Jahresbericht 1998
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3.6 Der schwere Stand der behördlichen Datenschutzbeauftragten |
4. |
AUS DEN ARBEITSGEBIETEN |
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4.1 |
Sicherheit |
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4.1.1 |
Polizei |
Nachdem zum Übereinkommen vom 26. Juli 1995 aufgrund von Art.K3 des Vertrages über die Europäische Union [LINK] über die Errichtung eines Europäischen Polizeiamtes (Europol-Übereinkommen)[88] alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union die Ratifizierungsurkunde hinterlegt haben, ist das Übereinkommen zum 1. Oktober 1998 in Kraft getreten. Der Bundesrat hat nach Art.2 § 6 Abs.2 Europol-Gesetz den Landesbeauftragten für den Datenschutz Sachsen-Anhalt als Landesvertreter für die gemeinsame Kontrollinstanz benannt.
Mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des Bundesgrenzschutzgesetzes[89] sind die Befugnisse des Bundesgrenzschutzes erweitert worden, der künftig auf Bahnhöfen, Flughäfen und in Zügen im Rahmen der so genannten "Schleierfahndung" ohne konkreten Verdacht auf eine Straftat Ausweise kontrollieren darf, um eine illegale Einreise zu verhindern (§ 22 BGSG). Weiter gehende Maßnahmen - wie die Durchsuchung des Gepäckes - sind nur bei konkretem Verdacht zulässig. Diese Neuregelung ist zunächst auf fünf Jahre befristet. Der Grundsatz, dass Bürger, die sich nichts haben zu schulden kommen lassen, das Recht haben, vom Staat in Ruhe gelassen zu werden, wird damit ein weiteres Mal eingeschränkt. Ähnliche Vorstellungen wurden in Berlin entwickelt.
Neue Verwaltungsvorschriften - Datenschutz bleibt außen vor
Das Bundeskriminalamt (BKA) hat für jede zur Erfüllung der Aufgaben geführte Datei mit personenbezogenen Daten in einer Errichtungsanordnung Festlegungen über Rechtsgrundlage und Zweck der Datei, betroffenen Personenkreis und Art der zu speichernden Daten, Prüffristen, Löschungsdauer und Protokollierungen zu treffen. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz ist vor Erlass der Errichtungsanordnung anzuhören. Bei Daten des Polizeilichen Informationssystems bedarf die Anordnung auch der Zustimmung der zuständigen Innenministerien bzw. Senatsinnenverwaltungen der Länder (§ 34 Bundeskriminalamtsgesetz (BKAG)).
Die Senatsverwaltung für Inneres beteiligt uns zu unserem Befremden und dem Unverständnis in anderen Ländern grundsätzlich nicht in diesen Zustimmungsverfahren. Sie vertritt dazu die Auffassung, dass es sich hierbei um Vorgänge handelt, die in die datenschutzrechtliche Verantwortung des BKA [LINK] fallen und von dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz zu überprüfen sind. Demzufolge erhalten wir weder die Entwürfe noch später die in Kraft gesetzten Errichtungsanordnungen. Das begründet die Senatsverwaltung für Inneres damit, dass sich die Kontrollbefugnis der Landesdatenschutzbeauftragten auf die von den Ländern eingegebenen Datensätze beschränke. Deshalb liege es auch nicht in deren Aufgabenbereich, zu generell-abstrakten Regelungen Stellung zu nehmen. Im Übrigen würde sich die gesetzliche Unterstützungspflicht auch nicht darauf erstrecken, den Landesbeauftragten mit Entwürfen des BKA zu versorgen oder jede Äußerung gegenüber dem Bundesministerium des Innern zu datenschutzrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit Dateien der Polizeilichen Informationssysteme mit uns abzustimmen.
Ungeachtet der Form des Umganges verkennt die Senatsverwaltung für Inneres dabei, dass wir unsere gesetzlichen Aufgaben nur dann erfüllen können, wenn wir die Errichtungsanordnungen kennen. Nur so können wir prüfen, ob Datenübermittlungen an das BKA nach Landesrecht überhaupt zulässig sind. Darüber hinaus gehört es nach § 24 Abs.1 BlnDSG zu unseren Aufgaben, die einzelnen Mitglieder des Senates zu beraten.
