Tätigkeitsbericht 1998
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Jahresbericht 1998
des Berliner Datenschutzbeauftragten

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4.5

Bildung und Wissen

 

4.5.1

Wissenschaft und Forschung

Hochschulautonomie auch in Datenschutzfragen

Das Berliner Hochschulgesetz ermächtigt die Hochschulen über den Rahmen des Hochschulgesetzes und der Studentendatenverordnung hinaus, sich durch Satzung die Befugnis zu geben, weitere erforderliche personenbezogene Daten für Zwecke der Forschung und Lehre zu verarbeiten. Wir berichteten[151] über eine Satzung der Freien Universität Berlin, die für die Nutzer der Datenverarbeitungsressourcen und der Universitätsbibliothek wesentliche Vereinfachungen bringt. Die Humboldt-Universität zu Berlin erwog nunmehr eine Dokumentation von Abschlussarbeiten einer bestimmten Thematik. Derzeit werden diese Arbeiten lediglich bei den Prüfungsämtern für Zwecke der Nachvollziehbarkeit der erbrachten Leistungen gespeichert. Es existiert keine Dokumentation der Verfasser, der Themen und des Inhalts von Diplom- und Magisterarbeiten sowie anderer Abschlussarbeiten. Um diesen bislang brachliegenden Fundus wissenschaftlicher Erkenntnisse öffentlich nutzbar zu machen, kann in einer Satzung geregelt werden, in welchem Umfang, für welche Zwecke insbesondere Übermittlungen, Veröffentlichungen und der Zugriff Interessierter erfolgen dürfen. Wenn von anderen Wissenschaftlern der Wunsch besteht, mit den Autoren in Kontakt zu treten, könnte die Hochschule durch Adressmittlung[152] den Kontakt herstellen. Es ist aber auch vorstellbar, dass Studenten Interesse daran haben, dass ihre Abschlussarbeiten ausschließlich zur Dokumentation ihrer Prüfungsleistung genutzt werden. Zur Wahrung dieser Belange ist in die Satzung eine Widerspruchsklausel aufzunehmen.

Unser Vorschlag wurde an einigen Berliner Universitäten und Hochschulen aufgegriffen. Die behördlichen Datenschutzbeauftragten dieser Einrichtungen haben Anforderungen an eine Mustersatzung erarbeitet. Die spezifischen datenschutzrechtlichen Regelungen der einzelnen Hochschule sollten in möglichst nur einer Satzung zusammengefasst werden. Diese kann dann flexibel den Veränderungen in der Hochschule und ihrer Organisation angepasst, ergänzt oder revidiert werden.

Chipkarten für Berliner Studenten

Die Chipkarten-Projekte im Bereich der Berliner Hochschulen, zu denen wir im Vorjahr zum Stichwort "Der 'gläserne' Student" bereits berichtet hatten[153], sind weiter vorangetrieben worden, ohne dass es bereits zum Einsatz solcher Medien gekommen wäre.

Federführend bei dem Versuch, ein einheitliches Verfahren in den Berliner Hochschulen einzuführen, ist die Technische Fachhochschule Berlin. In Zusammenarbeit mit der Landesbank Berlin und einem Berliner Systemhaus soll ein Studierenden-Ausweis auf der Basis einer Chipkarte mit elektronischer Geldbörse entwickelt werden. Neben der federführenden Fachhochschule kooperieren dabei die Freie Universität, die Humboldt-Universität, die Technische Universität, die Hochschule der Künste, die Fachhochschule für Technik und Wirtschaft und die Fachhochschule für Wirtschaft.

Wir haben zu dem Projekt datenschutzrechtliche und IT-sicherheitstechnische Anforderungen formuliert, die notwendig sind, um den "gläsernen Studenten" sowohl in seiner Rolle als Hochschulangehöriger als auch als Konsument zu verhindern:

  • Das Datenmodell auf der Chipkarte sieht zwei Dateien "Stammhochschule" und "Hochschulzugehörigkeit" vor, die technisch voneinander abgeschottet sind. Die Datei "Stammhochschule" enthält u.a. die Matrikel-Nummer und ermöglicht die Erschließung weiterer Daten und Anwendungen in Hintergrundsystemen von Hochschulen. Dagegen enthält die Datei "Hochschulzugehörigkeit" die Matrikel-Nummer nicht und kann so außerhalb der Hochschulen für den Nachweis der Hochschulzugehörigkeit genutzt werden.
  • Im sichtbaren Bereich enthält die Chipkarte neben den Angaben zum Namen, Vornamen und zur Hochschule ein Lichtbild, einen Barcode zur Benutzung der Bibliotheken sowie einen Thermochronik-Streifen für die Aufnahme änderbarer, lesbarer Angaben zum Gültigkeitszeitraum.
  • Da nach § 6 Abs.7 Berliner Hochschulgesetz die Hochschulen für die Benutzung ihrer Einrichtungen nur Namen, Anschrift und Geburtsdatum verarbeiten dürfen, müssen Hochschulen, die auch die Matrikel-Nummer für diese Zwecke verwenden wollen, dies in einer Satzung zulassen. Eine Nutzung im Personalbereich findet noch nicht statt und bedarf weiterer datenschutzrechtlicher Erörterungen.
  • Die Geldkartenfunktion beruht auf der konto-ungebundenen "White-Card"-Funktion, die absolut anonyme Zahlungen ermöglicht.
  • Fälschungssicherheit und Kartenauthentität werden nach dem Stand der Technik mit Challenge-Response-Verfahren gewährleistet.

