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Mailboxen in den KinderschuhenAnmerkungen Mittlerweile bin ich seit ca. einem Jahr online. Anlaß für mich, die Mailboxszene einmal kritisch zu beleuchten. Meine Ausführungen beziehen sich in erster Linie auf Hamburg, dürften sich aber im wesentlichen auf das restliche Bundesgebiet übertragen lassen. Wieviele Anwender mag es wohl in Hamburg geben, die sich mittels DFü mehr oder weniger regelmäßig in den ca. 20 örtlichen Mailboxen tummeln? Ich würde schätzen, daß die Zahl sehr deutlich unter 1.000 liegt. Die Zahl derjeniger aber, denen nur noch ein Akkustikkoppler für nur ca. DM 200,- (und evtl. noch eine nachrüstbare ser. Schnittstelle) fehlt, um DFÜ betreiben zu können, würde ich auf ein paar 10.000 schätzen). Warum aber läßt die ganz große Mehrheit der Computerbesitzer die DFÜ und Mailboxen offensichtlich völlig kalt? Und das, wo in den Computerzeitschriften und der allgemeinen Presse die DFÜ ja alles andere als totgeschwiegen wird? Obwohl die DFÜ so jung nun auch nicht mehr ist? Wie paßt das alles zusammen? Ich denke es liegt daran, daß die Mailboxen noch immer in den Kinderschuhen stecken. Und sie machen keinerlei erkennbare Anstalten, aus ihnen herauszuwachsen. Gewiß, es gibt eine zunehmend größere Zahl von Boxen, die nicht mehr auf einem C64 mit 180kB-Floppy arbeiten, sondern auf 68k-Rechnern oder XT's, AT's und sogar 386er unter Unix. Festplatten von 20, 30 und mehr MB sind schon fast Standard. Auch nimmt die Zahl der Boxen, die zwei und mehr Ports bieten, in letzter Zeit ständig zu. Vereinzelt sind lobenswerterweise auch endlich Bestrebungen zu erkennen, eine einigermaßen einheitliche und bedienerfreundliche Benutzerführung (GEONET-kompatibel) einzuführen. Alle diese Entwicklungen sind grundsätzlich zu begrüßen. Trotzdem bleibe ich bei meinem doch ziemlich vernichtenden Urteil! Einige Sysops verfallen in einen Technikrausch, was für sich betrachtet auch noch nicht unbedingt negativ zu bewerten ist. Aber es wird verkannt, daß die Technik nur Mittel zum Zweck ist - nicht weniger, aber auch nicht mehr! Denn an dem Inhalt der Boxen wird kaum etwas geändert. Der Inhalt ist und bleibt weitestgehend uninteressant. Jedenfalls für die große Mehrzahl von Computerbesitzern, die die DFÜ bisher hat nicht locken können. Wie sieht denn heute eine Mailbox aus? Da gibt es die GEONET-Boxen und die vielen regionalen "Freak-Boxen". Die GEONET-Boxen bieten zwar Telex, Intermail und Datenbankzugriffe. Aber sonst? An den öffentlichen Brettern (und neuerdings sogar in den privaten Fächern - pfui Teufel!) hauptsächlich Werbemüll kommerzieller Anbieter den man, wenn man darauf steht, in BTX besser und billiger haben könnte. Infolgedessen werden diese Boxen hauptsächlich von Firmen und Freiberuflern genutzt, die sich einen geschäftlichen Vorteil davon versprechen. Die nicht-kommerziellen regionalen Boxen sind vom Werbemüll glücklicherweise bisher verschont geblieben. Interessanter sind sie dennoch nicht. Was bieten sie schon viel mehr als das klassische (und im Prinzip gar nicht schlechte, jawohl sogar fast unverzichtbare!) Suche, Biete, Allgemeines, Kontakte sowie evtl. ein paar Rechnercorner und wenn es hoch kommt noch einige Programme zum download? (Fast) nichts! Das kann doch wirklich allenfalls einen computerbegeisterten Freak reizen. Ich halte das für sehr bedauerlich. Mailboxen könnten sehr viel mehr bieten, als den hier angedeuteten Service für gewisse Kreise von Geschäftsleuten einerseits und die Computerfreaks andererseits. Dienste und Informationen, die nicht nur für diese beiden Gruppen von Computerbesitzern potentiell interessant sind, sondern für jeden. Bretter wie beispielsweise