzt anerkannt und mich extra lange krank geschrieben, damit ich mich mal besser erhole. Denn gesund werde ich nur noch ganz langsam. Seit ich den ganzen Tag am Bildschirm arbeite, geht es mir also rundherum schlechter. Und zwar so schlecht, daß ich mir überlege, wie ich der Bildschirmarbeit entkommen kann. Innerhalb meines Betriebes gibt es keine Möglichkeit der Umsetzung. Die ganze Firma wurde ja auf EDV umgestellt. Und eine Kündigung kann ich mir auch nicht leisten. Ich bin zu alt, um noch einen guten neuen Arbeitsplatz zu finden. Und ich bin behindert. Uns Behinderten sagt man ja immer: «Mit der neuen Technik habt ihr gleiche Chancen.» Aber was ist, wenn man auch unter dieser neuen Technik leidet? Ich bin in meiner Firma nicht der einzige, der von Bildschirmarbeit krank wird. Die beiden, die mit mir in einem Raum sitzen, sind zeitweise so nervös, daß sie gar nicht mehr wissen, was sie tun. Aber ich kann mich mit ihnen nicht über das Problem unterhalten. Der eine Kollege ist so von EDV überzeugt, daß er in seinem Wahn gar nicht merkt, wenn er halb daneben ist. Einige in meiner Abteilung spielen noch nach Feierabend an ihren Geräten, die sind richtig fanatisch. Von Gesundheitsstörungen wollen diese Leute natürlich nichts hören. Doch es ist ganz deutlich: Seit wir acht Stunden lang am Schirm sitzen, fühlen sich die meisten nervlich überstrapaziert. Ich würde sagen, von dreißig Kollegen sind zwanzig sehr reizbar und nervös geworden. Da sind ja Leute dabei, die ich schon 25 oder 30 Jahre kenne, und die reagieren heute ganz anders auf Schwierigkeiten oder Ärger als früher. Viele sind regelmäßig krank. Aber sie sagen nicht, was sie haben. Wenn's nicht gerade ein Armbruch ist, wird nichts mehr erzählt. 32 Wir haben C. A n g s t um unseren Arbeitsplatz. Wir hämmern in die Kisten rein, solange wir es schaffen. Mit der EDV ist auch unser sozialer Zusammenhang flötengegangen. Man entfremdet sich immer mehr. Jeder ist mit seinem Gerät beschäftigt, muß seinen Kram fertigbekommen. Die Leute haben manchmal so große Schwierigkeiten mit ihrem Computer, daß sie sich um gar nichts anderes kümmern können. Der Sicherheitsbeauftragte begnügt sich damit, Bilder aufzuhängen, wie man Wegeunfälle vermeiden kann, und der Betriebsrat tritt auch nicht in Erscheinung. Für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen scheint sich hier kein Mensch zu interessieren. Mir fehlt vor allem ein Arzt, mit dem ich mich vernünftig unterhalten kann. Die Ärzte sagen es zwar nicht deutlich, aber sie meinen, bei mir wäre alles psychisch. Wenn man kein klarer Fall ist, wenn man keine einfache Diagnose hat, die in ihren Kram paßt, ist man nicht normal. Mein Hausarzt meint mittlerweile, die Herzbeschwerden kämen von der Wirbelsäule. Er verschrieb mir FangoPackungen und Ma-ssage. Erfolg gleich Null. Ich überlege, ob ich auf die Dauer nicht Berufsunfähigkeitsrente wegen der Sehschwäche und der anderen Bildschirmleiden beantragen soll. Aber die Chancen, sie durchzubekommen, sind sehr gering. 33 Carla A.: «Ich bekam Allergie( gegen alles und jedes.»