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Zur Inhaltsübersicht  4

AUS DEN EINZELNEN
ARBEITSGEBIETEN

Zur Inhaltsübersicht  4.1

  Sicherheit

4.1.1 Polizei

Mit dem am 1.August 1997 in Kraft getretenen Bundeskriminalamtgesetz (BKAG) ist endlich eine bereichsspezifische Rechtsgrundlage für die polizeiliche Informationsverarbeitung auf Bundesebene - insbesondere für die Übermittlungen der Landespolizeien an das BKA - geschaffen worden. Die erwartete Verlagerung von datenschutzrechtlichen Kompetenzen zu Lasten der Länder auf den Bund ist nunmehr festgeschrieben (vgl. JB 1996, 4.1.1).

Nach der Ratifikation des Übereinkommens vom 26.Juli 1995 über den Aufbau einer europäischen Zentralstelle für den unterstützenden Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten und für die Analyse von bestimmten schwerwiegenden Formen der internationalen Kriminalität (Europolkonvention) [BGBl. 1997 II, 2150] wurden im vergangenen Jahr nunmehr auch das Europol-Gesetz und das Europol-Auslegungs-Protokoll-Gesetz [BGBl. 1997 II, 2150] verabschiedet.

Mit dem Europol-Gesetz wird die Konvention in nationales Recht umgesetzt. Im einzelnen regelt das Gesetz die

  • Ziele und Aufgaben von Europol;
  • Stellung und Aufgaben der nationalen Stellen, mit denen Europol verbunden ist, einschließlich der Aufgaben der von jedem Mitgliedstaat zu entsendenden nationalen Verbindungsbeamten;
  • Ausgestaltung des bei Europol einzurichtenden Datenverarbeitungssystems und der Zugriffsmöglichkeiten durch die Mitgliedstaaten sowie die nationalen Verbindungsbeamten;
  • datenschutzrechtlichen Anforderungen an den Umgang mit den bei Europol befindlichen und von Europol weiterzuleitenden Daten;
  • Regelung der Haftung und der gerichtlichen Kontrolle von Handlungen von Europol und die
  • institutionellen Fragen, die im Zusammenhang mit der Errichtung einer gemeinsamen Behörde aller EU-Mitgliedstaaten erforderlich sind.

Das Europol-Auslegungs-Protokoll-Gesetz regelt die Vorab-Entscheidungskompetenz des Europäischen Gerichtshofes in Fällen, in denen bei Verfahren vor nationalen Gerichten entscheidungsrelevante Fragen der Auslegung des Europol-Übereinkommens auftreten. Durch die Einbeziehung des Europäischen Gerichtshofes soll eine einheitliche Auslegung des Europol-Übereinkommens in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union sichergestellt werden.

Auf der Grundlage des Europol-Übereinkommens ist von den Mitgliedstaaten der Europäischen Union ferner ein Protokoll über die Vorrechte und Immunitäten für Europol, die Mitglieder der Organe und die Bediensteten von Europol unterzeichnet worden, dessen Umsetzung mit dem Europol-Immunitäten-Protokoll-Gesetz erfolgen soll.

Folgende verfassungsrechtliche Bedenken der Datenschutzbeauftragten sind unberücksichtigt geblieben:

  • Die rechtliche Konstruktion als zwischenstaatliche Einrichtung läßt eine unmittelbare Kontrolle des Europäischen Parlamentes nicht zu.
  • Die Mitarbeiter von Europol sollen für Straftaten - dazu zählen auch Datenschutzver-stöße -, die sie im Amt begehen, nicht zur Rechenschaft gezogen werden.
  • Bürger laufen Gefahr, in das Datennetz dieser Behörde zu geraten. Es geht nicht nur um die Erfassung der Daten von Straftätern, sondern auch von Zeugen oder Opfern.
  • Das fundamentale Recht des Betroffenen im Datenschutzrecht - der Auskunftsanspruch - wird verkürzt. Der Auskunftsantrag kann ohne Begründung zurückgewiesen werden.

Die Verkürzung des Rechtsschutzes der Bürger ist damit gerechtfertigt worden, daß Europol bisher keine "exekutiven Befugnisse" habe. Dabei wird verkannt, daß jede Verwendung personenbezogener Daten zu massiven Eingriffen in Grundrechte der Betroffenen führt.

Errichtungsanordnung für AFIS

Bei dem Bundeskriminalamt (BKA) wird die Datei AFIS geführt, die dazu dient, über einen daktyloskopischen Vergleich Personen und unbekannte Tote zu identifizieren. Zudem können mit der Datei über einen daktyloskopischen Vergleich von Tatortfingerspuren und in der Datei erfaßten Fingerabdruckdaten Spurenverursacher identifiziert werden. Die nicht identifizierten Tatortfingerspuren können in einem gesonderten Bestand gespeichert und untereinander abgeglichen werden, um Tatzusammenhänge zu erkennen. AFIS wird bei dem BKA als Zentraldatei geführt. Die Länder liefern dazu elektronische Daten zum Zweck der Spurenauswertung an oder fragen diese ab. Insoweit handelt es sich um eine Verbundanwendung mit der Folge, daß die Länder der Errichtungsanordnung zustimmen müssen.