Wie nötig das ist, hat sich bei der Errichtung einer Zentralen Datei für Verdachtsanzeigen im Zusammenhang mit der Bekämpfung der organisierten Kriminalität nach dem Geldwäschegesetzgezeigt. Die Errichtung dieser Verbunddatei halten wir für unzulässig, weil dafür - wie das BKA selbst einräumt - keine Rechtsgrundlage vorhanden ist. Hinzu kommt, dass die Registrierung personenbezogener Daten im Zusammenhang mit Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaften der Länder in deren Zuständigkeiten fällt. Es handelt sich nicht um die Angelegenheiten des BKA. Hier wäre vielmehr zu prüfen, ob eine Speicherung in dem länderübergreifenden Staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister nach §§ 474 ff. StPO in Betracht kommt. Ungeachtet dessen wäre es Mindestvoraussetzung, dass in die Datei nur die Daten aus den Verdachtsanzeigen eingestellt werden, bei denen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde. Verdachtsanzeigen, die kein Ermittlungsverfahren auslösen, erfüllen in keinem Fall die Voraussetzungen nach § 8 Abs.2 BKAG.
Auch die Errichtungsanordnung für die DNA-Analysedatei[90] ist äußerst problematisch. Die Speicherung der DNA-Analysen, die auf der Basis von "Einwilligungen" vor In-Kraft-Treten der neuen §§ 81a und 81f StPO erhoben wurden, ist unzulässig. Nach § 3 Satz 1 DNA-Identitätsfeststellungsgesetz dürfen - abgesehen von den Fällen des § 81g StPO - nur die Identifizierungsmuster von Verurteilten beim BKA gespeichert werden. Speicherungen aufgrund von Einwilligungen kommen ohnehin nicht in Betracht, weil die Wirksamkeit eine umfassende Aufklärung über den Zweck der Speicherung und die vorgesehenen Übermittlungen voraussetzt. Es kann nicht angenommen werden, dass die Betroffenen die schwer zu durchschauenden Verarbeitungsformen der Errichtungsanordnung bis hin zu Übermittlungen in das Ausland nachvollziehen können. Sie müssten in allen Details informiert werden, wogegen bereits die Klassifizierung als Verschlusssache spricht. Darüber hinaus sprechen die Umstände, unter denen DNA-Untersuchungen relevant werden, gegen die Annahme von Freiwilligkeit. Beschuldigte in Strafermittlungsverfahren und Inhaftierte werden nach allgemeiner Lebenserfahrung nur deshalb einwilligen, um unmittelbare Vorteile - beispielsweise Haftverschonung oder vorzeitige Entlassung - zu erlangen.
Für eine Personenabfrage gibt es selbst nach Auffassung des BKA kein fachliches Erfordernis, da Zweck der Datei der Vergleich von DNA-Mustern und nicht der zielgerichtete Abruf von Personendaten ist. Auch die Dateirecherche in der beabsichtigen Form zu statistischen Zwecken ist mit § 3 DNA-Identitätsfeststellungsgesetz nicht vereinbar.
Die Senatsverwaltung für Inneres hat uns auch über das Zustandekommen des Abkommens zwischen Deutschland und Polen über die Zusammenarbeit der Polizei und Grenzschutzbehörden in den Grenzgebieten nicht informiert. Das Dokument haben wir vielmehr von dritter Seiter erhalten. Es ist mit dem Berliner Landesrecht nicht in Einklang zu bringen. So weist die übermittelnde Behörde bei der Datenweitergabe auf die nach innerstaatlichem Recht geltenden Löschungsfristen hin. Da das ASOG bei Tatverdächtigen keine Löschungs-, sondern nur Prüffristen kennt, hätte zumindest in einer Protokollnotiz sichergestellt werden müssen, dass Prüffristen den Löschungsfristen gleichzusetzen sind. Dem ist die Senatsverwaltung für Inneres nicht nachgekommen. Auf unseren Hinweis, dass die Berliner Polizei verpflichtet ist, die polnischen Behörden wenigstens auf die Prüffristen hinzuweisen, wurde überhaupt nicht reagiert.
