Jugendschutz? Medienschutz? Kinderschutz? Zensur?
Vortrag: Jadis und Andy <ketzer@is-koeln.de andy@ccc.de>
Bericht: Meike von der Born <meike.von.der.born@link-goe.de>
In den letzten zwei Jahren fanden mehrere Kongresse, Tagungen und Anhörungen zum Thema "Internet und Jugend- sowie Kinderschutz" in jeglicher Form statt. Die Herangehensweisen der verschiedenen Institutionen Staat, Wirtschaft und private Vereinigungen und Medienvereine unterscheiden sich nicht so extrem, wie die Gründe sich mit dem Thema zu beschäftigen. Es gibt auf internationaler Ebene zwar mehrere Filtersysteme, aber die Zusammenarbeit der zuständigen Stellen auf europäischer und internationaler Ebene ist nur marginal.
Auch in Deutschland arbeiten mehrere Stellen nebeneinander statt miteinander: Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften und Medieninhalte, die Freiwillige Selbstkontrolle Multimediadienstanbieter e.V., das Jugendschutz.net und verschiedene Stellen der Strafverfolgungsbehörden. Hierzu sei noch zu sagen, daß zu einem nicht geringen Teil die Kompetenzbereiche der einzelnen Institutionen nicht geklärt sind.
Die Arbeiten bis jetzt und die Überlegungen für die Zukunft reichen von Sperrung von Webseiten bis hin zur grundsätzlichen Veränderung des Internets im Hinblick auf Kinderfreundlichkeit. Die Forderungen nach Filterprogrammen gerade von Eltern werden zwar immer lauter, aber fraglich ist es, ob das Filtern von "schlechten Inhalten" wie Pornographie, rechtsradikalen Schriften und anderen Texten wirklich die Jugend schützt oder gerade erst anregt, verbotenerweise nach solchen Inhalten zu suchen. Es gibt verschiedene Filtersysteme die nach unterschiedlichen Herangehensweisen funktionieren. Blacklisting z.B. bedeutet, daß "böse" Seiten eingetragen werden und nicht zu sehen sind. "Whitelisting" bedeutet, daß nur bestimmte eingetragenen Seiten zu sehen sind, nur um zwei Verfahren zu nennen.
Ein während der Diskussion im Anschluß an den Vortrag diskutierter Ansatz liegt darin, den Jugendlichen Medienkompetenz mit auf den medialen Weg zu geben und ihnen "zur Seite zu stehen" - anstatt ihnen den grundsätzlichen Gebrauch des Internets zu verbieten. Die Bundesprüfstelle für Jugendgefährdende Schriften und Medieninhalte Arbeitsweise/Internet: - 11 Angestellte, davon arbeiten drei inhaltlich, der Rest macht Verwaltung - Entscheidungen fallen i.d.R. in 12er Gremium (verschiedene gesellsch. Gruppen: u.a. Kunst, Verlegerschaft, Träger der öffentlichen und freien Jugendhilfe, Kirchen) - Seit 1996 Indizierung von Internetangeboten, keine Änderung der Arbeitsweise - 1997 Legitimation der Zuständigkeit der BPjS für Internetangebote durch das IuKG (Internet und Kommunikationsdienstegesetz) - Seit 8/1997 243 Induzierungsanträge, davon 97 tatsächlich indiziert - Größtenteils pornographische Angebote, auch bereits indizierte Shareware-versionen von Computerspielen - Auf Anträge von Jugendämtern etc. angewiesen, man wird nicht selbst aktiv - Folgen der Indizierung: Abgabe-, Verbreitungs- und Werbebeschränkung (§3-5 GjS) - Verstöße gelten als Straftat (Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr / Geldbuße bis 3.600.000 DM ) - Indizierung dauert in der Regel einen Monat („teilweise auch deutlich länger“) - Indizierung bei ausländischen Anbietern „relativ folgenlos“>>Karstadt etc. nimmt Liste als Grundlage für Filterung (also dann doch wieder „nützlich“...) - Keine Zusammenarbeit auf internationaler Ebene, auch nichts geplant
Freiwillige Selbstkontrolle Multimediadiensteanbieter e.V.
- 1997 entstanden (IuKDG; MDSt; >> Akzeptanz für kommerzielle Online-Anbieter sollte in der Bevölkerung geschaffen werden) - Mitglieder ca. 300 der Branche - Ziel: ähnliche Funktion wie der Presserat - Seit 1997 184 Beschwerden (hauptsächlich Pornographie und Rechtsradikalismus) - Jeder kann sich beschweren - Beschwerdeordnung sieht Hinweis, Mißbilligung und Rüge als - Beschränkung auf den deutschen Markt - Bemühen, mit ähnlichen ausländischen Organisationen zusammen zu Maßnahmen vor, die an die Mitglieder ergehen können arbeiten - Diskussion auf europäischer Ebene gesucht - Verantwortlichkeit wird bei Eltern (Einsatz von Filtersoftware etc.), Staat und Wirtschaft gesehen
Das Jugendschutz.net
- laut Beschluß der Jugendministerkonferenz im Sommer 1997 als Unterstützung der Behörden und zur Umsetzung der Jugendschutzregelungen im MDStV errichtet - für Mediendienste zuständig (an die Allgemeinheit gerichtet) - 2 hauptamtliche Mitarbeiter - man sucht mit Hilfe eines Crawlers aktiv nach jugendgefährdenden Inhalten - äglich 200-300 jugendgefährdende Angebote aus dem deutschsprachigem Raum (mehr als man bearbeiten kann) - hauptsächlich aus dem Bereich der Pornographie, auch antidemokratische Propaganda - relevante Angebote werden gespeichert und bewertet. Ermittlung des Anbieters (Domainabfrage, Traceroute etc.) und des technischen Umfeldes - per Brief oder Fax wird der Anbieter auf Unzulässigkeit hingewiesen, Aufforderung zur Änderung oder Entfernung des Angebotes - falls das nach Ablauf einer Frist nicht geschieht, werden die entsprechenden Behörden informiert - Beurteilungen würden mit den Anbietern diskutiert, letzte Entscheidung bei den Gerichten
Die Jahrestagung der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften in Boppard vom 11.11. – 12.11.1998 zum Thema Pornographie
- Beurteilung der Pornographie zeit- und kulturabhängig - Zensur von Pornos erst seit 18./19. Jhd (mit Aufkommen des Bürgertums) - Pädophilie als Schreckgespenst der 90er - Jugendgefährdung durch Pornographie wissenschaftlich nicht belegt - Untersuchungen belegen, daß Auflagen von Porno-Magazinen zurückgehen, Jugendliche sich zu festen Partnerschaften bekennen und Sex erst ab 17 zum Standard gehört - Interesse der jugendlichen an Pornographie nur marginal (unter 5%) - Rezipienten (Boulervard-Sex-Heftchen): 60% männlich, 20-49. Berufstätig, mittleres Einkommen mit Kindern - Pornos bieten für Jugendliche keine Indentifikationsfiguren, richten sich nicht an sie - Es kommt der Verdacht auf, daß hier die erwachsenen vor desorientierenden Inhalten geschützt werden sollen
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