BERICHTdes Berliner Datenschutzbeauftragten
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1.1 | Deutschland und Europa |
1.2 | Datenschutz in Berlin |
2.1 | Die Entwicklung der Informationstechnik |
2.2 | Datenverarbeitung in Berlin |
3.1 | Wer nicht löschen will, muß büßen |
3.2 | Trautes Heim - Job online |
3.3 | Die ungeahnten Folgen eines fehlenden Fahrscheins |
3.4 | Jagdfieber im Internet |
3.5 | Biometrie - Sesam öffne Dich? |
3.6 | Der schwere Stand der behördlichen Datenschutzbeauftragten |
4.1 | Sicherheit
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4.2 | Ordnungsverwaltung
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4.3 | Justiz und Finanzen
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4.4 | Sozialordnung
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4.5 | Bildung und Wissen
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4.6 | Wirtschaft
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4.7 | Internationaler und Europäischer Datenschutz | ||||||||
4.8 | Organisation und Technik
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5.1 | Schichtenmodell im Telekommunikationsrecht |
5.2 | Telekommunikationsnetze |
5.3 | Tele- und Mediendienste |
5.4 | Datenschutz und Medien |
6.1 | Die Dienststelle |
6.2 | Verwaltungsreform |
6.3 | Zusammenarbeit mit dem Abgeordnetenhaus |
6.4 | Kooperation mit anderen Datenschutzbehörden |
6.5 | Öffentlichkeitsarbeit |
EINLEITUNG |
The Governments of OECD Member Countries ... declare that they will reaf- firm their commitment to the protection of privacy on global networks in order to ensure the respect of important rights, build confidence in global networks, and to prevent unnecessary restrictions on transborder data flows of personal data.
Aus: Ministerial declaration on the Protection of Privacy on Global Networks, 7./9. Oktober 1998, Ottawa
Il problema non è garantire la privacy è educare chi non la vuole ad apprezzarla
Überschrift eines Artikels von Umberto Eco im L'Espresso vom 28. Mai 1998
Nichts verdeutlicht besser den Spannungsbogen, der von der weltweiten Wahrnehmung des Datenschutzes als Voraussetzung der Weiterentwicklung globaler Netzwerke für den elektronischen Handel ("e-commerce") bis zum individuellen Umgang mit den eigenen personenbezogenen Daten reicht, als diese beiden Zitate aus dem vergangenen Jahr: Hier die Erklärung der mächtigsten Industrienationen der Welt, den Datenschutz zum Gegenstand weltweiter Wirtschaftspolitik machen zu wollen - wenn auch in einer Weise, die den Handel nicht unnötig behindert -, dort die Feststellung eines der bekanntesten Schriftsteller der Gegenwart, dass nicht der Schutz der Privatsphäre, sondern die Aufgabe, die Betroffenen zur Wertschätzung ihrer eigenen Privatsphäre zu erziehen, das Problem der Gegenwart ist. Gehen die Regierungen in den Erwägungsgründen ihrer Deklaration davon aus, dass Nutzer und Konsumenten die Sicherstellung der fairen Sammlung und Verarbeitung ihrer Daten als Voraussetzung ihres Vertrauens in die Netzwerke verlangen, stellt Eco fest, dass der "gewöhnliche Mensch keine Gelegenheit verpasst, seine Daten den Hunden und Schweinen zum Fraß vorzuwerfen"[1].
