Jahresbericht 1998
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4.3 Justiz und Finanzen |
4.4 |
Sozialordnung |
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4.4.1 |
Arbeitnehmer und öffentliche Bedienstete |
Routineabfragen bei der SCHUFA als Präventivmaßnahme "psychologischer Natur"
Durch Zufall erfuhr ein Mitarbeiter eines bekannten Unternehmens, dass sein Arbeitgeber Auskünfte bei der SCHUFA GmbH eingeholt hatte. Darüber hinaus stellte sich in der Folgezeit heraus, dass solche Anfragen bei allen Arbeitnehmern einer bestimmten Filiale durchgeführt wurden und dies im Übrigen auch in allen Arbeitsverträgen (außer dem des Petenten) so geregelt war. Diese Vorgehensweise wurde vom Unternehmen damit begründet, dass es in dieser Filiale in der Vergangenheit zu erheblichen Diebstählen gekommen sei und diese Maßnahme insoweit eine "reine Präventivmaßnahme psychologischer Natur vor dem Hintergrund der Eigentumssicherung innerhalb des Unternehmens" darstelle. Im Übrigen würden SCHUFA-Auskünfte grundsätzlich unter Einbindung des/der Betroffenen erfolgen, die vorliegend reklamierte Angelegenheit sei ein bedauerlicher Einzelfall.
Nach dem Vertrag zwischen der Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung GmbH (SCHUFA) und den am Verfahren beteiligten Unternehmen und Banken dürfen Einzelhandelsunternehmen ausschließlich bei Konsumentenkrediten Auskünfte bei der SCHUFA einholen, nicht dagegen zur Überwachung von Mitarbeitern (1.3.2. des Vertrages zur technischen Abwicklung des SCHUFA-Verfahrens). Die beim Arbeitsverhältnis durch Gesetz oder von der Rechtsprechung etwa im Zusammenhang mit dem Fragerecht des Arbeitgebers entwickelten Informationssperren sind auch nicht mit einer Einwilligung des Arbeitnehmers zu überwinden. Dies kann auch nicht durch eine so Selbstauskunft des Arbeitnehmers umgangen werden.
Das Unternehmen hat mitgeteilt, die in den Arbeitsverträgen bisher obligatorischen Passagen zur SCHUFA-Auskünften nicht mehr zu verwenden und diese auch in den Altverträgen zu streichen.
Ein ehemaliger Mitarbeiter eines großen Unternehmens benötigte zur Vorbereitung und zur Vervollständigung seiner Unterlagen für seinen Antrag auf Altersrente eine Aufstellung über die Brutto-Jahresgehaltssummen für einen zurückliegenden Zeitraum von ca. 20 Jahren. Der Petent stützte sein Begehren auf § 18c Abs.2 Sozialgesetzbuch IV (SGB IV), wonach ein gesetzlicher Anspruch auf eine solche Bescheinigung über das tatsächliche Arbeitseinkommen unabhängig davon besteht, ob die BfA diese Summen aktuell zur Rentenberechnung benötigt oder nicht. Soweit dies nicht gilt, bestehe zumindest der allgemeine Auskunftsanspruch (§ 34 BDSG). Das Unternehmen wies den Wunsch des Petenten mit der Begründung zurück, die angeführten gesetzlichen Regelungen könnten hier nicht angewendet werden, da sich diese Bestimmungen nur auf das letzte Kalenderjahr und § 34 Abs.1 BDSG sich nur auf EDV-mäßig gespeicherte Daten beziehe.
Der sozialrechtliche Anspruch ist tatsächlich auf das letzte Kalenderjahr begrenzt. Ein Auskunftsrecht ergibt sich aber sowohl aus dem Bundesdatenschutzgesetz als auch aus dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Nach § 34 Abs.1 BDSG kann der Betroffene Auskunft verlangen über die zu seiner Person gespeicherten Daten. Zwar gilt das Bundesdatenschutzgesetz nur für personenbezogene Daten in oder aus Dateien und nicht für Akten. Nach § 27 Abs.2 BDSG kommt diese Vorschrift in diesem Fall dennoch zur Anwendung, da der Petent geltend macht, die gewünschten Daten lägen heute zwar nicht mehr automatisiert vor, jedoch wisse er aus seiner Zeit als ehemaliger EDV-Projektant, dass dies früher der Fall gewesen sei. Ein Anspruch auf Einsichtnahme besteht auch nach § 83 BetrVG. Auch ausgeschiedenen Mitarbeitern steht das personalaktenrechtliche Einsichtsrecht zu; dies begründet als Minus auch einen Auskunftsanspruch.
Auch eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Kaiserslautern zur Erteilung von Lohnbescheinigungen kann hier übertragen werden. Danach folgt die Pflicht des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer eine besondere Bescheinigung über die Höhe seines Lohnes auszustellen, aus der allgemeinen, aus § 242 BGB abzuleitenden Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Der Arbeitnehmer muss lediglich darlegen, dass er zu einem bestimmten Zweck eine bestimmte Lohnbescheinigung benötigt, z.B. für die Erlangung eines Bankkredits. Bei Vorliegen des berechtigten Interesses ist der Arbeitgeber auch dann zur Erteilung besonderer Lohnbescheinigung verpflichtet, wenn dies zu verwaltungsmäßigem Mehraufwand gegenüber EDV-erstellten Lohnabrechnungen führt[130].
Das Unternehmen hat dem Petenten schließlich die gewünschte Auskunft erteilt.
Personaldaten und Verwaltungsreform
"Keine Verwaltungsreform ohne Datenzugriff" - so hatten wir im vergangenen Jahr unsere Abhandlung zur DV-gestützten Kosten- und Leistungsrechnung in der Berliner Verwaltung überschrieben[131]. In diesem Jahr mussten wir feststellen, dass das hierfür eingesetzte Verfahren eine Fehlfunktion enthielt, die den unkontrollierten Zugriff auf sensible Mitarbeiterdaten durch unberechtigte Dritte ermöglichte.
Die in der Einführung befindliche Kosten- und Leistungsrechnung soll dazu dienen, Transparenz über die Kosten des Verwaltungshandelns zu gewinnen. In diesem von der Software ProFISKAL im Rahmen der Neukonzeption des automatisierten Haushaltswesens unterstützten Verfahren werden daher auch personenbezogene Daten der Beschäftigten verarbeitet, um die jeweiligen Personalkostenanteile an den einzelnen Verwaltungsleistungen ermitteln zu können[132]. Bei diesen Daten handelt es sich sowohl um "Stammdaten", die unter anderem die Eingruppierungssätze der einzelnen Beschäftigten umfassen, als auch um "Bewegungsdaten", die sich aus der laufenden Arbeit als Buchungssätze ergeben.
Das Einrichten und die Pflege der Personalstammdaten sowie das Buchen von Bewegungsdaten aus der Zeitstatistik werden von eigens dafür geschulten "Sachbearbeitern Kostenrechnung" für deren jeweiligen Zuständigkeitsbereich wahrgenommen. Systemseitig ist hierfür eine Zugriffsbeschränkung der Anwender vorgesehen, die auf einer Zuordnung der Nutzerrechte auf "Ident-Gruppen" basiert. Den Sachbearbeitern Kostenrechnung soll der Datenzugriff hierdurch nur für den Bereich ihrer Kostenstelle ermöglicht sein. Die Struktur der Kostenstellen folgt dabei zumeist der bezirklichen Ämterstruktur.
Diese Zugriffsbeschränkung gilt lediglich im Fall der Bewegungsdaten. Der Zugriff auf die Personalstammdaten - und damit auf die Eingruppierungsdaten der Beschäftigten - war den Sachbearbeitern Kostenrechnung jedoch kostenstellenübergreifend für den Bereich des gesamten Bezirksamtes möglich. Um diese programmseitige Fehlfunktion der Nutzerberechtigung auszulösen, bedurfte es lediglich eines Vertippens bei der Eingabe der Kostenstellennummer, der gezielten Eingabe einer organisationsfremden Nummer oder des Einsatzes eines ' * ' als "Joker" bei der Suche; letzteres stellt bei der Arbeit unter ProFISKAL eine gebräuchliche Funktion dar, die auch in den einschlägigen Schulungen vermittelt wird.
Durch diese Fehlfunktion hatten die "Sachbearbeiter Kostenrechnung" ämterübergreifend einen lesenden und schreibenden Zugriff auf sämtliche Eingruppierungsdaten aller Beschäftigten des jeweiligen Bezirksamtes. Eine Zuordnung der Eingruppierungen auf die jeweiligen Mitarbeiter ist dabei aus so genannten "Identen" ersichtlich. Als Identifikationsmerkmal wurden überwiegend die Stellenzeichen, teils gar unmittelbar die Namen der Beschäftigten gewählt. Wäre - wie ursprünglich in einzelnen Bezirksverwaltungen geplant - tatsächlich die Personalnummer als Ident zum Einsatz gelangt[133], wäre dieser Schlüssel zu sämtlichen Personaldaten der jeweiligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch den beschriebenen Programmfehler in unzulässiger Weise und unkontrolliert dem potentiellen Zugriff sämtlicher - also auch der organisationsfremden - Sachbearbeiter Kostenrechnung ausgesetzt gewesen.