* Ich bin 54 Jahre alt und seit 24 Jahren in der Datenverarbeitung tätig. Anfangs stand in einem Raum ein Rechner, ich erledigte die Programmierarbeiten im Büro und korrespondierte per Kartenstapel mit dem Kollegen Computer. Doch dann wurde die EDV-Anlage auf Sichtgeräte-Eingabe umgestellt, und seitdem arbeite ich die meiste Zeit am Bildschirm. In den letzten sechs Jahren bekam ich Allergien gegen viele alltägliche Produkte wie Nahrungsmittel, Wolle, bestimmte Plastikmaterialien, Bettfedern etc.; alles Dinge, die mich bis dato in keiner Weise gestört hatten. Ich litt oft unter Erkältungen, die wesentlich länger dauerten als üblich und sich zu allen Jahreszeiten einstellten. Pollenallergien (laut Test Frühpollen) traten auch in Monaten auf, in denen keine Pollen der getesteten Pflanzen mehr vorhanden waren. Ohne erkennbaren Anlaß hatte ich mit großer Müdigkeit zu kämpfen. Ruhepausen brachten keine Erholung. Konzentrationsschwächen stellten sich ein. Ich hatte kaum noch Unternehmungsgeist, Ideenlosigkeit ergriff mich—lauter Probleme, die ich normalerweise nicht kannte. Ich machte mir alle möglichen Gedanken darüber, was wohl mit mir los war. Daß meine Beschwerden mit der Arbeit am Bildschirm zu tun haben könnten, darauf kam ich zunächst gar nicht. 1984 bearbeiteten wir ein größeres Projekt, und ich saß wochenlang viele Stunden an Sichtgeräten. Meine gesundheitlichen Störungen verstärkten sich. Starke Müdigkeit wechselte sich ab mit fast hektisch zu nennender Betriebsamkeit. Hinzu kamen stechende Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, Mutlosigkeit. Auch die Allergien bei Lebensmitteln wurden schlimmer, ich wußte kaum noch, was ich essen sollte. A m Arbeitsplatz hatte ich ständig Kopfschmerzen, Reizhusten, Schleimhautreizungen i m Nasen-Rachenraum, B e * Zuerst erschienen in: Wohnen und Gesundheit, 4/1987; der Text wurde redaktionell bearbeitet. 34 schwerden in L i Gehörgängen, Augenbrennen und Hautrötungen im Gesicht. Wenn ich längere Zeit in den Rechnerräumen arbeitete, begann häufig mein Herz unregelmäßig zu schlagen, und ich empfand ein starkes Frösteln am ganzen Körper. Meine Konzentrationsstörungen nahmen so eklatant zu, daß ich keine korrekte Arbeit mehr leisten konnte. Wenn ich die Arbeitsräume verließ und mich außerhalb des Hauses aufhielt, ließen die Beschwerden langsam nach, sie traten aber sofort wieder mit unverminderter Heftigkeit auf, wenn ich an den Arbeitsplatz zurückkehrte. Schließlich ging ich zum Arzt und ließ mich krank schreiben. Nach vierzehn Tagen waren alle Symptome abgeklungen, bis auf die Allergien. Doch sobald ich zurück an meinem Arbeitsplatz war, stellten sie sich wieder ein. Mir wurde klar, daß meine angegriffene Gesundheit unmittelbar mit der Bildschirmarbeit zusammenhängen mußte. An psychischen Belastungen konnte es jedenfalls nicht liegen, denn ich stehe unter keinem Streß durch Zeitdruck, durch unangenehme Chefs oder unsympathische Mitarbeiter. Das Betriebsklima ist sehr gut und der Chef sehr tolerant. Meine Arbeitszeit kann ich in einem bestimmten Rahmen variieren (Gleitzeit), ebenso die Pausen. Und ich bin auch nicht durch meine Arbeitsaufgaben überfordert. Ich achtete in der Folgezeit sehr genau darauf, bei welchen Arbeitsabläufen und unter welchen Bedingungen sich meine Symptome verstärkten und wann es mir besser ging. Schließlich zog ich die Konsequenzen und teilte meinem Chef mit, daß ich aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr am Bildschirm tätig sein könnte. Zu den Allergien, die ich bekommen hatte, gehört auch eine starke Überempfindlichkeit gegen Druckerschwärze und Toner (Schwärzungsmittel für Fotokopierer). Deshalb konnte ich auch nicht mehr mit den gedruckten Listen und den kopierten Unterlagen umgehen. Leider ist es mir auch nicht mehr möglich, neue Bücher zu lesen. Die älteren muß ich in eine große Plastiktüte stecken. Die Berufsgenossenschaft schickte mich in ein arbeitsmedizinisches Testinstitut. Meine Überempfindlichkeiten gegen Druckerschwärze und Toner wurden diagnostiziert. Bei den anderen Erkrankungen sah der