Zerstreute Dozenten?

Aufgrund einer Eingabe prüften wir den Umgang mit Studentendaten in Fachbereichs- und Institutssekretariaten einer Hochschule . Uns war mitgeteilt worden, dass von den Studenten zum Teil neben der Angabe von Namen, Vornamen und Matrikelnummer auch die Abgabe eines Fotos gefordert wird, um eine Teilnahmebescheinigung zu erhalten. Wir fanden eine bis in die Jahre 1984/85 zurückreichende Kartei, die überwiegend mit Fotos der Studenten versehen war. Anderen Fachbereichen genügte der Eintrag in eine Liste. Der zuständige Dozent benotete nach Abschluss der Prüfungen oder Praktika die Leistungen und bestätigte dies auf der Liste. Durch das Sekretariat wurden dann die Scheine ausgestellt und vom Dozenten den Studenten übergeben. Ein weiterer Fachbereich nutzte ein perforiertes Blatt, das von den Studenten selbst ausgefüllt wurde. Der Dozent bestätigte die Studienleistung, der obere Teil des Blattes verblieb als Nachweis in den Sekretariaten. Die Studenten holten sich ihre Scheine dann unter Vorlage des Studentenausweises im Sekretariat ab.

Die Hochschule reagierte umgehend auf die von uns festgestellten Mängel und teilte mit einem Rundschreiben den Fachbereichen und Instituten mit, dass ein paralleles Führen von Studentenakten, auch in Form von Karteikarten mit Passfotos, unzulässig ist und durch die Sekretariate lediglich eine Speicherung weniger Daten, wie Namen, Matrikelnummer, Lehrveranstaltung, Dozent und Benotung, zur Dokumentation der Studienleistung erforderlich ist.

Epidemiologie und Datenschutz - Eine Diskussion trug Früchte

Im Mai 1998 fand eine von zunehmendem gegenseitigem Verständnis geprägte Diskussion zwischen Vertretern der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften sowie der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder ihren erfolgreichen Abschluss. Die Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie und der Arbeitskreis Wissenschaft der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder fassten einen gemeinsamen Beschluss[154]. Der Beschluss spiegelt den gegenwärtigen Stand der Diskussion und eine Reihe von Lösungsmöglichkeiten wieder[155]. Der Hessische Datenschutzbeauftragte stellte sein jährliches Datenschutzforum unter das Thema "Forschung und Datenschutz"[156].

Da Epidemiologie und Datenschutz traditionell im Spannungsfeld des Schutzes der Persönlichkeitsrechte der von der Datenverarbeitung Betroffenen und dem wissenschaftlichen Anliegen an der Auswertung von Gesundheitsdaten stehen, wurden im Beschluss rechtliche Rahmenbedingungen für die Forschung definiert. Der Forscher hat zunächst zu prüfen, ob sein Forschungsziel durch die Nutzung vorhandener anonymisierter Daten, beispielsweise die der amtlichen Statistik, erreicht werden kann. Wenn dies nicht der Fall ist, können personenbezogene Daten auf freiwilliger Basis und mit Einwilligung der Betroffenen verarbeitet werden. Nur unter sehr engen Voraussetzungen, die vom Gesetzgeber festzulegen sind, und wenn es keine Alternativen gibt, die für die Betroffenen weniger belastend sind (z.B. Anonymisierungs- bzw. Pseudonymisierungsverfahren), kann es zulässig sein, ohne Einwilligung der Betroffenen Daten zu verarbeiten.

Die mit Lösungsansätzen im Weiteren bei Querschnittserhebungen, Kohortenstudien, retrospektiven Kohortenstudien, Fall-Kontroll-Studien diskutierten Fragestellungen sind folgende:

  • Können die für einen bestimmten Zweck mit Einwilligung der Betroffenen oder auf anderer Grundlage einmal erhobenen Daten auch für die weitere Forschung, also die Bearbeitung neuer Fragestellungen, genutzt werden oder ist dies nur bei erneuter Einwilligung zulässig?
  • Sind die Einzeldaten in jedem Fall nach Beendigung des Forschungsvorhabens zu löschen und gefährdet dies nicht die Nachprüfbarkeit der Forschungsergebnisse?
  • Dürfen Einzeldaten aus verschiedenen Forschungsprojekten zusammengeführt und gemeinsam statistisch ausgewertet werden, insbesondere dann, wenn nur dadurch ausreichend große Fallzahlen erreicht werden können?
  • Wie kann eine Einverständniserklärung so gestaltet werden, dass sie zum einen den Betroffenen ausreichend über die Tragweite seiner Einwilligung informiert und zum anderen die Forschung nicht behindert?
  • Unter welchen Rahmenbedingungen dürfen Daten verschiedener Quellen personenbezogen verknüpft werden? Welche Rolle bei der Sicherung der Anonymität können dabei Treuhänder als vertrauenswürdige Dritte, die diese Verknüpfung ohne Interesse an der Forschung vornehmen, spielen?
  • Welche Rahmenbedingungen müssen erfüllt sein, damit für wissenschaftliche Vorhaben nicht nur zusammen gefasste Statistiken, sondern auch anonymisierte Einzeldaten der amtlichen Statistik unter Wahrung des Statistikgeheimnisses genutzt werden dürfen?
  • Können statistische Einzelangaben dauerhaft archiviert werden, um einen unwiederbringlichen Verlust für die spätere wissenschaftliche Forschung zu vermeiden?
  • Besteht die Möglichkeit, Krankheitsregister (wie z.B. die Krebsregister) zu nutzen, um mit Patienten einer bestimmten gesundheitlichen Exposition in Kontakt zu treten?
Da Studien häufig in mehreren Bundesländern oder bundesweit stattfinden, sind durch die Forscher unterschiedliche datenschutzrechtliche Regelungen zu berücksichtigen. Zur Vereinfachung des Verfahrens wurde vereinbart, dass der Studienleiter sich entweder an den für ihn zuständigen Datenschutzbeauftragten oder den Datenschutzbeauftragten wendet, in dessen Bundesland die zentrale Speicherung der Forschungsdaten erfolgen soll. Dieser wird dann die Stellungnahmen der anderen Datenschutzbeauftragten zu dem Projekt koordinieren.