Recherchen bei der Senatsverwaltung für Finanzen, die für die Einführung der KLR-Software verantwortlich ist, ergaben, dass diese Fehlfunktion auch anhand der Testdatenbank nachvollziehbar war und dass der beschriebene Programmfehler mindestens seit Mitte August 1997 bekannt war. Gleichwohl wurde das Programm anschließend in weiteren Verwaltungen, u.a. auch bei der Senatsverwaltung für Finanzen selbst, eingesetzt.
Eingruppierungsdaten der Beschäftigten gehören zu den besonders geschützten Personalaktendaten i.S.d. §§ 56 f. Landesbeamtengesetz (LBG), die analog auch auf Angestellte und Lohnempfänger anzuwenden sind. Diese Daten sind nach § 56 Abs.1 Satz 1 LBG vor unbefugter Einsicht zu schützen. Bei der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten ist zu gewährleisten, dass die zur Benutzung eines Datenverarbeitungssystems Berechtigten ausschließlich auf die ihrer Zugriffsberechtigung unterliegenden personenbezogenen Daten zugreifen können (§ 5 Abs.3 Nr.5 BlnDSG).
Künftig ist eine Überprüfung der Zugriffsberechtigungen in die Prüfkonzepte aufzunehmen, so weit mit entsprechenden Programmen personenbezogene Daten verarbeitet werden.
Mitte Oktober 1998 wurde die überarbeitete Programmversion von ProFISKAL den Bezirken zur Verfügung gestellt; in dieser Programmversion tritt der beschriebene Fehler nicht mehr auf.
Ein Frauenarzt lud mit offener Postkarte seine Patientin zur "Weiterbehandlung im Laufe der nächsten Woche zur Krebsvorsorgekontrolle" in seine Sprechstunde ein. Der Zufall wollte, dass die Nachricht im falschen Briefkasten landete. Wiederholt wurde von Patienten auch auf offen ausliegende Patientenkarteikarten auf dem Tresen des ärztlichen Empfangsraumes hingewiesen.
Der Vorfall sowie andere Nachlässigkeiten im Praxisbetrieb niedergelassener Ärzte veranlassten uns, bei der Ärztekammer anzuregen, dass sie im Rahmen ihrer Aufgaben Ärzte verstärkt auf die Wahrung der ärztlichen Schweigepflicht auch beim alltäglichen Praxisbetrieb hinweist. Die Ärztekammer hat daraufhin nicht nur einen Beitrag zum Datenschutz in ihrer Verbandszeitschrift "Berliner Ärzte" veröffentlicht, um "praxisblinde" Berufskollegen auf die Bedeutung des Vertrauensverhältnisses mit den Patienten hinzuweisen. Sie hat auch die Zusage gegeben, etwaigen Verstößen gegen die Schweigepflicht der Ärztlichen Berufsordnung mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln entgegenzutreten.
Ein Gesundheitsamt befindet sich im oberen Teil eines Hochhauses, der durch Fahrstuhl und Treppenhaus zu erreichen ist. Der an das Treppenhaus und den Fahrstuhl angrenzende Flurbereich ist zugleich Warteraum und Archiv für die Krankengeschichten und sonstigen Patientenunterlagen. Bei einer der Überprüfung konnten wir ungestört über einen langen Zeitraum hinweg aus den leicht zu öffnenden Hängeordnern beliebig viele Patientenakten herausnehmen und durchblättern, bis schließlich eine Mitarbeiterin hierauf aufmerksam wurde.
Eine unangekündigte Prüfung bestätigte, dass die Mängel unverzüglich beseitigt wurden. Der Erfolg dieser Überprüfung war so groß, dass das Gesundheitsamt wenig später in seinen neu bezogenen Diensträumen um eine weitere datenschutzrechtliche Überprüfung bat, um nun vom Amt selbst erkannte datenschutzrechtliche Mängel bei der Gestaltung der Räume und der Aktenverwahrung besser beheben zu können.
Krankenhaus oder Bahnhofshalle
Die Patienten eines Krankenhauses wunderten sich nicht schlecht, als in ihren Krankenzimmern und in den Warteräumen aus einer zentralen Lautsprecheranlage Aufrufe ertönten wie: "Herr Schmidt, Herr Müller, Herr Meier und Frau Schulze, bitte nach vorne kommen" oder "Herr Schmidt, Herr Müller, Herr Meier und Frau Schulze, bitte zum Ultraschall nach vorne kommen", oder "Frau Müller und Frau Schmidt, bitte zum Verbandswechsel erscheinen!". Umso schockierter waren sie, als diese Ausrufe sich nicht nur auf ihr eigenes Krankenzimmer bzw. Wartezimmer beschränkten, sondern zumindest auf der ganzen Etage zu hören waren.
Da nach dem Landeskrankenhausgesetz das Krankenhaus zu gewährleisten hat, dass auf Patientendaten nur zugegriffen werden darf, soweit dies für die Behandlung erforderlich ist, lag ein Verstoß gegen diese Vorschrift und auch gegen die ärztliche Schweigepflicht vor.
Die Krankenhausleitung hat durch Dienstanweisung angeordnet, dass Patientenaufrufe per Lautsprecherdurchsage in den Krankenzimmern zu unterbleiben haben und die Rufanlage nur noch als Personalaufruf in Notfallsituationen benutzt werden darf. Die erforderlichen Aufrufe an Patienten für Behandlungsmaßnahmen wurden durch andere Verfahren ersetzt.
Ein Stadtrat auf Therapietripp
Eine ganz besondere Verantwortung übernahmen der Stadtrat für Gesundheit und Soziales eines Berliner Bezirkes und eine Justitiarin, als sie entschieden, sich praktische Erfahrungen bei der Suchttherapie zu verschaffen. Sie beschlossen, als Hospitanten an einer Therapie teilzunehmen. In einem Berliner Krankenhaus wurde unter ärztlicher Leitung eine Suchttherapie insbesondere für Alkoholiker angeboten und durchgeführt. Seit Jahren wurden hierzu als "Hospitanten" Mitarbeiter aus Bezirksämtern zugelassen, die sich mit der Suchtproblematik vertraut machen wollten. Ein Patient verabschiedete sich entsetzt aus der Therapie, als er den Leiter seiner Behörde und die Justitiarin in seiner Therapiegruppe erkannte.
Sämtliche Begleitumstände einer ärztlichen Behandlung, die zur Identifizierung eines Patienten führen könnten, sind von der ärztlichen Schweigepflicht mit umfasst. Nur wenn der Patient zuvor über die Identität des Hospitanten genauestens informiert worden ist und dann seine ausdrückliche Einwilligung erteilt hat, könnte an eine Gastteilnahme bei Therapiesitzungen gedacht werden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass dies einen erheblichen Aufwand erfordert. Denn es reicht nicht aus, dass der Patient sein Einverständnis erklärt, "irgendein" Hospitant könne an seinem Arzt-Patienten-Gespräch teilnehmen. Gerade der vorliegende Fall zeigt, dass es zu äußerst unangenehmen Überraschungen kommen könnte. Der Hospitant muss also zuvor dem Patienten gegenüber benannt werden, damit dieser in der Lage ist, die Entscheidung zu fällen, ob er mit dessen Gegenwart einverstanden ist oder nicht. Bei dem vorliegenden Fall handelte es sich um eine Gruppenveranstaltung von etwa 35 - 40 Teilnehmern, die alle zuvor ihr Einverständnis hätten erklären müssen. Da alldies nicht geschehen war, war diese Art von Veranstaltung ein grober Verstoß gegen die ärztliche Verschwiegenheitspflicht. Die Senatsverwaltung für Gesundheit hat die Krankenhäuser angewiesen, das Vertrauen der Patienten in die ärztliche Schweigepflicht nicht mehr in dieser Weise zu hintergehen.
Eine altersschwache Einwilligungserklärung
Ein schwer behinderter Patient hatte 1989 dem Landesversorgungsamt eine Entbindungserklärung von der ärztlichen Schweigepflicht abgegeben, die dort zu den Akten genommen worden war. Der Patient verzog in ein anderes Bundesland. Das Versorgungsamt Berlin forderte bei einer Behörde des anderen Bundeslandes ärztliche Befundberichte über den Petenten an und erhielt sie. Das Versorgungsamt stützte sich auf die alte Schweigepflichtentbindungserklärung. Die Anerkennung des Petenten als Schwerbehinderter in dem damaligen Verfahren war jedoch bereits 1989 abgeschlossen. Weitere Anträge waren von dem Petenten zwischenzeitlich beim Versorgungsamt nicht gestellt worden. Eine aktuellere Schweigepflichtentbindungserklärung lag nicht vor.
