Tätigkeitsbericht 1998
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BESCHLUSS DES BAYRISCHEN VERWALTUNGSGERICHTSHOFS AZ.: 94.3094, VOM 6.6.1996 (AUSZUG)

Anmerkung des Herausgebers: Urteil zu den Voraussetzungen für die Aufbewahrung und Vernichtung von erkennungsdienstlichen Unterlagen bei der Polizei

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Entscheidungsgründe:

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Gemäß § 81 b 2. Alternative StPO dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden, soweit dies für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist. Aus dieser Regelung ergeben sich nicht nur die rechtlichen Voraussetzungen für die Aufnahme der Unterlagen, sondern auch Grund und Grenzen für die Berechtigung der Behörde, einmal aufgenommene Unterlagen aufzubewahren. Dazu ist die Behörde befugt, solange die weitere Aufbewahrung der erkennungsdienstlichen Unterlagen für die bezeichneten Zwecke "notwendig" ist.

Mit diesem Inhalt genügt § 81 b 2. Alternative StPO den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Bestimmtheit einer Norm, die zur Vornahme belastender Maßnahmen ermächtigt. Das gilt auch nach Auflassung des Bundesverwaltungsgerichts insoweit, als in der Aufbewahrung erkennungsdienstlicher Unterlagen ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. l GG i.V.m. Art. l Abs. l GG) zu erblicken ist, der nach den Maßgaben, die das Bundesverfassungsgericht für die Erhebung und Speicherung von Daten entwickelt hat (BVerfGE 65, l), einer gesetzlichen Bestimmung der Zweckbindung und verfahrensrechtlicher Schutzvorkehrungen namentlich in Bezug auf die Herausgabe oder Vernichtung der angefertigten Unterlagen bedarf. Entsprechend der Zweckbestimmung bemißt sich die Notwendigkeit der Aufbewahrung erkennungsdienstlicher Unterlagen danach, ob der anläßlich des gegen den Beschuldigten gerichteten Strafverfahrens festgestellte Sachverhalt nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalles Anhaltspunkte für die Annahme bietet, Betroffene künftig oder anderwärts gegenwärtig mit guten Gründen als Verdächtiger in den Kreis potentieller Beteiligter an einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und daß die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen fördern könnten. Liegen Anhaltspunkte in dieser Richtung nicht mehr vor, so ist die Aufbewahrung erkennungsdienstlicher Unterlagen, nicht mehr zulässig (BVerwG, NJW 1983, 1338; VGH Mannheim, Urteil v. 9.2.1987, NJW 1987, 2762).

Ob die genannten Voraussetzungen noch erfüllt sind, ist eine Frage, die sich nur anhand der Umstände des jeweiligen konkreten Falles beantworten läßt. In diesem Zusammenhang wesentlich sind vor allem Art, Schwere und Begehungsweise der Straftaten,deren der Betroffene im strafrechtlichen Anlaßverfahren verdächtigt wurde, seine Persönlichkeit sowie der Zeitraum, während dessen er strafrechtlich nicht mehr aufgefallen ist. Die hiernach gebotene konkret-individuelle Würdigung sämtlicher Umstände bedingt, daß die zulässige Aufbewahrungsdauer selbst bei gleichartigen Anlaßdelikten bald kürzer, bald länger zu bemessen sein wird.

Die Vielfalt der vom Einzelfall abhängigen Entscheidungskriterien schließt es weiterhin aus, den für die Aufbewahrung erkennungsdienstlicher Unterlagen maßgeblichen Zeitraum verallgemeinernd und im voraus gesetzlich festzulegen. Der Bayer.Verwaltungsgerichtshof weist in seiner Entscheidung vom 4. Dezember 1992 (BayVBl 1993, 211 ff) ebenfalls darauf hin, daß besondere Umstände, die für eine kürzere oder längere Bewährungszeit sprechen, zu berücksichtigen sind. Der in diesem Zusammenhang genannte Zeitraum von 10 Jahren, innerhalb dessen der Betroffene strafrechtlich nicht mehr in Erscheinung getreten ist, ist somit nicht als verallgemeinerungsfähige Mindestfrist zu sehen, sondern steht im Zusammenhang mit einer Einzelfallwürdigung.