Professor, der mich untersuchte, keinen Zusammenhang mit meinem Arbeitsplatz. Er erwähnte nur lapidar, daß die geringfügige ionisierende Strahlung der Bildröhre keine schädigenden Auswirkungen hätte. Mit ein paar belanglosen Worten fegte er alle meine Argu35 mente vom Tisch. Inzwischen habe ich den ablehnenden Bescheid der Berufsgenossenschaft bekommen — ganz wie erwartet. Eine Berufskrankheit konnte nicht festgestellt werden, denn meine Überempfindlichkeit gegen Druckerschwärze und Toner sei anlagebedingt und habe sich nicht durch den berufsbedingten Kontakt mit diesen Stoffen entwickelt. Ich bemühe mich weiter darum, daß meine Erkrankungen untersucht und die Ursachen gefunden werden. Es gibt auch in Deutschland Fachleute, die sich mit dem Problem des Elektrosmogs und seinen Auswirkungen auf Menschen, Tiere und Pflanzen beschäftigen. Bei ihnen fand ich großes Interesse an meiner Situation, jedoch Schwierigkeiten bei der Suche nach einer Lösung. 36 Ingeborg May-Steinhausen: «Ich habe gekündigt.» Ich habe sechzehn Jahre lang als Maschinenbautechnikerin gearbeitet, im konventionellen und nuklearen Kraftwerksbau, im Anlagenund Apparatebau. Beschäftigt war ich in der Konstruktion. Zuletzt entwickelte ich Konstruktionszeichnungen am Computer — zwei Jahre lang Arbeit am CAD-Bildschirm, davon die letzten fünfzehn Monate täglich acht Stunden und mehr. In der ersten Zeit hatte ich noch einen normalen Zeichentisch und mußte nur zeitweise an den Computer. Dann hieß es: den ganzen Tag vor den Bildschirm! Die Zeichenbretter würden verkauft. Jeder Platz wurde mit CAD-Bildschirmen von IBM, Baujahr 84, ausgerüstet. Zu Beginn waren wir natürlich begeistert über die wunderschönen Zeichnungen, die der Computer ausdruckte. Vieles wurde einfacher; man konnte zum Beispiel symmetrische Bauteile einfach per Knopfdruck spiegeln, mußte nicht alles noch einmal zeichnen. Doch die Freude legte sich schnell, vor allem wegen der miserablen Arbeitsbedingungen. Ich saß in einem engen, klimatisierten Raum mit sechs Computern, in dem auch noch der Zeichnungsplotter stand, der Drucker also. Der war fast ununterbrochen in Betrieb — und laut. Die Beleuchtung bestand aus Neonröhren. Es gab nur ein einziges, kleines Fenster. Im Herbst 1985 wurde für vier Monate «freiwillige» Schichtarbeit angeordnet, weil noch nicht genügend Bildschirme vorhanden waren. Wir stimmten nach Rücksprache mit dem Betriebsrat dieser Regelung zu. Ich übernahm regelmäßig die Spätschicht, von mittags zwölf bis abends neun. Wir wollten keine Wechselschicht, weil wir dann mit unserem Schlafrhythmus völlig durcheinandergeraten wären. Die Firma tat uns aber auch etwas Gutes: Sie setzte vier Frauen in einen Raum, dazu zwei Männer, meistens Leihkräfte. Frauen reden ja mehr miteinander. Wir haben alle irgendwie auf die intensive Bildschirmarbeit reagiert, jede hatte etwas anderes, und es war sehr wichtig, daß wir darüber gesprochen haben. So fanden wir heraus, daß wir uns alle schlecht fühlten. Das steigerte sich immer zum Wo37 Und ich wußte, daß ich noch zwanzig JCIre Berufstätigkeit vor mir habe. Ich beschloß, meinen Gesundheitszustand wiederherzustellen, ehe es zu spät wäre. Ich kündigte. Bis heute sind meine Nieren und mein Abwehrsystem nicht gesund. Ich lasse mich nach wie vor homöopathisch behandeln. Im Betrieb war ich nicht die einzige, der es schlecht ging und die daraus Konsequenzen zog. Ich hatte kurz vor meiner akuten Krankheit die Vertretung für unseren Gruppenleiter übernommen. Das hieß: sechzehn Bildschirme beaufsichtigen. So bekam ich einen Überblick über