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London 1995
Es begab sich zu der Zeit, daß eine Hacker-Konferenz einberaumt wurde von einem Untertan Ihrer Majestät Königin Elizabeth. Stattzufinden am ersten und zweiten Tage des Monats
Juli in des Königs College in London.
Durch die Gunst indischer Reiseveranstalter
war es auch zwei Norddeutschen vergönnt, den
langen Weg in das Königreich Britannien zu tun.
Und dies ist ihr Bericht:
Nachträglich stellt sich die Frage: Was hat
uns eigentlich dazu gebracht, diese Reise auf
uns zu nehmen? Letztendlich waren es wohl die
Gerüchte, daß sich auch "die Holländer", "die
Bielefelder" und einige Bekannte vom HOPE
auf den beschwerlichen Weg gemacht haben.
Was sich auch als wahr herausgestellt hat.
Die Konferenz selbst stellte sich dann auch
als eher bewußtseinserweiternd heraus. Durch
einen Einheitseintritt von 25 Pfund (etwa DM
60,-) für zwei Tage leicht entrückt, betraten wir
also das zweite Untergeschoss des King's College in London und wurden als nächstes durch
die großartigen Dimensionen eines 'Hackcenters' vollends in einen anderen Realitätstunnel
gedrückt. Fünf PCs mit Windows und Netscape
in einem LAN, welches über eine (am Ende des
Tages funktionierenden) 64 kbit ISDN-Leitung
ans Internet angeschlossen war. Diese Rechner
waren gesponsort; eigene PCs von Konferenzteilnehmem wurden bis zum Ende der Konferenz nicht gesichtet.
Nungut, nichts ist perfekt, es konnte nur besser werden. Dachten wir. Der Blick in das Konferenzprogramm zeigte uns auf, daß wir zumindest nichts verpassen konnten, es gab nur einen
wirklichen Vortragsraum, in dem alle Konferenzaktivitäten sequentiell stattfinden würden.
Nun gut.
Spätestens jetzt war klar, daß die Klimaanlage wohl über das Wochenende abgestellt worden war. Bei Temperaturen von etwa 28 Grad
Celsius im Schatten kein Vergnügen. Das Hacken der Klimaanlage war selbstverständlich verboten, wie auch überhaupt die aktive Hilfe der
Konferenzteilnehmer nicht erwünscht war. Man
hatte doch tatsächlich den Anspruch, uns für die
25 Pfund etwas 'zu bieten'.
Achja, das 'Programm': Etwa zwei Vorträge
fielen aus. Macht nix. Der Mensch, der den Vortrag über Viren hielt, erklärte, was ein 'Bootsector' ist. Das Erstaunen darüber, daß er dies
auf einer Hackerkonferenz tat, wurde nur noch
von der Überraschung übertroffen, daß sich
keiner der Konferenzteilnehmer wehrte. Die
Vortragenden in Sachen POCSAC waren der
eigenen Muttersprache nicht mächtig. Dafür
waren die Sitze so bequem, daß es sich angenehm schlafen ließ. Zum Glück, denn das außerhalb der Konferenz stattfindende Abendprogramm ließ den Tag vergessen. Und wir haben
die Party bei Annaliza (,,Unauthorized Access")
wirklich genossen, auch wenn es etwas seltsam
anmutete, daß fast keiner der Anwesenden ein
Einheimischer war.
Am zweiten Tag gab es immer noch keine
gekühlten Getränke, dafür einen Feueralarm, der
bestimmt einige Teilnehmer aus dem dringend
benötigten Schlaf gerissen hat. Inzwischen hatten wir allerdings einige lange Märsche durch
die Stadt hinter uns, ein London A-Z und wir
wußten, wo es Nahrung gab.
DieTeilnehmer der Konferenz waren ein Phänomen für sich. Nicht nur, daß der Konferenzveranstalter bei der fünfminütigen Abschlußveranstaltung vom Publikum in Schutz genommen
wurde, was man noch mit Solidarität gegenüber
dem Folk "from abroad" erklären konnte, nein
auch Ausbrüche wie "Why do you talk about
this? This is not about hacking, its about laws.
If I want to talk about laws, I would become a
lawyer, but I do not want to become a lawyer, I
want to become a hacker!" haben abends für
leicht hysterische Heiterkeitsausbrüche gesorgt.
Über dreihundert Teilnehmer haben für die Betaversion einer Hackerkonferenz bezahlt, aber
dieses Verhalten trifft man ja öfter.
Is141
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