Unserer Bitte um Übersendung eines Ergänzungsabkommens hat die Senatsverwaltung für Inneres zunächst nicht entsprochen. Vielmehr hat sie uns gebeten, zur Kenntnis zu nehmen, dass dieser Entwurf keine datenschutzrechtlichen Vorschriften enthalte. Demgegenüber haben wir darauf hingewiesen, dass wir uns darüber gern selbst ein Bild machen würden. Umso überraschter waren wir dann bei der Durchsicht der uns am Ende doch übersandten Unterlagen: Der Entwurf enthielt an verschiedenen Stellen Regelungen zu Ermittlungen, Beantwortung von Ersuchen, Datenaustausch oder Beteiligung in gemischten Arbeitsgruppen. Offensichtlich ist der Innenverwaltung nicht klar, was informationelle Selbstbestimmung bedeutet.
Die von uns seit Jahren geforderte Überarbeitung der Geschäftsanweisung über erkennungsdienstliche Maßnahmen ist erfolgt und am 2. Februar 1998 in Kraft gesetzt worden. Wir wurden trotz eines Beschlusses des Unterausschusses Datenschutz des Abgeordnetenhauses nicht gehört - der Polizeipräsident hatte die Geschäftsanweisung am Tage vor der Beratung unterschrieben, ohne dass dies in der Sitzung bekannt gegeben wurde.
Im Unterausschuss bestand Einvernehmen darüber, dass die Zulässigkeit von ed-Maßnahmen bei Bagatelldelikten in der Geschäftsanweisung geregelt werden soll. Das ist nicht geschehen. Weiterhin sind - entgegen früheren Empfehlungen - keine besonderen Regelungen über die ed-Behandlung bei Identitätsfeststellungen an "gefährlichen Orten" enthalten (§ 21 ASOG). Die von der Polizei geäußerten Auffassung, dass das nicht erforderlich sei, weil eine ed-Behandlung nur das letzte Mittel zur Identifizierung einzelner Personen ist, wenn diese durch eine Kontrolle mitgeführter Identitätspapiere nicht möglich ist, geht an dem Problem vorbei. Festzulegen ist, unter welchen Voraussetzungen ed-Behandlungen zur "vorbeugenden Straftatenbekämpfung" zulässig sind, die auch erfolgen können, wenn der Betroffene sich ausweisen kann[91]. Weiterhin sollen ed-Maßnahmen bei Unverdächtigen nach deren Einwilligung möglich sein. Ungeachtet der Problematik der "Freiwilligkeit" bei Einwilligungen gegenüber Sicherheitsbehörden ist hier der Sinn und Zweck nicht klar.
Auch die Geschäftsanweisung über die Führung kriminalpolizeilicher Personenakten war bereits vor der Übersendung an uns schlussgezeichnet, wenn auch noch nicht in Kraft gesetzt. Wir haben bemängelt, dass zur Kriminalakte auch Unterlagen über die Versagung oder Entziehung von Führerscheinen, über die Erteilung oder Versagung von Waffen-, Jagd- und Giftscheinen sowie Konzessionen und Berufsverbote zu nehmen sind. Der Zusammenhang zwischen ordnungsrechtlichem Verwaltungsverfahren und vorbeugender Straftatenbekämpfung ist nicht erkennbar. Die Erforderlichkeit der Speicherung von Gutachten und Stellungnahmen von Ärzten und der Sozialen Gerichtshilfe erscheint zweifelhaft, zumal die Geschäftsanweisung den Umstand unberücksichtigt lässt, dass es sich - vor allem bei Auskünften von Ärzten - um hochsensible Daten handelt, die der Schweigepflicht unterliegen. Ebenso wenig ist für Erkenntnisse über geistige oder körperliche Gebrechen, Pflegschaften, Unterbringung in Heil- und Pflegeanstalten, Entmündigungen und Fürsorgeerziehung der Zusammenhang zur vorbeugenden Straftatenbekämpfung ersichtlich.