Das Versorgungsamt war der Annahme, eine Erklärung über die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht gelte, sofern eine Nachuntersuchung von Amts wegen vorgesehen ist, über den eigentlichen Abschluss des Verfahrens hinaus.Dem ist nicht so. Vielmehr endet die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht mit dem Abschluss des Feststellungsverfahrens. Für weitere Verfahrensschritte ist eine neue Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht einzuholen.
Eine Patientin, die sich einer Gelenkoperation unterziehen musste, wurde zum Medizinischen Dienst bestellt. Dort verordnete die Ärztin eine verlängerte Krankschreibung. Nach dem Ablauf der Krankschreibung wurde die Patientin vom stellvertretenden Verwaltungsdirektor ihres Arbeitgebers mit der Bemerkung angesprochen, dass er von der Krankenkasse um Auskunft darüber gebeten worden sei, ob ihre Fehlzeiten wegen der Fußoperation berechtigt gewesen wären. Die erregte Patientin bat uns um Prüfung, ob es zulässig sei, dass ein medizinisch nicht qualifizierter Vorgesetzter für die Kasse Entscheidungen des Medizinischen Dienstes kontrolliere.
Die Überprüfung bei der AOK ergab, dass mitnichten von dort ein solches Ansinnen an den Arbeitgeber gerichtet worden war. Vom Medizinischen Dienst waren schon gar nicht solche Fragen an den Arbeitgeber gerichtet worden. Der Arbeitgeber hatte somit die Anfrage der AOK frei erfunden, um die Petentin unter Druck zu setzen.
Approbation und Patientenschutz
Am 1. Januar 1999 ist das Psychotherapeutengesetz (PsychThG) in Kraft getreten[134]. Das Gesetz regelt die Ausbildung und Berufsausübung von Psychotherapeuten mit einem Abschluss im Studiengang Psychologie bzw. Pädagogik/Sozialpädagogik.
Wer ab 1. Januar 1999 heilkundliche Psychotherapie unter der Berufsbezeichnung Psychologische/r Therapeut/in bzw. Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut/in ausüben will, benötigt hierfür eine Approbation. Hierfür müssen vom Antragsteller Nachweise über geleistete Behandlungsstunden erbracht werden. In § 12 Abs.3 und 4 PsychThG wird von dokumentierten Behandlungsfällen gesprochen. Das ist jedoch keine gesetzliche Ermächtigung zur Übermittlung von Patientendaten an die Approbationsbehörde. Die Datenschutzbeauftragten sind deshalb der Meinung, dass der Nachweis in anonymisierter Form zu führen ist. Die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales hat ein Verfahren gewählt, welches die Anonymität der Patienten nicht gefährdet und der Nachweis gegenüber der Behörde gleichwohl in Form von Abrechnungsbelegen oder nötigenfalls durch anonymisierte Falldarstellungen möglich ist.
Nahezu seit In-Kraft-Treten des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) im Jahr 1981 war umstritten, wie die Bestimmung des § 68 SGB X auszulegen sei, die alle Sozialleistungsträger berechtigt, ohne weitere inhaltliche Voraussetzungen bestimmte Daten an die Polizei- und andere Sicherheitsbehörden herauszugeben: Neben Name, Vorname, Geburtsdatum des Betroffenen sowie Namen und Anschriften seiner derzeitigen Arbeitgeber durfte seine "derzeitige Anschrift" herausgegeben werden. Die Weitergabe darüber hinausgehender Daten setzte eine richterliche Anordnung voraus (§ 73 Abs.3 SGB X), wenn es sich nicht um Straftaten im Zusammenhang mit der Gewährung der Sozialleistung (z.B. Sozialleistungsmissbrauch) handelte (§ 69 Abs.1 Ziff.1 SGB X).
Obwohl niemand einen vernünftigen Zweifel daran haben konnte, was "derzeitige Anschrift" eines Sozialleistungsempfängers bedeutet, nämlich seinen Wohnsitz oder jedenfalls einen Ort, "wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt" ("gewöhnlicher Aufenthalt", § 30 Abs.3 S.2 SGB I), drängten die Sicherheitsbehörden von jeher darauf, dass auch der momentane Aufenthalt - etwa in einer Sozialbehörde zwecks Beratung - als derzeitige Anschrift zu verstehen sei.
Ein ausländischer Arbeitsloser war zur Haft ausgeschrieben, weil er seiner Ehefrau in einer Auseinandersetzung die Handtasche weggenommen hatte. Als er wieder einmal im Arbeitsamt erschien, informierte eine Sachbearbeiterin die Polizei. Als deren Vorgesetzter hiervon hörte, schickte er den Betroffenen weg. Dies trug ihm eine Strafanzeige wegen Strafvereitelung im Amt ein.
Anhand dieser eigenwilligen Fallkonstellation entschied das Berliner Kammergericht, das nur für strafrechtliche, nicht aber für sozialrechtliche Fragestellungungen zuständig ist, im Jahr 1983, dass "der Begriff der derzeitigen Anschrift gewissermaßen als Minus auch den gegenwärtigen Aufenthalt" umfasse[135]. Diese kaum nachvollziehbare und in der Literatur einhellig abgelehnte Entscheidung führte zu einer unterschiedlichen Praxis bei Bund und Ländern und bei den verschiedenen Sozialbehörden. Auch in Berlin weigerte sich ein Teil der Sozialbehörden standhaft, ohne richterliche Anordnung das Erscheinen von Leistungsempfängern im Amt noch während deren Anwesenheit der Polizei anzuzeigen.
Diese wiederum begnügte sich nicht mehr mit der Forderung nach Mitteilung des momentanen Aufenthalts, vielmehr verlangte man zunehmend von Sozialbehörden auch eine Information über den nächsten Vorsprachetermin, also den künftigen Aufenthalt - mit dem Argument, dieser sei ebenfalls unter den Begriff "derzeitige Anschrift" zu subsumieren: Den Sozialverwaltungen wurde also zugemutet, ihren Hilfeempfängern eine Falle zu stellen, damit die Polizei die Ahnungslosen bequem verhaften kann.
Die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales, die zuvor in einem Gemeinsamen Rundschreiben von 1984 noch die Auffassung vertreten hatte, nach § 68 SGB X dürfte (entsprechend § 30 Abs.3 SGB I) nur der tatsächliche Aufenthalt von längerer Dauer, also nicht der kurzfristige Aufenthalt in einer Behörde eines Sozialleistungsträgers, mitgeteilt werden, gab dem Druck nach und verfasste gemeinsam mit den Senatsverwaltungen für Schule, Jugend und Sport sowie für Inneres ein Rundschreiben, nach dem - allerdings eingeschränkt auf Fälle eines Untersuchungs-, Vollstreckung- oder Sicherungshaftbefehls sowie eines Unterbringungsbefehls - der ",momentane oder wiederkehrende Aufenthalt in der Dienststelle eines Sozialleistungsträgers" mitzuteilen ist[136].
Der Schwierigkeiten mit der eigenwilligen Deutung des Begriffs der "derzeitigen Anschrift" bewusst, hatte die Senatsverwaltung schon zuvor den Versuch unternommen, durch Bundesratsinitiativen eine Änderung des § 68 SGB X zu erreichen - ergebnislos. Erst im vergangenen Jahr gelang es, versteckt in einer völlig unverfänglichen Materie, nämlich dem Medizinproduktegesetz[137], diese Bestimmung dahingehend zu ergänzen, dass auch der "derzeitige oder zukünftige Aufenthaltsort" mitgeteilt werden darf - allerdings nur im "Einzelfall auf Ersuchen". Pauschale Übermittlungsersuchen etwa hinsichtlich aller Personen, die zur Fahndung ausgeschrieben sind, scheiden damit aus. Ob diese Bestimmung, die letztlich die staatliche Fallenstellerei legalisiert, Bestand haben kann, muss sich zeigen.
Das Rundschreiben zu § 68 SGB X wurde, aufgrund der gesetzlichen Vorgabe eingeengt auf Fälle des Ersuchens im Einzelfall, schließlich im Januar 1999 vom Senat als Allgemeine Anweisung, mithin als alle Bezirke bindende Vorschrift, beschlossen.
Erheblich schärfere öffentliche Debatten hat das Unterfangen ausgelöst, die Sozialbehörden auch zur Übermittlung von Daten über den derzeitigen und künftigen Aufenthalt ausländischer Leistungsempfänger, die über keine gültige Aufenthaltsgenehmigung oder Duldung verfügen oder die eine räumliche Beschränkung missachten, an die Ausländerbehörden zu verpflichten. Ursprünglich hatte die Senatsverwaltung für Inneres gefordert, entsprechende Bestimmungen auch in das Rundschreiben zu § 68 SGB X aufzunehmen. Wegen der Abstimmungsschwierigkeiten unterblieb dies jedoch, vielmehr verfassten die beteiligten Senatsverwaltungen ein eigenes Rundschreiben[138], das bald darauf 139vom Senat als Allgemeine Anweisung[139] beschlossen wurde, um dem heftigen Widerstand einiger Sozialämter entgegenzuwirken.