die Beschwerden der anderen Kollegen und Kolleginnen, die nicht mit mir im gleichen Raum saßen. Alle mußten Überstunden machen, damit die teuren Geräte ausgelastet waren. Fast alle fühlten sich angegriffen durch die Bildschirmarbeit. Im Zeitraum von einem Dreivierteljahr kündigten noch neun Kolleginnen und Kollegen, die sich einen anderen Arbeitsplatz gesucht hatten. Die frei gewordenen Arbeitsplätze wurden mit Leihkräften besetzt. Nicht nur in meinem Fachbereich wird viel auf Computer umgestellt. I n den letzten anderthalb Jahren habe ich ähnliches von anderen Firmen gehört. Bald wird es im Bereich der Konstruktionsabteilungen keine Arbeitsplätze ohne Computer mehr geben. Ich vermute, daß meine Gesundheit von mehreren Faktoren belastet wurde: den Arbeitsbedingungen—also wie die Bildschirmarbeit ablief —, der langen Arbeitszeit von täglich acht bis neun Stunden und dem Arbeitsplatzumfeld. Die Geschäftsleitung versuchte natürlich, die hohen Investitionen durch eine Vollauslastung der Geräte wieder hereinzuholen. Ein Hersteller überzeugte außerdem durch folgendes Argument: «Ihr/e Mitarbeiter/in wird sich durch die Sogwirkung des Bildschirms, den dieser auf den Bediener ausübt, bis zur Fertigstellung einer Aufgabe kaum vom Bildschirm lösen können.» Ich kann diesen Effekt weitgehend bestätigen. Durch den systemgeführten Dialog muß man ständig auf die Fragen und Anweisungen des Rechners reagieren. So verfliegt die Zeit, und man muß sich regelrecht zwingen, eine Pause zu machen. Im Gegensatz zu meinen Kolleginnen hatte ich keine andere Stelle in Aussicht, als ich kündigte. Um Arbeitslosengeld zu bekommen, mußte ich dem Arbeitsamt einen gewichtigen Kündigungsgrund nachweisen. Ich kündigte aus Gesundheitsgründen. Nachdem die Amtsärztin mich untersucht hatte, schickte sie mich zu einer Augenärztin. Die erklärte mir, es sei wissenschaftlich erwiesen, daß durch 40 f BildschirmarCit die Augen nicht schlechter würden. Wahrscheinlich hätte ich vorher schon schlecht gesehen. Außerdem könnte es gut sein, daß ich Bildschirmarbeit innerlich ablehnte und deshalb körperliche Symptome produzierte. Ich sagte ihr, daß ich damals mit Begeisterung an den Computer gegangen wäre. Außerdem seien Augenbelastungen nicht der einzige Kündigungsgrund für mich. Das weckte ihr Interesse. Ich brachte ihr verschiedene Artikel und Broschüren mit, die sie sehr nachdenklich machten. Sie untersuchte mich genauer und stellte eine Netzhautnarbe am rechten Auge fest. Die Amtsärztin schrieb dem Arbeitsamt, ich wäre nur noch kurzzeitig für Bildschirmarbeit einsetzbar. Sie begründete das mit meinen Augenschäden und einer «Aversion» gegen Computer. Ich habe keine Aversion gegen Computer; aber sie dürfen einen nicht krank machen. Mein Kündigungsgrund «unzumutbare Arbeitsbedingungen» wurde anerkannt. Das Arbeitsamt zahlte sofort, es verhängte keine Sperrfrist. Mein Arbeitsberater war darüber hinaus sehr hilfsbereit und übertegte mit mir, welche Finanzierungsmöglichkeiten ich hätte, um eine Informationsstelle für Bildschirmgeschädigte aufzuziehen. Wir fanden keine. Aber ich habe seitdem viele Informationen zusammengetragen und Kontakte zu anderen Betroffenen geknüpft. Meinem ehemaligen technischen Direktor schickte ich einen Durchschlag des Briefs ans Arbeitsamt und schlug ein gemeinsames Gespräch vor. Ich wappnete mich mit Büchern und Zeitschriftenartikeln. Das Gespräch dauerte fast zwei Stunden und war sehr konstruktiv. Wie ich richtig vermutet hatte, waren beide Herren — der Personalchef war auch dabei — völlig unzureichend informiert über mögliche Gesundheitsschäden. Ich regte sinnvollere Arbeitsbedingungen an; wir arbeiteten den Entwurf einer Betriebsvereinbarung aus. Am Ende wollten sie dann mit einemmal wissen, ob ich den Namen der Firma öffentlich nennen oder sonst etwas gegen die Firma unternehmen würde. Die Herren hatten Angst vor einem Arbeitsprozeß. Doch es liegt nicht in meiner Absicht, einzelne Betriebe bloßzustellen. Gesundheitsschäden durch Bildschirmarbeit sind ein allgemeines Problem. 