|
Computer und SchuleIn der Bundesrepublik sollen es 1985 100.000 Compis werden. Neben dem Gerangel der Hersteller um Verkaufszahlen an Schulen treten große Probleme bei der Ausbildung am Computer auf. Zum einen fehlen die Lehrer, zum anderen ist unklar, was überhaupt gelernt werden soll. Es gibt kaum ausgebildete 'Computerlehrer'. Die meisten haben sich autodidaktisch oder in Fortbildungskursen vorbereitet. Ihr Wissen geben sie meist lehrplanlos weiter, oft auf Geräten, mit denen sinnvolles Arbeiten kaum möglich ist. Es gibt noch den Homo Freakus, der entweder schon seit Jahren mit Computern und Artverwandtem arbeitet und so mit großem Vorwissen in den Unterricht geht oder der sich zusammen mit seinen Schülern in die Materie einarbeitet. Letzterer benötigt eine gesunde Portion Selbstvertrauen. Sich vor eine Klasse zu stellen und zugeben zu müssen, erheblich weniger zu wissen als die Schüler ist nicht ganz einfach. Der Typ, der genau weiß, daß die gröhlende Masse mehr weiß als er selber, und trotzdem so tut, als wenn er mehr wüßte, muß scheitern, denn eine Klasse hat ein sehr feines Gespür für die Fähigkeiten der Lehrer. Noch dazu in der Situation, in der gleichzeitig in den Heimen der Kids eine technologische Revolution abläuft. Entweder bekommen die Gören den Computer zu Weihnachten, Geburtstag etc. oder Vater entdeckt das Kind im Manne und legt sich einen Rechner zu, auf dem er nicht arbeiten kann, bis sein 10jähriger Sohn es ihm beigebracht hat. Zurück zur Schule: Noch wird im Informatikunterricht eine Programmiersprache gelehrt (BASIC, Pascal oder Elan). Da treten die ersten Probleme auf. Die Gelehrten reißen sich die Haare aus im Streit um die "richtige" Sprache. Spaghetti-BASIC läuft auf fast jeder Maschine vom besseren Taschenrechner bis hin zu Großrechnern wie VAX und Cray. Pascal ist so ordentlich deutsch und informatikgerecht. Elan, die Sprache für die Schule, ist DIE die einzig wahre? LOGO, die Sprache für das Hackerbaby ab drei Monate! Oder Forth, die Programmiersprache für individuelle Compilererweiterungen ohne Baugenehmigung? Mit der Sprache C geht fast alles fast überall schnell und übersichtlich, meint die TUNIX-Fraktion. Glaubt man einem berüchtigten Hamburger Informatik-Professor, so kann man fast alles unterrichten, bloß BASIC nicht. Wer das gelernt habe, könne für den Rest seines Lebens kein vernünftiges Programm mehr schreiben. So schnell wird sich dieser Streit nicht legen. Unabhängig davon ist zu bedenken: Diplomatenkinder an Europaschulen wie in Brüssel haben von klein auf Computerunterricht. Grund: Sonst wären die Engländer dort gegenüber den Kindern zu Hause benachteiligt, siehe oben. Bei uns ist die Diskussion zu Computerunterricht ein paar Jahre zurück: in der Oberstufe. Bevor Computerwissen vermittelt wird, sollte Maschineschreiben gelehrt werden, dabei sind Computer praktische Helfer. Mit Einfinger-Adlersuchsystern dauert auch das Schreiben eines Vierzeilenprogramms zu lange. Die Schüler müssen sowieso - wegen des unleserlichen Gekrakels namens Schrift - ihre Referate mit der Schreibmaschine schreiben. Da bietet sich ein Textprogramm an. Damit ist es leichter, eine wissenschaftliche Arbeitsweise zu lernen. Dazu gehört nunmal das Erstellen und Ändern von Texten, Korrekturen, Fußnoten etc. als ein Stück Vorbereitung auf die Uni. Stoßen Schüler nach der Entlassung aus der Schule auf eine offene Stelle (Wunder), werden sie in der Regel mit Rechnern konfrontiert. Zu etwa 90-95% müssen sie dann mit Programmen von der Stange arbeiten, d. h. mit Standardsoftware. Was soll dann das Erlernen von