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Gesetz
zur Änderung der Strafprozeßordnung und der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte
(Gesetz zum Schutz von Zeugen bei Vernehmungen im Strafverfahren und zur Verbesserung des Opferschutzes;
Zeugenschutzgesetz - ZSchG)

Vom 30. April 1998

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1 Änderung der Strafprozeßordnung

Die Strafprozeßordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BOBI. l S. 1074, 1319), zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 24. April 1998 (BGBI. l S. 747), wird wie folgt geändert:

1. Nach §58 wird folgender §58a eingefügt:

„§58a

(1) Die Vernehmung eines Zeugen kann auf Bild-Ton-Träger aufgezeichnet werden. Sie soll aufgezeichnet werden

1. bei Personen unter sechzehn Jahren, die durch die Straftat verletzt worden sind, oder

2. wenn zu besorgen ist, daß der Zeuge in der Hauptverhandlung nicht vernommen werden kann und die Aufzeichnung zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist.

(2) Die Verwendung der Bild-Ton-Aufzeichnung ist nur für Zwecke der Strafverfolgung und nur insoweit zulässig, als dies zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist. § lOOb Abs. 6, §§ 147 und 406e finden entsprechende Anwendung."

2. Nach §68a wird folgender §68b eingefügt:

„§68b

Zeugen, die noch keinen anwaltlichen Beistand haben, kann für die Dauer der Vernehmung mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn ersichtlich ist, daß sie ihre Befugnisse bei der Vernehmung nicht selbst wahr

nehmen können und ihren schutzwürdigen Interessen auf andere Weise nicht Rechnung getragen werden kann. Hat die Vernehmung

1. ein Verbrechen,

2. ein Vergehen nach den §§ 174 bis 174c, 176, 179 Abs. 1 bis 3, §§ 180, 180b, 182, 225 Abs. 1 oder 2 des Strafgesetzbuches oder

3. ein sonstiges Vergehen von erheblicher Bedeutung, das gewerbs- oder gewohnheitsmäßig oder von einem Bandenmitglied oder in anderer Weise organisiert begangen worden ist,

zum Gegenstand, so ist die Beiordnung auf Antrag des Zeugen oder der Staatsanwaltschaft anzuordnen, soweit die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen. Für die Beiordnung gelten § 141 Abs. 4 und § 142 Abs. 1 entsprechend. Die Entscheidung ist unanfechtbar."

3. Nach §168d wird folgender §168e eingefügt:

„§ 168e

Besteht die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für das Wohl des Zeugen, wenn er in Gegenwart der Anwesenheitsberechtigten vernommen wird, und kann sie nicht in anderer Weise abgewendet werden, so soll der Richter die Vernehmung von den Anwesenheitsberechtigten getrennt durchführen. Die Vernehmung wird diesen zeitgleich in Bild und Ton übertragen. Die Mitwirkungsbefugnisse der Anwesenheitsberechtigten bleiben im übrigen unberührt. Die §§ 58a und 241 a finden entsprechende Anwendung. Die Entscheidung nach Satz 1 ist unanfechtbar."

4. Nach §247 wird folgender §247a eingefügt:

„§247a

Besteht die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für das Wohl des Zeugen, wenn er in Gegenwart der in der Hauptverhandlung Anwesenden

vernommen wird, und kann sie nicht in anderer Weise, namentlich durch eine Entfernung des Angeklagten sowie den Ausschluß der Öffentlichkeit, abgewendet werden, so kann das Gericht anordnen, daß der Zeuge sich während der Vernehmung an einem anderen Ort aufhält; eine solche Anordnung ist auch unter den Voraussetzungen des § 251 Abs. 1 Nr. 2, 3 oder 4 zulässig, soweit dies zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist. Die Entscheidung ist unanfechtbar. Die Aussage wird zeitgleich in Bild und Ton in das Sitzungszimmer übertragen. Sie soll aufgezeichnet werden, wenn zu besorgen ist, daß der Zeuge in einer weiteren Hauptverhandlung nicht vernommen werden kann und die Aufzeichnung zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist. § 58a Abs. 2 findet entsprechende Anwendung."

5. Nach §255 wird folgender §255a eingefügt:

„§ 255a

(1) Für die Vorführung der Bild-Ton-Aufzeichnung einer Zeugenvernehmung gelten die Vorschriften zur Verlesung einer Niederschrift über eine Vernehmung gemäß §§ 251,252, 253 und 255 entsprechend.

(2) In Verfahren wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 bis 184c des Strafgesetzbuches) oder gegen das Leben (§§ 211 bis 222 des Strafgesetzbuches) oder wegen Mißhandlung von' Schutzbefohlenen (§ 225 des Strafgesetzbuches) kann die Vernehmung eines Zeugen unter sechzehn .Jahren durch die Vorführung der Bild-Ton-Aufzeichnung seiner früheren richterlichen Vernehmung ersetzt werden, wenn der Angeklagte und sein Verteidiger Gelegenheit hatten, an dieser mitzuwirken. Eine ergänzende Vernehmung des Zeugen ist zulässig."