Die Speicherung von Vermissten-Vorgängen und Unterlagen über versuchte Selbsttötungen in Kriminalakten halten wir für unzulässig. Zwar zählt die Bearbeitung von Vermissten-Anzeigen und Suizidversuchen zu den Aufgaben der Polizei. Bei diesen Vorgängen handelt es sich - mangels Straftatbestand - jedoch nicht um Ermittlungsverfahren. Die in diesem Zusammenhang anfallenden Daten dürfen allenfalls zur Dokumentation oder Vorgangsverwaltung - außerhalb der Kriminalakte -, nicht aber zur vorbeugenden Straftatenbekämpfung gespeichert werden.
Nochmals: Erbe der DDR
Wir hatten in der Vergangenheit über die von der Polizei übernommenen
Datenbestände der Volkspolizei berichtet[92]. In einem
Schlussbericht hat uns der Polizeipräsident in Berlin mitgeteilt, dass die Datenbestände
weit gehend vernichtet und das Archiv des Präsidiums aufgelöst wurden. Von dem verbliebenen Rest
Die Vernichtung der Datenbestände erfolgte fast ein Jahr später, als zwischen der Senatsverwaltung für Inneres, der Polizei und uns vereinbart worden war. Aus den übernommenen Karteien und Dateien sind die nach dem neuen Recht zulässigen Daten in den Bestand in der Kriminalpolizeilichen Datensammlung überführt oder anderweitig weitergeführt worden. Nicht mehr erforderliche Daten sind bis zum In-Kraft-Treten des Berliner Datenschutzgesetzes vom 17. Dezember 1990 bei der Durchsicht gelöscht worden. Alle Daten, die nicht in den Bestand der Kriminalpolizeilichen Datensammlungen übernommen bzw. dem Landesarchiv übergeben, aber gleichwohl weiter aufbewahrt worden, sollten zum 31. Dezember 1996 vollständig gelöscht werden. Bis dahin durften diese Daten zur Rehabilitationszwecken genutzt werden.
Dennoch wurde den Mitarbeitern der ZERV Einsicht in die gesperrten Unterlagen gewährt. Darüberhinaus wurden auch nach dem 31. Dezember 1996 einzelne Teilbereiche des Archives (Rapporte, Tagebücher der Volkspolizeiinspektionen, eingestellte Ermittlungsverfahren) weiterhin zur polizeilichen Aufgabenerfüllung genutzt. Das ist unzulässig, weil die Sperrung der Daten - also die Nutzungsbeschränkung für bereits durchgesehene und für polizeiliche Zwecke nicht mehr erforderlichen Unterlagen ausschließlich für Rehabilitationszwecke - nicht beachtet worden ist.
Adressermittlung durch den Kontaktbereichsbeamten
Eine Petentin beschwerte sich darüber, dass ein Kontaktbereichsbeamter durch Nachfragen bei ihrem Untermieter, ihrem Vermieter, in der Hausgemeinschaft und in der Nachbarschaft ihren Aufenthaltsort ermitteln wollte.
Die Post hatte einen an einen ehemaligen Untermieter der Petentin adressierten Brief mit dem Hinweis "Unbekannt verzogen" an ein Gericht zurückgesandt. Das Gericht hat daraufhin den Kontaktbereichsdienst um eine Hausermittlung ersucht. Im Meldereigster war noch die Anschrift bei der Petentin gespeichert. Bei der Ermittlung vor Ort wurde der jetzige Untermieter der Petentin angetroffen, der allerdings keine Angaben machen konnte. Ihm wurde ein Auszugsmitteilungsformular mit der Bitte überreicht, dieses der Hauptmieterin (der Petentin) zum Ausfüllen zu übergeben, wenn der frühere Untermieter dort nicht mehr wohnt. Der Versuch, die Auszugsmitteilung wieder abzuholen, scheiterte deshalb, weil der Kontaktbereichsbeamte bei mehreren Besuchen zu den unterschiedlichsten Tageszeiten weder die Petentin noch den früheren Untermieter angetroffen hat. Deshalb wurden die Vermieterin der Petentin und eine Hausbewohnerin befragt, ob ihnen bekannt sei, wann die Petentin in ihrer Wohnung erreichbar wäre. Die Polizei hält diese Befragungen für zulässig.
