Computer und der Mythos der Beherrschbarkeit
Vortrag: Joseph Weizenbaum <n.a.>
Bericht: Anke Scholz <anke@wohnt.in-berlin.de>
Das Jahrtausendproblem ist unsere Chance zur Aufklärung der Bevölkerung!
Nach einer kurzen Einführung durch den Pressesprecher des Chaos Computer Clubs, Andy Müller-Maguhn, beginnt Herr Weizenbaum seine kurzen Ausführungen, die durch eine Diskussion mit den Anwesenden abgerundet wird.
Joseph Weizenbaum ist ehemaliger Programmierer, Professor der Informatik und heute international publizierender Experte zum Thema Informationsgesellschaft und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft.
Die Komplexität von Problemen mit Computern und das damit einhergehende Unverständnis der Bevölkerung stellt er anhand des Jahrtausendproblems dar, bei dem die Bevölkerung heute allgemein immer noch annimmt, daß nach der Erkenntnis, daß ein Problem besteht, das Problem selber schon gelöst sei. Herr Weizenbaum freut sich daher über die zunehmende Verbreitung von PCs, denn dadurch werden immer mehr Menschen "am eigenen Leib" erfahren, daß er recht hatte, als er vor Jahren davor warnte, daß mit dem Computer nicht alles schneller und besser geht.
Das Unverständnis der Bevölkerung wird auch durch die Entwicklung von immer komplizierteren Programmen, die heutzutage ja noch nicht einmal mehr die Menschen verstehen, die sie selber geschrieben haben, verstärkt.
Der "Mensch da draußen" nimmt auch an, daß ein Programm immer gleich meldet, welcher Fehler gerade aufgetreten ist - sich Programme also immer "direkt ausdrücken". Dabei sind die auftretenden Programmprobleme ja meist unendlich weit von dem eigentlichen Problem entfernt. Zum Beispiel ist beim Absturz einer Anwendung, die nicht mehr reagiert, für den Benutzer überhaupt nicht ersichtlich, wo das eigentliche Problem steckt.
Es treten bei einem Programmfehler daher nicht nur einsichtige Probleme auf; es ergeben sich auch immer scheinbar unzusammenhängende Probleme. (Oder versteht jeder Anwender immer, warum ein Rechner sich gerade aufgehängt hat?)
Bei der Entwicklung und dem Umgang mit Computern ist eben nicht alles geradlinig und aufbauend.
Joseph Weizenbaum glaubt, daß gerade die Jahrtausendproblematik eine gute Chance der Aufklärung von Laien über die nicht mögliche Beherrschbarkeit der Computer ist.
In der anschliessend besser besuchten Diskussion mit dem Publikum waren sich alle Anwesenden einig, daß die Jahrtausendwende einerseits katastrophal, andererseits aber auch sehr friedvoll wird, da sich kein Militärapparat der Welt am 1.1.2000 einen Angriff erlauben wird.
Die Frage, ob Hacker dann überflüssig werden, wenn sich die Maschinen sowieso zwangsweise selbst "umbringen", beantwortet Weizenbaum eindeutig zugunsten der Hacker. Sie seien eine "kreative Quelle", ähnlich wie Dichter oder Komponisten, die "nicht immer das Allerbeste beibringen", aber das Beigebrachte wenigstens immer etwas Neues darstellt.
Zum Einwurf: "Der Computer macht immer nicht das, was man ihm sagt", verglich Herr Weizenbaum die Hardware eines Computers mit den biologischen Voraussetzungen eines Menschen. Betriebssysteme sind darauf aufbauende Programme, die von sehr vielen verschiedenen Menschen gemacht werden. Daher "macht" ein Laptop, den man gerade gekauft hat, nicht sofort das, was man ihm sagt. Weiterhin gibt es immer Mißverständnisse zwischen dem, was der Benutzer dem Rechner mitteilen möchte und dem, was der Rechner letztendlich wirklich versteht.
Prof. Weizenbaum fordert eine Überprüfung von Computerprogrammen. Zwar ist Fehlervermeidung nie möglich, jedoch ist es zu gefährlich, wenn jede noch so schlecht funktionierende Software in vitalen Bereichen eingesetzt wird. Die Zuhörer widersprachen ihm in dem Sinne, daß sie wiederholt betonten, daß es besser ist, zu lernen, mit Fehlern von komplexen Systemen zu leben, da es utopisch ist anzunehmen, daß fehlerfreie Systeme generierbar seien. Mehrfach wurde erwähnt, welche Chancen in open-source Entwicklungen gesehen werden.
Am Ende der Diskussion wurden unterschiedliche Meinungen deutlich, die aber auch durch die teilweise veralteten und sehr USA-spezifischen Beispiele von Prof. Weizenbaum entstanden. Grundsätzlich waren seine englischen Einwürfe besser verständlich als die deutschen Formulierungen - vielleicht hätte einfach englisch geredet werden sollen.
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