Bei der Errichtungsanordnung, deren Entwurf uns die Senatsverwaltung für Inneres vor der erteilten Zustimmung nicht zur Kenntnis gegeben hat, haben wir neben einigen noch klärungsbedürftigen Punkten folgende Mängel festgestellt:

Die bereichsspezifischen Regelungen über erkennungsdienstliche Sammlungen und Verbundanwendungen des neuen BKAG wurden nicht berücksichtigt. Nach § 34 Abs.1 Nr.3 BKAG ist der Personenkreis konkret festzulegen, über den die Daten gespeichert werden. Diesen Anforderungen genügt ein allgemeiner Hinweis auf "daktyloskopierte Personen, soweit nach der Zweckbestimmung der Daten deren Speicherung zulässig ist" nicht. In AFIS sollen neben den Fingerabdrücken, die nach Polizeirecht und Strafprozeßordnung erhoben wurden, auch die nach dem Ausländergesetz (AuslG) und dem Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) erhobenen Daten gespeichert werden. § 78 Abs.2 AuslG und § 16 Abs.4 AsylVfG schreiben - zusätzlich zu der besonderen Kennzeichnung der Daten - eine von anderen erkennungsdienstlichen Unterlagen getrennte Aufbewahrung vor. Das Bundesministerium des Innern hat in seinem Entwurf der allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum AuslG vorgesehen, daß mit der getrennten Aufbewahrung der Unterlagen (getrennte Behältnisse, Räume, Dateien und besondere Zugangsberechtigungen) sicherzustellen ist, daß sie nur für ausländerrechtliche Zwecke genutzt werden können. Der Entwurf der Errichtungsanordnung entsprach nicht diesen gesetzlichen Vorgaben. Die Innenressorts anderer Länder haben die Zustimmung zu der Errichtungsanordnung nicht so schnell erteilt, sondern vielmehr gegenüber dem Bundesminister des Innern Bedenken angemeldet.

Obwohl es sich bei den in der Datei AFIS gespeicherten Daten auch um Daten handelt, für deren Speicherung Berliner Stellen verantwortlich sind, weigerte sich die Senatsverwaltung für Inneres, uns zu beteiligen.

Das Zustimmungsverfahren ist inzwischen gescheitert. Das Bundesministerium des Innern hat eingeräumt, daß das Konzept problematisch ist, die logisch getrennten und damit eigenständigen Datenbestände von AFIS-Fahndung und AFIS-Asyl zusammenzuführen. Das BKA ist gebeten worden, getrennte Ermittlungsanordnungen zu erstellen, die dann erneut in das Zustimmungsverfahren gegeben werden. Wir erwarten, daß wir diesmal von der Senatsverwaltung für Inneres beteiligt werden.

Besondere polizeiliche Ermittlungsmethoden

Obwohl die polizeilichen Ermittlungsmethoden mit Änderung der Polizeigesetze der Länder (In Berlin durch die Neufassung des ASOG am 26.April 1992, GVBl. 1992, S. 119, zuletzte geändert durch Gesetz vom 19.Juli 1994, GVBl. S. 241), mit dem Verbrechensbekämpfungsgesetz und dem Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der organisierten Kriminalität (OrgKG) um eine Reihe tief in das Persönlichkeitsrecht eingreifender Überwachungsmöglichkeiten ergänzt wurden, halten die Diskussionen um die Einführung weiterer Eingriffsbefugnisse wie den Großen Lauschangriff und neuerdings den "Spähangriff" (heimliche Bildaufnahmen in Wohnungen) unvermindert an.

Bevor weitere Ermittlungsbefugnisse eingeführt werden, müssen zunächst einmal über die Auswirkungen des vorhandenen Instrumentariums Erfahrungen gesammelt werden und diese einer Erfolgungskontrolle unterzogen werden (vgl. JB 1994, Anlage 2.9). Dies ist dringend geboten, da der Einsatz der besonderen Ermittlungsmethoden zur vorbeugenden Straftatenbekämpfung in den Jahren 1994 bis 1996 kontinuierlich zugenommen hat, ohne daß etwas über die Eingriffsintensität und den Erfolg der Maßnahmen bekannt ist.

So hat der verdeckte Einsatz technischer Mittel (heimliche Bildaufnahmen und heimliches Abhören außerhalb von Wohnungen, § 25 Abs.1 Nr.2 ASOG) von insgesamt 18 auf 43 Anordnungen zugenommen. Der Einsatz von V-Personen (§ 26 Abs.1 Nr.1 ASOG), stieg von 24 auf 56 Anordnungen. Der verdeckte Einsatz technischer Mittel in oder aus Wohn- und Nebenräumen sowie Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräumen, also der "Große Lauschangriff" zur Gefahrenabwehr (§ 25 Abs.4 ASOG) stieg von einer Anordnung im Jahre 1994 auf vier Anordnungen im Jahre 1996.

Welche Erfolge diese Maßnahmen bei der Bekämpfung der Kriminalität erbracht haben und inwieweit dabei das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen eingeschränkt wurde, sollte jährlich in einem öffentlichen Bericht gegenüber dem Abgeordnetenhaus dargelegt werden, um die parlamentarische Kontrolle zu verbessern und mehr Transparenz in diesem Bereich zu erhalten.