41 sind rar... Kommt Zeit, kommt R a t r s c h habe die Kündigung noch nie bereut. Ich habe auch jetzt das Gefühl, genau das Richtige zu tun.» % , Informationsstelle für Bildschirmgeschädigte — Ingeborg May-Steinhausen Brückenstraße 50 6000 Frankfurt 70 Telefon 069/614707 44 Die Bildscnirmkrankheit — Ergebnisse einer Umfrage Wenn man sich einen Überblick verschaffen will über die Beschwerden, von denen viele Bildschirmbeschäftigte berichten, so ergibt sich ein sehr uneinheitliches Bild: Kopf- und Augenschmerzen, Kreuzschmerzen, Schlafstörungen, Unruhe, Erschöpfung, hoher und niedriger Blutdruck, Nachtblindheit oder Unfruchtbarkeit. Wie hängen diese Beschwerden zusammen? Ist wirklich Bildschirmarbeit die Ursache? Es gibt heutzutage keine Menschen mehr, die frei von Gesundheitsstörungep durch Umweltgifte oder Lärm, Streß oder seelischen Druck l e d . Für die genannten Symptome kommen eine ganze Reihe von Ursachen in Frage. Auch intensive Einzeluntersuchungen würden die Unklarheiten nicht völlig beseitigen, weil es ja selten ganz akute Schäden sind, über die Bildschirmbeschäftigte klagen. Man kann aber etwas anderes tun: Man kann herausfinden, ob bestimmte — vorläufig unerklärliche —Symptome bei Datentypistinnen oder EDV-Buchhaltern häufiger vorkommen als bei anderen Leuten. Der Fragebogen, den Ingeborg May-Steinhausen zusammen mit dem Frankfurter Wissenschaftsladen erarbeitete, stellt einen ersten Schritt in diese Richtung dar. Er dient dazu, die möglichen Symptome vorsichtig einzukreisen und genauer zu beschreiben. Er läßt den Betroffenen viel Raum, sich ausführlich zu äußern. Dies ist ein übliches statistisches Verfahren. Zunächst interviewt man mündlich oder schriftlich wenige Probanden intensiv, filtert dann aus deren Schilderungen erklärende Thesen und genauere Einzelfragen. Diese sollten dann einer repräsentativen, großen Gruppe von Bildschirmbeschäftigten sowie unbelasteten Kontrollgruppen vorgelegt werden. In der Bundesrepublik gibt es bis heute leider keine Institution, die eine solche umfassende Untersuchung fördern will. Bereits nach wenigen Presseveröffentlichungen über May-Steinhausens Frageaktion forderten etwa 200 Personen den Fragebogen 45 an. Einige vervielfältigten ihn und gaber in an Kolleginnen weiter. Bis Juli 1988 schickten siebzig Personen den Bogen ausgefüllt zurück, teilweise durch ausführliche Briefe ergänzt. Auf dieser Basis erstellten Ingeborg May-Steinhausen und Alexander Rausch vom Wissenschaftsladen Frankfurt eine erste Auswertung. Die Ergebnisse wurden in einer Broschüre veröffentlicht, die bei der Informationsstelle zu erhalten ist. Erwartungsgemäß antworteten etwa doppelt so viele Frauen wie Männer; schließlich sind die meisten Bildschirmbeschäftigten weiblichen Geschlechts. A b e r die sonstige Zusammensetzung der Gruppe stellte eine Überraschung dar: Etwa die Hälfte der Befragten war jünger als 35 Jahre und arbeitete noch keine fünf Jahre am Schirm. Alle, die antworteten, klagten über Beschwerden, die sie auf die Bildschirmarbeit zurückführten. Augen- und Muskelschmerzen waren die Symptome, die am häufigsten genannt