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Chaos Communication Congress 96Telefon und InternetReferent: Olaf StraweEinleitung Das Internet ist wohl das Modewort der 90er-Jahre geworden. Neben einschlägigen Diensten wie EMail und WWW bietet das Netz natürlich sehr viel mehr Möglichkeiten. Relativ neu ist allerdings die Möglichkeit der Internet-Telefonie. Olaf Strawe - Mitherausgeber der "TeleTalk" - informierte das diskussionsfreudige Publikum über das Telefonieren im Netz der Netze, und darüber, welche Funktionen des Telefonnetzes das Internet übernehmen kann. Jim Clark (Chairman der Netscape Co.) lieferte seine eigene Prognose zu diesem Thema: "Die Internet-Telefonie wird erheblich größere Veränderungen für den Telekommunikationsmarkt mit sich bringen als die Einführung der Tonwahl oder Digitalisierung des Telefonnetzes." Tatsächlich liegt der Anteil der Gesamteinnahmen der Sprachtelefonie im Telekommunikationsbereich bei 85%. Internet-Telefonie Internet-Telefonie ist ein Begriff für zwei Dinge. Einerseits ist damit das Telefonieren mittels PC und Internetverbindung gemeint. So können zwei oder mehr Benutzer, die sich lokal bei ihren Internet-Providern eingewählt haben, über das Netz telefonieren. Dazu ist lediglich ein Mikrofon und eine Soundkarte nötig. Mit einer zusätzlichen Kamera (z.B. QuickCam) ist ohne großen Aufwand eine Videokonferenz möglich. Andererseits steht Internet-Telefonie für den Versuch der Implementation einer paketorientierten Sprachverbindung. Es soll das Zusammenwachsen der verschiedenen Kommunikationsnetze ermöglicht werden, die aufgrund historischer Gründe eigentlich getrennt sind. Funktionsweise Die Funktionsweise des Internet-Telefonierens entspricht technisch dem normalen Telefonieren (an digitalen Vermittlungsstellen). Die Sprache wird nach dem Codex-Prinzip digitalisiert (bei ISDN direkt im Telefon - bei Analogverbindungen in der entsprechenden Ortsvermittlungsstelle). Die Digitaldaten werden dann zum Zielort übertragen und wieder in analoge Signale umgesetzt. Hat der Benutzer noch kein direktes Internet-Telefon (als Zusatz für seinen PC), so übernimmt die Soundkarte die Umsetzung der Sprachsignale. Erfunden wurde die Internet-Telefonie von der Firma Vocaltec. Der erste Client war das Programm IPhone, das zuerst noch auf dem IRC-Dienst aufsetzte. Mittlerweile laufen alle Clients über den firmeneigenen Server oder über PPP (Point-To-Point-Protokoll). Die Standardisierung eines sinnvollen Protokolls erfolgte durch die ITU, die H.323 zum geltenden Standard für Realzeitübertragung auf Digitalstrecken erklärte (H.324 ist das entsprechende analoge Protokoll, da keine konstante Bitrate wie z.B. bei ISDN vorhanden ist). Realität und Vision Das weltweite Telefonnetz hat sich innerhalb von 120 Jahren entwickelt. Internet-Telefonie wurde erstmal vor zwei Jahren (Ende 1994) vorgestellt und hat besonders in diesem Jahr eine rasante Entwicklung erfahren. Mittlerweile gibt es 12-15 Anbieter von Clients. Die erste Frage eines erfahrenen Internet-Surfers ist natürlich die Frage nach dem Datendurchsatz. Momentan ist dies noch eines der größten Probleme im Internet. Allerdings kann man optimistisch in die Zukunft sehen, denn technisch gesehen ist die Bandbreite fast vorhanden. "Fast" deshalb, weil z.B. im Transatlantikbereich nur 20% der Kapazitäten genutzt werden. Die anderen 80% der Glasfaserkabel sind zwar physikalisch vorhanden, aber nicht angeschlossen. Der Betrieb von Internet-Leitungen ist relativ kostspielig und wird von den großen Telefonfirmen nicht mehr als nötig durchgeführt. Das Transatlantikkabel als solches hat sich bereits rentiert. (Rechenbeispiel: AT&T hat eine Leitung von Tokyo nach London legen lassen und bräuchte nur 37 Stunden volle Auslastung, um die Kosten voll wieder einzuspielen. Die Kosten von 1 Mrd. DM für das Transatlantikkabel sind bereits längst wieder eingenommen.) Mit einer veränderten Organisationsstruktur