Den Lauschangriff im Jahre 1994 haben wir überprüft, das Verfahren war bemerkenswert.

Ein Anbieter äußerte bei der Polizei die Befürchtung, daß bei einem in einem Lokal vereinbarten Gespräch mit Vertretern der Verwaltung entweder später die Behauptung eines Korruptionsversuches aufgestellt oder er mit der Forderung eines Schmiergeldes konfrontiert werden könnte.
Für die Staatsanwaltschaft kam ein Ermittlungsverfahren nicht in Betracht. Darüber hinaus wäre eine Maßnahme nach § 100c StPO unzulässig gewesen, weil das Delikt nicht zu den Katalogstraftaten des § 100a StPO zählte. Die Staatsanwaltschaft hat die Polizei allerdings darauf aufmerksam gemacht, daß sie eine Maßnahme nach § 25 Abs.4 ASOG in eigener Zuständigkeit durchführen könne. Danach kann die Polizei in oder aus Wohn- und Nebenräumen Daten nur erheben, wenn das zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person unerläßlich ist. Die Einschränkung gilt nicht für Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume sowie andere Räume, die der Öffentlichkeit zugänglich sind oder zugänglich waren und den Anwesenden zum weiteren Aufenthalt zur Verfügung stehen, wenn der Lauschangriff während der Arbeits-, Geschäfts- oder Aufenthaltszeit erfolgt.

Maßnahmen nach § 25 Abs.4 ASOG dürfen - außer bei Gefahr im Verzug - nur durch den Richter angeordnet werden. Das Amtsgericht Tiergarten hat den Antrag der Polizei mit der Begründung abgelehnt, daß keine Straftat von erheblicher Bedeutung vorliegt. Die sofortige Beschwerde des Polizeipräsidenten hat das Landgericht zurückgewiesen. Erst nach einer weiteren Beschwerde hat das Kammergericht diese Beschlüsse aufgehoben und die Sache an das Amtgericht zurückverwiesen, weil es die Auslegung des Begriffes "Straftaten von erheblicher Bedeutung" nicht teilte. Da in der Zwischenzeit der Zeitpunkt eines Gespräches abgelaufen war, beantragte die Polizei für ein weiteres, in einem Lokal vereinbartes Gespräch erneut bei dem Amtsgericht Tiergarten den Lauschangriff. Das wurde abermals abgelehnt mit der Begründung, daß Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelungen des ASOG auf die Gefahrenabwehr und die vorbeugende Straftatenbekämpfung zielen. Durch das Abhören bzw. Aufzeichnen des Gespräches würden jedoch keine Straftaten bekämpft oder verhindert, sondern lediglich dokumentiert. Dies sei nicht Aufgabe und Sinn der Regelung. Aufgrund der sofortigen Beschwerde der Polizei hat letztlich das Landgericht den Einsatz der technischen Mittel angeordnet.

Wie bedenklich der Lauschangriff bei derart vagen Eingriffsvoraussetzungen ist, belegen die widersprüchlichen Entscheidungen der Gerichte eindrucksvoll. Der fehlende Straftatenkatalog und die schwammige Voraussetzung, daß lediglich Tatsachen vorliegen müssen, die die Annahme rechtfertigen, daß eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen wird, führen zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit für Betroffene.

Im vorliegenden Fall konnte nicht einmal ein Erfolg den Eingriff rechtfertigen. Die Auswertung der Bänder ergab keine Anhaltspunkte für eine Straftat. Die Mitarbeiter der Verwaltung haben vielmehr sogar die Übernahme der Zeche abgelehnt. Bei dem Gespräch wurden lediglich die Positionen in einem Rechtsstreit in anderer Sache ausgetauscht.

Die vier Fälle aus dem Jahr 1996 hätten wir gern in unsere Prüfung einbezogen; leider haben sich die Entscheidungsträger im Landeskriminalamt mit unserem Wunsch nach Akteneinsicht sehr schwer getan. Es war - trotz der wiederholt geäußerten Bitte im Laufe des Jahres 1997 - nicht möglich, uns die Unterlagen zur Verfügung zu stellen.

Welche praktischen Schwierigkeiten mit dem Lauschangriff verbunden sind, zeigt eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem vergangenen Jahr [1 BGs 88/97].

Der BGH hat das heimliche und verdeckte Öffnen des Kfz zum Zweck des Einbaus einer Abhöreinrichtung für zulässig erklärt. Er weist zwar darauf hin, daß es an einer ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung, ob und wie weit zur Durchführung des Abhörens vorbereitende oder begleitende Maßnahmen, die in sonstige Rechte des Betroffenen oder Dritter eingreifen, zulässig sind, fehlt, sieht jedoch in § 100c Abs.1 Nr.2 StPO eine konkludente Ermächtigung durch den Gesetzgeber für Vorbereitungs- und Begleitmaßnahmen, die mit dem Abhören typischerweise verbunden sind. Nicht zulässig wäre danach jedoch das Verbringen des Pkw in eine Werkstatt, ohne daß der Eigentümer zugestimmt hat, da dies keine typische Vorbereitungsmaßnahme für das Abhören sei. Es handelt sich zudem bei dem Entzug des Fahrzeuges nicht mehr um einen geringfügigen Eingriff in die Rechte des Betroffenen. Dagegen stellt das bloße Öffnen des Fahrzeuges nach Auffassung des BGH nur einen geringfügigen Eingriff in den Rechtskreis des Betroffenen dar, der diesem zugemutet werden kann.