Tatsächlich ist die Einstellung der Menschen zur Notwendigkeit des Schutzes ihrer Daten offensichtlich widersprüchlich. In einer Repräsentativumfrage von 3.000 Personen ab 14 Jahren in Deutschland, die im Frühjahr des vergangenen Jahres mit Unterstützung der Datenschutzbeauftragten von dem bekannten BAT-Freizeit-Forschungsinstitut in Hamburg unter Leitung von Prof. Horst Opaschowski durchgeführt wurde[2], wünschten sich zwar 55 % aller Befragten, dass dem Datenschutz künftig mehr Bedeutung zukommt (in Ostdeutschland übrigens 66 % gegenüber 52 % im Westen); 51 % fühlten sich gar hilflos gegenüber Verstößen gegen den Datenschutz. 36 % der Befragten nahmen an, dass ihre Daten schon einmal missbraucht worden waren, 24 % sogar mehrmals. Allerdings gaben 42 % der Befragten an, die Hauptursache für Verstöße gegen den Datenschutz liege im eigenen sorglosen Umgang mit den Daten. Nur (oder immerhin?) 15 % Befragte haben schon einmal Antworten auf Fragebögen unter Hinweis auf den Datenschutz verweigert. 83 % hatten nichts gegen Überwachungskameras in öffentlichen Schalterräumen einzuwenden.
Besonders die neuen Informationstechniken erwecken Argwohn: 30 % aller Computernutzer waren der Auffassung, dass sensible Daten im Computer nicht gegen einen Zugriff durch Unbefugte, z.B. über das Netz, geschützt sind. Bei einer ähnlichen Untersuchung in den USA einige Monate zuvor zeigte sich, dass dort die Befürchtungen noch größer sind: Deutlich über 50 % "Netzbürger" fürchten den Missbrauch ihrer Angaben im Netz oder beim Versand von E-Mails[3].
Weltweit dominierte im vergangenen Jahr in der Datenschutzdiskussion die Frage, auf welche Weise auf diese Situation zu reagieren sei: Durch mehr staatliche Regulierung oder durch Stärkung der Rechte, aber auch der Sensibilität der Betroffenen. Der deutschen - und der europäischen - Rechtstradition entspricht eher der Weg verstärkter Regulierung. Die Europäische Datenschutzrichtlinie weist in diese Richtung; über die Verpflichtung der Mitgliedsstaaten zur Umsetzung (der die Bundesrepublik im vergangenen Jahr nicht nachgekommen ist) hinaus übt sie durch ihre strengen Vorschriften zum Datenexport auch erheblichen Druck auf Drittstaaten aus, ebenfalls durch gesetzliche Regelungen für ein "angemessenes Datenschutzniveau" zu sorgen.
Insbesondere in den USA ist der Widerstand groß: Obwohl die Datenschutzdiskussion Anfang der sechsiger Jahre dort ihren Ausgangspunkt nahm, gibt es nur für die Bundesregierung [4], nicht aber für die Privatwirtschaft ein umfassendes Datenschutzrecht. Vielmehr wird dort, nachdem in den vergangenen Jahren vor dem Hintergrund der Neuen Medien die Bedeutung des Schutzes der Privatsphäre wieder erkannt worden ist, in der Selbstregulierung die Lösung gesehen, und zwar sowohl in Selbstverpflichtung und vertraglicher Bindung der Datenverarbeiter als auch in einer viel stärkeren Einbeziehung der Betroffenen selbst. "Notice and Choice", Information des Betroffenen und Gelegenheit zur eigenen Entscheidung über die Verarbeitung der Daten, ist ein Schlagwort, das diese Einstellung kennzeichnet. So fremd ist dies für unsere Rechtslage nicht: Das deutsche Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung zielt ja gerade darauf ab, dem Betroffenen die Entscheidung über die Verarbeitung seiner Daten zu überlassen.
Dies setzt allerdings Rahmenbedingungen voraus, die sich nicht von alleine einstellen. Die Zusammenhänge moderner Informationsverarbeitung sind für die Bürger oft undurchschaubar, Verantwortungsstrukturen werden zunehmend undeutlich. Ohne ein Mindestmaß an erzwungener Transparenz, an unüberschreitbaren Grundprinzipien, an einklagbaren Rechten der Betroffenen und letztlich auch Aufsichts- und Kontrollfunktionen werden Selbstregulierungsmechanismen keinen Bestand haben. Hierzu gehört auch die Sensibilisierung der Betroffenen über die Risiken, denen sie durch die globale Informationsstruktur ausgesetzt sind. Der Widerspruch zwischen OECD-Politik und Ecos Befund wird sich auflösen, wenn beide Entwicklungslinien zueinanderfinden.
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