Die Gedenken sind frei aber wie steht,'s mit den Daten?
Computer-Hacker - kriminelle Mutanten, elektronische Robin Hoods
oder ein wichtiges Informationsregulativ?
Von Werner Pieper
Jede neue Technologie stöst bei den einen Auf
Ablehnung, bei anderen auf Zustimmung und von einer
dritten Gruppe wird sie als Herausforderung angenommen.
Bei den Computern ist's genauso: Während eine recht
große Bevölkgerungsgruppe zwischen Bedenken und Angst
schwankt, während viele einen neuen Arbeitsplatz am
Monitor gefunden heben, gibt es auch jene, die mehr
wissen wollen Hatte es vor Jahren noch den Anschein, als ob das
Informationszeitalter den Bürger in Form des "Großen
Bruders" bedrohen würde, so hat sich das Bild
verändert. "High Tech" ist nun etwass, mit dem der
Konsument arbeitet und spielt. Millionen arbeiten
dezentralisiert an ihren Personal-Computern, die
große Angst vor allmächtigen Supercomputern
die alles zentrolisieren ist vorbei.
Dank der Hacker.
In Deutschland sind sie spätestens
seit dem "Haspa Coup" ein Begriff. Der
Hamburger Chaos Computer Club
wollte beweisen, daß das Btx-System
nicht so sicher sei, wie es die Betreiber
behaupteten. Über Nacht ließen sie
sich von der Hamburger Sparkassse
130 000 DM auf ihr Konto überweisen,
indem sie die Haspa dazu brachten,
alle paar Sekunden eine Btx-Seite des
Clubs abzurufen und das zu einem Seitenpreis von 9,97 DM. Dementis der
Post und der Bank waren zwecklos,
Strafanzeigen ebenso. Denn die Hacker hatten du Geld nicht heimlich still
und leise verpraßt, sondern den Coup
unter Aufsicht des Datenschutzbeauftragten durchgeführt. Es ging ihnen
nicht um das Geld, sie wollten nur beweisen, daß es mit
der Systemsicherheit nicht weit her war. Die Medien
hatten neue Lieblinge, Vor-Hacker Dr.
Wau trat gar bei Frank Elstner's "Leute'84"
auf und Btx wurde für den Betreiber ein Reinfall.
Eine neue Technologie hatte den Test nicht bestanden.
Natürlich führt die Bundespost auf Grund dieser
Erfahrungen Änderungen und Verbesserungen den Systems
durch. Bei den Hackern hat sie sich bislang aber für
diese Anregungen noch nicht bedankt, dabei wäre sie
vielleicht gut damit beraten, dem CCC gut dotierte
Beraterverträge anzubieten. Es ist ja schon ein
paradoxes Spiel: die von Hackern entdeckten Löcher
im System werden natürlich von den
Betreibern/Herstellern schnellstens gestopft. So sorgen
Hacker, wenn auch indirekt, für sicherere Systeme um
anschließend zu Buh-Männern gestempelt zu
werden. Beim Bildschirmtext geht das Spiel noch weiter,
dort wirbt die Bundespost sogar mit einem der Paradepferde
des CCC. Btx ist eigentlich nur für Standbilder
geeignet. Der CCC hat jedoch solange
daran herumgetüftelt, bis es gelüngen
ist, einen regelrechten Zeichentrickfilm" zu programmieren.
Eine beispiellose Leistung. Potentiellen neuen Btx
Kunden wird nun von der Post eben
dieser Film vorgespielt um aufzuzeigen, wozu,dieses System in der Lage
ist. Thema des Filmes: ein "Chaos Mobil"
schießt hier mit "Nuki-Bomben"
auf den Gilb" in Form von kleinen gelben Posthörnchen.
Was soll des?
Worum geht es diesen Hackern Überhaupt? Hier eine
kleine Selbstdarstellung:
"Wir sind unbequem und legen, wie die Post sagt,
atypisches Nutzerverhalten an den Tag (oder die Nacht).
Wir meinen: das ist nötig. Je steriler unsere
Umwelt wird, desto notwendiger ist es, Leben
hineinzubringen. Angefangen hat es mit der Gründung
des Chaos Computer Clubs vor rund vier Jahren. Der
nächste entscheidende Schritt war das Erscheinen der
Datenschleuder und die Pflege von elektronischen
Informationsdiensten wie Btx und den Schwarzen Brettern in
Mehlboxen und Bulletten Bords bis hin zum Chaos
Communication Congress. Über die Datennetze wurden
weltweite Kontakte geknüpft, Informationen und
Ansichten ausgetauscht und diskutiert.
Es bildete sich ein Kreis, eine Gemeinschaft,
ein loser Haufen von Leuten
aus den verschiedensten Richtungen,
die über Perspektiven, Möglichkeiten,
aber auch Gefahren der vielfältigen
Verwendung neuer Technologien und
deren Auswirkungen nachzudenken
begannen."