Der abgehörte Anwalt in der Wahllichtbildvorlage

Ein Strafverteidiger stellte bei der Einsicht in die Ermittlungsakte des Beschuldigten fest, daß sein eigenes Lichtbild Dritten anläßlich einer zeugenschaftlichen Vernehmung in einer Wahllichtbildvorlage gezeigt wurde. Das Landeskriminalamt hatte vermerkt, daß es sich um die Lichtbilder von ermittelten möglichen Tatverdächtigen handelt.
Was war geschehen? Aufgrund mehrerer Beschlüsse des Amtsgerichts Tiergarten wurde das Telefon des Beschuldigten abgehört. Unter den Protokollen waren fünf Wortprotokolle von Anrufen des Beschuldigten bei seinem Verteidiger. Daraufhin hat das Landeskriminalamt (LKA) das Lichtbild des Verteidigers aus dem Personalausweisantrag bei der Meldebehörde angefordert, weil er für verdächtig gehalten wurde.

Die Gespräche des Verteidigers wurden überwacht, obwohl bekannt war, daß dieser den Gesprächspartner, gegen den die Telefonüberwachung angeordnet worden war, im zugrundeliegenden Verfahren anwaltlich vertritt. § 148 Strafprozeßordnung (StPO) garantiert demgegenüber den freien, unüberwachten mündlichen - und damit auch telefonischen - Verkehr zwischen Verteidiger und Beschuldigtem. Diese Bestimmung schränkt § 100a StPO hinsichtlich der Überwachung von Verteidigergesprächen ein. Daraus folgt, daß Gespräche zwischen Verteidiger und Beschuldigtem nicht überwacht werden dürfen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bezeichnet die vertrauliche Kommunikation zwischen Verteidiger und Beschuldigtem auch als Menschenrecht [EGNR, Urteil v. 28.11.91, NJW 92, 3090].

Bereits die Aufzeichnung von Gesprächen zwischen Verteidiger und Beschuldigtem auf Bändern ist unzulässig, da die bloße Datenerhebung und -speicherung eine Überwachung des Verteidigergespräches darstellt. Die Senatsverwaltung für Justiz hatte uns allerdings in einem anderen Zusammenhang bereits mitgeteilt, daß die derzeitig vorhandene Technik das Unterdrücken der eingehenden Verteidigergespräche nicht zuläßt. Die Entwicklungskosten für ein derartiges Verfahren seien nicht absehbar. Auch ein alleiniges Mithören durch Polizeibeamte sei nicht durchführbar und auch rechtlich problematisch. Die Arbeitsbänder würden in der Regel zunächst von der Polizei ausgewertet. Die Prüfung der Verwertbarkeit erfolge allein durch den zuständigen Staatsanwalt. Wenn schon bei der Aufzeichnung der Gespräche Verteidigergespräche nicht unterdrückt werden können, habe allerdings eine Niederschrift eines Verteidigergespräches bei der Auswertung des Arbeitsbandes zu unterbleiben. Nur so würde das Überwachungsverbot des § 148 StPO umgesetzt.

Die Staatsanwaltschaft, die erst durch unsere Prüfaktivitäten von dem Vorgang Kenntnis erlangt hat, teilt ebenfalls unsere Auffassung, daß Gespräche des Beschuldigten mit seinem Verteidiger nicht überwacht werden dürfen und - sofern es die technische Ausstattung bei der Telefonüberwachungsaufzeichnung nicht zuläßt, die Aufnahme derartiger Gespräche von Anfang an zu verhindern - von diesen Gesprächen zumindest keine Arbeitskopien und Abschriften gefertigt werden dürfen. Dennoch erstellte Aufzeichnungen müßten vernichtet werden.

Zu den Hintergründen der Wahllichtbildvorlage haben wir folgendes festgestellt:
Die Polizei hat Gespräche aus der Telefonüberwachung in einem Parallelverfahren ohne vorherige Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft verwertet. Die Verwertung war zwar grundsätzlich zulässig, nicht jedoch die Verwertung der unzulässigerweise gespeicherten Verteidigergespräche. Weil die Polizei die Gesprächspartner des Beschuldigten offenbar als potentielle Mittäter angesehen hatte, wurde auch das Lichtbild des Verteidigers bei dem Landeseinwohneramt aus seinem Personalausweisantrag beschafft und dieses im Rahmen der Wahllichtbildvorlage verwandt. Die Polizei wollte bei der Beschaffung des Lichtbildes nicht gewußt haben, daß es sich um den Verteidiger des Beschuldigten gehandelt hat. Das ist sowohl nach unserer als auch der Auffassung der Staatsanwaltschaft nur schwer nachzuvollziehen, da die Informationen über den Verteidiger von dem Mitarbeiter der Polizei stammten, der dort das Parallelverfahren bearbeitete, in dem der Rechtsanwalt ebenfalls den Beschuldigten vertrat. Die Staatsanwaltschaft hat zusätzlich darauf hingewiesen, daß die bloße Tatsache, daß jemand zum Bekanntenkreis eines Beschuldigten zählt, noch niemanden automatisch verdächtig mache. Irgendwelche Indizien, die auf den Verteidiger als möglichen Tatbeteiligten hingewiesen hätten, habe es nicht gegeben. Die Staatsanwaltschaft hätte daher keinen Anlaß gesehen, irgendwelche Ermittlungen in dieser Richtung zu führen.

