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Wer bumst denn schon im Wachsfigurenkabinett?

Eine Betrachtung der Jahrestagung der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften in Boppard vom 11.11.-12.11.1998 zum Thema Pornographie

Die Überschrift (bzw. der Satz, der Setzer), ein Zitat der Vorsitzenden der BPjS Frau Monssen-Engberding, gibt eine der Erkenntnisse der Tagung wieder. Ansonsten kann man als Betrachterin des Szenarios einige Schmankerl staatlicher Aufsichtspflicht vermerken.

Die Referenten, die zu Themen wie "Pornographie -der Begriff und die Sache in Sexualwissenschaft und Kulturgeschichte" oder "Pornographie-Genres im Internet" geladen waren, waren größtenteils kompetent und boten einen sachlich-wissenschaftlichen Einblick in das Thema. Fazit aus diesen Vorträgen: Die BPjS ist überflüssig, da wissenschaftliche Belege für Jugendgefährdungen durch einzelne Medien oder Pornographie fehlen. Ein Anflug von Heiterkeit ob dieser wissenschaftlich fundierten Tatsache kann nicht verleugnet werden.

Erschreckend jedoch, daß Tatsachen in den Gefilden des sogenannten Jugendschutzes eine eher sekundäre Rolle spielen. Das durch Untersuchungen belegte Faktum, daß Auflagen von Porno-Magazinen zurückgehen, Jugendliche sich zu festen Partnerschaften bekennen und Sex erst ab 17 zum Standard gehört, spielt keine Rolle beim Kreieren eines Weltuntergangsszenarios, in dem Deutschland und der Rest der Welt mit Schmutz, Schund und sexuell desorientierenden Inhalten überschwemmt werden.
Der Herr stehe uns bei! Wir brauchen wieder eine Moral, eine Orientierung für -ja für wen eigentlich? Wohl eher für die Erwachsenen als für die Jugend, denn die zeigt sich an Pornoseiten nur mäßig interessiert, ja teilweise angeekelt, so berichten mehrere Jugendschützer aus der Praxis.

In welcher Doppelmoral sich alles abspielt, verdeutlicht ein bayerischer Jugendamtsmitarbeiter, der mir erzählt, er hätte sich ja gerade am Kiosk auch fast das "Schöne Wochenend" gekauft. Hätte er ja schon lange nicht mehr und "nur mal so zum informieren". Derselbe Herr springt kaum 10 Minuten später auf, um sich und das Auditorium zu fragen, wo das denn alles nur hinführen solle und um den moralischen Untergang des Abendlandes zu prognostizieren. Deutlich wurde dies: für viele der Anwesenden spielen Fakten keine Rolle. Hier geht es darum, den (un)mündigen Bürger davor zu bewahren sich zu desorientieren. Und, das kam zum Ende der Tagung immer stärker zum Vorschein, es geht eigentlich gar nicht so sehr um eine Bewahrung der Jugendlichen, sondern eine Erziehung Erwachsener zu "besserem" Geschmack.

Spätestens beim Internet kochten die Rettungsvisionen einiger Jugendschützer über. Daß ein bayerischer Oberstaatsanwalt nicht auf Information, sondern Stimmungsmache setzte wurde überdeutlich. Bei Bildern von zerstückelten Leichen und angebundenen Kindern schreit jedes Schützerherz nach Rettung. Da hatten auch Zahlen über die Nutzerstruktur des Internets (hauptsächlich männliche Akademiker von 25-45) oder das tatsächliche Vorhandensein solcher Angebote keine Wirkung mehr.
Bei der Diskussion um eine befähigende, die Medienkompetenz fördernde, statt einer bewahrenden Pädagogik, wurde die Frage aufgeworfen, ob das denn in allen Fällem möglich sei und ob dieser archaische Trieb nach Sex (der, so wurde festgestellt, ja hauptsächlich im Manne schlummere) überhaupt argumentativ zu beseitigen sei. Müsse es da nicht doch eine Bewahrung vor solchem geben?

Angesichts eines solchen Menschenbildes kann einem nur übel werden. Hier ist kein selbständig denkender, autonomer Mensch gefragt, hier soll nach einem Werte- und Menschenraster formatiert werden. Was diese Werte sind, wissen solche Arten von Jugendschützern am besten. Dies war glücklicherweise nicht die Meinung der Mehrheit. Die Bundesprüfstelle selbst hat teilweise liberalere Ansichten als die Vertreter der Jugendämter und anderer Institutionen, die anwesend waren, was das Zitat von Monssen-Engberding ein weinig illustriert. Es scheint auch eine relativ realistische Einschätzung darüber zu herrschen, welche Tragweite die Indizierungen haben, wen sie betreffen und was sie letztendlich bewirken. Auf die Idee, sich selbst abzuschaffen ist man in diesem Zusammenhang allerdings noch nicht gekommen.

Wir haben noch Hoffnung für die Zukunft!
Jadis
Chaos Computer Club Cologne (C4)

 

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