Zwar enthält § 71 Abs.2 SGB X besondere Offenbarungsbefugnisse für die Übermittlung von Sozialdaten an die Ausländerbehörde. Danach ist eine Übermittlung von Sozialdaten eines Ausländers zulässig, soweit sie erforderlich ist für die Erfüllung der in § 76 Abs.2 des Ausländergesetzes bezeichneten Mitteilungspflichten (§ 71 Abs.2 Satz 1 Ziff.2 SGB X). Nach dieser Bestimmung haben zwar alle Behörden die zuständige Ausländerbehörde zu unterrichten, wenn sie Kenntnis erlangen von dem "Aufenthalt eines Ausländers, der weder eine erforderliche Aufenthaltsgenehmigung noch eine Duldung besitzt". Der Haken bei der Sache ist aber, dass diese Bestimmung nichts darüber sagt, welche Daten im Einzelnen zu übermitteln sind; der Entwurf einer bundeseinheitlichen allgemeinen Verwaltungsvorschrift, die eine entsprechende Präzisierung vornehmen soll, wird seit Jahren beraten, ist aber auch im vergangen Jahr nicht verabschiedet worden. So bleibt nichts anderes, als nach dem Wortsinn vorzugehen: "Aufenthalt" im ausländerrechtlichen Sinne meint die Tatsache, dass sich eine Person im Bundesgebiet aufhält (daher "Aufenthaltsgenehmigung"), nicht aber, wo sich die Person gerade oder künftig im Einzelnen befindet. Somit beschränkt sich die Offenbarungsbefugnis nach § 76 Abs.2 AuslG darauf, dass sich der Betroffene in Deutschland befindet.
Sollen weitere Daten, wie z.B. über den derzeitigen oder künftigen Aufenthalt, übermittelt werden, müssen also auch die Ausländerbehörden auf die allgemeinen Offenbarungsbefugnisse des SGB X zurückgreifen. Da Ausländerbehörden als "Behörden der Gefahrenabwehr" zu betrachten sind, stehen ihnen dabei die Befugnisse des § 68 SGB X zur Verfügung, also nach der neuen Rechtslage auch das Recht, Daten über den derzeitigen und künftigen Aufenthalt zu erfahren. Dies gilt allerdings auch hier nur "im Einzelfall auf Ersuchen". Soll eine Falle gestellt werden, ist dies nur in einem zweistufigen Verfahren möglich:
Erscheint ein Ausländer ohne Aufenthaltsgenehmigung oder Duldung in einer Sozialbehörde, unterrichtet diese die Ausländerbehörde über die Tatsache, dass dieser sich in Deutschland befindet. Die Ausländerbehörde ihrerseits überprüft dann, ob weitere Informationen erforderlich sind, z.B. um den Ausländer abschieben zu können. Ist dies aufgrund der rechtlichen und tatsächlichen Umstände der Fall, richtet die Ausländerbehörde ein Ersuchen nach § 68 SGB X an die Sozialbehörde, die nunmehr den künftigen Aufenthalt mitteilen kann - wenn nicht andere Gründe dagegensprechen. So ist eine Übermittlung auch nach § 68 SGB X unzulässig, wenn Grund zur Annahme besteht, dass dadurch schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt werden.
Wir haben, auch unterstützt vom Unterausschuss Datenschutz des Innenausschusses des Abgeordnetenhauses, vorgeschlagen, die bisherige, unserer Auffassung nach mit der Rechtslage nicht übereinstimmende Allgemeine Anweisung durch Einführung dieses zweistufigen Verfahrens gesetzeskonform auszugestalten. Dies hat die Senatsverwaltung für Inneres abgelehnt, was allerdings an der Rechtslage nichts ändert: Soll von einer Sozialbehörde über die Mitteilung des Aufenthalts im Bundesgebiet hinaus auch der derzeitige oder künftige Aufenthalt mitgeteilt werden, ist dies nur auf der Grundlage der Allgemeinen Anweisung zu § 68 SGB X in der ab Januar 1999 gültigen Form zulässig.
Die Rasterung kommt in Fahrt - der Erfolg ist ungewiss
Seit einiger Zeit wird die Abrasterung der Daten der Sozialbehörden untereinander, aber auch ihrer Daten mit anderen Behörden als Allheilmittel gegen den angeblich allgegenwärtigen Missbrauch von Sozialleistungen propagiert; der Bundesgesetzgeber hatte für den Bereich der Sozialhilfe mit einer inzwischen schon wieder "nachgebesserten" Neufassung des § 117 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) die erforderlichen Rechtsgrundlagen geschaffen. Danach können Sozialämter im Wege eines automatisierten Datenabgleichs bundesweit ihre Daten mit der Bundesanstalt für Arbeit, den Unfall- und Rentenversicherungsträgern (Abs.1), allen anderen Sozialhilfeträgern (Abs.2) sowie innerhalb der Verwaltung des Sozialleistungsträgers mit anderen Stellen der Verwaltung und wirtschaftlichen Unternehmen (Abs.3) abgleichen. Übermittelt werden können nach letzterer Vorschrift außer den Personalien Daten über die Wohnung, über Verbrauchswerte und über die Eigenschaft als Kraftfahrzeughalter.
Für das Verfahren nach § 117 Abs.1, 2 BSHG ist inzwischen die erforderliche Rechtsverordnung in Kraft[140], das Berliner Ausführungsgesetz zum BSHG (AGBSHG) wurde entsprechend angepasst[141], die Konkretisierung in einer Rechtsverordnung auf Landesebene steht allerdings noch aus. Die bundesweite technische Umsetzung, bei der die Rechenstelle der Rentenversicherungsträger in Würzburg eine zentrale Rolle spielt, ist erfolgt, das Verfahren kam allerdings nur mit technischen Schwierigkeiten in Gang. Fraglich ist bis heute, ob die Ergebnisse den immensen Aufwand, der mit diesen Verfahren verbunden ist, tatsächlich rechtfertigen. Die Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales hat zugesagt, in der ersten Hälfte des Jahres 1999 einen Bericht zu fertigen.
Die Neufassung des Asylbewerberleistungsgesetzes vom 5. August 1997[142] hatte auch diesen Personenkreis in die bundesweite Rasterung mit einbezogen. Gleichzeitig mit der Neufassung des AGBSHG wurde auch hier eine landesrechtliche Rechtsgrundlage geschaffen[143]. Auch hier kann man auf die Erfolge der Rasterung gespannt sein.
Konkret umgesetzt werden sollen in Berlin aufgrund von § 117 Abs.3 BSHG Datenabgleichsverfahren mit dem Landeseinwohneramt, dem Kraftverkehrsamt, den Wohnungsämtern und der Unterhaltsvorschusskasse.
Mit den Vorgaben des § 117 BSHG ist der Rasterhunger allerdings noch nicht gestillt. Immer mehr Ideen kommen auf, wie man auf elektronische Weise der angeblichen Vielzahl von Betrügern auf die Spur kommen könnte. Dabei scheut man auch nicht vor dem Steuergeheimnis zurück: Ein Abgleich der Sozialdaten mit den Berliner Finanzämtern soll zur Rückmeldung der Steuernummern führen; hieraus kann entnommen werden, welche Arten von Steuern vom Sozialhilfeempfänger gezahlt werden und welches Finanzamt zuständig ist (auf die Kfz-Steuer - hier bedient man sich schon des Kraftverkehrsamtes -, die Körperschaftssteuer - so dreist, ein körperschaftssteuerpflichtiges Unternehmen zu führen, wird wohl kein Sozialhilfeempfänger sein - und die Hundesteuer will man großzügig verzichten). Dass die Finanzbehörden Daten an Sozialbehörden nur dann herausgeben dürfen, wenn Tatsachen vorliegen, die zur Aufhebung des Sozialleistungsbescheids führen können (§ 30a Abs.3 Abgabenordnung), stört offensichtlich niemanden - im Übrigen auch nicht die Senatsverwaltung für Finanzen als Hüterin des Steuergeheimnisses - die nach wie vor die Geltung des Datenschutzgesetzes für die Steuerverwaltung unter Hinweis auf eben dieses Steuergeheimnis ablehnt[144].
Geldkarte für Asylbewerber und Bürgerkriegsflüchtlinge
Öffentliches Aufsehen hat das Projekt des Landesamtes für Gesundheit und Soziales erlangt, die in Berlin lebenden Asylbewerber mit Chipkarten auszustatten, die eine elektronisché Geldbörse enthalten und mit denen die Asylbewerber in bestimmten Geschäften ihren täglichen Bedarf an Lebensmitteln, Hygieneartikeln, Gebrauchs- und Verbrauchsgütern bargeldlos bezahlen können. Bis zur Einführung dieser Karten wurden den Asylbewerbern Sachleistungen gewährt, die gegen die Abgabe von Wertgutscheinen in zwei dafür speziell eingerichteten und bestimmten Läden in Reinickendorf und Kreuzberg empfangen werden konnten. Mit der Chipkarte sollte zu Projektbeginn in mindestens zwei Läden pro Bezirk eingekauft werden können.