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Außerdem spricht der persönliche und der berufliche Entwicklungsfortgang des Klägers wegen der seit Tatbegehung verstrichenen zwölf Jahre dafür, das der Kläger unter das damalige Täterprofil nicht mehr einzuordnen ist. Das Gericht ist der Auffassung, daß die 1984 gewonnenen erkennungsdienstlichen Unterlagen heute aus polizeilicher Sicht im Hinblick auf gleichartige Anlaßdelikte nicht mehr notwendig sind. Hinsichtlich der Frage nach der Notwendigkeit trifft den Beklagten die Darlegungslast. Allein der Hinweis auf die Schwere der Tat, die ArL und Weise der Tatausführung und die erneuten Vorfälle, die zu den Einstellungsverfügungen der Staatsanwaltschaft beim Landgericht München I gemäß § 170 Abs. 2 StPO und zu dem Freispruch durch das Amtsgericht München führten, genügt in diesem Zusammenhang nicht. Aus dem Vorbringen des Beklagten ist nicht erkennbar, daß mit dem Kläger im Hinblick auf die begangene Deliktart als Wiederholungstäter zu rechnen ist. Dies ergibt sich auch nicht aus dem dem Kläger zur Last gelegten Sachverhalt, der zum Freispruch mit Urteil des Amtsgerichts München vom 8. April 1992 führte. Zwar sah sich der Kläger auch hier dem strafrechtlichen Vorwurf der Körperverletzung ausgesetzt, doch zeigt ein Vergleich mir dem Sachverhalt, der zur Verurteilung im Jahre 19S5 führte, daß Anlaß der Tatbegnung und Ausführung zur Tat nicht als gleichartig einzustufen sind.

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2. Der vom Kläger gestellte Antrag auf Löschung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten beurteilt sich nach Art. 38 Abs. 2 Satz 2 PAG.

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Nach dieser Bestimmung ist die Polizei berechtigt, personenbezogene Daten in Akten oder Dateien zu speichern, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Art.38 Abs. 2 Satz l PAG regelt den hier vorliegenden Sonderfall der Speicherung personenbezogener Daten, die die Polizei im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungsverfahren gewonnen hat.

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Für automatisierte Dateien sind Termine festzulegen, an denen spätestens überprüft werden muß, ob die suchfähige Speicherung von Daten weiterhin erforderlich ist (Prüfungstermine). Für nicht automatisierte Dateien und Akten sind Prüfungstermine oder Aufbewahrungsfristen festzulegen. Dabei sind der Speicherungszweck sowie Art und Bedeutung des Anlasses der Speicherung zu berücksichtigen. Die in Art. 37 Abs. 3 PAG festzulegenden Prüfungstermine oder Aufbewahrungsfristen dürfen bei Erwachsenen zehn Jahre nicht überschreiten, Art. 38 Abs. 2 Satz 3 PAG. In Fällen von geringerer Bedeutung sind kürzere Fristen festzusetzen. Die Frist beginnt regelmäßig mit dem Ende des Jahres, in dem das letzte Ereignis erfaßt worden ist, das zur Speicherung der Daten geführt hat, jedoch nicht vor Entlassung des Betroffenen aus einer Justizvollzugsanstait oder der Beendigung einer mit Freiheitsentziehung verbundenen Maßregel der Besserung, und Sicherung, Art. 38 Abs. 2 Satz 4, Satz 5 PAG. Das Gericht sieht in der im Gesetz enthaltenen lO-Jahresfrist eine Maximalfrist ohne Fortsetzungszusammenhang, d.h. jedes einzelne Verfahren, für das personenbezogene Daten gewonnen werden,ist für sich allein zu betrachten. Hierfür spricht der Gesetzeswortlaut, der den Beginn der Frist regelmäßig auf das Ende des Jahres festsetzt, in dem das letzte Ereignis erfaßt worden ist,das zur Speicherung der Daten geführt hat. Für die Annahme einer Regelfrist, zu deren Fristbeginn auf das letzte erfaßte Ereignis abzustellen wäre, müßte man gegen den Gesetzeswortlaut argumentieren.

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 Letzte Änderung:
 am 17.03.1999
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