wurden. Über siebzig Prozent der Einsender/innen klagten darüber. Dieser Befund ist nicht überraschend. Daß Bildschirmarbeit Augen und Haltungsapparat in Mitleidenschaft zieht, ist ein anerkanntes Faktum. Die nächst häufig genannte Krankheitengruppe ist die der «unspezifischen, sich auf die Gesamtpersönlichkeit beziehenden Symptome». Im einzelnen wurde erhöhte Reizbarkeit (58 Prozent) von den Befragten genannt, Kraft- und Energielosigkeit (61 Prozent) und generell steigende Empfindlichkeit (67 Prozent). Etwa drei von vier Ausfüllenden stellten fest, daß sich ihr Gesundheitszustand und ihre persönliche Lebensweise seit Beginn der Bildschirmarbeit generell verschlechtert hätten. Häufige Phasen unerklärlicher totaler Erschöpfung (55 Prozent) führten sie auf die Computerarbeit zurück. Dreißig der siebzig Einsender/innen wiesen noch auf weitere Gesundheitsprobleme hin. Besonders häufig tauchten dabei Konzentrationsschwäche und Allergien auf. Der Fragebogen der Informationsstelle ist der erste, der so großes Gewicht auf diese unspezifischen, für einzelne Betroffene meist unerklärlichen Krankheitssymptome legt. Die Ergebnisse sind verblüffend eindeutig. Betrachtet man sie insgesamt, so erkennt man die Konturen eines neuen Krankheitsbildes, das bisher von Ärztestand und (Fach-)Öffentlichkeit nicht wahrgenommen wurde. Wir können es nennen: Bildschirmkrankheit. Wenn eine Einzelperson mit Symptomen wie in den Antworten 46 beschrieben i h r e r Ärztin geht, wird diese meist nicht viel ausrichten können. Werden jedoch wie hier solche Beschwerden von einer ganzen Gruppe v o n Bildschirmbeschäftigten diagnostiziert, s o müßte das die Ärzteschaft aufrütteln. Für die Betroffenen bedeuten die Ergebnisse der Fragebogenaktion Rückhalt. Es gibt noch viele andere Menschen, denen es ähnlich geht. Aus den Daten der ausgefüllten Bögen ermittelten May-Steinhausen und Rausch einige besondere Charakteristika der Krankheit, indem sie die Ergebnisse zueinander in Beziehung setzten. Gibt es zum Beispiel bestimmte Beschwerden, die vor allem Frauen betreffen? Die Antwort lautet: ja, alle. Die Männer fühlten sich durchweg weniger krank. Über die Ursachen dieses Ergebnisses kann man spekulieren. Die Arbeitsbedingungen von Frauen am Bildschirm sind meist schlechter—sind ihre Beschwerden deshalb deutlicher ausgeprägt? Verursacht die Bildschirmarbeit spezielle Störungen des weiblichen Organismus? Oder sind Frauen einfach sensibler für ihre Körper und geübter darin, über sie zu sprechen? Hängt die tägliche Dauer der Computerarbeit mit dem Auftreten der Bildschirmkrankheit zusammen? Nein. Es erkrankten Personen, die Überstunden am Schirm machen, genauso wie Teilzeitkräfte, die nur wenige Stunden davor sitzen. Auch das Alter der Beschäftigten und die absolute Dauer ihrer Bildschirmtätigkeit scheinen keinen Einfluß auf das Auftreten der Bildschirmkrankheit zu haben. Unterschiede ergaben sich hier aber bei den Symptomen. Unspezifische Beschwerden wie Reizbarkeit oder Erschöpfung sind besonders häufig bei denjenigen, die noch keine fünf Jahre Bildschirmarbeit hinter sich haben. Sie leiden zu etwa zehn Prozent häufiger darunter als die «Langzeitbeschäftigten». Mit zunehmendem Alter der Personen und nach vielen Jahren Bildschirmarbeit treten dagegen öfter schwerere Krankheitsanzeichen auf: Magenschmerzen und beschleunigte Darmbewegung, Herzrhythmusstörungen und erhöhter Blutdruck, schwere Schlaflosigkeit. Etwa jede/ r vierte der Befragten klagte über solche Symptome. Falls diese Ergebnisse einer großflächigen Untersuchung standhielten, ließe