Nach alledem war die Aufnahme des Lichtbildes des Verteidigers in eine Wahllichtbildvorlage unzulässig. Auch diese Auffassung wird von der Staatsanwaltschaft geteilt.

Durchführung der Telefonüberwachung

Die Durchführung von Telefonüberwachungsmaßnahmen war auch Gegenstand einer Amtsprüfung bei Staatsanwaltschaft und Polizei an Hand einer kleinen Stichprobenauswahl. Wenn auch im Großen und Ganzen kein Anlaß für eine Beanstandung vorgefunden wurde, traten doch über die beschriebenen Probleme beim Abhören von Anwälten hinaus eine Reihe von Mängeln zu Tage, die Gegenstand von Erörterungen mit Staatsanwaltschaft und Polizei sind.

Eine wesentliche Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Telefonüberwachung ist das in § 100b Abs.5 StPO festgelegte Verbot der Zweckentfremdung von Daten, die aus der Maßnahme stammen. Wir stellten fest, daß es in Einzelfällen für erforderlich gehalten wird, auch aus kriminaltaktischen Erwägungen Erkenntnisse zur vorbeugenden Straftatenbekämpfung festzuhalten. Damit ist eine unzulässige Durchbrechung der Zweckbestimmung verbunden. Durch die Telefonüberwachung erlangte Unterlagen dürfen nur zur Strafverfolgung genutzt und von der Polizei nicht in die Kriminalakte des Betroffenen aufgenommen werden.

Nach § 101 Abs.1 StPO sind die Beteiligten zu benachrichtigen, sobald dies ohne Gefährdung des Untersuchungszwecks, der öffentlichen Sicherheit, von Leib und Leben einer Person sowie der weiteren Verwendung eines eingesetzten nicht offen ermittelnden Beamten geschehen kann. Um welche Personen es sich bei den Beteiligten handelt, hat der Geetzgeber in dem Wortlaut der Regelung offen gelassen. Beteiligte sind der Beschuldigte und in den Fällen des § 100a Satz 2 StPO die Personen, gegen die sich die Maßnahme richtet, also die Anschlußinhaber. Problematisch ist die Frage, wer zu benachrichtigen ist, wenn bei Überwachungsmaßnahmen - wie häufig bei Mobiltelefonen der Fall - der Anschlußinhaber nicht identisch mit dem tatsächlichen Nutzer des Telefons ist. Sofern sich bei einer Telefonüberwachungsmaßnahme herausstellt, daß Anschlußinhaber und Nutzer eines Anschlusses nicht personenidentisch sind, ist die tatsächlich abgehörte Person als Beteiligter anzusehen und von der Telefonüberwachungsmaßnahme zu unterrichten. Bis auf einen Fall wurden die Beteiligten von der Staatsanwaltschaft unterrichtet oder waren Gründe, aus denen die Unterrichtung unterbleiben konnte, dokumentiert. In diesem Fall ergab sich aus der Akte lediglich, daß die Benachrichtigung der Beteiligten beabsichtigt war.

Die durch die Telefonüberwachungsmaßnahmen erlangten Unterlagen sind unverzüglich unter Aufsicht der Staatsanwaltschaft zu vernichten, sobald sie zur Strafverfolgung nicht mehr erforderlich sind (§ 100b Abs.6 StPO). Über die Vernichtung ist eine Niederschrift anzufertigen. Hierzu zählen nicht nur die Tonträger selbst, sondern auch die Protokolle der Tonbandaufzeichnungen sowie Aktenvermerke. Unzulässig ist, Kopien der Unterlagen in einem Aktenretent bei der Polizei zurückzuhalten.

Bei Zufallsfunden, die bei der Telefonüberwachung gewonnen worden sind, ist zu klären, ob ein Verwertungsverbot vorliegt. Bei anderen als in der richterlichen Anordnung bezeichneten Katalogtaten nach § 100a StPO ist die Verwertung gegen den Beschuldigten oder einen Teilnehmer zulässig. Zufallsfunde zu Nicht-Katalogtaten dürfen dagegen nicht unmittelbar zum Beweis und damit auch nicht zum Vorhalt genutzt werden. Zulässig ist nach der Rechtsprechung nur eine mittelbare Verwertung des Zufallsfundes in der Weise, daß aufgrund der erlangten Erkenntnisse Ermittlungen durchgeführt werden mit dem Ziel, andere Erkenntnisse zu gewinnen. Zufallsmaterialien, bei denen ein Verwertungsverbot besteht, sind unverzüglich zu vernichten und die Tonbänder, auf denen die Aufzeichnung erfolgt ist, zu löschen (OLG Koblenz, Beschluß v. 21.12.1993 - 3vas 25/93 - in 94, S. 284).