Statistikgeheimnis wider die empirische Wirtschaftsforschung

Im Juni 1998 veröffentlichten Wirtschaftswissenschaftler ein Memorandum zu Erfolgsbedingungen empirischer Wirtschaftsforschung und empirisch gestützter wirtschafts- und sozialpolitischer Beratung. Neben dem Begehren der Wissenschaftler nach Zugang zu statistischen Daten, die außerhalb der amtlichen Statistik gesammelt werden (beispielsweise durch Bundesministerien, die Bundesbank oder die Bundesanstalt für Arbeit), möchten die Forscher einen unmittelbaren Zugang zu den Einzeldaten der amtlichen Statistik über Unternehmen erhalten. Das Memorandum gab der Diskussion zur Nutzung anonymisierter Einzeldaten der amtlichen Statistik neuen Aufschwung. So wurde beispielsweise vorgeschlagen, Wissenschaftler zeitweise als Mitarbeiter in die statistischen Ämter zu entsenden oder von diesen eine Vertiefung der Auswertung im Auftrag der Wissenschaft zu verlangen. Beide Wege sind problematisch, da sie entweder die Unabhängigkeit der Wissenschaft (Wissenschaftler als Mitarbeiter der statistischen Ämter) beschränken oder den Status der Ämter bezüglich ihrer Neutralität und Objektivität berühren würden. Daher gilt es, Möglichkeiten zu finden, die entweder den Wissenschaftlern faktisch oder total anonymisierte Einzeldatensätze zur Verfügung stellen oder dass durch die Statistik im Auftrag der Wissenschaft noch nicht hinreichend anonymisierte Daten ausgewertet werden können, ohne dass die Wissenschaftler unmittelbar Zugriff auf die Einzeldaten haben (fremdrechnen).

Grundsätzlich abzulehnen ist auch aus datenschutzrechtlichen Erwägungen die geforderte "Überprüfung" der einzelstatistischen Datensätze hinsichtlich ihrer Wahrhaftigkeit und Richtigkeit durch die Wissenschaft. Dies würde der statistischen Geheimhaltung als konstitutives Element der amtlichen Statistik zuwiderlaufen und könnte die Akzeptanz für die Datenerhebungen bei den Betroffenen (Einwohner oder Wirtschaftsunternehmen) erheblich einschränken. Nur wenn die amtliche Statistik insbesondere bei ihren auf Auskunftspflicht beruhenden Datenerhebungen den Betroffenen rechtlich und verfahrenstechnisch abgesichert garantiert, dass die erhobenen Daten unter keinen Umständen mit einem auch noch so schwachen Personenbezug Dritten bereitgestellt werden, ist für diese die "Nachteilsfreiheit" und damit auch ein wesentliches Element der statistischen Geheimhaltung nachvollziehbar. Ohne die Sicherung der "Nachteilsfreiheit" für die Betroffenen würden statistische Ergebnisse schon bei der Erhebung verzerrt werden. Dies ist beispielsweise auch eine Schlussfolgerung aus der Deformation statistischer Erhebungen, wie sie bei politischer Einflussnahme in der DDR zu verzeichnen war.

Das Nierenbehandlungsregister QuaSi-Niere geht in Dauerbetrieb

Die Tragfähigkeit der für das Nierenbehandlungsregister[157] datenschutzrechtlichen Rahmenbedingungen sowie der technischen und organisatorischen Lösungen wird sich ab 1999 neu erweisen müssen. Bislang war das Register als öffentliche Stelle bei der Ärztekammer Berlin angebunden und wurde überwiegend vom Bundesministerium für Gesundheit finanziert. Für dieses Register gibt es nicht wie beispielsweise beim Krebsregister eine für alle Beteiligten bindende Rechtsvorschrift bzw. einen Staatsvertrag, sondern eine auf Konsens beruhende Kooperation der Spitzenverbände der Krankenkassen, Dialyseleistungserbringer und Patientenvertreter. Die Beteiligten haben sich darauf geeinigt, QuaSi-Niere als gemeinnützige GmbH weiterzuführen und zu finanzieren. Damit ist die Kontinuität des Registers gesichert. Die vorliegenden Einwilligungserklärungen der Patienten zur Speicherung und Anonymisierung ihrer Gesundheitsdaten bei QuaSi-Niere bzw. dem Datentreuhänder können nur dann als Grundlage für die Datenverarbeitung herangezogen werden, wenn der datenschutzrechtliche Standard sich nicht verschlechtert. Dies wurde durch Verträge gesichert, in denen sich die QuaSi-Niere GmbH auch dem Berliner Datenschutzgesetz und der Kontrolle durch den Berliner Datenschutzbeauftragten unterworfen hat, um keine Reduzierung der Patientenrechte durch den Wechsel der Trägerschaft von einer öffentlichen Stelle des Landes Berlin in eine private Stelle im Anwendungsbezirk des Bundesdatenschutzgesetzes zuzulassen.