G.ID, Umwelt, Mitfahrzentrale in der CLINCH gehen schon in die richtige Richtung, schöpfen die potentiellen Möglichkeiten einer Mailbox aber noch lange nicht aus. Mailboxen könnten preiswerte und top-aktuelle Stadt- und Stadtteilzeitschriften herausgeben. Sie könnten Forum für Bürgerinitiativen, Parteien,Vereine aller Art sein. Sie könnten Anzeigenblätter ersetzen oder ergänzen. Mailboxen wären das ideale Diskussion- und Informationsforum für alle nur erdenkliche Themen. Das sind nur wenige Beispiele. Der Phantasie sind kaum Grenzen gesetzt. Aber in dieser Richtung tut sich fast gar nichts. Die meisten Sysops scheint die Technik ihrer Box viel mehr zu interessieren als deren Inhalt. Leicht ist es auch gewiss nicht, hier etwas erfolgreich zu unternehmen. Denn wenn einmal ein interessanter Ansatz unternommen wird, scheitert er meist daran, daß sich niemand dafür interessiert. Das liegt eben daran, daß bisher nur wenige die DFÜ nutzen, und sich diese wenigen aus zwei ganz speziellen Interessentenkreisen rekrutieren. Aber das hat seine guten Gründe. Wie schon erwähnt, wird in der (Fach-) Presse viel über DFÜ und Mailboxen berichtet. Wenn man diese Berichte liest, drängt sich der Eindruck auf, DFÜ sei nur etwas für gestreßte Geschäftsleute (Typ: jung, dynamisch, erfolglos), die unbedingt in einer amerikanischen Datenbank nach den neuesten Patenten recherchieren müssen, oder aber für leichenblasse, picklige, pubertäre Computerkids, die Tag und Nacht vorm Rechner sitzen, um den Haspa-Coup des CCC nachzuahmen oder sogar zu übertreffen. Mit solchen Darstellungen kann man den durchschnittlichen Computeranwender die DFÜ natürlich nicht schmackhaft machen. Die relativ wenigen User, die sich von diesen Darstellungen nicht abschrecken lassen, werden aber schnell frustriert, wenn sie sehen, was die DFÜ ihnen zu bieten in der Lage ist. Der Akkustikkoppler verstaubt oder wird wieder verkauft... Wie könnte man aus dieser Misere kommen? Ich glaube, es müßte zweigleisig vorgegangen werden. Einerseits müßten sich die Sysops nicht nur um den technischen, sondern auch und gerade um den inhaltlichen Ausbau ihrer Boxen verstärkt bemühen. Natürlich kann das nur bei tatkräftiger Mithilfe der User gelingen. Diese ist daher vermehrt anzustreben. Sicherlich ist das leichter gesagt, als getan. Aber der Versuch muß unternommen werden. Daneben müssen aber auch neue User geworben werden. Nicht aus den typischen Kreisen, die schon heute die Boxen benutzen, sondern der "Otto-Normal-User" muß angesprochen werden. Dafür muß darauf hingewirkt werden, daß die Berichterstattung in der (Fach-)Presse sich wandelt. Auch die Selbstdarstellung der Mailboxen und Computerclubs läßt in diesem Sinne stark zu wünschen übrig. Weiterhin müßten die User möglichst direkt angesprochen werden. Was würde es beispielsweise groß kosten, wenn sich die örtlichen Mailboxen und Computerclubs zusammentäten und die Händler bäten, jedem verkauften Computer ein Flugblatt von ihnen beizulegen. Darin könnte dem neuen, stolzen und meist hilflosen Computerbesitzer Hinweise gegeben werden. z.B., daß es neben Spielen und Text-/Datenverarbeitung auch noch DFÜ und Mailboxen gibt. Ganz in seiner Nähe. Preislich und technisch leicht zu erreichen. Und natürlich was das neue Medium gerade ihm an konkreten Vorteilen und Leistungen bietet. Nur das muß halt mehr sein, als das obligate Suche, Biete,... Wenn sich in der hier angedeuteten Richtung nicht etwas bewegt, dann werden wir in einigen Jahren ein paar Boxen haben, die auf einer Cray 11 laufen, in denen aber bei kaum gestiegenen Userzahlen der gleiche Müll zu lesen sein wird wie heute auf einem PC und früher auf einem C64. STOEPSEL |
[HaBi 2]
Mailboxen in den Kinderschuhen