In einem Fall fiel eine Zufallserkenntnis an, die keine Katalogstraftat betrifft. Gleichwohl hat die Polizei Gesprächsprotokolle an eine andere Polizeidienststelle zur Weiterermittlung übersandt. Zulässig wäre nur die Mitteilung gewesen, daß der Verdacht auf ein bestimmtes Delikt besteht. Diese Mitteilung reicht als Ermittlungsansatz aus.

Die Staatsanwaltschaft ist verpflichtet, die unverzügliche Vernichtung der nicht (mehr) benötigten Telefonüberwachungsprotokolle und Aufzeichnungsbänder zu prüfen. Allerdings wird die Staatsanwaltschaft nicht immer vom LKA darüber informiert, ob tatsächlich auch Wortprotokolle von den aufgezeichneten Gesprächen gefertigt worden sind. Überhaupt gibt es Mängel bei der Unverzüglichkeit der Umsetzung: Zwei bis drei Monate sind nicht ungewöhnlich, aber auch Zeiträume von über einem Jahr nach Erreichung des Ziels der Maßnahme wurden festgestellt. Wir sind der Auffassung, daß ein Zeitraum von mehr als einem Monat den Begriff der Unverzüglichkeit nicht mehr erfüllt.

Die Prüfung hat ergeben, daß die Entscheidung über die Protokollierung und Auswertung der Gespräche stark vom Ermessen des einzelnen polizeilichen Sachbearbeiters abhängt. Angesichts des massiven Eingriffs in die Grundrechte der Beschuldigten und unbeteiligter Dritter sollte die Durchführung von Telefonüberwachungsmaßnahmen verbindlich, einheitlich und transparent in einer Geschäftsanweisung geregelt werden. Hierfür haben wir eine Reihe von konkreten Vorschlägen gemacht.

Ein erheblicher Mangel lag darin, daß uns die Polizei nicht nach § 24 Abs.3 Satz 3 BlnDSG über die Anschaffung einer digitalen Abhöranlage vorab informiert hatte, wie dies in einem anderen Bundesland der Fall war. Datenschutzrechtliche Belange wie die Unterdrückbarkeit der Aufzeichnung von Verteidigergesprächen hätten so berücksichtigt werden können.

Datenerhebung bei polizeilichen Ermittlungen

Anläßlich der Ermittlungen wegen einer Vergewaltigung bat das Landeskriminalamt das Virchow-Klinikum schriftlich um Übersendung der Untersuchungsbefunde des Opfers. Eine Person, die autorisiert ist, das Schreiben zu öffnen, war nicht benannt. Sowohl der Name, Geburtstag, Geburtsort und Wohnort des Beschuldigten als auch der Name des minderjährigen Opfers waren dem Schreiben zu entnehmen. Um den tatsächlichen Adressaten innerhalb des Krankenhauses zu ermitteln, wurde der Brief von der Poststelle geöffnet und irrtümlich an eine Abteilung weitergeleitet, die mit dem Vorgang gar nichts zu tun hat. Wie viele weitere Stellen bzw. Personen in dem Krankenhaus noch von dem Inhalt des Schreibens Kenntnis nehmen konnten, ist nicht bekannt.
Das Schreiben wurde in der beschriebenen Form in der Erwartung übersandt, daß der behandelnde Arzt innerhalb des Krankenhauses schneller ausfindig gemacht werden könne, als dies durch Ermittlungen der Polizei der Fall wäre.

Die Übermittlung von Daten zur Person des Beschuldigten an das Virchow-Klinikum war unzulässig. Die Beamten des Polizeidienstes haben Straftaten zu erforschen und alle keinen Aufschub gestattenden Anordnungen zu treffen, um die Verdunkelung der Sache zu verhüten (§ 163 StPO). Es gilt der Grundsatz, daß das Ermittlungsverfahren frei gestaltet werden kann. Dennoch hat sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Polizei den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen. Die Weitergabe personenbezogener Daten an Dritte hat bei Sexualdelikten eine erheblich diskriminierende Wirkung für die Betroffenen, insbesondere den Beschuldigten, wenn sich der Tatverdacht nicht bestätigen sollte. Die Übermittlung von Angaben zum vermutlichen Tathergang einschließlich des Namens, Geburtsdatums und -ortes, Wohnortes, der Straße und Hausnummer des mutmaßlichen Täters ist bei der Anforderung von Untersuchungsbefunden des Opfers nicht erforderlich und damit unverhältnismäßig.