Beispielhaftes aus der Forschung - aber auch etwas Bedenkliches

Weiterhin rege nutzen Wissenschaftler die Möglichkeit, sich vor Beginn ihrer Projekte beraten zu lassen.

Im Rahmen einer "Public Health Studie" soll in einem Berliner Bezirk bei allen Schülern eines bestimmten Jahrganges über einen längeren Zeitraum die Häufigkeit von Zahnunfällen untersucht werden. Dabei sollen anlässlich der jugendzahnärztlichen Untersuchungen in den Schulen Daten erhoben werden.

Für die erste Phase empfahlen wir durch den zahnärztlichen Dienst auf den Erhebungsbögen gesondert zu signieren, ob die Zähne der Kinder Unfallspuren aufweisen. Diese Daten werden dann zu statistischen Tabellen zusammengefasst, so dass einer Übermittlung dieser so anonymisierten Daten datenschutzrechtlich nichts entgegen steht. Bei der nächsten zahnärztlichen Untersuchung im danach folgenden Schuljahr soll den Kindern, bei denen eine neue unfallbedingte Zahnverletzung erkennbar ist, von den Jugendzahnärzten ein Elternbrief und ein Fragebogen übergeben werden, mit dem die Eltern dann freiwillig zu den Wissenschaftlern Kontakt aufnehmen können.

Das Deutsche Zentralregister für kindliche Hörstörungen (DZH) mit Standort am Universitätsklinikum Benjamin Franklin der Freien Universität Berlin ist inzwischen fest etabliert[158]. Meldungen erfolgen zur Zeit von 83 Einrichtungen. Gut 2.500 Patientendatensätze wurden bis heute aufgenommen, monatlich kommen gegenwärtig ca.100 neue dazu.

Da es sich um ein Register Minderjähriger handelt, werden die Patienten bei Erreichen der Volljährigkeit angeschrieben und um ihr Einverständnis zum Verbleib der Daten im DZH gebeten. Bei Ablehnung der weiteren Registrierung im DZH werden die Datensätze gelöscht. Sind Betroffene (z.B. wegen Umzugs) nicht mehr auffindbar, werden deren Datensätze aus dem Gesamtregister herausgenommen, gesondert gesichert gespeichert und nach weiteren ergebnislosen Anschreiben ebenfalls vernichtet.

In den Sommermonaten befragten die Berliner Verkehrsbetriebe rund 110.000 Personen in Berlin und im Brandenburger Umland. Die Adressen wurden nach einem Zufallsverfahren aus den Datenbeständen der Melderegister Berlins bzw. der Umlandverwaltungen ausgewählt. Zurückzusendende Fragebögen enthielten keine Namen, sondern lediglich eine Nummer. Natürlich war die Befragung freiwillig. Um jedoch eine hohe Repräsentativität der Ergebnisse zu erreichen, wurden nach einer gewissen Frist diejenigen, die nicht geantwortet hatten, nochmals um ihre Teilnahme gebeten. Hierfür wurde die Adresse nochmals aktiviert.

Leider sorgte eine andere ebenfalls von den Berliner Verkehrsbetrieben in Auftrag gegebene Befragung für eine gewisse Verwirrung. Im Unterschied zur großen Verkehrsbefragung, die postalisch durchgeführt und worüber auch ausführlich in der Presse berichtet wurde, erfolgte die zweite Datenerhebung durch Interviewer. Dies verwirrte Betroffene, die hier "Trittbrettfahrer" vermuteten, die nicht selten parallel zu großen, auch von der Allgemeinheit akzeptierten freiwilligen Datenerhebungen für mitunter dubiose Zwecke Daten sammeln.

Die BVG teilte uns mit, dass künftig eine zeitliche Nähe von verschiedenen Befragungen vermieden wird.

"Beeinflusst intensive Musikerziehung die Entwicklung von Kindern?"

Diese Frage versuchte eine Forschergruppe des Instituts für Begabtenforschung und Begabtenförderung in der Musik an der Universität Paderborn zu beantworten. Über die gesamte sechsjährige Grundschulzeit seit 1992 wurden 170 Kinder in musikbetonten und anderen Schulen befragt. Anfangs hielten wir es für undurchführbar, über diesen langen Zeitraum hinweg je Kind weit mehr als 10.000 verschiedene Merkmale (von der Messung des Intelligenzquotienten bis zu Musikalitätstests) zu erheben.