Ursprünglich kam der Begriff Hacker aus Amerika. Dort
hatten sich schon vor Jahren am Massachusetts Institute of
Technologie Leute nachts in die stillgelegten Computer
"gehackt" um ungestört arbeiten zu können. Darum
geht es ja häufig Hacken: wie kommt man in
große Rechner um arbeiten ausführen zu
können, zu denen die Leistungskraft des eigenen PC
nicht ausreicht. Dadurch wird niemand direkt
geschädigt. D. h., man ist gerade dabei sich zu
überlegen, wie man solchen Zeitdiebstahl" ahnden kann
und soll. Das Hackerwesen hat seine Wurzeln in den wilden
60er Jahren. Eine Subkultur hat überlebt und
blüht jetzt erst richtig auf. Hacker haben Macht,
wobei sie der Macht mißtrauischer
gegenüberstehen als andere. Hacker sind häufig
Einzelkämpfer, aber als Gruppe verschmelzen sie
schnell zu einer Einheit. Es gibt kaum Frauen unter
ihnen, mehr schüchterne, picklige Jungs, die beim
Sport in der Schule oder auch in der Disco nie in der
ersten Reihe standen, aber jetzt "ihr Dingen" gefunden
haben. Ihre Sprache Ist neu und für
Normalbürger kaum verständlich. Sie reden in
Kürzeln und Codes, es klingt wie neuzeitliche Poesie.
Hacker sind keine Crasher
Bei einem Hacker-Treffee in den USA traten sich auch
altgestandene Computer-Cracks wieder, z. B. Steve
Wozsniak, der Begründer von Apple Computer. Nach wie
vor ist es mehr das Abenteuer Computer das ihn reizt, nicht
die Vermarktung, nicht der Aufsichtsrat-Job in einer
Weltfirma. Einmal ist es derselbe alte Forschergeist,
der Ihn beseelt; zum anderen auch die Sorge um
Mißbrauch der von ihm entwickelten Maschinen, wobei
sich der Begriff "Mißbrauch" unterschiedlich
definieren läßt. Hacker sind keine Crasher.
Crasher steigen in fremde Computersysteme ein und
vernichten. Crasher sind destruktiv. Die Hacker sind die
guten Helden der Computerrevolution. Sie haben sogar ihre
eigene Ethik entwickelt:
"1. Zugang zu Computern und allem,
was Dich etwas über die Welt lehrt
sollte unbegrenzt sein. 2. Sämtliche
Informationen sollten frei sein. 3. Mißtraue
der Authorität - fördere Dezentralisation.
4. Hacker sollten auf Grund ihrer Fähigkeiten
beurteilt werden, nicht auf Grund von akademischen
Rängen, ihrem Alter, ihrer Rasse etc.
5. Du kannst mit Hilfe des Computers Kunst und Schönheit erzeugen.
6. Computer können Dein Leben verbessern." (Steven Levy)
Computer können das Leben verbessern, sie
müssen es aber nicht unbedingt. Es kommt natürlich
auch darauf an, was man unter einem "verbesserten
Leben" versteht. So schildert ein überzeugter
Computer-Arbeiter seine Situation:
"Seit fünf Jahren arbeite ich mit Computern,
seit zwei Jahren besitze ich einen. Meine mentalen
Gewohnheiten haben sich verändert. Ich bemerke drei
dominierende Veränderungen: Ich arbeite schneller,
aber habe das Gefühl keine Kontrolle über meine
Zeit zu haben. Ich spiele mit neuen Typen kreativer
Maschinen, habe aber keine Ahnung, wie ich sie beurteilen
soll. Ich arbeite effektiver und spare Zeit, verplempere
sie aber wieder beim Durchforsten von unbezwingbaren
Bergen von Druckinformationen über Computer und die
Computerindustrie."
Vefändenes Zeitgefühl
So geht es vielen Hackern: die sozialen Kontakte
schrumpfen, das Zeitgefühl verändert sich,
eine Art Suchtverhalten stellt sich ein; ein legales
Suchtverhalten, ohne daß es bei der Droge
Nachschubschwierigkeiten gibt
Für immer neue Anregungen sorgt das Vereinsorgan des
Chaos Computer Club, die "Datenschleuder/quot;, ein
regelmäßig erscheinendes Fachblatt, das
für den Laien viele kodierte Geheimnisse
enthält, für den Fachmann für
Datenfernübertragungen zur Pflichtlektüm
gehört; für Hacker wie für Postler. Der CCC
hat auch ein dickes Buch herausgegeben, die
"Hackerbibel", eine grundlegende Sammlung von
Beiträgen von und über Hacker. Um diese
Publikationen verstehen zu können, erfordert es schon
einiges an Englischkenntnissen und ein wenig Fachwissen
wird auch vorausgesetzt. In diesen Publikationen finden
sich keine Anleitungen, wo man sich wie in andere Systeme
"einhacken" kann, sondern mehr theoretischer Unterbau:
wozu das alles gut ist oder sein soll oder sein kann.
Da gibt es z. B. die Geschichte der Europaparlamentarier,
denen in Luxemburg eine Rechenanlage zur Verfügung
steht, in der alle Daten über die europäischen
Länder gespeichert sind. Der Haken: jeder
Parlamentarier kann nur die Daten seines eigenen Landes
abrufen. So ist es nicht verwunderlich,
daß anläßlich der HighTech-Woche in
Straßburg das Informationsbüro des CCC von
Europaparlamentariern überlaufen wurde. Das
Büro war den CCClern von den europäischen
Grünen zur Verfügung gestellt worden.
Auch das ist erstaunlich:
während der Anhängerschaft der
Grünen im Allgemeinen Technofeindlichkeit
vorgeworfen wird, arbeiten sie in
der Tat an einer Demokratisierung der
Daten. In Bonn erregte MdB Herbert
Rusche letzthin Aufsehen, als er einen
Antrag auf Btx für sein Büro stellte.
Damit hatte man nicht gerechnet, auch
wenn Rusche stellvertretend im Postausschuß sitzt.
|