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Entschließung zum "Lauschangriff"
44.Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder
am 1./2.Oktober 1992
Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder erklären
(bei Gegenstimme des LfD Bayern):
Nachdem erst vor kurzem mit dem Gesetz zur Bekämpfung der organisierten
Kriminalität die Befugnisse der Strafverfolgungsbehörden erheblich
erweitert worden sind und obwohl über den Erfolg dieser Maßnahmen
noch keine Erfahrungen gesammelt werden konnten, wird gegenwärtig
parteiübergreifend vielfach die Forderung erhoben, der Polizei in bestimmten
Fällen das heimliche Abhören und Herstellen von Bild- und Tonaufzeichnungen
in und aus Wohnungen (sogenannter "Lauschangriff") zu ermöglichen.
- Das Grundgesetz gewährt jedem einen unantastbaren Bereich privater
Lebensgestaltung, der der Einwirkung der öffentlichen Gewalt entzogen ist. Dem
einzelnen muß um der freien und selbstverantwortlichen Entfaltung seiner
Persönlichkeit willen ein "Innenraum" verbleiben, in dem er "sich
selbst besitzt" und "in den er sich zurückziehen kann, zu dem die Umwelt
keinen Zutritt hat, in dem man in Ruhe gelassen wird und ein Recht auf Einsamkeit
genießt" (BVerfGE 27,1 ff.). Jedem muß ein privates Refugium, ein
persönlicher Bereich bleiben, der obrigkeitlicher Ausforschung - insbesondere
heimlicher - entzogen ist. Dies gilt gegenüber Maßnahmen der Strafverfolgung
vor allem deshalb, weil davon auch unverdächtige oder unschuldige Bürger
betroffen sind. Auch strafprozessuale Maßnahmen dürfen nicht den
Wesensgehalt eines Grundrechts, insbesondere nicht das Menschenbild des Grundgesetzes
verletzen.
- Die Datenschutzbeauftragten nehmen die Gefahren, die das organisierte Verbrechen
für die Opfer und auch für die Demokratie und den Rechtsstaat heraufbeschwört,
sehr ernst. Sie sind allerdings der Meinung, daß eine angemessene Abwägung
zwischen der Verfolgung der organisierten Kriminalität und dem Schutz der
Persönlichkeitsrechte der Bürger geboten und möglich ist und es eine
Wahrheitserforschung um jeden Preis auch künftig im Strafprozeßrecht nicht
geben darf. Daraus folgt, daß der Lauschangriff auf Privatwohnungen für
Zwecke der Strafverfolgung auch in Zukunft nicht erlaubt werden darf.
- Eine andere Frage ist, ob und unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber für
Räume, die allgemein zugänglich sind oder beruflichen oder geschäftlichen
Tätigkeiten dienen (z.B. Hinterzimmer von Gaststätten, Spielcasinos, Saunaclubs,
Bordelle), einen Lauschangriff zulassen kann. Hierfür sind Mindestvoraussetzungen ein
eng begrenzter abschließender Straftatenkatalog, die Verwendung der gewonnenen
Erkenntnisse ausschließlich zur Verfolgung dieser Straftaten, ein strikter Richtervorbehalt
sowie die Wahrung besonderer Amts- und Berufsgeheimnisse.
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