Ein Problem war die Akzeptanz der Eltern der Kontrollgruppen aus den nicht-musischen Schulen, die damit rechnen mussten, dass das Ergebnis der Untersuchung lauten könnte, dass durch die Schulwahl der Eltern die geistige, emotionale und soziale Entwicklung ihrer Kinder nicht so weit ist wie bei den anderen Kindern. Es wurde vereinbart, dass die beiden - das Projekt leitende - Wissenschaftler die Datenerhebungen in Berlin selbst durchführten und diese nicht-wechselnden Assistenten überließen. Die Eltern jedes Schülers sollten halbjährlich eine auf das Kind bezogene Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse erhalten und die Möglichkeit haben, in einer individuellen Sprechstunde Fragen zu stellen. Die Daten waren selbstverständlich codiert und wurden dem Lehrer nicht zur Kenntnis gegeben. Somit war für alle Kinder und deren Eltern trotz dieser zusätzlichen Informationen über die Entwicklung der Kinder eine Gleichbehandlung gesichert. Unter diesen Bedingungen, die die Forscher vor Beginn der Datenerhebung auf Elternabenden vorstellten, waren die Erziehungsberechtigten gern zu einer Einwilligung bereit. In den Klassenstufen 1-4 nahmen jeweils fast alle der Eltern die "wissenschaftliche Elternsprechstunde" in Anspruch. Auch in den nachfolgenden Schuljahren wurde dieses Angebot noch von weit mehr als 50% genutzt. Im Juni 1998 wurde das Projekt im Freizeit- und Erholungszentrum (FEZ) in der Wuhlheide mit einem Abschiedsfest beendet. In den verschiedenen, nicht nur musikalischen Programmteilen, nahmen die Schüler die "Gewohnheiten" der Wissenschaftler durch verschiedene Sketche humorvoll aufs Korn. Für die Akzeptanz der Studie sprachen auch verschiedene Anfragen von Eltern, ob es möglich wäre, diese Studie weiterzuführen, indem über die beteiligten Kindern noch Daten aus der Sekundarstufe nacherhoben werden würden.

Unbesungene Helden

Einem diffizilen Kapitel der Deutschen Geschichte nähert sich das Zentrum für Antisemitismusforschung der Technischen Universität Berlin mit ihrem Forschungsprojekt "Rettung von Juden im nationalsozialistischen Deutschland". Es soll untersucht werden, unter welchen Umständen und mit welchen Motiven es gelang, in Berlin etwa 1.500 Juden vor der Deportation und der Ermordung zu retten. Alle noch bekannten Fälle der Rettung von Juden in Deutschland sollen in einer Datenbank zusammengetragen werden. Dies betrifft nicht nur die geehrten und entschädigten Deutschen, die so genannten "Unbesungenen Helden", sondern auch Personen, die von den Geretteten Geld oder andere Gegenleistungen nahmen, selbst die, die als Schmuggler tätig waren oder die Versteckten sexuell oder als Arbeitskräfte ausbeuteten.

Auch wenn der überwiegende Teil der Geretteten wie auch der Retter heute nicht mehr am Leben ist, gilt es, deren auch nach dem Tode nachwirkende Persönlichkeitsrechte sowie Persönlichkeitsrechte der Kinder und anderer Verwandten zu wahren. Dies erfolgt durch technische und organisatorische Maßnahmen, die einen datenschutzgerechten Umgang mit den über 1.500 Akten der Entschädigungsbehörde und den 600 Akten der Innenverwaltung der zur Ehrung vorgeschlagenen "Unbesungenen Helden" sichergestellt. Nach Abschluss der Forschung werden die Akten zur weiteren Aufbewahrung an das Landesarchiv übergeben.

Bedenkliches ...

Anfang des Jahres 1995 wurde ein Berliner Wissenschaftler mit einer Studie zu einer bestimmten Erkrankung beauftragt. Über verschiedene Ärzte wurden bundesweit Personen angeschrieben, deren bisherige Befunde für das Vorliegen der zu untersuchenden Krankheit sprachen. Den Probanden wurde versprochen, sämtliche Befunde und Ergebnisse mit ihnen und den behandelnden Hausärzten ausführlich zu besprechen. Als nach einer ersten internen Vorstellung der Testergebnisse, und einer nachfolgenden Presseerklärung Zweifel an der Solidität der durchgeführten Studie sowohl bei Berufskollegen als auch bei den Probanden aufkam, widersprachen einige Probanden der weiteren Auswertung ihrer Daten, also auch einer weiteren anonymisierten Auswertung der Testergebnisse und baten um die Herausgabe von Kopien der Einzelbefunde und Tests. Da dies mit einer erheblichen Verzögerung und zunächst nicht vollständig erfolgte, wurden wir Ende des Jahres 1997 um Unterstützung gebeten.

Die Verweigerung der Herausgabe von Befunden einschließlich der Testprotokolle durchgeführter Untersuchungen entbehrt jeglicher Rechtsgrundlage.

Uns wurde zugesichert, dass den Probanden auch Kopien der sie betreffenden Unterlagen übersandt werden. Diese waren zunächst mit den Unterlagen anderer Probanden verwechselt worden. Aus diesem Fall lassen sich Schlussfolgerungen für künftige Studien ziehen. Wissenschaftliche Untersuchungen, insbesondere wenn sie wie diese mit einem Krankenhausaufenthalt verbunden sind, sollten zunächst durch eine umfassende Information und die Zusicherung von Rechten und einzuhaltender Pflichten um die Einwilligung der Probanden werben. Die informierte schriftliche Einwilligung, die den Zweck der Studie, die durchzuführenden Untersuchungen, die Nutzung und Übermittlung der Ergebnisse sowie die Veröffentlichung umfassend vorschreibt, ist unerlässlich. Sie stellt zudem sicher, dass auch bei möglichen Zweifeln die wissenschaftlichen Ergebnisse sachlich diskutiert werden können. Unsere Erfahrungen bestätigen, dass es von den Probanden honoriert wird, wenn der die Studie leitende Wissenschaftler mit ihnen persönlich in Kontakt tritt und dessen kontrollierende Einflussnahme spürbar ist.