Nach § 25 MeldeG darf die Meldebehörde anderen öffentlichen Stellen Daten aus dem Melderegister übermitteln. Sofern ein Empfänger von Meldedaten feststellt, dass die übermittelten Daten offensichtlich nicht (mehr) richtig sind, hat er das der Meldebehörde mitzuteilen. In diesem Zusammenhang kann er um Notierung seiner Anfrage ersuchen, die dann für die Dauer von zwei Jahren nach dem Ende des Jahres der Anfrage gespeichert werden darf.
Das Landeseinwohneramt hat die in Berlin wohnhaften Einwohner und deren Wohnungen zu registrieren, um die für die rechtmäßige Erfüllung der Aufgaben öffentlicher Stellen erforderlichen Grunddaten feststellen und nachweisen zu können. Weiterhin hat es das Melderegister von Amts wegen fortzuschreiben, wenn sich gespeicherte Daten geändert haben oder neue Daten zu speichern sind. Wenn die Meldeverhältnisse unklar sind, hat die Meldebehörde sie zu klären. Sofern das Melderegister fortzuschreiben ist, erhält die anfragende Stelle im Fall eines gespeicherten Notierungsersuchens auch die neue Wohnanschrift mitgeteilt. Die Auskunft über den Aufenthalt von Bürgern zu erteilen ist Aufgabe der Meldebehörde und nicht der Polizei. Die Amtshilfevorschriften (§ 4, § 5 VwVfG) können nicht herangezogen werden, da sie lediglich die Verpflichtung zur Amtshilfe regeln. Sie verweisen - was die Zulässigkeit der Hilfeleistung betrifft - auf außerhalb des Verfahrensgesetzes bestehende Rechtsvorschriften und -grundsätze (§ 5 Abs.2 VwVfG).
Bestehen berechtigte Zweifel an der Richtigkeit der gespeicherten Anschrift eines Meldepflichtigen, muss die Meldebehörde zur Klärung den Betroffenen selbst befragen. Dieser hat mitzuteilen, ob er noch immer dort gemeldet ist. Führt das nicht zu dem gewünschten Erfolg, kann im Rahmen der Nebenmeldepflicht der Vermieter befragt werden. Erst wenn auch diese Befragung erfolglos bleibt, sind weitere Ermittlungen, Befragungen und Datenerhebungen im Rahmen des ASOG zulässig. Die Polizei wird im Zusammenhang mit Adressermittlungen für die Meldebehörde tätig, weil diese keinen eigenen Ermittlungsdienst hat. Sie hat keine über die Befugnisse der Meldebehörde hinausgehenden Rechte. Das Ergebnis der Befragung ist dann auch der Meldebehörde zwecks Entscheidung über die Fortschreibung des Melderegisters zu übersenden. Im Ergebnis bedeutet das für den zugrunde liegenden Sachverhalt, dass gegen den Versuch, zunächst den Meldepflichtigen und danach die Petentin als Vermieterin zu befragen, keine Bedenken bestehen.
Die Befragungen hinsichtlich der Petentin sind damit allerdings nicht abgedeckt. Es geht hier um die Klärung der Meldeverhältnisse des Untermieters und nicht um die der Hauptmieterin (der Petentin). Bekanntermaßen gibt es vielfältige Gründe für eine Abwesenheit von der Wohnung, beispielsweise eine Reise, mit der Folge, dass die Versuche des Kontaktbereichsbeamten - auch zu unterschiedlichen Zeiten - erfolglos bleiben müssen. Die Person, die zum - unbekannten - Aufenthalt eines - gesuchten - Dritten etwas erklären soll, wird selbst Gegenstand von Ermittlungen, ohne dass dafür ein Auftrag oder Ersuchen vorliegt.
