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Wie geheim ist"geheim"?ENIGMA heißt Rätsel und ist der Name einer deutschen Verschlüsselungsmaschine im 2. Weltkrieg. Der Journalist Robert Harris hat einen Roman um diese Maschine und den Bletchley Park geschrieben, der im März 1943 handelt. Er ist nicht für Technik-Freaks, bietet aber ein paar nette Beschreibungen von Zusammenhängen, wie man sie sonst nicht findet. Historische Zusammenhänge sind schlüssig und spannend den handelnden Personen auf den Leib geschneidert. Der Autor hat Geschichte studiert, war Reporter bei BBC und politischer Redakteur beim OBSERVER. Jetzt ist er Kolumnist bei der SUNDAY TIMES. Der Schreibstil ist flüssig und amüsant: "Das Zimmer war kaum größer als ein Besenschrank. Hier hatte Turing gesessen, ... In einer Ecke standen ein feuersicherer Safe, aus dem aufgefangene Funksprüche hervorquollen und eine Mülltonne mit der Aufschrift >vertraulicher Abfall<" Zur Vorarbeit am Buch gehört eine Fülle von Gesprächen mit Zeitzeugen. Das wird an vielen kleinen Geschichten deutlich, wenn etwa ein Kryptoanalytiker zu erklären versucht, warum er Mathematiker wurde und G. H. Hardy zitiert mit "Ein Mathematiker ist, wie ein Maler oder ein Dichter, ein Verfertiger von Mustern". Für den Musterbau war die ENIGMA zuständig, Über eine erbeutete ENIGMA schreibt er aus der Sicht des Kryptoanalytikers, der Muster im verschlüsselten Text sucht: "Sie war in perfektem Zustand: eine wunderbare Maschine. Die Buchstaben auf den Tasten waren überhaupt nicht abgenutzt, das schwarze Metallgehäuse ohne jeden Kratzer, die gläsemen Lämpchen klar und funkelnd. Die drei Walzen - eingestellt wie er sah, auf ZDE - glitzerten silbern im Licht der nackten Glühbirne. Er streichelte sie zärtlich. Sie mußte gerade aus der Fabrik gekommen sein. »Chiffriermaschinen-Gesellschaft«, stand auf dem Etikett. »Heimsoeth und Rinke, Berlin-Wilmersdorf, Uhlandstraße 138«. Da sollte man doch einmal die Verwandschaftsverhältnisse prüfen zu Heimsoeth/BORLAND-Deutschland von heute... Historisch neu in Blechtley Park war, daß erstmals eine Maschine zum Codeknacken benutzt wurde. Zur Maschine gehörten fünf Walzen. Jede hat 26 Kontakte für die Buchstaben von A bis Z. Je zwei der Kontakte sind zu einem Buchstabenpaar verschaltet. Diese dreizehn Buchstabenpaare bilden den Kern der Verschlüsselung: jeder Buchstabe wird durch einen anderen ersetzt, aber nie durch sich selbst. Das ist eine der ersten Schwächen der Maschine. Drei Walzen kamen in die Maschine und nach jedem verschlüsselten Zeichen drehten sich die Walzen weiter wie bei einem Kilometerzähler - nur drehte sich die jeweils nächste nicht nach zehn, sondern nach 26 Vorgängen um eins weiter. Ein Schlüssel bestand aus den benötigten Walzen in der richtigen Reihenfolge und deren Ausgangslage. So meinte III V IV GAH, Walze 3 links, 5 mitte und 4 rechts und die drei auf Grundstellung GAH bringen. Weiter wurde eine Eingangsverwürfelung von zehn Buchstabenpaaren vorgenommen an einem Steckerbrett an der Rückseite der Maschine. ENIGMA von Robert Harris, Heyne Verlag 1995 |
[Datenschleuder]
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