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BND versucht Hacker anzuwerbenAktivitäten des Bundesnachrichtendienstes (BND) in der Hackerszene In einer Zeit, in der Geheimdienste zwar evolutionär längst als überholt erscheinen, faktisch jedoch noch nicht abgeschafft sind, passieren seltsame Dinge. Die folgende Geschichte passierte weder an fremdem Ort, noch in ferner Zeit. Der Junge Hacker Ulrich Unbedarft* studiert ein bisschen vor sich hin, arbeitet nebenbei in einer Art Computerfirma und hat die wilden Zeiten des Hackens eigentlich schon längst hinter sich gelassen. Er ist zwar erst Anfang Zwanzig, hat aber als junger Mensch genug Ältere erlebt, deren Hochmut und Größenwahn Ihnen einen Haufen Probleme gebracht hat. Insofern kann man ihn als braven Staatsbürger betrachten: er verdient legal sein Geld, geht regelmässig zur Uni, versteuert sein Einkommen und hält sogar bei Rot an der Ampel. Und wenn da nicht dieses klitzekleine Problem mit der Wehrmacht wäre, die sich vorgenommen hatte, seine Menschenrechte anzugreifen, indem sie ihm zum Waffentaug-lichkeitstest zwingen wollte, dann wäre er sogar da gemeldet, wo er wohnt. Eines Tages bekommt er an seiner Arbeitsstelle einen Anruf. Da meldet sich ein gewisser Paul Geldgier* und stellt sich als freier Mitarbeiter einer "Unternehmensberatung" vor. Er hätte da ein Problem, wo Ulrich Unbedarft ihm vielleicht helfen könne und etwas Geld verdienen könnte. Die Unternehmensberatung würde für unterschiedliche Kunden ihre Dienste anbieten. Ein Investor, der in einem fremden Land in Computertechnologie investieren wollte, würde gerne sichergehen, auch nichts Falsches zu machen. Daher wäre es für ihn wichtig zu erfahren, welche Form von Technologie dort schon eingesetzt würde. Es ginge letztlich um Netzwerkprodukte - Details müssten als Geschäftsgeheimnisse geschützt bleiben - und die Frage wäre ganz konkret, welche Form von Computernetzwerken in diesem Land schon vorhanden wären. Ulrich Unbedarft - ob man ihm schon an dieser Stelle Naivität vorwerfen kann, sei dahingestellt - hatte keine Bedenken. Ein Treffen wurde vereinbart, um die Details des Auftrages zu besprechen. Zum Treffen reiste Geldgier offenbar von fernen Gefilden an. Man verabredete sich in irgendeinem Cafe, später auch mal in einem Hotel - Geldgier war stets pünktlich und zuverlässig. Geldgier hatte - damit Unbedarft auch ja nichts vergessen würde - schriftliche Fragenkataloge mitgebracht. Ulrich Unbedarft fand das alles normal, checkte die IP-Nummern und die dort registrierten Computer und andere technische Parameter dort ab (nichts Verbotenes) und lieferte prompt. Geldgier drückte ihm 2000.- DM in bar in die Hand und ließ sich eine Quittung unterschreiben. Ulrich war erstmal glücklich - man fühlt sich ja nicht jeden Tag angemessen bezahlt... So weit, so gut. Dann ging das irgendwie ein paar Wochen so weiter. Ein anderes Land kam in das Visier des "Investors" und damit auch - mit Fragenkatalog - auf Ulrichs Schreibtisch. Diesmal war die Region ein bisschen eingegrenzt. Und dann waren da noch ein paar zusätzliche Fragen zum Internet im Zielland. Technisch kein Problem, legal, prompt bezahlt. So schön einfach kann das Leben sein, dachte sich Ulrich. Eines Tages wollte Paul Geldgier noch ein bißchen mehr. Geldgier berichtete von der Zufriedenheit mit der Arbeit von Ulrich und daß er da jemanden getroffen hätte. Dieser jemand - schon etwas konspirativ, ohne Namen - hätte die Arbeitsergebnisse von