Sippenhaft für die bei der Polizei eingesetzten Dolmetscher?
In einem Fernschreiben an alle Schutz- und Kriminalpolizeidienststellen sowie die Senatsverwaltungen für Inneres und Justiz hat das Landeskriminalamt davor gewarnt, die Tochter eines Beschuldigten als Dolmetscherin einzusetzen.
Dabei wurden nicht nur die personenbezogenen Daten des Beschuldigten - also des Vaters - übermittelt, sondern die Empfänger vor Beschäftigung der Tochter gewarnt. Die Warnung beschränkte sich nicht nur auf den Einsatz in dem gegen den Vater geführten Ermittlungsverfahren, sondern zielte darauf ab, auf die Dienste der Tochter überhaupt nicht mehr zurückzugreifen.
Diese Datenübermittlung war nicht gerechtfertigt, da die Tochter nicht für Taten des Vaters zur Verantwortung gezogen werden kann. Ungeachtet dessen war bei einer Warnung vor dem Einsatz eines Dolmetschers die Übermittlung von personenbezogenen Daten des Beschuldigten nicht erforderlich ist. Sofern ein Dolmetscher für den Einsatz für die Polizei ungeeignet ist oder Unzulänglichkeiten und Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Dolmetschertätigkeit bekannt werden, sind besondere Dienststellen des Landeskriminalamtes zu informieren. Sofern nach der Prüfung gesondert noch andere Dienststellen informiert werden müssen, erfolgt das Fernschreiben mit dem Zusatz "VS-NfD" ("Verschlusssache - Nur für den Dienstgebrauch"). Die Polizei hat sich für den übereifrigen Beamten entschuldigt.
Wie bei der Polizei der Verkäufer seines Autos zum Dieb wurde
Ein Berliner hat 1992 sein Auto an einen Händler verkauft und bei der Zulassungsstelle ordnungsgemäß abgemeldet. Der Händler hat seinerseits den Wagen sofort weiterveräußert. Noch im gleichen Jahr hat der Petent eine Vorladung der Polizei zu einer Anhörung in einer Strafsache erhalten. Dabei wurde er noch für den Halter des verkauften - inzwischen gestohlenen - Autos gehalten. Der Petent konnte die Zusammenhänge schnell erklären. Die Polizei hat sich bei ihm entschuldigt. Allerdings fiel er 1998 aus allen Wolken, als ihm im Rahmen der Zuverlässigkeitsüberprüfung für eine waffenrechtliche Erlaubnis vorgehalten wurde, dass er strafrechtlich aufgefallen sei.
Die Staatsanwaltschaft hat uns mitgeteilt, dass sich zum Zeitpunkt des Diebstahles keine Kennzeichen an dem Fahrzeug befanden. Als das gestohlene Fahrzeug aufgrund eines anonymen Hinweises aufgefunden wurde, waren die Kennzeichen eines typengleichen anderen Fahrzeuges befestigt, das in der gleichen Nacht ebenfalls entwendet wurde. Deshalb hatte die Polizei auch Ermittlungen wegen des Vorwurfes des Kennzeichen-Missbrauches (§ 22 Straßenverkehrsgesetz (StVG)) aufgenommen. Dabei kam es zu schwer wiegenden Fehlern in der Bearbeitung.
Obwohl der anonyme Hinweisgeber die Polizei ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass der Pkw gestohlen war, erfolgte nach der Feststellung der Fahrzeugidentifizierungsnummer keinerlei Abfrage, ob nach dem sichergestellten Fahrzeug eine Fahndung bestand. Deshalb konnten weder die Eigentümerin des Fahrzeuges von dem Auffinden unterrichtet noch die nach wie vor bestehende Fahndung nach dem Fahrzeug gelöscht werden. Stattdessen zog die Polizei Erkundigungen nach dem letzten Halter des Wagens ein. Da der Autohändler das Fahrzeug noch nicht auf sich zugelassen hatte, wurde ihr daraufhin der Petent als letzter Halter mitgeteilt.