6. In § 395 Abs. 1, Nr. 1 Buchstabe a werden nach der Angabe „180b" ein Komma eingefügt und die Angabe „und 181" durch die Angabe „181 und 182" ersetzt.

7. §397a wird wie folgt gefaßt: „§ 397a

(1) Auf Antrag des Nebenklägers ist diesem ein Rechtsanwalt als Beistand zu bestellen, wenn die Berechtigung zum Anschluß als Nebenkläger auf § 395 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a oder Nr. 2 beruht und die zum Anschluß berechtigende Tat ein Verbrechen ist. Hat der Nebenkläger bei Antragstellung das sechzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet, so ist ihm ein Rechtsanwalt als Beistand auch dann zu bestellen, wenn die Tat im Sinne des Satzes 1 ein Vergehen ist oder er durch eine rechtswidrige Tat nach § 225 des Strafgesetzbuches verletzt ist. Der Antrag kann schon vor der Erklärung des Anschlusses gestellt werden. Für die Bestellung des Rechtsanwalts gilt § 142 Abs. 1 entsprechend.

(2) Liegen die Voraussetzungen für eine Bestellung nach Absatz 1 nicht vor, so ist dem Nebenkläger für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts auf Antrag Prozeßkostenhilfe nach denselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zu bewilligen, wenn die Sach- oder Rechtslage schwierig ist, der Verletzte

seine Interessen selbst nicht ausreichend wahrnehmen kann oder ihm dies nicht zuzumuten ist. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend. § 114 zweiter Halbsatz und § 121 Abs. 1 bis 3 der Zivilprozeßordnung sind nicht anzuwenden.

(3) Über die Bestellung des Rechtsanwalts und die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe entscheidet das mit der Sache befaßte Gericht. In den Fällen des Absatzes 2 ist die Entscheidung unanfechtbar."

8. In § 406g werden die Absätze 3 und 4 wie folgt gefaßt: „(3) §397a gilt entsprechend für

1. die Bestellung eines Rechtsanwalts und

2. die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts.

Im vorbereitenden Verfahren entscheidet das Gericht, das für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständig wäre.

(4) Auf Antrag dessen, der zum Anschluß als Nebenkläger berechtigt ist, kann in den Fällen des § 397a Abs. 2 einstweilen ein Rechtsanwalt als Beistand bestellt werden, wenn

1. dies aus besonderen Gründen geboten ist,

2. die Mitwirkung eines Beistands eilbedürftig ist und

3. die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe möglich erscheint, eine rechtzeitige Entscheidung hierüber aber nicht zu erwarten ist.

Für die Bestellung gelten § 142 Abs. 1 und § 162 entsprechend. Die Bestellung endet, wenn nicht innerhalb einer vom Richter zu bestimmenden Frist ein Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe gestellt oder wenn die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe abgelehnt wird."

9. In § 406h werden nach der Angabe „(§ 395)" die Wörter „und die Bestellung oder Hinzuziehung eines Rechtsanwalts als Beistand zu beantragen (§ 397a)" eingefügt.

Artikel 2

Änderung der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte

Die Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 368-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 4 Abs. 8 des Gesetzes vom 6. April 1998 (BGBI. l S. 666), wird wie folgt geändert:

1. Die Überschrift des 2. Unterabschnitts des Sechsten Abschnitts wird wie folgt gefaßt:

„Gebühren des gerichtlich bestellten und des beigeordneten Rechtsanwalts".

2. §102 wird wie folgt geändert: a) Die Überschrift wird wie folgt gefaßt:

„Privatklage, Nebenklage, Klageerzwingungsverfahren, Beteiligung des nebenklage-berechtigten Verletzten".

b) Der bisherige Wortlaut wird Absatz 1.
c) Es wird folgender Absatz 2 angefügt:
"(2) Für die Gebühren des Rechtsanwalts, der dem Nebenkläger oder dem nebenklageberechtigten Verletzten als Beistand bestellt wird, gelten die Vorschriften der §§ 97, 98, 99 und 101 sinngemäß. Der Rechtsanwalt kann von dem verurteilen Angeklagten die Gebühren eines gewählten Beistands verlangen; der Anspruch entfällt insoweit, als die Staatskasse nach den §§ 97 und 99 Gebühren gezahlt hat."

Artikel 3
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am 1. Dezember 1998 in Kraft.

Die verfassungsmäßigen Rechte des Bundesrates sind gewahrt.

Das vorstehende Gesetz wird hiermit ausgefertigt und wird im Bundesgesetzblatt verkündet.

Berlin, den 30. April 1998

Der Bundespräsident Roman Herzog

Der Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl

Der Bundesminister der Justiz Schmidt-Jortzig

Der Bundesminister des Innern Kanther

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 Letzte Änderung:
 am 04.12.1998
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