Hier kam erschwerend hinzu, daß durch die fehlerhafte Adressierung und die fehlende Benennung der zuständigen Abteilung im Virchow-Klinikum bzw. des dortigen behandelnden Arztes unbefugte Dritte vom Inhalt des Briefes Kenntnis nehmen mußten. Bei der Verarbeitung personenbezogener Daten sind Maßnahmen zu treffen, die den Zugriff Unbefugter beim Transport verhindern (§ 5 Abs.2 BlnDSG). Das Vorgehen der Polizei war ein eklatanter Verstoß gegen diesen datenschutzrechtlichen Grundsatz. Die erforderlichen Angaben für eine korrekte Adressierung des Schreibens an den behandelnden Arzt oder an die Fachabteilung, die für derartige Untersuchungen zuständig ist, wären durch eine telefonische Rücksprache mit dem Virchow-Klinikum oder eine Nachfrage bei den Erziehungsberechtigten des Opfers in Erfahrung zu bringen gewesen.

Eine Petentin beschwerte sich über eine Mitarbeiterin der Polizei, die anläßlich eines gegen sie geführten Ermittlungsverfahrens bei einer beliebig aus dem Telefonbuch herausgesuchten Firma der Branche, in der die Petentin tätig ist, unter Nennung des Namens der Petentin allgemeine Erkundigungen einzog.
Eine derartige, am Zufallsprinzip orientierte Ermittlung des Arbeitgebers einer Beschuldigten ist unverhältnismäßig. Durch das zufällige Heraussuchen von Telefonnummern von Unternehmen der Branche, in der die Beschuldigte tätig ist, und die anschließende telefonische Befragung der unbekannten Gesprächsteilnehmer zur Person der Petentin wurden Dritte darüber unterrichtet, daß ein Ermittlungsverfahren gegen diese geführt wird. Eine Erforderlichkeit für die Offenbarung dieser sensiblen personenbezogenen Daten bestand nicht.

Der Polizeipräsident in Berlin wurde von der Kreisordnungsbehörde des Landkreises Ostvorpommern im Zusammenhang mit einem Antrag einer Berlinerin auf Erteilung einer Gaststättenerlaubnis um Stellungnahme über den Leumund der Antragstellerin und deren Ehegatten gebeten sowie um Mitteilung, ob dort Versagungsgründe bekannt sind. Daraufhin hat der zuständige Kontaktbereichsbeamte die Nachbarn der Antragstellerin und ihres Ehemannes nach deren Lebensumständen befragt.
Die Erhebungsbefugnis des Berliner Beamten, der in Amtshilfe für den Landkreis tätig wurde, richtet sich nach den Befugnissen dieser Stelle selbst.

Gemäß § 2 Abs.1 Gaststättengesetz (GaststättenG) hat der Antragsteller einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Erlaubnis, soweit dem nicht Versagungsgründe entgegenstehen. Die Versagungsgründe sind abschließend in § 4 GaststättenG aufgeführt. Die Erlaubnis ist vor allem zu versagen, wenn der Antragsteller unzuverlässig ist. Unzuverlässig ist, wer nicht die Gewähr dafür bietet, daß er sein Gewerbe in Zukunft ordnungsgemäß betreiben wird. Grundlage für diese Prognose kann nur das bisherige Verhalten des Betroffenen unter Würdigung aller mit seiner Person zusammenhängenden Umstände sein. Zur Beurteilung der Zulässigkeit darf die zuständige Stelle gemäß § 11 Abs.1 Gewerbeordnung (GewO) (auf dessen Anwendbarkeit § 31 GaststättenG verweist) die erforderlichen personenbezogenen Daten des Antragstellers und solcher Personen, auf die es für die Entscheidung ankommt, erheben. Neben Daten zur Identifizierung der Person und zum beruflichen Werdegang können auch Angaben zum Leumund z.B. in strafrechtlicher oder finanzieller Hinsicht erforderlich sein. Auch hier gilt der Grundsatz der Datenerhebung bei dem Betroffenen (§ 11 Abs.2 Satz 1 GewO). Bei anderen Personen oder Stellen dürfen die Daten ohne Mitwirkung des Betroffenen nur erhoben werden (vgl. § 11 Abs.2 Satz 2 GewO), wenn die Entscheidung eine Erhebung bei Dritten erforderlich macht - was dann der Fall ist, wenn der Betroffene über den fraglichen Sachverhalt keine Angaben macht, die Information verweigert oder der Verdacht besteht, daß er falsche Informationen gegeben hat - oder wenn die Erhebung beim Betroffenen einen unverhältnismäßig hohen Aufwand erfordern würde. Darüber hinaus ist zwischen dem Interesse der zuständigen Behörde an der Erhebung ohne Mitwirkung des Betroffenen und dessen möglicherweise entgegenstehendem Interesse eine Abwägung vorzunehmen.

Im geschilderten Fall war eine Datenerhebung bei Dritten nicht erforderlich. Weder die zuständige Ordnungsbehörde in Ostvorpommern (Auftraggeber) noch der Kontaktbereichsbeamte der Berliner Polizei (Auftragnehmer) hätte die Befragung der Nachbarn durchführen dürfen.