Computerfachchinesisch, verbunden mit einem Abschalteffekt bei allen Nichtmathematikern? Eine Möglichkeit wäre es, nach einer kurzen Einführung in die grundlegende Bedienung und Funktionsweise von Compis, sich mit dem Erlernen von Standardsoftware zu beschäftigen: wie bediene ich Wordstar, wie gehe ich mit Multiplan um, wie baue ich meine dBaseAdressdatei... Dazu ist die intime Kenntnis einer Programmiersprache nicht notwendig! Auch im Gemeinschaftskundeunterricht sind automatische Datenverarbeitung und Medien wichtige Themen, die leider von den wenigsten Lehrern verstanden werden. Die Gesellschaft verändert sich durch die neuen Techniken einfach zu schnell. Extremisten wollen Compis in alle Fächer hineinpressen. Sinnvoll ist der Einsatz im naturwissenschaftlichen Unterricht zum Beispiel bei der Darstellung von Funktionen, Vektoren, Ebenen und Räumen im MatheUnterricht. Bildschirmdarstellung kontra Kurvenlineal entspricht Taschenrechner kontra Rechenschieber und Logarithmentabelle. Per Programm lassen sich leichter Änderungen an Kurvenzügen vornehmen als mit dem Radiergummi. Nicht zu vergessen die Wahrscheinlichkeitsrechnung, mit der sich als praktische Anwendung z. B. Wahlprognosen erstellen lassen. Ähnliches läßt sich im Physik-Unterricht bei Meßwertfassung und Kurvendarstellung machen. Voraussetzung für die beschriebenen Anwendungen ist die Nutzung von Rechnern, die entsprechende grafische Auflösung haben und die Grafik in annehmbarer Zeit verarbeiten können sowie die Erstellung der entsprechenden Software. Unabhängig von einer - möglichst bundesweiten - Einigung ist gegenwärtig das Betriebssystem MSDOS am weitesten verbreitet und erleichtert deshalb den Austausch der für spezielle Zwecke geschriebenen Software. Allerdings geschehen Marktveränderungen so schnell, daß jede Festlegung nur eine Entwicklungsstufe zu zementieren droht. Damit sind wir bei den Gerätespezifikationen, den Anforderungen für Neuanschaffungen: Stabilste Ausführung und modernste Technologie. Denn wenn die Schüler aus der Schule ins Arbeitsleben kommen, steht da schon die nächste Generation von Geräten. Genaueres läßt sich sinnvoll kaum festlegen.
Wirklich interessant werden Compis aber erst, wenn sie miteinander verbunden werden. Nur mit einem guten Netz-Konzept können alle Schulen bundesweit den Sprung ins Computerzeitalter schaffen. Alles andere führt zu Einzellösungen für Eliteschulen oder bleibt - angesichtsder Leere in den Kassen der öffentlichen Haushalte - Wunschtraum. Wir müssen aufpassen, daß die gezielt geschürte Angst vor Computern nicht dazu führt, daß - wie in den USA - nur Eliteschulen gut mit Computern ausgestattet werden. Sinnvollerweise muß JEDE Schule bundesweit Geräte für MINDESTENS eine ganze Klasse auf die Beine stellen. Bei 20 und mehr Schülern pro Klasse und max. 2 Schülern am einem Gerät, der Bereitstellung eines Raumes mit entsprechender Einrichtung, Vernetzung und der Telekommunikation ergeben sich schon große Summen! Gegenwärtig drängen einige Computerhersteller auf den Schulmarkt und verkaufen ihre Geräte an Schulen zu Sonderpreisen. Durch die Gewöhnung an eine bestimmte Marke hoffen sie später vermehrt Geräte an "ihre" Schüler absetzen. Für Apple ging diese Rechnung mit dem MAC in den USA nicht auf und für die Schulen ist das immer noch zu teuer. Auch Leasing anstelle des Kaufes ist für die Schulen keine Lösung. Das hätte zwar den Vorteil, daß z. B. nach zwei Jahren neue Geräte kommen können, wenn die alten die ersten Ermüdungserscheinungen zeigen und die Schule bleibt auf einem relativ aktuellen Stand der Technik, ist aber auch nicht