Obwohl aus der bloßen Haltereigenschaft nicht der Schluss gezogen werden kann, dass eine mit dem Fahrzeug verübte Straftat auch vom Halter begangen wurde, ist der Petent als Beschuldigter zur Vernehmung wegen des Vorwurfes des Kennzeichen-Missbrauches vorgeladen und später im ISVB als Beschuldigter mit dem Delikt "Besonders schwerer Diebstahl von Pkw" eingegeben worden. Erst nachdem der Petent in der Vernehmung die Sachlage erklären konnte, stellte die Polizei die bestehende Fahndung nach dem Fahrzeug fest und löschte sie.
Bei der Staatsanwaltschaft wurde das Verfahren wegen Pkw-Diebstahls und Kennzeichen-Missbrauchs als Unbekannt-Sache eingetragen und ohne Benachrichtigung des Petenten eingestellt. Nach Abschluss der Ermittlungen im Jahr 1992 sind die im Zusammenhang mit dem Ermittlungsvorgang "Verdacht des besonders schweren Diebstahles von Pkw" gespeicherten Daten bei der Polizei nicht gelöscht worden. Das verstößt gegen § 48 Abs.2 ASOG, wonach in Dateien gespeicherte personenbezogene Daten zu löschen und die dazugehörigen Unterlagen zu vernichten sind, wenn ihre Speicherung unzulässig war. Da der Petent wegen des Verdachtes des Kennzeichen-Missbrauches vernommen wurde, war zudem die Speicherung des Tatverdachtes "Besonders schwerer Diebstahl von Pkw" inhaltlich falsch.
Einen weiteren Mangel stellt die offenbar unterbliebene Überprüfung der Datenspeicherung vor der Übermittlung des Tatverdachtes an die über die waffenrechtliche Erlaubnis entscheidende Behörde dar. Nach § 48 Abs.2 Satz 1 ASOG ist anlässlich einer Einzelfallbearbeitung - hier der Entscheidung über das Ermittlungsersuchen - zu prüfen, ob die Daten für die Aufgabenerfüllung noch erforderlich sind. Wenn dies erfolgt wäre, hätte die Datenübermittlung unterbleiben und die Löschung der Daten erfolgen müssen. Der Petent war darüber hinaus in anderem Zusammenhang mehr als sechs Jahre als "Geschädigter" in einer Datei gespeichert. Hier wurde hier nicht einmal die fünfjährige Speicherungsfrist der Polizei eingehalten[93].
Das Gesetz über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen im Land Berlin (Berliner Sicherheitsüberprüfungsgesetz (BSÜG)) ist am 12. März 1998 in Kraft getreten[94]. Die hierzu am 11. April 1998 erlassene Allgemeine Verwaltungsvorschrift der Senatsverwaltung für Inneres zur Ausführung des BSÜG (AV BSÜG) enthält Konkretisierungen und Erläuterungen der gesetzlichen Regelungen und die die bei Sicherheitsüberprüfungen zu verwendenden Hinweisblätter und Formulare.
Die Ausführungsvorschrift war auch Gegenstand von Beratungen im Unterausschuss "Datenschutz" des Abgeordnetenhauses. Den Empfehlungen wurde zum Teil gefolgt:
Klargestellt wurde, dass dem Betroffenen, dem einbezogenen Ehegatten/Lebenspartner und Referenzpersonen Einsicht in die Sicherheits- und die Sicherheitsüberprüfungsakte zu gewähren ist und dass sie Anspruch auf Auskunft über die in Dateien und Akten über sie gespeicherten Daten haben. Ein besonderes Formular für die Einwilligungserklärung des Ehegatten/Lebenspartners zur längeren Aufbewahrung der Sicherheitsakte ist in der Ausführungsvorschrift vorgesehen und soll erstellt werden. Bei der Polizei wird nur nach anhängigen Ermittlungsverfahren gefragt. Die ursprünglich vorgesehene Auskunft über sämtliche bei der Polizei gespeicherten Verfahren - auch wenn eine Einstellung oder ein Freispruch erfolgte - ist entfallen.