Ulrich ebenfalls gesehen und hätte das sehr interessant gefunden. Dann hätte sich der Namenlose als Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) ausgewiesen und folgendes Anliegen vorgebracht: ob er denn nicht mal richtig hacken könnte. Also, es ginge da um Informationen aus Computern des bereits erforschten Ziellandes über Forschungsprojekte bei A(tomaren), B(iologischen) und C(hemischen) Waffen. Ein Staatsanwalt würde das ganze vorher absegnen, um die Legalität sicherzustellen. Und einen Haufen Geld könnte er sich dabei auch verdienen. Da hatte Ulrich Unbedarft dann erst einmal ein Adrenalinproblem und bat sich etwas Bedenkzeit aus. Paul Geldgier hatte auf einmal einen ganzen Koffer voll Argumente dabei. Er könne sein Land vor großem Schaden schützen, sogar wertvolle Dienste für sein Vaterland leisten. Diese Anliegen waren in Ulrich Wertesystem allerdings nicht hinreichend verankert. Und irgendwie waren ihm Waffen und Geheimdienste auch nie symphatisch gewesen. So bekam Ulrich dann das, was man nicht nur beim Chaos Computer Club als kalte Füße bezeichnet. Aber immerhin, waren die Füße dann noch intakt genug, um ihn zu uns zu tragen. So konnten wir im halböffentlichen Konspirations-sofa sitzen und überlegen, was zu tun sei. Denn so ganz eindeutig und klar war die Geschichte ja nicht. Ist Paul Geldgier wirklich mit einem vom BND zusammengetroffen? Oder gibt es den Mann vom BND gar nicht? Ist Paul's Auftraggeber vielleicht ein ganz anderes Land und Ulrich vielleicht schon längst - unwissentlich - in geheimdienstlichen Agententätigkeit verstrickt? Beim BND anrufen erschien zwecklos; die würden das ja nicht bestätigen, sondern eher nach dem NSA-Motto ("never say anything") agieren. Am Telefon konnte man die Sache schon mal gar nicht besprechen. Wir entschieden uns einen - als integer angesehenen und mit offiziellen Kontakten versehenen Anwalt als Vermittler einzuschalten. Der mußte erstmal überlegen und machte einen Vorschlag zum schnellen vorgehen. Denn das Problem war sozusagen die tickende Uhr. Unbedarft hatte sich gegenüber Geldgier eine Frist von einigen Tagen auserbeten um sich das mit dem Projekt zu überlegen. Dann sollte es ein neues Treffen geben. Das könnte aber - nachdem Ulrich jetzt klargeworden war, daß er da in eine Sache verstrickt wurde mit der er gar nichts (im Sinne von: Null) zu tun haben wollte - auch gefährlich sein. Vielleicht würde ihn Paul erpressen? Vielleicht kommt auf einmal ein Sturmtrupp von der Wehrmacht vorbei? Vielleicht wird der aggresiv oder droht mit Rache für den Fall einer Veröffentlichung? Der überlegte Schlachtplan lautete wie folgt: Anwalt ruft beim BND an; und zwar bei einer so hinreichend hohen Stelle, daß eine gegenseitige Deckung niederer Mitarbeiter ausgeschlossen werden kann. Wobei der Anwalt gleich sagt: erstmal schalten die den Radarschirm an und überwachen alle, die ihm Verdacht stehen damit zu tun zu haben. Und egal was ist, werden Sie nicht sagen "wir warn's" oder "wie warn's net". "Wir können das weder bestätigen noch dementieren." ist die Standartantwort. Die Entwicklung interaktiver Kommunikation hat gesellschaftlich noch längst nicht alle Kreise erfaßt... Es sollte dem BND unmißverständlich mitgeteilt werden, dass Ulrich keinen Kontakt mit derartigen Kreisen wünscht. Und dann zieht Geldgier sich entweder zurück oder die Spionageabwehr ruft bei Ulrich an und krallt sich Geldgier beim nächsten Treffen. Denkt man da so, in seiner naiven Art. Aber