[Chaos CD]
[HaBi 2]    Postmodemballade
[Gescannte Version] [ -- ] [ ++ ] [Suchen]  

 

Postmodemballade

 Ein postmodernes Melodram

"Es begab sich aber zu dieser Zeit, daß ein Gebot ausging von dem Postminister, daß alle Modems amtens abgeschaltet werden. "

So hätte der Chronist die Tatsache beschrieben, daß Zusatzeinrichtungen zur Datenfernübertragung, kurz MoDems genannt, der Zulassung durch das Fernmeldetechnische Zentralamt (FTZ) in Darmstadt bedürfen. Keinesfalls darf man bekanntlich Geräte ohne Zulassungsnummer, oder gar - ein Frevel - selbstgetöpferte Konstruktionen a la Datenklo ohne den Segen der Post an das Fernmeldenetz anschließen. Das führt, so man Besitzer eines Computers ist, dem die Post nicht die selig machende allgemeine Zulassung erteilt hat, oft zu abenteuerlichen Eigenbauten (AE). Diese AE umgehen die postalischen Bestimmungen einfach dadurch, daß sie den Einfallsreichtum der Verfasser der Fernmeldeordnung übertreffen und somit in derselben gar nicht erwähnt werden.

Wir denken hier vor allem an die letzthin beschriebene "Katze", die rein mechanisch das Abheben des Telefons besorgt. Ein solches Gerät hat den Vorteil, daß man damit relativ ruhigen Gewissens auch auf einem C 64 eine Mailbox betreiben kann. Mit dein Nachweis, daß eine solche "Katze" nicht den Vorschriften entspricht. tut die Post sich ziemlich schwer. Beharrlichkeit führt hier oft zum Ziel, denn die "Katze" ist so konstruiert, daß sie eben und eben nicht in der Fernmeldeordnung verboten wird.

Hat man sich irgendwann dazu aufgerafft, einen neuen Rechner nach dem von Incredibly Bad Machines gesetzten Standard zu erwerben, denkt man beim Kauf natürlich auch daran, daß viele dieser Geräte eine FTZ-Nummer (amtlichen Automaten-Taufschein) haben und gibt dankbar ein paar Mark mehr dafür aus. Endlich darf man mit dem Segen der Post ein Modem betreiben. Also auch seine Mailbox endlich auf den Boden der FDOO stellen, sprich legal arbeiten. Und wenn man grade so schön am Planen ist, kommen einem auch die wundervollen Möglichkeiten des Datex-Dienstes der Post in den Sinn.

Also wird ein Antrag beantragt. Kaum zehn Tage später, sagen wir Anfang Mai, kommt Post von der Post. Anträge für Modems und für Datex-P-Hauptanschlüsse, und eine Liste der verfügbaren Modems. Nun, man weiß sowieso, was man will, Moderns zu 1200 und 300 Baud, umschaltbar, und dann noch ein Hauptanschlüsschen für Datex-P20. Und ab die Post.

Die Wochen ziehen ins Land. Nichts rührt sich. Irgendwann dann ein Anruf von der Anmeldestelle: "Sie haben hier einen Antrag auf einen Datex-Hauptanschluß gestellt. Wollen Sie das wirklich, oder wollen Sie nur eine Softwarekennung?"

Messerscharf geschlossen - der Mann meint 'ne NUI. Aber sowas ham wer doch schon. Wir setzen dem Herrn auseinander, daß wir tatsächlich das haben wollen, was wir bestellt haben. Damit ist dann vorerst wieder Ruhe.

Es ist Juli geworden. Die Mailbox läuft mittlerweile auf dem PC, allerdings immer noch mit der eigenwilligen Abhebemechanik. Die Post scheint ab und zu noch ein paar Rückfragen zu haben, erkundigt sich, welche Modems man denn nun gern hätte und erhält bestätigt, daß man tatsächlich an den bestellten Geräten festhält. Man liefert eine Kurzbeschreibung der "Katze", daraufhin Schweigen am anderen Ende der Leitung, dann ein unfrohes "Naja".