... und Nachahmenswertes

Im März 1998 gab die Medizinische Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Empfehlungen der Kommission "Verantwortung in der Forschung" heraus, in denen die Verantwortung der Wissenschaftler sowohl bezüglich ihrer wissenschaftlichen Ergebnisse als auch gegenüber den Probanden dargelegt werden. Selbstverpflichtungen der wissenschaftlich Forschenden dürften künftig an Bedeutung gewinnen und damit die Akzeptanz der Forschung wesentlich erhöhen.

4.5.2  Schule

Integration von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf

In der Stellungnahme zum Jahresbericht 1996 teilte der Senat mit, dass an einer Rechtsverordnung zur sonderpädagogischen Förderung (FörderVO), in der datenschutzsichernde Regelungen integraler Bestandteil sein werden, gearbeitet wird[159]. Obwohl wir bereits im Jahresbericht 1995[160] eine derartige Regelung angemahnt haben, erhielten wir erst Ende des Jahres 1998 von einem Verordnungsentwurf Kenntnis. Dieser Verordnungsentwurf ist nicht unproblematisch, da er durch die Gliederung der Förderschwerpunkte und Ziele der sonderpädagogischen Förderung eine "Katalogisierung" der zu fördernden Schüler mit sich bringen könnte. Als Förderschwerpunkte, die jeweils gesondert behandelt werden, sind bezeichnet: Sehen, Hören, körperliche und motorische Entwicklung, Sprache, Lernen, geistige Entwicklung sowie emotionale und soziale Entwicklung (Verhalten). Wir haben uns bereit erklärt, an einer Lösung mitzuarbeiten, die ein schematisches die Persönlichkeitsrechte verletzendes Vorgehen ausschließt. Die datenschutzrechtlichen Regelungen im Verordnungsentwurf wie beispielsweise über die Schulwegbeförderung von Kindern mit Behinderungen bilden zusammen mit der Schuldatenverordnung einen zusammenhängenden und gut ausgestalteten Komplex.

Zu begrüßen ist, dass das Landesschulamt im Vorgriff auf die Förderverordnung verbindlich einheitliche Formulare für die sonderpädagogischen Förderbögen und das Förderausschussverfahren vorschreibt.

Datenschutz im Internat - eine Lösung in Sicht

Nachdem wir[161] in einem Internat erhebliche datenschutzrechtliche Mängel vorfanden und diese zweimal beanstandeten, begann die Senatsschulverwaltung mit Arbeiten an einer Musterinternatsordnung. Wir boten unsere Beratung an und machten Vorschläge für einen Internatsvertrag und eine Haus- und eine Internatsordnung. Nach Diskussion dieser Entwürfe unter den Internatsleitern wurden mit Beginn des Schuljahres 1998/99 für die unmittelbar dem Landesschulamt unterstellten Berliner Schulinternate diese Musterunterlagen vorläufig für verbindlich erklärt.

Ab 1999 - endlich ein einheitlicher Fragebogen für die Einschulungsuntersuchungen

Während der Jahresbericht 1997[162] erschien, wurden in Berlin die Einschulungsuntersuchungen durch die Jugendgesundheitsdienste der Bezirke durchgeführt. Trotz einiger Korrekturen an den Erhebungsbögen wurden nach wie vor von den 23 Bezirken fünf verschiedene Fragebögen genutzt. Insbesondere die Verknüpfung von Schulreifeuntersuchung und Gesundheitsberichterstattung, die für die Eltern kaum erkennbar war, führte wiederum zu einer Reihe von Anfragen und Beschwerden. Im Herbst 1998 einigten sich die Jugendgesundheitsdienste der Bezirke auf einen einheitlichen Erhebungsbogen und ein Anschreiben, das die Eltern auf die unterschiedlichen Verwendungszwecke der Daten und die Freiwilligkeit bezüglich der ausschließlich für die Gesundheitsberichterstattung und nicht für die Einschulungsuntersuchung benötigten Angaben hinweist und sie um ihre schriftliche Einwilligung bittet.

4.5.3  Statistik

Volkszählung 2001 - Ein Methodenwechsel oder eine Notlösung?

Bundesweit rangen die amtlichen Statistiker im vergangenen Jahr um eine Lösung für die Anforderungen der EU an einen gemeinschaftsweiten Zensus im Jahre 2001. Im August 1998 wurde der Bericht einer Arbeitsgruppe von Bund und Ländern vorgelegt. Es galt, einem Auftrag der Innenministerkonferenz entsprechend, Modelle für einen rechnergestützten Zensus zu entwickeln, der einen Paradigmenwechsel von einer primärstatistischen Totalerhebung (unmittelbare Befragung der Bevölkerung) zu einem registergestützten System ermöglichen soll. Wichtigstes Ergebnis ist, dass ein auf den Melderegistern und anderen vorhandenen Datenbeständen aufsetzender Zensus noch nicht mit einer herkömmlichen Volkszählung vergleichbare und inhaltlich gleichwertige Ergebnisse liefern wird.