Den rechtlichen Hintergrund des Projektes bildet § 3 Asylbewerberleistungsgesetz, wonach Asylbewerber nur einen Anspruch auf Sachleistungen oder bargeldlose Leistungen haben. Es wurde daher ein Anbieter gesucht, der das Chipkartenprojekt konzipiert, die damit verbundene Datenverarbeitung im Auftrag des Landesamtes für Gesundheit und Soziales durchführt, die Akzeptanzstellen akquiriert, die Händlerterminals installiert sowie die Chipkartenladeeinrichtung im Landesamt betreibt und installiert. Ferner sollte er die Verrechnungen mit den Händlern vornehmen (Clearing) und die regelmäßige Schlussabrechnung mit dem Landesamt durchführen. Da die Entscheidung über die Höhe der gewährten Hilfen weiter dem Landesamt oblag und die Ladebeträge auf den Chipkarten von dem behördlichen Bescheid bestimmt waren, wurden keine hoheitlichen Aufgaben nach außen vergeben, so dass die externe Vergabe nicht gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verstieß.
Die Versorgung der Asylbewerber birgt vielfältige Missbrauchsgefahren, denn es ist ihnen nicht erlaubt, Alkohol oder andere Genussmittel davon zu kaufen oder Waren in Mengen zu kaufen, die den Eigenbedarf überschreiten. Ferner ist in Betracht zu ziehen, dass zum Beispiel noch "offene Rechnungen" bei Schleppern zu bezahlen sind. Zur Missbrauchskontrolle ist der Verwaltungsbehörde durchaus erlaubt, sich ein Bild über das individuelle Kaufverhalten zu machen. Es war aus datenschutzrechtlicher Sicht also darauf zu achten, dass dieser schwer wiegende Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung der Asylbewerber durch die Einführung des technischen Systems nicht unverhältnismäßig vereinfacht und ausgedehnt werden kann. Das letztlich eingeführte Verfahren ermöglicht es dem Landesamt für Gesundheit und Soziales nicht, festzustellen, was ein Asylbewerber für den eingespeicherten Geldbetrag gekauft hat. Es können nur die Summenbeträge pro Einkauf und die verbleibenden Ladebeträge über die Zahlungsbelege für die Chipkartenzahlung nachvollzogen werden, Informationen also, die angesichts der Rechtslage datenschutzrechtlich akzeptiert werden können.
Ein wichtiger Aspekt der datenschutzrechtlichen Begleitung des Projekts waren die sicherheitstechnischen Einrichtungen des Verfahrens, insbesondere die der Chipkarte zur Verhinderung unrechtmäßiger Nutzung und von Manipulationen. Entsprechend unseren Empfehlungen werden Chipkarten eingesetzt, die den "Anforderungen zur informationstechnischen Sicherheit bei Chipkarten" der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder entsprechen[145]. Die Bezahlung am Händlerterminal erfolgt mit einer persönlichen Identifikationsnummer.
Gegen diese Konzeption des Einsatzes einer Chipkarte als elektronische Geldbörse für Asylbewerber, bei der alle von uns abgegebenen Empfehlungen umgesetzt wurden, gab es keine datenschutzrechtlichen Einwände mehr. Mit der Einführung des gleichen Zahlungsverfahrens für die von den bezirklichen Sozialämtern betreuten Bürgerkriegsflüchtlinge wurde jedoch erneut ein öffentliche Debatte über das Chipkartenprojekt entfacht, in der deutlich wurde, dass das Verfahren politisch ausgesprochen umstritten ist. Manche Bezirksstadträte verwarfen aus politischen und humanitären Gründen den Einsatz der Chipkarte und machten von der gesetzlichen Option zur bargeldlosen Versorgung keinen Gebrauch, sondern blieben bei der Gewährung des anonym und flexibler handhabbaren Bargelds. Gegen eine solche Entscheidung ist datenschutzrechtlich, natürlich auch ohne nähere Prüfung, nichts einzuwenden.
Ein weiteres Mal ging es wie schon öfter in der Vergangenheit um die Ausforschung von Kriegsflüchtlingen aus Jugoslawien. Es wurden von einem Berliner Bezirksamt 15 Fragen gestellt, die überwiegend keinen Zusammenhang zur Leistungsberechtigung nach dem Sozialgesetzbuch bzw. nach dem Bundessozialhilfegesetz oder Asylbewerberleistungsgesetz aufwiesen. Vielmehr zielten sie auf Aufgaben der Ausländerbehörde ab.
Dazu gehörten Fragen folgenden Inhalts:
Ein Petent hatte Dienstaufsichtsbeschwerde wegen der erheblich verzögerten Bearbeitung seines Widerspruchs in einem Pflegegeldvorgang eingelegt. Nach Feststellungen der betroffenen Stelle wurde sein Widerspruch mit dem Pflegegeldvorgang, der den gesamten Schriftwechsel einschließlich ärztlicher Gutachten enthielt, zur Begutachtung und Überprüfung an den Ärztlichen Dienst des Landesamtes für Zentrale Soziale Aufgaben weitergeleitet, war aber dort nicht auffindbar. Ein Verschulden der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der absendenden Stelle wurde nicht festgestellt und die Dienstaufsichtsbeschwerde als unbegründet zurückgewiesen.
Nach dieser Stellungnahme bleibt beim Bürger mit Recht ein bitterer Nachgeschmack von Enttäuschung und Hilflosigkeit zurück, weil die Stellungnahme nichts erklärt und die Unterlagen des Pflegegeldvorgangs nach wie vor verschwunden bleiben. Auch wir konnten natürlich nicht die beteiligten Verwaltungen des Landes und den Fachpostverkehr durchkämmen, um dem mit Recht erzürnten Petenten die Akte wieder zu verschaffen. Auch der formale Gesichtspunkt, dass die absendende Stelle grundsätzlich die Gefahr der Datenübermittlung trägt, hilft nicht weiter, weil bei verlorenen Unterlagen die Gefahr eines unersetzlichen Verlustes besonders schwer wiegend ist und Beweismaterialien des Bürgers unwiderruflich verloren gehen können. Zudem besteht die Gefahr, dass die sensiblen Unterlagen in unbefugte Hände geraten können. Auch können sich erhebliche Haftungsrisiken für die Verwaltung ergeben, so dass es dringend angezeigt scheint, Transportkontrollen bzw. Kontrollmöglichkeiten zu entwickeln, um den Verbleib von Unterlagen so weit wie möglich nachprüfen zu können. Der Verlust der Akte darf keinesfalls dazu führen, dass dem Bürger berechtigte Ansprüche verloren gehen.
Unterhalt für die Schwiegermutter
Großes Erstaunen zeigte die Ehefrau eines für seine Mutter unterhaltspflichtigen Ehemannes, als sie von ihrem Arbeitgeber die Nachricht erhielt, dass das Sozialamt sich nach ihrer Einkommenshöhe erkundigt hatte. Da die Ehefrau im Gegensatz zu ihrem Mann nicht unterhaltspflichtig ist, hatten sich beide entschlossen, nur die Einkommensverhältnisse des Mannes dem Sozialamt anzugeben. Trotzdem wurden sie aufgefordert, ihre gesamten Einkommensverhältnisse aufzudecken, also auch diejenigen der Frau. Diese wollte wissen, woher das Sozialamt die Informationen über sie bekommen hatte, um ihren Arbeitgeber anzuschreiben.
Das Bezirksamt hat beim Einwohnermeldeamt den Familienstatus des unterhaltspflichtigen Mannes abgeklärt. Daraufhin wurde bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Erfahrung gebracht, wer der Arbeitgeber der Ehefrau war. An diesen Arbeitgeber wurde daraufhin das Auskunftsersuchen gerichtet. Zuvor war der Ehemann durch Mahnung und Fristsetzung aufgefordert worden, die Angaben über die Einkommensverhältnisse seiner Frau nachzuliefern. Die Eheleute hatten nicht reagiert. Somit waren die Voraussetzungen sowohl des § 74 SGB X wie auch des § 116 Abs.2 BSHG gegeben. Danach muss die nichtunterhaltspflichtige Frau ihre Einkommensverhältnisse angeben. Sie ist zwar nicht unterhaltspflichtig, jedoch unterliegen aufgrund ihrer eigenen Einkommensverhältnisse diejenigen des unterhaltspflichtigen Mannes einer besonderen Bewertung.