Keine drei Wochen darauf ein weiterer Anruf. "Mein Kollege hat Ihnen doch schon vor zwei Wochen gesagt, Sie sollen Ihr Modem abklemmen ..." Der Versuch, auch diesem Herrn klarzumachen, daß man kein Modern benutzt, sondern einen zugelassenen Koppler, scheitert an dessen Selbstbewußtsein. "Nehmen Sie das Ding ab oder Sie haben morgen früh die Betriebssicherung im Haus. Die Modems kriegen Sie dann Anfang August."

Betrübt steckt man seine "Katze" ins Körbchen und stellt den Boxbetrieb ein. Ist ja nur für ein paar Tage. Auf der Datex-Seite regt sich plötzlich auch was: Im Briefkasten ein Kärtchen mit der Bitte, den Baubezirk anzurufen. Ein Teilwunder geschieht: Mitte Juli werden die Strippen für den Anschluß gelegt. Von den dazu benötigten Modems keine Spur. Dafür am nächsten Tag ein Brief mit "können wir Ihnen keine Anschlußgenehmigung erteilen..." Zwischenzeitlich gelingt es dem Antragsteller, den schriftlichen Nachweis zu erbringen, daß er in der Lage ist, seinen eigenen Computer auch selbst zu unterhalten wie es die Bestimmungen erfordern.

Die Tage ziehen ins Land, bis Anfang August die lang ersehnten Auftragsbestätigungen für die Fernsprechmodems eintrudeln. Voraussichtlicher Anschlußtermin: 12. August. Das nächste Teilwunder: Auch die Anschlußgenehmigung für Datex-P kommt an. Es folgt Stille bis zum 11. August, an dem der Antragsteller bei der Rückkehr von der anständigen Arbeit eine Karte im Kasten vorfindet. Offenbar waren die Herren vom Baubezirk morgens dagewesen, Baubezirk anrufen, neuen Termin vereinbaren. Und siehe da: die Strippen werden gezogen, Anschlußdosen gesetzt- und das wars schon wieder. Noch mal Baubezirk anrufen, "Damit ham wir nichts zu tun, das is'ne andere Dienststelle..." Die zuständige Dienststelle konstatiert neuen Sand im Getriebe: "Die Kollegen haben bei Ihnen ADo8 gesetzt (das sind die alten Dosen mit 8 Kontakten). Für Ihre Modems brauchen Sie aber TeAe6 (das sind die, mit denen z.B. das DB7V3 angeschlossen wird), das muß erst noch geändert werden." Wie auch anders.

Baubezirk anrufen Termin vereinbaren. Nachdem die Dosen ausgewechselt sind: Anruf beim Fernmeldeamt 4, nachhaken in der Modemfrage. Doch da sei die Post vor, es fehlen ja noch die Datentelefone. Die bringt wieder eine andere Dienststelle. Nach einer Safari durch den Postdienststellendschungel kommen auch die Datentelefone angekrochen. Man beginnt der Ansicht zuzuneigen, daß unter den Urahnen der Postbeamtenschaft zwar nicht der Erfinder des Rads zu finden ist, möglicherweise aber der Erfinder der Bremse.

Am 10. September hebt sich der Vorhang zum vorerst letzten Akt des Melodrams: Die Modems werden angeschlossen. Dabei stellt sich heraus, daß die Datentaste an den Telefonen nicht funktioniert, was man aber als Nebensache hinnimmt. Schließlich hat jedes Modern noch eine eigene Datentaste, und man will ja eh hauptsächlich ankommende Rufe beanswern. In aller Ruhe werden noch zwei V24-Kabel zusammengebraten. Fünf Monate nach Antragstellung, und zwei Monate nach Beginn der Zwangspause, kann die Box wieder online gehen. Der einzige Unterschied zwischen dem alten Betrieb vermittels "Katze" und dem neuen mit Postmodem: 100 DM. Soviel kosten die Modems pro Monat.

Ach ja, der Datex-Anschluß. Er wurde bislang noch nicht funktionsfähig übergeben. Aber wir haben ja erst Ende September.
goblin
 

 

  [Chaos CD]
[HaBi 2]    Postmodemballade
[Gescannte Version] [ -- ] [ ++ ] [Suchen]