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CCTV Systeme: Kameraüberwachung öffentlicher Orte
Im Rahmen der "Nordischen Sicherheitstage" in Lübeck berichtete Derrick Scougal von der Polizei in Newcastle (GB) über die Einführung und Erfahrungen von Videoüberwachungen öffentlich zugänglicher Bereiche. Ausschlaggebend für die Installation des Systems war 1985 ein "Football Disorder" in dessen Verlauf nicht nur ein Teil der Innenstadt, sondern auch der Polizeikräfte demoliert wurden. Ein weiterer Grund, warum Newcastle als Referenzimplementation auserkoren wurde lag am "Roundrading" Rekord in dieser Region. Bei Roundrading handelt es sich um eine offenbar Mitte der 80er Jahre vor allem in England verbreitete Sportart, die in mehreren Etappen verläuft. Zunächst wird ein beliebiges, aber robustes Auto geklaut. Mit diesem Auto wird dann - zum Zwecke des ausraubens - in ein Geschäft (also z.b. einen Juwelier) hineingefahren. Unter hineinfahren ist dabei die frontale Einfahrt in das Schaufenster zu verstehen. Die letzte Etappe - nach dem ausrauben - verläuft dann in verschiedenen möglichen Varianten. Entweder die Sportler ...äh Täter... flüchten zu Fuss, oder aber mit diesem oder einem anderen Auto. Das erste installierte System umfaßte 16 Kameras und kostete rund 300.000 Pfund (fast ne Mio. DM). Die Kameras sind dabei grundsätzlich mit Infrarotscheinwerfern ausgerüstet und können von der Ferne vollständing gesteuert werden ("zooming & dancing"). Die Überwachungs-zentrale wird von der Polizei betrieben und ist 24 Stunden am Tag besetzt; die Kameras sind in der Regel in "Problembereichen" (Nachtclubs, Fußgängerzonen u.ä.) installiert und grundsätzlich gedoppelt (also 8 Bereiche); dadurch ist es möglich, Verdächtige von vorne wie von hinten zu beobachten (front & back) bzw. Unmöglich sich als Verdächtiger durch umdrehen der Beobachtung zu entziehen (Drogenhändler). Von Verdächtigen können in der Überwachungszentrale kurzfristig Hardcopys der Bildschirmfotos gemacht. Diese wurden in der Anfangszeit noch manuel entsprechenden Greiftrupps ("go find that man"; roboterisierbare Bluthundfunktion) in die Hand gedrückt. Mittler-weile gibt es eine einfache Funkfaxübertragung zu den Streifenwagen um den Zeitfaktor zu verbessern. Insgesamt sind in der Innenstadt von Newcastle allerdings 600 Kameras installiert, in der Regel von Geschäften, Läden aber auch privaten Sicherheitsfirmen. Die Polizei verfügt durch entsprechende Datensammelaktionen über eine Datenbank mit allen Kameras, ihren Blickwin-keln, Betreibern, Art der Aufzeichnung etc. - die Datenbank wurde leider nicht gezeigt. Um die Effektivität dieser Datenbank zu veranschau-lichen (und bei der Gelegenheit natürlich gleich kritische Zielgruppen zu beeinflußen) erzählt Scougal von der Vergewaltigung einer jungen Frau, die vor der eigentlichen Tat eine halbe Stunde vom Täter quer durch die Innenstadt verfolgt wurde. Die Aufzeichnungen der Polizeikameras waren dabei wenig hilfreich, da sie zwar einmal die junge Frau, nicht aber den Täter aufzeichneten. Da die Frau allerdings die Strecke recht gut errinerte, konnte die Polizei über die Datenbank sich die Aufzeichnungen der Kamerasysteme entlang des Weges besorgen; der Täter konnte somit ermittelt, überführt und für 9 Jahre ins Gefängniss gesteckt werden. Zukünftig soll die manuelle Verfolgung von "target criminals" automatisiert werden; auch sind weitere Arbeitsplätze für die Anlegen von Verdächtigenkarteien / Datenbanken in Plannung. Die Überwachungsräume sollen dabei noch mit Sofas und Refreshments (was auch immer das in der Sprache eines Polizisten heißt) ausgestattet werden, um sie als Aufenthaltsraum mit gleichzeitigen Beobachtungen zu nutzen. Auch andere Formen der Bildverwertung wurden schon erfolgreich durchgeführt; so wurden mehrere Anzeigenkampagnen geschaltet, in denen die Bilder von Randalierern nach einem Fussballspiel zusammen mit einer "0130-Denunziationsnummer" abgedruckt wurden; der Rücklauf war zufriedenstellend; oft meldeten sich die Gesuchten selbst, weil sie am Arbeitsplatz z.B. auf Ihr Foto in der Zeitung angesprochen worden waren. Um das System auszubauen, ist in Newcastle jetzt eine Einrichungspauschale bei Erwerb einer Gaststätten- / Diskotheken- / Nachtclub-konzession eingeführt worden; nach dem "Verursacherprinzip" seien das ja schließlich Unruheherde, die überwacht werden müssten und entsprechende Kosten verursachen. Von gesellschaftlichen Empfindlichkeiten weiß man von Betreiberseite in diesem Land wenig. Daß durch Aufmerksamkeitsvermarktung erzeugte Unsicherheitsgefühl (Medienhype Kindermord etc.) ist fortgeschritten, daß Kameras ein Sicherheitsgefühl vermitteln. Wenn sich die Medien in Deutschland so weiterentwickeln, ist die Bevölkerung hier allerdings auch bald empfänglich für den Schutz durch den großen Bruder. Auf das Thema Denunziationsgesel-lschaft angesprochen, kam ansatzweise Zustimmung von einigen anwesenden Zivilisten. Anwesende Staatsbedien-stete in Uniform mussten sich erst noch die Tränen der Begeisterung aus den Augen wischen. Problematisch fand der Referent allenfalls den Mißbrauch des Filmmaterials bei den Medien; die würden "very cheap" daraus "crime watch tv" machen. Auch seien viele Systeme im Internet verfügbar. Die Empfindlichkeiten, für einen Überwachungsstaat nützliche Technologie jetzt schon zu installieren, scheinen am schwinden. Für weitere Informationen nehmt euch Zeit und fragt Altavista nach: CCTV andy@ccc.de
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[Datenschleuder]
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