im Internet wäre also ein leistungsfähigerer Betrieb des Internet durchaus denkbar. Angenommen, der Datendurchsatz wäre erträglich, so bräuchte man lediglich den PC entsprechend auszurüsten. Für $49 sind bereits komplette Endgeräte in Telefonform zum Anschluß an die Soundkarte erhältlich, mit denen man direkt am Telefon wählen kann. Im kommenden Jahr will auch die Firma Creative Labs ihre Soundkarten mit einem Chip ausliefern, der den Anschluß eines handelsüblichen Analog-Telefons erlaubt. Desweiteren gibt es bereits einen ISP (Internet Service Provider), der ein Gateway in das normale Telefonnetz ermöglicht. Zu weitaus niedrigeren Gebühren kann so der Internet-Benutzer mit beliebigen Nicht-Internet-Benutzern telefonieren. Das Prinzip ähnelt dem des Callback: der Provider wählt eine landesinterne Rufnummer an und setzt die Signale zwischen beiden Netzen um. Im Idealfall könnte man in Deutschland mit einer Rufnummer in Amerika bereits zu $0.10 pro Minute telefonieren und sogar die Service-Rufnummern 1-800 kostenfrei abrufen (entsprechen unseren 0130er-Nummern). Legalität Da mit der Hilfe dieser Technik natürlich internationale Gespräche zum Ortstarif möglich sind, stellt sich die Frage nach der Legalität. Ein Zuhörer fragte z.B., ob man als Anwender nicht die Leitungskapazitäten der Telekom "schmarotzen" würde. Dem ist nicht so, denn prinzipiell ist eine Verbindung immer gleich teuer, ob über dieselbe Vermittlungsstelle oder quer durch Deutschland. Die Kosten der Verbindung zwischen den Ortsvermittlungsstellen kann man fast vernachlässigen. Da der Benutzer für den Zugang zum Telekom-Netz zahlt, ist dies vom moralischen Standpunkt her völlig legitim. In Amerika gibt es allerdings noch rechtliche Streitigkeiten. Der Verband der amerikanischen Telefongesellschaften (ACTA - America's Carriers Telecommunications Association) wandte sich an die FCC mit zwei Forderungen: 1. Internet-Telefonie-Software soll verboten werden 2. Softwareanbieter dieser Clients sollen als Telefongesellschaften (mit allen Pflichten) betrachtet werden Noch ist die Verwendung allerdings möglich und legal. In absehbarer Zukunft wird aber jeder ISP und jeder Benutzer eine Flat-Rate von $3 bis $6 pro Monat zahlen müssen. Status Quo * Der Internet-Telefonie-Markt wächst stark.1995 nutzten 500.000 Anwender entsprechende Clients. Heute sind es bereits über 2 Mio. * Mit der Einführung von Gateways zum Telefonnetz wird sich dieser Dienst (laut IDC-Prognose) auf 60 Mio. Nutzer bis zum Jahr 2000 erweitern. * Kritisch betrachtet ist der NC (network computer) kein abgespeckter PC, sondern ein überdimensioniertes Telefon. Jeder NC verfügt über Mikrofon und Lautsprecher, läßt sich aber aufgrund der fehlenden Festplatte nicht als PC nutzen. * Die QOS (quality of service) ist momentan aufgrund der Engpässe im Internet noch relativ niedrig. Allerdings wird uns von den Telefongesellschaften die Notwendigkeit des sekundenschnellen Verbindungsaufbaus und glasklarer Verbindungen als zu wichtig verkauft. Bei günstigeren Tarifen nimmt der Benutzer auch gerne einmal langsamere oder rauschende Verbindungen in Kauf. Es wird in Zukunft vermutlich mindestens zwei Netze geben: das überteuerte Telekomnetz (für Firmen) und günstige qualitativ niedrigere Netze (für Privatpersonen) - Stichwort "Aldi-Telefon". Also: Es gibt derzeit bereits mehrere anwendbare Clients für Internet-Telefonie. PGPPhone erlaubt einem sogar eine kodierte Sprachverbindung. Im nächsten Monat soll es sogar eine Version für Microsoft Windows geben. Der Netscape Navigator bietet ebenfalls seit zwei Tagen mit der Version 4.0 einen Client an. Laut Olaf Strawe wird sich die Internet-Telefonie auf Dauer durchsetzen. Jeder sollte es nutzen oder zumindest ausprobieren, um diese neue und günstige Kommunikationsform zu unterstützen. Zusammenfassung von Christoph Haas, haas@informatik.uni-hamburg.de
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