sich die Erklärung mit einem Drei-Phasen-Modell finden: Die erste Reaktion stellt sich bei den betroffenen Personen schnell ein. Sie haben schon nach kurzer Zeit die ersten unspezifischen Be47 schwerden.' Wenn sie weiterhin mit d r Computer zu tun haben, entwickelt sich die Bildschirmkrankheit so stark, daß die Betroffenen schließlich zum Arzt gehen: erste Phase. Sie bleiben krank, die ärztliche Kunst versagt, ein anderer Arbeitsplatz ist nicht zu finden. Nach einigen Jahren gewöhnen sie sich an ihren schlechten Gesundheitszustand: zweite Phase. Dann, nach langen Jahren, treten schwere Krankheiten auf, mit denen man sich nicht arrangieren kann. Aus ständiger Anspannung entwickelt sich schwere Schlaflosigkeit, aus plötzlichen Erschöpfungszuständen werden schwere Zusammenbrüche, aus Nervosität Herzrhythmusstörungen: dritte Phase. So könnte die Bildschirmkrankheit verlaufen. Die vorstehenden Erzählungen von Betroffenen und das Datenmaterial der Fragebögen legen eine solche Theorie nahe. Eine Theorie, mit der man arbeiten kann. Wa E x p a n mgen e = eilke2H2Ch und ArbeKeeeueis Auch die Lille hilft nicht—Augenschmerzen «Mir tun die Augen weh», sagen Kinder, wenn sie ihr Videospiel beiseite legen. Augenprobleme sind die häufigsten und auffälligsten Krankheiten, unter denen Bildschirmarbeiterinnen leiden. Auch die arbeitsmedizinischen Experten leugnen Augenbeschwerden heute nicht mehr. Dennoch haben Bildschirmbeschäftigte oft genug das Gefühl, nicht ganz ernst genommen zu werden. «Sie brauchen nur eine neue Brille», lautet die beruhigende Diagnose der Ärzte. Die Arbeitsschutzvorschriften unterstellen, im ergonomisch sinnvoll eingerichteten Computerraum brauche niemand mehr an Augenschmerzen zu leiden. Dies-ist nur teilweise richtig. Es gibt Belastungsfaktoren, die ausschließlich von der Bildschirmumgebung herrühren und sich durch eine entsprechende Gestaltung des Arbeitsplatzes abstellen lassen. Doch auch dann bleibt Bildschirmarbeit für die Augen einfach anstrengender als andere Büroarbeit. Schon die ersten wissenschaftlichen Untersuchungen, die sich mit den gesundheitlichen Folgen der Bildschirmarbeit beschäftigten, stießen immer wieder auf Klagen über Augenschmerzen. Die kanadische «Newspaper Guild», eine Gewerkschaft der Beschäftigten an Zeitungsverlagen, ging solchen Klagen systematisch nach.' Aus einer großangelegten Fragebogenaktion zog sie folgende Erkenntnisse: Beschäftigte an Bildschirmgeräten litten signifikant häufiger an Überanstrengung der Augen, Brennen, Rötungen, verschwommener Sicht und Augenschmerzen als andere Schreibkräfte oder Schreibtisch-Redakteure. Auffällig viele unter den Bildschirmbeschäftigten trugen eine Brille. Bei fast allen hatte sich die Sehschärfe in den Jahren der Bildschirmarbeit verschlechtert. Eine japanische Forschungsgruppe kam zu ähnlichen Ergebnissen.8 Vier von fünf Beschäftigten klagten über schnelle Ermüdung der Augen. Dreißig bis vierzig Prozent litten darüber hinaus unter Augenschmerzen und -irritationen. Sie sahen ständig aus, als hätten sie geweint. Schleim setzte sich an den Lidrändern ab. Ihre Augen fühlten sich schwer an und folgten einem Wechsel der Blickrichtung nur zögernd. Und 51 abends nach der Arbeit ließ die SehC...lärfe nach, die Sicht verschwamm. Auch in der Bundesrepublik wurden Forschungsergebnisse bekannt, die diese Befunde bestätigten.' Danach leiden mindestens zwei von drei Beschäftigten an Datensichtgeräten unter Augenbeschwerden—eine wahre Massenepidemie. Neben den genannten Beschwerden berichteten Betroffene auch von Augenstechen, Flimmern