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Virenpanik zur CeBit
4. März 1992 Wie die Sicherheitsbranche die Werbetrommel rührt. Eine Stellungnahme des Chaos Computer Club - Hamburg. Rechtzeitig zur weltgrößten Computermesse, der CeBIT in Hannover (11. bis 18. März) stiften Warnmeldungen vor dem "Michelangelo"-Virus Unruhe und Panik unter den Betreibern von Personalcomputern. Bereits seit Januar leistet der bekanate Hamburger Viren-Spezialist, Professor Klaus Brunnstein vom Viren Test Center, Pressearbeit mit beängstigenden Warnungen vor dem Sabotageprogramm, welches am 6. März zuschlagen soll. Das Bonner Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zog am 14. Februar mit einer amtlichen Warnmeldung und einer Beschreibung der bösartigen Computergeschwulzt nach. Seitdem reibt sich die Sicherheitsbranche die Hände - allein bei Professor Klaus Brunnstein stapelten sich in der letzten Woche 40 Postsäcke mit Anfragen verunsicherter PC-Benutzer. Prof. Brunnstein, der dem CCC lange Jahre unwissenschaftlichen Umgang mit diesem Thema vorwarf, muß sich in dieser Situation fragen lassen, ob er als Wissenschaftler die entstandene Panikstimmung bei Privatpersonen und in der Wirtschaft verantworten kann. Hinter der Virenpanik verbirgt sich eine Marketingphilosophie, wie man sie, schon anläßlich des "Freitag dem 1.3. Virus" oder des "DATACRIME" in den Medien beobachten konnte. Irreführung des Verbrauchers unterstellt Steffen Wernery, einer der Sprecher des CCC, fragwürdigen Vertretern der Sicherheitsbranche. Diese versuchen wiederholt bei jedem neuen Virus durch Panikmellungen die Verkaufszahlen für Entseuchungsprogramme und Fachinformationsdienste in die Höhe zu treiben. Nach Wernerys Ansicht könnte nur ein verantwortliches Betreiben von Computersystemen eine langfristige Lösung darstellen. Die Gefährlichkeit von Viren ist vor allem durch das Informationsdefizit der Benutzer gegeben. Mangelnde Folgenabschätzungen mit oder ohne Technikgebrauch ist letztlich kein computerspezielles Problem; Alkohol im Straßenverkehr gehört genauso dazu wie FCKW in Sprühdosen. Schon 1930 formulierte Albert Einstein anläßlich der Eröffnung der Berliner Funkatisstellung: "Sollen sich auch alle schämen, die gedankenlos sich der Wunder der Wissenschaft und Technik bedienen und nicht mehr davon geistig erfaßt haben als die Kuh von der Botanik der Pflanzen, die sie mit Wohlbehagen frißt." Daher hält der Chaos Computer Club vor allem eine Bewußtseinsbildung unter Sicherheitsgesichtspunkten für notwendig. Wesentlicher Kritikpunkt ist, daß Sicherheit in Unternehmen solange deligiert wird, bis letztlich jemand zuständig ist, der keinen Einfluß mehr hat. Sicherheit ist eine Führungsaufgabe. Der einzige Vorteil der Computerviren ist, daß wenn diese die Laptops, und Taschencomputer des Establishments erreichen, endlich auch die Entscheidungsträger sensibilisiert werden. Für Verbraucher empfiehlt sich die regelmäßige Überprüfung des Computers mit VirenScannern, wie sie vom WDR-Computerclub Über Btx kostenfrei angeboten werden und der Einsatz von Prüfsummenprogrammen vor jeder Datensicherung. Häufiger Diskettentausch mit wechselnden Partnern wird sonst schnell zum Risiko. Das Problem mit den Computerviren ist so alt wie der Computer. Der "Michelangelo"-Virus wird von gängigen VirusScannern erkannt. Die Gefahr, die von "Michelangelo" ausgeht, ist nicht, größer, als jene vom Virus "Freitag, der 13te", der eine Woche später - während der CeBIT - aktuell wird. Die derzeitige Berichterstattung scheint nur dem Ziel zu dienen, der Sicherheitsbranche zur CeBIT volle Auftragsbücher zu beschehren. Zumindest die Viren-Experten auf den internationalen Datennetzen haben dem Virus Michelangelo keine besondere Beachtung geschenkt. Er gilt dort nicht als außergewöhnliches Problem. stve & terra & amm |
[Datenschleuder]
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