Im Jahresbericht 1997[163] erläuterten wir die beiden unterschiedlichen als Bundes- bzw. Ländermodell bezeichneten Ansätze. Wichtigster Unterschied ist, dass beim Bundesmodell verschiedene Datenbestände, wie die Melderegister oder die Beschäftigtendatei der Bundesanstalt für Arbeit, ergänzt um den Mikrozensus, nebeneinander ausgewertet und nicht personenbezogen verknüpft werden. Im Unterschied dazu ist beim Ländermodell eine personenbezogene Zusammenführung von Einzeldatensätzen zu einer Volkszählungsdatei vorgesehen. Das Ländermodell soll einen Grundstock für den Aufbau kommunaler Gebäude- und Wohnungsregister bilden, die dann wiederum durch eine Verknüpfung mit anderen Registern wie dem Melderegister den Einstieg in eine permanente Registerstatistik sowohl auf der Ebene des Bundes und der Länder als auch der Kommunen erlauben würden.

Beide Modelle bringen zwar eine geringere Belastung der Bürger durch die nicht in jedem Fall notwendige Befragung mit sich, verlangen jedoch eine erhebliche Akzeptanz und auch eine Auskunftspflicht für jeden. So ist es beispielsweise erforderlich, dass bei der Überprüfung von Mehrfachfällen (z.B. Doppelungen in den Melderegistern bei fehlender Abmeldung) sowie bei Differenzen zwischen der Gebäude- und Wohnungszählung und den Melderegistern (bewohnte Adressen) die betroffenen Personen angesprochen werden müssen. Eine Akzeptanz der Betroffenen ist hier nur zu erwarten, wenn transparent gemacht wird, dass es sich ausschließlich um statistische Feststellungen, ohne Nachteile oder Konsequenzen für den einzelnen Einwohner, handelt. Mit der Durchführung eines solchen Zensus wird also der Inhalt der Melderegister nicht verändert; Korrekturen erfolgen nur in den ausschließlich für statistische Zwecke zusammengeführten Dateien der statistischen Landesämter und des Statistischen Bundesamtes. Für welches Modell auch immer sich der Bundesgesetzgeber in den nächsten Monaten entscheiden wird, die Diskussion über die Nutzung von Verwaltungsregistern für statistische Zwecke und ihre mögliche Zusammenführung zu Statistikregistern ist noch lange nicht abgeschlossen. Aus datenschutzrechtlicher Sicht sollten Wege gefunden und erprobt werden, bei denen Erfahrungen der vergangenen Jahre mit der Pseudonymisierung von Angaben sowie Datentreuhändermodellen berücksichtigt werden. So könnte beispielsweise der Gesetzgeber zunächst für den Zensus 2001 eine einfache Variante bundesweit vorschreiben, zugleich aber punktuell und stichprobenhaft neue Methoden, wie sie im Ländermodell vorgeschlagen werden, erproben lassen.

Durch die Vorgabe, einen registergestützten Zensus durchzuführen, werden allerdings die Grundsätze der Neutralität, Objektivität und wissenschaftlichen Unabhängigkeit der Amtlichen Statistik erheblich berührt. Es besteht nach wie vor die Gefahr, dass mit dem Zensus 2001 Verfahren gewählt werden, die nicht zu einem geeigneten Ergebnis führen können. Damit wäre der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht verhältnismäßig, so dass eine derartige Erhebung datenschutzrechtlich als unzulässig anzusehen wäre.

Bei der Zusammenführung von Einzeldatensätzen, wie sie im Ländermodell vorgesehen sind, könnte die Eingriffstiefe durch eine Pseudonymisierung wesentlich abgemildert werden. Dies könnte dadurch geschehen, dass die Erhebungsmerkmale der zu verknüpfenden Einzeldatensätze erst verarbeitet werden, wenn durch den Abgleich der Hilfsmerkmale eine 1:1-Zuordnung erfolgt ist und die Hilfsmerkmale getrennt gespeichert und verarbeitet werden. Aus den Hilfsmerkmalen könnte ein Pseudonym erzeugt werden, mit dem es möglich wäre, wiederum die Einzeldatensätze der Erhebungsmerkmale ohne die unmittelbar auf die Person zeigenden Hilfsmerkmale zu verknüpfen.

Erhebungen für DIE Statistik?

Immer wieder begegnen uns bei Prüfungen oder im Zusammenhang mit Eingaben Datenerhebungen, die angeblich für "DIE Statistik" erforderlich seien. Manchmal kann kaum jemand in den geprüften Behörden erläutern, auf welcher Rechtsgrundlage von ihnen nichtanonymisierte und damit personenbezogene Daten erhoben und an eine Aufsicht führende Behörde übermittelt werden. Gemeinsam ist diesen Datenerhebungen, dass der Empfänger dieser Daten nicht das Statistische Landesamt ist. Mitunter wird noch darauf verwiesen, dass es sich um eine Geschäftsstatistik oder eine Statistik im Verwaltungsvollzug handele.