und Doppelbildern, von Kopfschmerzen und Nachtblindheit. Warum gerade Bildschirmarbeit die Augen so belastet, läßt sich leicht verstehen, wenn man weiß, wie die Schrift auf dem Schirm produziert wird. Es ist ja kein durchgängiges, gemaltes Bild, das wir auf dem Schirm sehen, sondern eine Ansammlung winzigkleiner Punkte. Man kann sich das vorstellen wie auf einem Blatt Karopapier: Wenn man einzelne Kästchen schwarz malt, entsteht ein Muster. Wer an ein großes Fernsehgerät zu nah herangeht, kann das eigentliche Fernsehbild nicht mehr erkennen. Man sieht dann nur noch Pünktchen. Bei der Bildschirmarbeit tritt dieser Effekt noch eher auf, denn man sitzt ständig direkt vor dem Gerät. Hinzu kommt, daß die Datentypistin meist gar kein «Bild» erfassen muß, das wie beim Fernsehfilm in einem inhaltlichen Zusammenhang steht. Statt dessen gilt es, eine Unzahl von Buchstaben, Symbolen, Computerbefehlen zu erkennen — abstrakte, kleine Zeichen also. An einem Datenerfassungsplatz müssen «pro Arbeitstag bis zu 72000 anscheinend zusammenhanglose alphanumerische Zeichen erfaßt und verarbeitet werden», heißt es dazu in der Informationsschrift einer Brillenfirma.m Oft haben die Augen Mühe, mit den häufigen Bildwechseln mitzukommen und die kleinen, in Punkte zerlegten Buchstaben richtig zu lesen. Buchstaben wie m und n zu unterscheiden ist auf dem Bildschirm viel schwieriger als auf Papier. Gemeinsam mit der intellektuellen Anstrengung, die Abkürzungen und Befehle zu dechiffrieren, verleitet dies dazu, so genau wie möglich hinzusehen. Zusammengekniffene, stierende Augen, vorgereckter Kopf, gefurchte Stirn —diese Haltung ist auch in modern eingerichteten Büros immer wieder zu beobachten. Noch ein anderer Effekt strengt die Augen an. Ein Computerbild «steht» ja nicht auf dem Bildschirm wie auf einem Blatt Papier, sondern es wird immer wieder auf die Schirminnenseite projiziert. Bei den meisten Bildschirmen wird es fünfzigmal pro Sekunde neu gesendet. Unsere Augen müssen also die enorme Leistung vollbringen, 52 aus den vielen einzelnen Projektionen ein konstantes Bild herauszulesen. Trotz der hohen Geschwindigkeit, mit der das Bild an- und abgeschaltet wird, registrieren die Augen diesen ständigen Wechsel der Helligkeit; sie nehmen ihn als flimmern wahr. Unwillkürlich versuchen sie, sich auf die Bewegung des Bildes, auf das Auf und Ab der Lichtimpulse einzustellen. Aber sie schaffen es nicht; sie sehen weder ein konstantes noch viele einzelne Bilder. Ermüdung, Überanstrengung, Kopfschmerzen sind die Folge. Hinzu kommen vor allem bei Datentypistinnen, die keine fortlaufenden Texte schreiben, die häufigen Blickwechsel vom Beleg zum Schirm, evtl. noch zur Tastatur. Die Augenmuskulatur, die das Sehen, die Einstellung der Augen auf Gegenstände und Zeichen steuert, wird dadurch extrem beansprucht. Wie man an einem Fernglas dreht, um das Bild scharf zu bekommen, verlängern oder verkürzen sich die Augenmuskeln je nach der Entfernung des Objekts. Bei einer Datentypistin müssen sie sich durchschnittlich zweimal pro Sekunde anders einstellen. Das summiert sich auf zwölf- bis dreißigtausend Einstellungen pro Arbeitstag. Auf die Dauer führt dies zu einer Art Muskelkater, mit ähnlichen Symptomen wie nach dem Sport. Die Muskulatur verhärtet, schmerzt. Nach längeren Phasen von Bildschirmarbeit fällt es der Augenmuskulatur immer schwerer, sich auf alle Entfernungen des Alltags einzustellen. Dieser Sachverhalt wurde erst vor kurzem durch eine Untersuchungsreihe belegt, die James Sheedy 1988 in Berkeley/Kalifornien durchführte. «Der Leiter der