Eine Petentin hatte Wohngeld beantragt. Sie wurde wenig später vom Wohngeldamt aufgefordert, ihren letzten Kontoauszug mit einem bestimmten Überweisungsbeleg einzureichen. Unterzeichnet war das Schreiben des Wohngeldamtes von einer Person, die ebenfalls Bewohnerin des Hauses war, in dem die Petentin wohnte. Auf diese Tatsache hingewiesen, zeigte der Leiter des Wohngeldamtes kein Verständnis für den Einwand und beließ die Bearbeitung bei der Nachbarin.
Dieser Fall wirft die Frage auf, in welchem Verhältnis der Datenschutz zu den verfahrensrechtlichen Vorschriften zur Befangenheit steht (§ 21 Verwaltungsverfahrensgesetz). Liegt ein Grund vor, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung durch eine Dienstkraft zu rechtfertigen, so hat diese sich "der Mitwirkung zu enthalten", d.h. sie ist auch von der Kenntnis entsprechender Vorgänge auszuschließen. Ob das bloße Mitbewohnen des gleichen Hauses schon genug Grund abgibt, von der Befangenheit eines Mitarbeiters auszugehen, ist allerdings fraglich. Er könnte beispielsweise zu bejahen sein, wenn persönliche Verflechtungen in dem Haus gegeben sind. Handelt es sich jedoch um große Wohneinheiten, wo so viele Menschen wohnen, dass sie einander kaum kennen, so kann das bloße Mitbewohnen kaum als Befangenheitsgrund angesehen werden.
Wenn es die Verhältnisse zulassen, sollte allerdings in derartigen Fällen gleichwohl nach einer Lösung gesucht werden, die eine Einsichtnahme in die Unterlagen der Nachbarin vermeidet. Zumindest sind nach § 78a SGB X die Maßnahmen zu treffen, die erforderlich sind, um die Ausführung der Vorschriften des Sozialgesetzbuchs zu gewährleisten. Zu derartigen Maßnahmen würde in dem hier geschilderten Fall gehören, dass die betreffende Mitarbeiterin besonders auf die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Verpflichtungen hingewiesen und belehrt wird.
Ähnlich lag der Fall bei einer Mitarbeiterin der Senatsverwaltung für Wirtschaft und Betriebe, die einen Feststellungsantrag zur Schwerbehinderung beim Landesamt für Gesundheit und Soziales gestellt hatte und plötzlich davon unterrichtet wurde, dass Bewilligungsbescheide und sonstiger Schriftverkehr des Landesamtes für Gesundheit und Soziales von Mitarbeiterinnen der Senatsverwaltung für Wirtschaft und Betriebe geschrieben werden sollten, um Spitzenlasten beim Landesamt abzubauen.
In diesem Fall verbietet das Sozialgeheimnis unabhängig von dem Zufall, dass die Antragstellerin just in der Dienststelle beschäftigt war, die die Aufgaben übernahm, so vorzugehen. Die Praxis wurde geändert.
Schwarzarbeit und ihre Datenspuren
Bekanntlich schafft die kaum überschaubare Dimension der Schwarzarbeit erhebliche Probleme. Die zunehmende Verschärfung der Kontrollen hinterlässt auch Datenspuren im Berliner Verwaltungsgetriebe. Im Interesse einer effizienten Nachprüfung melden die Polizeibehörden, die bei ihren Kontrollen auf Baustellen Schwarzarbeiter vorgefunden haben, deren Namen an eine "Verbindungsstelle", damit von dort aus die zuständige bezirkliche Sozialverwaltung ermittelt werden kann. Diese Amtshilfe ist datenschutzrechtlich unbedenklich, da sie zu einer höheren Effizienz und Genauigkeit bei der Weiterleitung der personenbezogenen Datensätze führt. Die zuständigen Leistungsträger können dann die erforderlichen weiteren Maßnahmen, wie z.B. Regressansprüche, Leistungsstopp, Strafanzeige, prüfen und nach eigenem rechtlichen Ermessen durchsetzen.
Die zuständige Senatsverwaltung benötigt jedoch Rückmeldungen über die Effizienz der ergriffenen Maßnahmen, um die Kontrollarbeit richtig bewerten zu können. Es liegt auch im datenschutzrechtlichen Interesse, dass die weit reichenden Kontrollbefugnisse, die ja mit erheblichen Eingriffen in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verbunden sind, einer ständigen Erfolgskontrolle unterzogen werden, um die Fortdauer der Zulässigkeit und Effizienz dieser Maßnahmen belegen zu können. Die Verbindungsstelle hatte hierzu Formulare entwickelt, mit denen unter Angabe des Namens des Verdächtigten die Verbindungsstelle informiert werden sollte, welche Maßnahmen mit welcher Erfolgsaussicht ergriffen wurden.
Da die Verbindungsstelle ihrerseits jedoch solche Maßnahmen weder bewerten noch beeinflussen sollte, war die Übermittlung der Namen von Betroffenen auf dem Melderückweg von den Sozialämtern an die Verbindungsstelle nicht erforderlich und daher unzulässig. Es ist kurzfristig mit der Verbindungsstelle und der beteiligten Senatsverwaltung für Soziales ein Verfahren unter unserer Mitwirkung entwickelt worden, bei dem die Anonymität der betroffenen Personen bei dem Melderückweg gewährleistet wurde und gleichzeitig eine Effizienzkontrolle durch die Verbindungsstelle durchgeführt werden kann.
Eine Geschichte, die das Leben schrieb
Eine große Liebe auf der Flucht im Januar 1945 über die Ostsee zwischen einer jungen Frau und einem Soldaten. Das Leben erzwingt die Trennung. Die junge Frau heiratet einen anderen Mann. Sehr bald bekommt sie einen Sohn. Diesem berichtet sie auf dem Sterbebett im Jahre 1998 von ihrer Liebe und gesteht dem Sohn zum ersten Mal, dass nicht der geheiratete Mann sein Vater ist, sondern jener, den sie auf der Flucht kennen gelernt hatte. Sie hinterlässt dessen Foto mit einer handschriftlichen Signierung und dessen Namen sowie Anhaltspunkten über den zuständigen Truppenteil, dem er als Soldat angehörte.
Über die Deutsche Dienststelle (WASt) für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen Deutschen Wehrmacht versuchte der Sohn die Anschrift und Identität des vermuteten Vaters zu klären. Die WASt ermittelt tatsächlich einen noch lebenden Mann, auf den diese Angaben passen und fragt bei ihm an, ob er einverstanden sei, dass seine Anschrift herausgegeben werde. Dieser lehnt ab.
Die WASt ist berechtigt, personenbezogene Daten an Privatpersonen auch ohne Einwilligung herauszugeben, wenn "das Interesse an der Aufklärung des Einzelschicksals die schutzwürdigen Belange des Betroffenen erheblich übersteigt" (§ 6 WASt-Verordnung)[146]. Entgegen ihrer Bezeichnung hat die WASt auch Aufgaben hinsichtlich lebender Personen zu erfüllen, so z.B. für Dienstzeitennachweise, Erbrechtsangelegenheiten oder, wie hier, Vaterschaftsfeststellungsverfahren (§ 2 Ziff.12 WAStG).
Es ist anerkannt, dass das Recht des Menschen, seine Abstammung zu erfahren, ein Grundrecht ist[147]. Dem Interesse des Sohnes, seinen Vater ausfindig zu machen, ist daher hohe Bedeutung beizumessen. Wir haben der Deutschen Dienststelle empfohlen, den vermeintlichen Vater über die Rechtslage in Kenntnis zu setzen, um ihn über etwaige weitere Schritte der WASt vorab zu informieren. Insbesondere empfahlen wir darauf hinzuweisen, dass die Deutsche Dienststelle befugt ist, die Adresse an den vermeintlichen Sohn zu offenbaren, wenn nicht überwiegende schutzwürdige Belange von ihm als vermeintlichem Vater geltend gemacht werden. Wir meinen, dass eine solche Interessenlage einer genauen Prüfung bedarf, dass aber letztlich das überwiegende Interesse des Sohnes nach Kenntnis seiner wahren Abstammung nur schwer durch höherrangige schutzwürdige Belange des Vaters übertroffen werden kann. Auf diese Weise ist es dann gelungen, dass Vater und Sohn sich begegnen konnten.
Neue Verordnung zur Durchführung des Baugesetzbuches (DVO-BauGB)
Die neue DVO-BauGB[148] enthält Regelungen zur Bodenordnung (Umlegung), Wertermittlung (Gutachterausschuss für Grundstückswerte in Berlin) und Enteignung (Enteignungsbehörde). Die Neufassung war dringend erforderlich, um die Bestimmungen der aktuellen Entwicklung - insbesondere im Abschnitt Wertermittlung - anzugleichen. Grundlage für die Tätigkeit des Gutachterausschusses für Grundstückswerte in Berlin und seiner bei der Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr eingerichteten Geschäftsstelle ist die Kaufpreissammlung. Diese enthält die wesentlichen Daten aus den übersandten Grundstückskaufverträgen (vgl. § 195 Baugesetzbuch (BauGB)). Die Einführung eines neuartigen DV-Systems zur Führung einer automatisierten Kaufpreissammlung (AKS) war der Anlass, die Regelungen zur Kaufpreissammlung in der DVO-BauGB den datenschutzrechtlichen Erfordernissen anzupassen. Dies erfolgte in Abstimmung zwischen der Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr und uns. Wir konnten bereits in einem frühen Entwurfsstadium der Verordnung unsere Empfehlungen einbringen, die auch im Wesentlichen berücksichtigt wurden.