Das System der amtlichen Statistik umfasst EG-Statistiken, Bundesstatistiken, Landesstatistiken sowie Statistiken im Verwaltungsvollzug. Nach heute üblichen Definitionen ist Statistik der Inbegriff aller Methoden zur Gewinnung und Analyse empirischer Daten. Mit einer Statistik werden keine Aussagen über einzelne Individuen, sondern über Gesamtheiten (Kollektive) gemacht. Diesen Aussagen liegt ein theoretisch fundiertes Modell zugrunde, das dynamisch auf Veränderungen bei "Massenerscheinungen" reagiert und angepasst wird. Ziel ist es, quantitative und qualitative Veränderungen von "Massenerscheinungen" abzubilden. Die Statistik, darf nicht auf die Identifizierung der Einzelerscheinung (einschließlich der einzelnen Person) gerichtet sein. Eine Zweckbindung bei der Verwendung dieser Daten gibt es nicht. Die Statistik produziert "Zahlen für alle". Dies ist verfassungsrechtlich nur hinnehmbar, wenn die die Statistik aufbereitende Stelle besondere Vorkehrungen zur Wahrung des Statistikgeheimnisses trifft. Dies wird sowohl durch die Abschottung der Statistikstelle nach außen als auch durch die frühstmögliche Anonymisierung gesichert. Die Unterscheidung nach Erhebungs- und Hilfsmerkmalen erlaubt die frühstmögliche Anonymisierung über die Vernichtung der Hilfsmerkmale.

Erhebungsmerkmale sind die Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse, die für die statistische Auswertung bestimmend sind. Dies können qualitative Merkmale, wie beispielsweise männlich oder weiblich, oder quantitative Merkmale, wie die Anzahl der Beschäftigten eines Unternehmens, sein.

Hilfsmerkmale hingegen dienen der technischen Durchführung der einzelnen Statistik. Sie werden lediglich für die Aufbereitung benötigt, um die Plausibilität durch Rückfragen beim Betroffenen oder bei der Stelle zu ermöglichen, die die Daten über die Betroffenen speichert (Sekundärstatistiken). Danach sind diese Hilfsmerkmale nicht mehr erforderlich und können von den anderen Daten getrennt und dann gelöscht werden. Häufig ist auch dann noch eine Deanonymisierung möglich. Um dies zu verhindern, sind die Statistikstellen nach außen hin abgeschottet und Empfänger der Statistiken erhalten nur zusammengefasste Daten, die keinen Rückschluss auf das Individuum mehr erlauben.

Etwas anders verhält es sich bei den Statistiken im Verwaltungsvollzug. Nach dem Landesstatistikgesetz[164] sind Statistiken im Verwaltungsvollzug Statistiken, die durch die Aufbereitung von Daten entstehen, die aufgrund nichtstatistischer Rechts- oder Verwaltungsvorschriften oder auf sonstige Weise bei den Verwaltungsstellen Berlins anfallen. Dazu gehören Geschäfts- und Registerstatistiken.

Geschäftsstatistiken liegen dann vor, wenn sich die statistische Bearbeitung der Daten zweckmäßigerweise nicht vom Geschäftsgang trennen lässt. Von Registerstatistiken wird gesprochen, wenn die Daten in automatisierten Verwaltungsregistern oder Dateien enthalten sind.

Für diese Statistiken ist nach dem Landesstatistikgesetz die Verwaltung zuständig, bei der die Daten des Verwaltungsvollzugs anfallen oder vorliegen. Statistiken im Verwaltungsvollzug dienen in erster Linie der Dokumentation des Umfangs der eigenen Tätigkeit der Verwaltungsstelle und damit eigenen (Planungs-)Zwecken. Zumeist sind sie Fallauszählungen. Nach Abschluss eines Vorganges wird z.B. auf einem gesonderten Blatt unter der Rubrik "abgeschlosse Vorgänge" ein Strich gemacht und am Monatsende die Anzahl der abgeschlossenen Vorgänge zusammenzählt. Die gewonnene Zahl erlaubt Nutzern der Statistik keinen Rückbezug auf den einzelnen bearbeiteten Vorgang.

Mit einer Statistik nichts zu tun hat die Erhebung personenbeziehbarer Einzeldatensätze. Die Hilfsmerkmale, wie der Name und das Aktenzeichen, die der Identifizierung des Individuums bzw. des Einzelvorganges dienen, sind für eine statistische Aufbereitung nicht erforderlich und damit nicht in die Statistik aufzunehmen. Eine z.B. als "Eingangsstatistik" bezeichnete personenbezogene Liste aller eingegangenen Anträge stellt keine Statistik dar. Es handelt sich damit um keine statistische Auszählung von Fallzahlen. Bei der Weitergabe derartiger Listen würden personenbezogene Daten unzulässig übermittelt werden[165].

Der Landesgesetzgeber hat lediglich in einem Ausnahmefall zugelassen, dass personenbezogene Datensätze zum Zwecke der Erstellung einer Statistik im Verwaltungsvollzug übermittelt werden. Das Statistische Landesamt darf im Auftrag anderer Behörden nichtanonymisierte Einzeldaten zur Erstellung einer Statistik im Verwaltungsvollzug erhalten und verarbeiten. Herr der Daten bleibt jedoch, im Unterschied zu einer Bundes- oder Landesstatistik, die jeweilige Verwaltung. Das Statistische Landesamt darf nur im Rahmen der Anordnung der auftraggebenden Stellen der Verwaltung und mit den von ihr zur Verfügung gestellten Daten Aufbereitungen durchführen und statistische Ergebnisse veröffentlichen. Ein Beispiel ist die polizeiliche Kriminalitätsstatistik.

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