Jeder schon im Internet in irgend einer Weise mit seiner E-Mail-Adresse aufgetreten ist, sei es auf einer WWW-Seite oder mit einem Beitrag in einem Diskussionsforum, muß mit leidiger Werbe-E-Mail oder andere belästigender E-Mail (SPAM) rechnen. Auf Dauer kann diese unerwünschte E-Mail, die in Form von Downloadzeit bei der Übertragung dem Empfänger auch noch Geld kostet, erhebliches Ungemach bedeuten. Viele Rechenzentren an Universitäten und auch Internet-Provider versuchen nun ihren Kunden zu helfen: sie filtern (d.h. löschen) die ungewollte E-Mail nach verschiedenen Kriterien. Da Werbe-E-Mail häufig immer aus den gleichen Domänen kommt, wird dann alle E-Mail aus so einer "bösen" Domäne herausgefiltert und gelöscht. Auch ein Filtern auf bestimmte Inhalte ist heute üblich. Es gibt jedoch mittlerweile auch Klagen der Benutzer, daß auf diesem Weg wichtige E-Mail (die mit Werbung nichts zu tun hat) gelöscht worden sei. Ist z.B. von einer bestimmten Einrichtung häufiger Werbe-E-Mail verschickt worden, filtert (d.h. löscht) ein Provider unter Umständen alle E-Mails mit einem Absender in dieser Einrichtung. Hierbei wird nicht mehr zwischen Werbung und normaler E-Mail unterschieden. Auf Grund der Klagen der Benutzer stellt sich nun die Frage, ob dieses Verfahren des E-Mail-Filterns durch Provider in Deutschland rechtlich zulässig ist.
Die Anwort findet sich in § 206 StGB, wo das Post- und Fernmeldegeheimnis geregelt wird. In § 206 Abs. 2 Nr. 2 heißt es: "Ebenso wird bestraft, wer als Inhaber oder Beschäftigter eines in Absatz 1 bezeichneten Unternehmens unbefugt ... eine einem solchen Unternehmen zur Übermittlung anvertraute Sendung unterdrückt ..."
Damit gilt § 206 Abs. 2 StGB für jeden Internetprovider der seine Dienste Dritten anbietet. Insbesondere gilt er auch für Universitätsrechenzentren die Mitarbeitern und Studenten E-Mail ermöglichen. Da man bis auf wenige explizit im StGB erwähnte Ausnahmen Straftaten nur vorsätzlich und nicht fahrlässig begehen kann, ist bei Unkenntnis dieser gesetzlichen Vorschrift keine Strafbarkeit gegeben, obwohl der Tatbestand erfüllt ist. Insbesondere gilt dies natürlich bei einem durch technische Fehler bedingtem Vernichten wichtiger E-Mails der Kunden.
Man möchte natürlich der Flut der Werbe-E-Mails trotzdem Herr werden. Ein Internet-Provider kann sich damit helfen, daß er sich von seinen Kunden beauftragen läßt, nach vom Kunden vorgegebenen Regeln, bestimmte E-Mails zu vernichten. Ein Kunde der das E-Mail-Filtern nicht will, muß mit eigenen Mitteln gegen die Werbe-E-Mail kämpfen. Im Rahmen der Konfigurationsmöglichkeiten des Kundenaccounts stellt der Provider alle möglichen Filterregeln, die er anwenden kann, zur Verfügung. Der Kunde wählt nun aus, welche dieser Regeln er auf seine eingehende E-Mail angewandt haben will.
Auch wenn der Aufwand deutlich größer, kann ein E-Mail-Filter nur im Auftrag des Kunden oder vom Kunden selber aktiviert werden. E-Mail-Filtern, ohne daß der Kunde es weiß, ist strafbar.
Am 24. Dezember 1997 ist das Begleitgesetz zum Telekommunikationsgesetz (BegleitG) [27] in Kraft getreten. Darin wurde der § 354 StGB gestrichen und durch den oben erwähnten neuen § 206 ersetzt. Die neuen Formulierungen im § 206 bringen die alten Vorschriften des § 354 in Übereinstimmung mit dem TKG. In der Begründung der Bundesregierung [28] zu diesen Änderungen heißt es: "Damit werden z. B. auch Telekommunikationsnetze für geschlossene Benutzergruppen (Corporate Networks), über die möglicherweise in Zukunft erhebliche Teile der geschäftlichen Telekommunikation abgewickelt werden, vom Schutzbereich der Vorschrift umfaßt." Damit ist Unternehmens-interne E-Mail eingeschlossen.
Das rechtliche Problem hier ist die Reichweite des Fernmeldegeheimnis im Arbeitsverhältnis. Die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aus dem Arbeits- oder Dienstverhältnis können - zumal in Forschungseinrichtungen oder Hochschulen - das Fernmeldegeheimnis für persönliche Kommunikation nicht aufheben [29].
URL: http://www.lrz-muenchen.de/~rgerling/rfra_txt.htm#Heading9
[27] Begleitgesetz zum TKG vom 17.12.1997 (BGBl I S. 3108)
[28] Bundestagsdrucksache 13/8016 vom 23.6.1997
[29] Siehe auch den Beitrag von J. Bizer in R.W. Gerling (Hrsg.), Datenschutz und neue Medien, GWDG-Bericht Nr. 50.