Nach der neuen Fassung werden Auskünfte aus der Kaufpreissammlung (§ 18 DVO-BauGB) nur noch in Form anonymisierter Daten erteilt, wenn ein berechtigtes Interesse vorliegt. Darüber hinaus können bestimmte Berufsgruppen (z.B. öffentlich bestellte Vermessungsingenieure) auf anonymisierte Daten der Kaufpreissammlung zugreifen. Die Daten sind anonymisiert, wenn sie nicht auf bestimmbare Personen und Grundstücke bezogen werden können. Die Anonymität der Daten ist programmtechnisch und organisatorisch zu gewährleisten. Die auf bestimmbare Personen und Grundstücke beziehbaren Daten in der Kaufpreissammlung sind gesperrt. Zugriffe auf die Kaufpreissammlung sind zur Datenschutzkontrolle automatisiert zu protokollieren (§ 17 Abs.5 DVO-BauGB). Die protokollierten Daten dürfen nur zu diesem Zweck genutzt werden und sind nach zwei Jahren zu vernichten.
Damit wurde den Bedürfnissen nach mehr Transparenz am Grundstücksmarkt und einem kundenorientierten Informationsangebot des Gutachterausschusses - unter Beachtung der datenschutzrechtlichen Belange - Rechnung getragen. Inwieweit dieser Interessenausgleich auch bei dem geplanten, weiterführenden Projekt, Daten des Gutachterausschusses im Internet zu veröffentlichen (GAA-Online), möglich ist, bleibt abzuwarten.
Veröffentlichung von Mitgliederdaten im Handbuch der Architektenkammer Berlin
Die Architektenkammer gibt im Abstand von ein bis zwei Jahren ein "Handbuch Architektenkammer Berlin" heraus. Darin werden diejenigen Mitglieder der Architektenkammer getrennt nach Fachbereich und Tätigkeitsart verzeichnet, die zuvor auf einem Erhebungsbogen die Erlaubnis zur Veröffentlichung erteilt haben. Von einem Architekten-Verband wurde der Vorstand aufgefordert, zukünftig alle Mitglieder im Handbuch zu verzeichnen - unabhängig davon, ob die Betroffenen einer Veröffentlichung widersprochen haben oder nicht.
Die Veröffentlichung der Mitgliederdaten im Handbuch ist eine Übermittlung an eine unüberschaubare Anzahl von Dritten. Nach § 13 BlnDSG ist das nur zulässig, wenn eine Rechtsvorschrift dies erlaubt oder der Betroffene darin eingewilligt hat. Nach § 18 Abs.2 Satz 2 Berliner Architekten- und Baukammergesetz darf die Architektenkammer Daten nur insoweit veröffentlichen, als diese Daten auch aus anderen Quellen allgemein zugänglich sind. Dies trifft unter Umständen auf Angaben zum Namen, zur Anschrift und zu Telefon- bzw. Telefaxnummern zu, die u.a. aus den Telefonverzeichnissen der Telekom zu entnehmen sind. Darüber hinaus werden im "Handbuch Architektenkammer Berlin" jedoch auch Angaben zum Fachbereich und zur Tätigkeitsart der betroffenen Mitglieder veröffentlicht. Diese Angaben sind nicht aus anderen allgemein zugänglichen Quellen zu entnehmen.
Die Veröffentlichung der Daten und Angaben zur Person der Kammermitglieder, die allgemein zugänglich sind, ist jedoch nur zulässig, sofern der Betroffene der Veröffentlichung nicht widersprochen hat (§ 18 Abs.2 Satz 3 Berliner Architekten- und Baukammergesetz) und hinsichtlich des vollen Datenumfangs kann das Verfahren nur beibehalten bleiben, wenn die Mitglieder zuvor ihre Erlaubnis dazu erteilt haben.
Säumige Mieter werden an den Pranger gestellt
In einem regelmäßig erscheinenden Informationsblatt, das an alle Mitglieder übersandt wird, hat eine Wohnungsbaugenossenschaft die Namen und Anschriften von Mitgliedern veröffentlicht, deren Wohnungen wegen Mietrückständen geräumt bzw. die aus der Genossenschaft ausgeschlossen werden sollen.
Diese Veröffentlichung stellt eine Übermittlung personenbezogener Daten der Betroffenen an Dritte - hier: Die Leser des Informationsblattes - dar und ist nach § 4 Abs.1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) nur zulässig, wenn das BDSG selbst oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder der Betroffene darin eingewilligt hat.
Die Übermittlung von Angaben über den aktuellen Mitgliederstand in der Genossenschaft ist abschließend in § 31 Abs.1 Genossenschaftsgesetz (GenG) geregelt. Danach kann die Mitgliederliste von jedem Genossen sowie von einem Dritten, der ein berechtigtes Interesse darlegt, bei der Genossenschaft eingesehen werden. Abschriften aus der Mitgliederliste kann der Genosse nur hinsichtlich der ihn betreffenden Eintragungen verlangen. Damit hat der Gesetzgeber mit gutem Grund - zum Schutz der Betroffenen - abschließend die Übermittlung der Daten aus der Mitgliederliste durch Einsichtnahme und Fertigung von Abschriften in bestimmten Ausnahmefällen vorgesehen. Für eine Veröffentlichung der Daten in einem Informationsblatt bleibt kein Raum; sie ist unzulässig.
Die Veröffentlichung von Mieternamen und Anschriften im Zusammenhang mit Zwangsräumungen ist ebenfalls unzulässig. Weder das Genossenschaftsgesetz noch das BDSG enthält eine Rechtsgrundlage, auf die diese Übermittlung von personenbezogenen Daten gestützt werden könnte. Andere Rechtsvorschriften, die die Übermittlung erlauben oder anordnen, sind ebenfalls nicht ersichtlich. Wir haben die Wohnungsbaugenossenschaft aufgefordert, zukünftig keine derartigen Angaben in Informationsblättern zu veröffentlichen.
Auskunft aus dem Liegenschaftskataster
Aufgrund mehrerer Eingaben haben wir uns mit der besonderen Rechtslage in Berlin befasst, die dazu geführt hat, dass die Auskunft aus dem bzw. die Einsicht in das Grundbuch und das Liegenschaftskataster unterschiedlichen Voraussetzungen unterliegen.
Das Grundbuch hält die rechtliche Lage eines Grundstückes für die Öffentlichkeit fest. Wegen des daraus folgenden Publizitätsgrundsatzes knüpft das Sachenrecht an eine Eintragung im Grundbuch Vermutungs- und Gutglaubensschutzwirkungen. Eine Einsicht in das Grundbuch wird vom Grundbuchamt bei Geltendmachung eines berechtigten Interesses (§ 12 Grundbuchordnung (GBO)) gewährt.
Dagegen sind im Liegenschaftskataster die vermessenen Grundstücke, die örtliche Lage und die Zuordnung der einzelnen Grundstücke zueinander aufgeführt. Es dient in erster Linie raumplanerischen und städtebaulichen Zwecken. Um diese Zwecke erfüllen zu können, muss das Liegenschaftskataster auch die rechtliche Lage - also Eigentümer, grundstücksgleiche Rechte und Gebäude - darstellen. Im Liegenschaftskataster ist somit nicht nur die tatsächliche, sondern auch die rechtliche Lage des Grundstückes entsprechend den Eintragungen im Grundbuch abgebildet. Nach § 17 Abs.1 Vermessungsgesetz Berlin (VermGBln) ist jeder berechtigt, aus dem Liegenschaftskataster schriftliche Auskünfte über einzeln bestimmte Liegenschaften zu erhalten. Die Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses ist - im Gegensatz zur Einsicht in das Grundbuch - nicht erforderlich.
Die unterschiedlichen Voraussetzungen zur Auskunftserteilung sind anzugleichen. Anderenfalls besteht die Möglichkeit, die von § 12 GBO geforderte Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses an den Grundbuchdaten über einen Antrag auf Auskunft aus dem Liegenschaftskataster zu umgehen. Ein Vergleich der rechtlichen Bestimmungen in den anderen Bundesländern hat ergeben, dass nur in Berlin keine einschränkenden rechtlichen Voraussetzungen für die Auskunft aus dem Liegenschaftskataster bestehen. In allen anderen Bundesländern besteht für Dritte die Verpflichtung, ein berechtigtes Interesse an der Auskunft aus dem Liegenschaftskataster glaubhaft darzulegen.