Entfallen ist auch der Hinweis, dass Zweifel an der Zuverlässigkeit entstehen können, wenn der Geheimschutzbeauftragte nicht darüber unterrichtet wird, dass eine Ehe oder eheähnliche Gemeinschaft während oder nach der Sicherheitsüberprüfung eingegangen wurde.
Nachgekommen wurde unserer Empfehlung, die Betroffenen auf die Folgen der Verweigerung der Einwilligung in die Sicherheitsüberprüfung hinzuweisen. Allerdings ist lediglich der Hinweis enthalten, dass eine Sicherheitsüberprüfung undurchführbar ist, wenn der Betroffene oder sein Ehegatte/Lebenspartner die Einwilligung versagt. Dies widerspricht zum Teil der Rechtsprechung des Bundesverwaltunsgerichtes[95], wonach die Verweigerung der Einwilligung des Ehegatten/Lebenspartners in eine Speicherung seiner Daten in automatisierten Dateien nicht zu einer Undurchführbarkeit des Sicherheitsüberprüfungsverfahrens führt. Unserer Empfehlung, die Betroffenen auch hierauf hinzuweisen, wurde nicht gefolgt.
Die wesentlichen Maßnahmen bei der Durchführung der Sicherheitsüberprüfung werden nun zwar differenzierter dargestellt und damit die Transparenz des Verfahrens verbessert. Entgegen § 8 Abs.1 BSÜG, wonach der Betroffene über Art und (tatsächlichen) Umfang der beabsichtigten Sicherheitsüberprüfung zu informieren ist, wird jedoch nur pauschal darüber unterrichtet, welche Maßnahmen ergriffen werden können. Die in § 8 Abs.1 BSÜG vorgesehene Pflicht zur Unterrichtung des Betroffenen über den Umfang der Datenerhebung sollte auch sicherstellen, dass die später möglicherweise vorgenommene Befragung anderer Personen und Stellen (§ 13 Abs.2 BSÜG) nur nach vorheriger Aufklärung und Einwilligung des Betroffenen erfolgt. Im Unterausschuss "Datenschutz" hatte die Senatsverwaltung für Inneres zugesagt, dass der Betroffene abgestuft informiert wird über die von vornherein in jedem Fall erforderlichen Maßnahmen und über die später nach Lage des Einzelfalles gegebenenfalls noch nötigen Maßnahmen, über die der Betroffene dann allerdings ebenfalls zu unterrichten wäre. Letzteres ist nicht erfolgt.
In der vom Betroffenen und dem einbezogenen Ehegatten/Lebenspartner auszufüllenden Sicherheitserklärung befindet sich die Frage nach "sonstigen Angaben mit Sicherheitsrelevanz". In den Ausfüllhinweisen wird darauf hingewiesen, dass alle Fragen zu beantworten sind. Da diese Frage nicht vom Gesetz gedeckt ist, kann sie allenfalls auf freiwilliger Basis beantwortet werden. Obwohl dies, wie zugesagt, in dem überarbeiteten Entwurf erfolgt ist, ist dieser Hinweis in der Ausführungsvorschrift wieder entfallen.
Nicht gefolgt wurde unseren Empfehlungen und den Empfehlungen des Unterausschusses "Datenschutz" bei der Konkretisierung der Sicherheitsrisiken. In der Ausführungsvorschrift fehlt es an zusätzlichen Kriterien, in welchen Fällen die außereheliche intime Beziehung die Besorgnis der Erpressbarkeit begründet und objektiv zu einem Sicherheitsrisiko werden kann. In diesem Zusammenhang ist der Hinweis in den Ausführungsvorschriften bedenklich, dass eine Erpressbarkeit ausgeschlossen sei, wenn sich der Betroffene offen zu seinen Neigungen bekenne. In der Unterausschuss-Beratung wurde kritisiert, dass die Vorstellung, dass solche Beziehungen zwecks Abwehr der Erpressbarkeit dem Verfassungsschutz gemeldet werden sollten, grotesk sei.
Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz
Ungeachtet weiterhin bestehender Dissenspunkte wie
4.2 Ordnungsverwaltung |