bezahlbar. Billiger wird es bei Beschränkung auf das Erlernen von Programmiersprachen und den Verzicht auf alles teure und moderne. Dann bieten Geräte wie der 64'iger, entspreched Atari, Apple u.a., genügend Möglichkeiten. Kern- und Angelpunkt der Computerisierung der Schulen mit Blick auf die Zukunft und die leeren Kassen sind jedoch garnicht die Rechner, sonden ein billiges und universelles Netzkonzept. Gegenwärtig scheint das AX.25-Protokoll, wie es die Funkamateure verwenden, der beste Lösungsansatz zu sein. Die Übertragungsraten können hausintern über Kabel etwa 500mal schneller sein als über Funk (800KBaud bei Z8O-SIOLösung, siehe Packet-Radio-Beitrag in der Hackerbibel). Ein Anschluß irgendeines Rechners ans Schulnetz über so ein Interface kostet halbsoviel (etwa 200 DM) wie bei einem x-beliebigen Computerhersteller eine "Local Network Datenabzweigdose" mit nichts drin (ca. 500 DM). Als Nebeneffekt ist durch dieses Konzept auch der Zugang zur Telekommunikation für alle Compis am Schulnetz einfacher. Entscheidend für den Sprung ins Computerzeitalter ist es, neben der Postadresse auch eine elektronische Adresse zu haben. Schulen sollten da mit gutem Beispiel vorangehen. Btx mit seinen beschränkten Möglichkeiten ist unwichtig, elektronische Briefkästen dagegen sind eine Notwendigkeit; Bisher kommunizieren so aber nicht Schulen, sondern 'nur' Schüler. Der nächste Schritt ist der Zugang auf internationale Datenbanken. Dann ist es möglich, in den Unterricht neueste Ergebnisse der Forschung mit einzuarbeiten. Heutzutage sind Druckwerke wie Lehrbücher in der Regel veraltet.
Die Post hat einen Sondertarif für Schülerbriefe. Entsprechendes müssen die Kultusministerien von der Post für die Telekommunikation durchsetzen. Sinnvoll erscheint uns folgendes Vorgehen: Schon viele Freundschaften wurden über CHAT's, elektronische Verständigung, geschlossen. Das ist ein Stück praktische Völkerverständigung, genau das, was die Politiker fordern! Um wieder auf den "Computeranalphabetismus" vom Anfang zurückzukommen, kann man feststellen, daß wir in der Welt nicht die am weitest fortgeschrittenen sind, aber auch nicht das Schlußlicht bilden. Wir werden es bilden, wenn wir nicht bald damit anfangen, die Schulen systematisch, also mit Unterstützung durch Computerfreaks, mit Hard- und Software auszustatten und außerdem landesweit, auch wenn damit die Kulturhoheit der Länder verletzt wird, eine halbwegs einheitliche Unterrichtszielvorstellung entwickeln. Wird letzteres nicht geschehen, wird genau das passieren, was man momentan im bundesweiten Abiturniveau sieht. Das ist eine einzige Berg- und Talbahn. Leider müssen wenigstens zeitweilig, d. h. in bestimmten Klassen, andere Unterrichtsfächer dem "Computerunterricht" weichen, will man nicht die Gesamtstundenzahl vergrößern. Jedoch sollte das nur ein oder zwei Klassenstufen betreffen. Danach muß es selbstverständlich sein für den Schüler, den Computer in seinen vielfältigen Möglichkeiten und Nichtmöglichkeiten einzusetzen und zu verstehen. Das erreicht man am einfachsten durch den Gebrauch der Dinger. Wenn es erst einmal selbstverständlich ist, den Rechner zum Schreiben von Referaten sowie Schummelzetteln in Microschrift zu benutzen (Massenausdruck für alle kein Problem), so wird es auch selbstverständlich sein, ihn nicht als den Ersatz für eine gute Allgemeinbildung zu sehen, der einem das Denken abnimmt. Den Genuß, einen Vergil, Goethe oder Hofstadter im Original zu lesen, kann einem kein Computer vermitteln. Das muß jeder schon selber tun! Asterix&wau schuleh 1.ws 850731 0320
|
[HaBi 1]
Computer und Schule