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Einwohnermeldedaten an Bank weitergegebenGerade eingezogen am neuen Wohnort, einer 5000 Seelen-Gerneinde, erreichte uns das zum Abdruck anonymisierte Werbesehreiben einer Bank. Wie? Der Draht zum Wissen war das Telefon. E. rief die Gemeindeverwaltung an: E.: Guten Tag, ich möchte bitte den hiesigen Datenschutzbeauftragten sprechen. Gesprächspartner (G): WEN bitte? E.: Den Datenschutzbeauftragten. G: Haben wir hier nicht. Um was geht es denn? E.. Nachdem wir uns angemeldet haben, erreicht uns unverständlicherweise als erste Post hier ein Werbeschreiben einer Bank. G.: Ah ja, da verbinde ich Sie mit dem Einwohnermeldeamt. Kleine Wartepause, dann meldet sich Frau R. R.: Guten Tag, Sie wünschen bitte? E.: Guten Tag, Frau R, Können Sie mir sagen, wie es kommt, daß die Volksbank von unserem Einzug hier erfahren konnte? R.: Ja, das haben wir dorthin gemeldet. E.: Wie? Ihre Dienststelle meldet meinen Umzug an eine Bank weiter? R.: Ja, wir haben dafür die Erlaubnis des Bürgermeisters. E.:Aber das geht doch wohl nicht. Das verstößt gegen den Datenschutz. R.:Wir habendafürdie Erlaubnis. Aber ich gebe Ihnen dafür am besten den Bürgermeister. Brgm.:Guten Tag, Herr E., was kann ich fürSie tun? E.: Guten Tag, Herr Bürgermeister. Ihr Einwohnermeldeamt gibt Meldedaten an eine Bank weiter. Das verstößt gegen den Datenschutz. Brgm.: Wir geben nur den Namen und die Adresse weiter, das verstößt nicht gegen den Datenschutz. E.: Ah ja. Wie kann ich denn diese Informationen für meine eigene Firma bekommen? Brgm.: Sie müssen ein berechtigtes Interesse vorweisen. E.: Unser Interesse ist das gleiche, wir wollen auch Geschäfte Mit diesen Leuten machen. Brgm.: Das reicht uns nicht. E.: Warum nicht, die Interessen sind doch dann die gleichen. Brgm.: Bei der Bank ist das wohl etwas anderes. E.: Wenn die Bank Kredite mit zwei bis drei Prozent Zinsen anbieten wollte, wäre das ein soziales Angagement erster Güte. Ein berechtigtes Interesse könnte ich dann auch einsehen. Aber hier handelt es sich doch um die solidesten Unternehmen, die mit interessanten Informationen aus Ihrem Amt versorgt werden, die wir für unsere Firma nicht bekommen können. Das widerspricht sogar eindeutig den Regeln der freien Marktwirtschaft. Brgm.: Sehen Sie, das haben wir schon immer so gemacht. Und es hat sich bisher keiner darüber beschwert. E.: Ja, dann frage ich noch einmal ganz eindeutig, kann ich für unsere Firma - sie will auch in Geschäftsverbindung treten mit neu Zugezogenen - die Namen und Adressen von diesen Leuten bekommen? Wir können dann Teppiche, Gardinen usw, anbieten. Brgm.: Das geht wohl nicht. E.: Wie, bei der Bank geht das doch. Sie haben das erlaubt! Brgm.: Dort liegt auch ein berechtigtes Interesse vor. E.. Nicht mehr oder weniger als bei uns auch. Brgm.: Da gibt es wohl einen Unterschied. E.: Einen Unterschied? Das kann ich nicht gelten lassen. Da bestehe ich dann besser auf meinem Datenschutz. Brgm.: Sie sind der erste, der sich beschwert. E.: Da muß ich entgegenhalten: der Innenminister Zimmermann steht auch hinter dem Datenschutzgesetz. Brgm.: Ja, der Zimmermann, das Datenschulzgesetz hat der doch nur wg. der Volkszählung gemacht. E.: Das stimmt hoffentlich nicht ganz. Tatsache ist doch, daß das Datenschutzgesetz es verbietet, daß Daten auch aus Verwaltungen weitergegeben werden. Und diesem Grundsatz müssen Sie doch erst einmal entsprechen. Brgm.: Ja sicher, personenbezogene Daten. Aber wir geben doch nur die Namen und Adressen an die Bank. E.: Es gibt immer mehr Menschen in Deutschland, die sich darüber aufregen, wie wir hier in der BRD, ähnlich wie in Rußland, uns an- und abmelden müssen. Also unsere Bewegungsfreiheit wird hier kontrolliert und überwacht. Und da melden Sie das sogar an eine Bank. Welches Interesse wird da berücksichtigt? Brgm.:Die Bankhat ein berechtigtes Interesse. Die soll doch schließlich wissen, wenn Leute wegziehen und Verbindlichkeiten hinterlassen. E.: )=?§$()%*'*:_§"$°§"$ Brgm: Ich verstehe Ihre Aufregung nicht. Sie sind wirklich der erste, der sich hier um seinen Datenschutz kümmert. E.:Es ist doch so, es gibt ein Gesetz, gegen das Sie verstoßen, weil sich hier keiner drum kümmert. Es kann doch nicht angehen, daß ein Gesetz von der Verwaltungsseite her nur befolgt wird, wenn ein Bürger dasteht, der das kennt und sein Recht einklagt. Das Gesetz hat Allgemeingültigkeit, damit eben nicht jeder es immer wieder einklagen muß. Brgm.: Gut. Wenn Sie darauf bestehen, werde ich das in Zukunft einstellen. Geben wir die Informationen nicht mehr weiter. Damit können wir das Gespräch dann beenden. E.:Einen letzten Satz will ich dazu noch sagen. Für mich klingt jetzt heraus, daß Sie über eine neue Information verfügen, die mich betrifft und mich, eventuell, auch wieder einschränkt - in derZukunft, meine ich. Sie wissen jetzt, daß ich ein "Verrückter" bin, der seinen Datenschutz einklagt. Ich möchte Sie als Bürgermeister darauf aufmerksam machen, daß Sie das vertraulich zu behandeln haben. Und, jetzt wirklich der letzte Gedanke, durch Ihr ungesetzliches Verhalten das einfache Gesetz 'Datenschutz' betreffend - dieser Schutz von Verwaltungsdaten sollte von Staatsbediensteten selbstverständlich anerkannt sein - stellen Sie den Inhalt dieses Gesetzes auf den Kopf. Anstatt daß der Datenschutz den unkontrollierten Fluß von Daten einschränkt, verfügen Sie nun, was mich persönlich betrifft, über ein weiteres Selektionskriterium. 'E.' verbirgt sich hinter seinem persönlichen Datenschutz. Ich möchte Sie bitten, darüber keine neue Datei anzulegen. Brgm.: Ich verstehe Sie wirklich nicht. Es hat sich noch nie einer beschwert. E.: Dann bin ich der erste. Und wenn es dazu beigetragen hat, daß diese Daten jetzt nicht mehr an die Bank weitergeleitet werden, hat dieses Gespräch sich ja gelohnt. Auch wenn Sie jetzt wissen, was ich für einer bin. Schönen Dank für dieses Gespräch. Brgm.: Bitte, auf wiederhören. E.: Auf wiederhören.
Gedächtnisprotokoll von E. am 10.8.1988 |
[Datenschleuder]
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