irgendwie kam alles ganz anders. Schon einen Tag später, zurück in der heimischen Stadt mit den vielen Baustellen klingelte das Telefon bei Unbedarft. Geldgier erkundigte sich, was denn passiert sei. Er wäre da nach Pullach für den morgigen Tag zitiert und wüsste gar nicht, warum. Ob Unbedarft was wüsste? Unbedarft ist vielleicht naiv, aber blöd auch wieder nicht und sagt deswegen: nein. Und Geldgier sagt, er meldet sich dann morgen nochmal, nach dem Termin in Bayern. Und so ging der Alptraum erstmal weiter. Und anstatt sich endlich dahin zu verziehen, wo er hingehört (liegt auch in Bayern), nervte Geldgier am nächsten Tag nach seinem Termin in Pullach schon wieder. Da seien ja offensichtlich einige Mißverständnisse abgelaufen und er möchte ja nicht, daß sich das niederschlägt - nicht daß es da noch Auswirkungen auf seine Auftragslage gibt und er keine Aufträge mehr bekäme. Geldgier hatte offenbar schlechte Laune und Angst, Geld zu verlieren. Und bettelte und bat um ein Treffen. Irgendwie hatte Unbedarft auch Mitleid mit Geldgier, von ansatzweisem Verständnis zu sprechen wäre zuviel. Also gut, ein letztes Treffen in einem Cafe in Berlin, dachte er sich - lieber Ende mit Schrecken als Schrecken ohne Ende. Ulrichs Zielsetzung zum Treffen war ihm klar: unmißverständlich die Sache zu Ende führen. Was allerdings Geldgier von ihm wollte, war ja nicht so ganz klar. Und so schien es sinnvoll, für den Fall minder harmonischer Gesprächsstimmungen und Andeutungen jemanden mitzunehmen. Ein offizieller Vertreter des CCC mußte also mit. In der Rolle hatte ich natürlich nicht nur die Intention, diese Anfrage abzulehnen, sondern diesen Kreisen unmißverständlich mitzuteilen: eine Anwerbung von Hackern durch Nachrichtendienste wird von uns in aller Entscheidenheit abgelehnt und darf nicht wieder vorkommen. Wir haben mehr als ein Todesopfer durch Geheimdienstverstrickungen in der Hackerszene zu verzeichnen; ob das dann im Kino rüberkommt, ist eine andere Frage.
Aber die Gelegenheit, dies diplomatisch am Cafetisch zu klären, ergab sich nicht - ein Grund mehr, daß ganze hier und andernorts zu veröffentlichen. Geldgier erschien nicht. Auf Ulrichs Mobilbox fand sich auf einmal eine Nachricht von Geldgier: "er säße in einem Taxi vor'm
Ich halte es nicht für notwendig, jetzt noch moralische Zeigefinger zu erheben oder viele Zeilen zu schreiben. Die Fragebögen sprechen für sich. Ulrich will eigentlich nur seine Ruhe haben; die können wir ihm allerdings angesichts der Brisanz der Geschichte im Bezug auf den Lernwert für die Hackerszene nur bedingt versprechen. Und noch einmal: auf Geheimdienste haben wir keinen Bock. Wir machen öffentliche Arbyte, keine geheime. Das Problem an Geheimdiensten ist ja nicht nur die auch in der Wirtschaft übliche NDA-Vorgehensweise (non disclosure agreement), sondern auch die Verstrickungen und Erpressungen, die als Begleiterscheinungen für eine "Kontinuität" des Arbeitsverhältnisses sorgen. Geheimdienste wollen im Kern das Gegenteil von dem, was Hacker wollen: Wissen geheimhalten, um Prozesse zu verlangsamen und für bestimmte Leute steuerbar machen. Hackern wollen offenen Umgang und Steuerbarkeit für diejenigen, die es betrifft.
Auch an andere: Selbstregulierende kalte Füße sind sicherlich hilfreicher als externe Kaltmachung. Gegen Erpressung durch persönliche Geheimnisse hilft Offenheit. Think future compatible.
Andy Müller-Maguhn, andy@ccc.de
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