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Beschluß zum Lauschangriff in einem PKW

Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes

1 BGs 88/97 Karlsruhe, den 11. April 1997
 
In dem Ermittlungsverfahren
gegen

(...)

wegen

Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung u.a.
 
BESCHLUSS

(...)

Gründe :

  1. Die angeordnete Maßnahme (Einbau einer Anlage zum Abhören und Aufzeichnen des nichtöffentlich gesprochenen Wortes in einem Pkw) ist mit dem Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung, Art. 13 GG, vereinbar. Der von dem Beschuldigten benutzte Pkw unterliegt nicht dem Schutzbereich dieser Bestimmung.

    Dies gilt auch bei der vom Bundesverfassungsgericht vorgenommenen weiten Auslegung (vgl. BVerfGE 32, 54, 69 ff) des Begriffs "Wohnung" in Art. 13 Abs.1 GG, die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für den Bereich strafprozessualer Maßnahmen nach § lOOc StPO übernommen wurde (Beschl. vom 15. Januar 1997 - StB 27/96 - = NJW 1997, 1018 f.). Ein Kraftfahrzeug dient der Fortbewegung des Menschen, nicht seiner "Behausung", seinem Aufenthalt und Wirken. Zu Recht wird deshalb in der Judikatur (LG Stendal NStZ 1994, 566 mit zust. Anm. von Mahnkopf/Döring; LG Freiburg NJW 1996, 3021 f) und Kommentarliteratur (Maunz in Maunz/Dürig, Rn.3c zu Art.13 GG; Herdegen in BK, Rn.29 zu Art.13 GG, jeweils m.w.Nachw.) ein Kraftfahrzeug auch bei extensiver Auslegung nicht unter den Begriff "Wohnung" subsumiert.

  2. Antragsgemäß war auch zu gestatten, den Pkw zum Zwecke des verdeckten Einbaues heimlich zu öffnen. Hingegen konnte die Befugnis nicht eingeräumt werden, den Pkw hierfür gegebenenfalls vorübergehend in eine Werkstatt zu verbringen. Dafür ist eine gesetzliche Grundlage nicht vorhanden.

    1. Eine ausdrückliche strafprozessuale Ermächtigungsgrundlage ist nicht vorhanden. § lOOc Abs.1 Nr.2 StPO ist - wie auch andere vergleichbare Vorschriften - eine unvollkommene Regelung geblieben. In ihr wird zwar der Eingriff in das Recht am gesprochenen Wort beschrieben, doch fehlt eine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung, ob und inwieweit zur Durchführung des Abhörens vorbereitende oder begleitende Maßnahmen zulässig sind, die in sonstige Rechte des Betroffenen oder dritter Personen eingreifen.
    2. Es ist hiernach erforderlich, die Vorschrift des § 1OOc Abs.1 Nr.2 StPO auszulegen; dies führt zum vorbezeichneten Ergebnis.
      Weil der Gesetzgeber mit der Bestimmung das Abhören und Aufzeichnen des (außerhalb einer Wohnung) nichtöffentlich gesprochenen Wortes ermöglichen wollte ist davon auszugehen, daß er konkludent damit auch die Ermächtigung zu solchen Vorbereitungs- und Begleitmaßnahmen erteilt hat, die mit einem solchen Abhören typischerweise unerläßlich verbunden sind (vgl. zu konkludent erteilten Ermächtigungen SK/Rudolphi, vor § 94 StPO, Rn. 35 f).

      Danach allerdings wäre weder das Öffnen noch das Verbringen des Pkw in eine Werkstatt ohne Zustimmung des Eigentümers zulässig. Denn das Abhören nach § lOOc Abs.1 Nr.2 StPO erfordert solche Vorbereitungsmaßnahmen nicht typischerweise. Abgehört werden kann auf vielfältige Weise, beispielsweise durch Richtmikrophone Gespräche auf Wegen, Straßen und Plätzen, durch sog. "Wanzen" auf Parkbänken usw. Das Abhören von Gesprächen in einem Pkw ist nur eine von mehreren Möglichkeiten; § lOOc Abs.1 Nr.2 StPO "liefe nicht leer", wenn mangels zulässiger Vorbereitungsmaßnahmen das Abhören von im Pkw geführten Gesprächen ausscheiden müßte.
      Indessen sind neben den mit dem Vollzug der Norm typischerweise unerläßlich verbundenen Vorbereitungsmaßnahmen auch solche als zulässig anzusehen, die nur geringfügig in den Rechtskreis des Betroffenen eingreifen. Solche Eingriffe können dem Betroffenen im Hinblick auf den hohen Rang des staatlichen Strafanspruchs zugemutet werden. Es kann angenommen werden, daß der Gesetzgeber auch zu diesen stillschweigend ermächtigt hat, als er die (Primär-) Eingriffsbefugnis (hier: die Möglichkeit des heimlichen Mithörens) schuf. Der Begriff "geringfügig" ist dabei im Verhältnis zur Grundrechtsbeeinträchtigung durch die Primärmaßnahme zu definieren. (Nach LR/Schäfer, § 105 StPO, Rn.6 sind zusätzliche Eingriffe beim Gebrauch unvollkommener Ermächtigungen zulässig, wenn das mittelbar verletzte Grundrecht weniger gewichtig ist).

      Daran gemessen ist das heimliche öffnen des Pkw rechtmäßig. Diese Beeinträchtigung des Eigentumsrechtes des Betroffenen erweist sich gegenüber dem durch § 1OOc Abs.1 Nr.2 StPO ermöglichten Eingriff in das Recht am gesprochenen Wort als geringfügig. Dies kann indessen nicht mehr für das auch nur kurzzeitige vollständige Entziehen des Pkw durch Verbringen in eine Werkstatt angenommen werden. Es verbietet sich, für einen derart massiven Rechtseingriff, der mit dem Vollzug der geschriebenen Norm nicht zwangsläufig verbunden ist, eine stillschweigend erteilte Ermächtigung anzunehmen (ebenso im Ergebnis LG Freiburg NJW 1996, 3021 f.).

    3. Die Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte des § lOOc Abs.1 Nr.2 StPO erbringt kein anderes Ergebnis. Die Materialien zum Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität (OrgKG) vom 15. Juli 1992 - BGBl  l, S.1302 ff. -, mit welchem § 1OOc in die StPO eingefügt wurde, enthalten insgesamt keinen Hinweis darauf, zu welchen Vorbereitungs- oder Begleitmaßnahmen beim Vollzug dieser Vorschrift ermächtigt werden sollte.

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 Letzte Änderung:
 am 27.11.1998
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