Wir haben der Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr empfohlen, eine Initiative zu ergreifen, damit die Bestimmung des § 17 Abs.1 VermGBln der Rechtslage in den anderen Bundesländern angepasst wird. Dies wurde abgelehnt.
Auslegung von Grundstücksverzeichnissen im Planfeststellungsverfahren
Im "Länderfachausschuss Straßenbaurecht" wurde eine bundeseinheitliche Regelung der datenschutzrechtlichen Anforderungen im Planfeststellungsverfahren angestrebt. Unter anderem wurde diskutiert, ob anlässlich der öffentlichen Planauslegung (§ 73 VwVfG) die Vorlage eines Verzeichnisses mit Name, Vorname und Anschrift der betroffenen Grundstückseigentümer erforderlich und zulässig ist. Unsere Kritik, dass diese Vorgehensweise weder auf die Einwilligung der Betroffenen noch auf eine Rechtsgrundlage (vgl. § 13 BlnDSG) gestützt werden kann, wurde von der Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr aufgegriffen. Danach werden in Berlin in den anstehenden Planfeststellungsverfahren bei der öffentlichen Auslegung in den datenschutzrechtlich relevanten Unterlagen, insbesondere dem Grunderwerbsverzeichnis, Name, Vorname und Anschrift der Grundstückseigentümer mit Nummern verschlüsselt. Den Grundstückseigentümern wird die ihr Grundstück betreffende Verschlüsselungsnummer mitgeteilt.
Einkommensabhängige Wohnungsbauförderung
Anlässlich der Neufassung der Förderrichtlinien zur einkommensorientierten Wohnungsbauförderung haben wir uns mit der Verarbeitung von Mieterdaten befasst. Nach § 88e Abs.3 Satz 3 Zweites Wohnungsbaugesetz (II. WoBauG) ist der antragstellende Vermieter Empfänger der Zusatzförderung. Diese wird dem Vermieter ausschließlich zur Verringerung des von den bezugsberechtigten Mietern zu zahlenden Mietzinses überwiesen.
Im Vordergrund der datenschutzrechtlichen Bewertung steht der Umstand, dass der Mieter nach § 88e Abs.3 Satz 2 II.WoBauG die für die Berechnung der Förderung erforderlichen Nachweise (zur Berechnung der Einkommensgrenze nach § 25 II.WoBauG) zu erbringen hat. Fraglich ist, ob der Mieter diese Nachweise - die zum Teil personenbezogene Daten, z.B. zum Einkommen, enthalten - über den Vermieter oder direkt an die Bewilligungsstelle einzureichen hat.
Nach § 10 Abs.1 BlnDSG hat die Erhebung von personenbezogenen Daten grundsätzlich bei dem Mieter mit seiner Kenntnis zu erfolgen. Danach ist dem Mieter von der Bewilligungsstelle die Möglichkeit einzuräumen, die Nachweise im Rahmen von § 25 II.WoBauG direkt - ohne Umweg über den Vermieter - einzureichen. Nur dadurch kann eine Kenntnisnahme durch den Vermieter ausgeschlossen werden. Sowohl Vermieter als auch Mieter sind über diese Möglichkeit der Datenübermittlung im Antragsverfahren ausreichend zu informieren. Nachdem ein entsprechendes Verfahren bereits bei der Datenerhebung zur Freistellung bzw. Ausgleichszahlung nach § 7 Wohnungsbindungsgesetz (WoBindG) und der Gewährleistung von Aufwendungszuschüssen für familiengerechte Miet- und Genossenschaftswohnungen erfolgreich und problemlos praktiziert wird, hat die Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr angekündigt, dass die Mieter ihre Nachweise zur einkommensorientierten Wohnungsförderung zukünftig auch direkt bei der Investitionsbank Berlin (IBB) - ohne Umweg über den Vermieter - einreichen können. Mieter und Vermieter werden durch einen Textzusatz im Vordruck "Anlage zum Mietvertrag" ausreichend über die Möglichkeit informiert.
Datenerhebungen für kommunales Vorkaufsrecht
Unter bestimmten Voraussetzungen stehen dem Land Berlin kommunale Vorkaufsrechte bei Grundstücksverkäufen zu. Nimmt das Land diese Rechte nicht wahr, erteilt es so genannte Negativzeugnisse. Zur Durchführung des Verfahrens wurde - ohne Ausnahme - die Vorlage der vollständigen Urkundsabschriften der Kaufverträge verlangt, ohne zuvor geprüft und festgestellt zu haben, ob überhaupt ein kommunales Vorkaufsrecht in Betracht kommt.
Diese Verfahrensweise ist weder erforderlich noch verhältnismäßig[149]. Die Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr hat die Problematik im Rundschreiben II Nr.1/1998 an alle Bezirksämter des Landes Berlin aufgegriffen und diese gebeten, das von uns empfohlene zweistufige Verfahren umzusetzen.
Danach genügt es für die Erteilung des Negativzeugnisses, wenn aus dem Inhalt des Kaufvertrages die Daten über den Kauf, die Kaufvertragsparteien und die genaue Bezeichnung des Grundstücks vorliegen. Wird nach Prüfung festgestellt, dass kein Vorkaufsrecht besteht, wird innerhalb der Zweimonatsfrist nach § 28 Abs.2 BauGB ein Negativzeugnis erteilt. Erst wenn aufgrund der Informationen festgestellt wird, dass ein gesetzliches Vorkaufsrecht des Landes Berlin besteht und seine Ausübung in Betracht kommt, kann die Übermittlung des vollständigen Kaufvertrages gefordert werden.
Datenverarbeitung bei Bewerbungen um Mietwohnungen
Im Jahresbericht 1996[150] haben wir über die Datenverarbeitungspraxis der Vermieter bei Wohnungsbewerbungen berichtet. Die Auswertung zahlreicher Fragebögen, die von Berliner Vermietern zu diesem Zweck genutzt werden, ergab, dass nur wenige den gesetzlichen Vorgaben zur Verarbeitung von personenbezogenen Daten der Bewerber entsprachen. Nachdem zunächst der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen unserer rechtlichen Bewertung im wesentlichen zugestimmt hatte, hat sich nunmehr auch die Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr dieser Auffassung angeschlossen.
In einem Rundschreiben an alle Wohnungsbaugesellschaften des Landes Berlin wurden diese aufgefordert, ihre Fragebögen für Mietwohnungsbewerber entsprechend den datenschutzrechtlichen Vorgaben zu aktualisieren.
Erhebung von Umweltdaten und Nutzung zu fremden Zwecken
Im Auftrag eines Bezirksamtes wurde von einer Privatfirma eine Bestandserfassung ökologischer Daten und deren Aktualisierung im Vergleich mit vorhandenen Daten für öffentliche Grün- und Erholungsanlagen durchgeführt. Dazu wurden in ausgewählten Kleingarten- und Dauerwohnanlagen des Bezirkes Erhebungen durchgeführt mit dem Ziel, Erkenntnisse über die Bodenversiegelung, Vegetation und die gegenwärtige Nutzung der Grundstücke zu gewinnen. In Abstimmung mit den Nutzern der Grundstücke wurden zu diesem Zweck umfangreiche personenbezogene Daten - u.a. Name, Grundstück, Bebauung (z.B. Wohnhaus, Garage oder Carport usw.), vorhandene Medien, Vegetationsbestand - erhoben und verarbeitet. Nach Abschluss des ökologischen Projektes wurden die Daten dem von dem Bezirksamt eingesetzten Verwalter der verpachteten Grundstücke übermittelt, der diese seitdem für Zwecke der Verwaltung (Berechnung von Nutzungsentgeld, Abrissverfügungen für nichtgenehmigte Anlagen usw.) nutzt.
Eine derartige zweckfremde Nutzung der Daten durch das Bezirksamt ist nicht zulässig, da keine Rechtsvorschrift besteht, die dies vorsieht oder zwingend voraussetzt (vgl. § 6 Abs.2 BlnDSG i.V.m. § 14 Abs.2 BDSG). Zudem widerspricht die Weitergabe und zweckfremde Nutzung der Daten dem Grundsatz von Treu und Glauben, der bei jeder Erhebung von personenbezogenen Daten zu berücksichtigen ist. Danach ist dem Betroffenen der konkrete Erhebungszweck anzugeben. Die Betroffenen wurden jedoch ausschließlich über eine Nutzung der Daten im Rahmen des ökologischen Projektes informiert. Der Umstand, ob das Land Berlin als Eigentümer der Grundstücke grundsätzlich berechtigt ist, Angaben über die Bebauung der Grundstücke zu erheben und diese für Verwaltungszwecke zu nutzen, ist für die datenschutzrechtliche Bewertung nicht erheblich. Entscheidend ist vielmehr, dass die Daten gerade nicht zu diesem Zweck erhoben worden sind.
4.5 Bildung und Wissen |