Videoaufzeichnungen anläßlich einer Kundgebung

Anläßlich einer genehmigten Kundgebung zum Thema "Abschaffung des Zwangseinkaufssystems und Wiedereinführung von Bargeldleistungen für Flüchtlinge und Asylbewerber" wurden von der Polizei Videoaufzeichnungen der Versammlungsteilnehmer gefertigt.
Die Videoaufzeichnung deckt - mehrfach unterbrochen - den Zeitraum der Kundgebung und damit in Zusammenhang stehender Ereignisse ab. Die akustische Qualität ist schlecht, der Ton während der gesamten Länge des Filmes unverständlich. Es handelt sich vorwiegend um Gruppenaufnahmen der Veranstaltungsteilnehmer, wobei einzelne Personen durchaus identifizierbar sind. Im Hintergrund ist bei einigen Aufnahmen ein Fahrzeug erkennbar. Von diesem sollen laut Mitteilung der Polizei über Lautsprecher strafrechtlich relevante Redebeiträge verbreitet worden sein. Der Videoaufzeichnung ist dazu allerdings kein Hinweis zu entnehmen. Auf dem Rückweg von der Versammlung wurde das Fahrzeug, aus dem während der Versammlung über einen Lautsprecher Redebeiträge erfolgten, von der Polizei angehalten, zur Feststellung der Personalien der Insassen unter Anwendung von unmittelbarem Zwang geöffnet, die Insassen wurden herausgeholt und dem polizeilichen Einsatzfahrzeug zugeführt. Dabei soll es zu Widerstandshandlungen gegen Mitarbeiter der Polizei gekommen sein. Die Aktion wurde, für die Betroffenen nicht erkennbar, aus dem Inneren des Einsatzfahrzeuges heraus aufgezeichnet.

Die Polizei darf gemäß § 12a Versammlungsgesetz (VersG) Bild- und Tonaufnahmen von Teilnehmern bei oder im Zusammenhang mit öffentlichen Versammlungen - z.B. bei der An- und Abfahrt - anfertigen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, daß von ihnen eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Die Maßnahmen dürfen auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden. Nach Beendigung der öffentlichen Versammlung oder der damit im Zusammenhang stehenden Ereignisse sind die Unterlagen unverzüglich zu vernichten. Die Vernichtung kann gemäß § 12a Abs.2 Nr.1 VersG unterbleiben, wenn die Daten zur Verfolgung von Straftaten, die von Teilnehmern begangen wurden, benötigt werden.

Die Voraussetzungen für die Datenerhebung und weitere Speicherung nach § 12a VersG waren nicht erfüllt. Wir haben empfohlen, das Videomaterial - Originalaufnahme und Kopien - unverzüglich zu vernichten. Die Polizei ist dieser Empfehlung nicht gefolgt. Die Filme werden weiter aufbewahrt, weil man es zur Verfolgung von Straftaten für erforderlich hält. Überrascht hat die Begründung, die uns von der Polizei dafür mitgeteilt wurde. Danach wurde ein versammlungsrechtlicher Bezug für die Aufnahmen auf dem Rückweg von der Versammlung abgestritten und die Videomaßnahme als erkennungsdienstliche Behandlung erklärt, die auf § 81b 1.Alternative StPO gestützt werden könne. Dabei wird verkannt, daß erkennungsdienstliche Behandlungen offen zu erfolgen haben. Im vorliegenden Fall wurden die Aufnahmen jedoch aus dem Innenraum eines Einsatzfahrzeuges für die Betroffenen nicht erkennbar - also verdeckt - gefertigt. Ohne Wissen des Betroffenen dürfen derartige Bildaufzeichnungen in Ermittlungsverfahren nur hergestellt werden, wenn die Erforschung des Sachverhaltes oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters auf andere Weise weniger erfolgversprechend oder erschwert wäre (§ 100c Abs.1 Nr.1 StPO). Diese Voraussetzungen lagen nicht vor. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch, nach welchen Kriterien die Polizei die Abgrenzung zwischen verdeckten und offenen Maßnahmen vornimmt. Für die Polizei kommt es anscheinend "auf die Heimlichkeit, insbesondere auf die Vertarnung polizeilichen Handelns" an. Dies sei nicht gegeben, wenn "Einsatzkräfte aus ihrem Einsatzfahrzeug, das von jedermann als polizeiliches erkennbar war, videographierten und nichts taten, um ihre Zugehörigkeit zur Polizei zu verschleiern".

Der heimlichen Erhebung personenbezogener Daten durch technische Mittel wären nach dieser Auffassung - abgesehen von dem immer zu beachtenden Erforderlichkeitsgrundsatz - kaum noch Grenzen gesetzt.

Auskunft an Betroffene

Im Zusammenhang mit ihrem Antrag auf Auskunft über die bei dem Polizeipräsidenten in Berlin zu ihrer Person gespeicherten Daten wurde eine Petentin gebeten, Angaben zum Zeitpunkt, Ort und Anlaß einer möglichen Erfassung zu machen. Nur so könnten weitere dezentrale oder fachbezogene Datenspeicherungen überprüft werden.
Ein Antragsteller wird auf Auskunft um weitere Angaben zum Zeitpunkt, Ort und Anlaß einer möglichen polizeilichen Erfassung gebeten, wenn sein Antrag auf eine umfassende Auskunft gerichtet ist und in den kriminalpolizeilichen Datensammlungen, bei denen der Name des Betroffenen als Suchkriterium dient, kein weiterer Datenbestand festgestellt werden konnte. In diesen Fällen ist nicht auszuschließen, daß der Antragsteller dennoch in Unterlagen der Polizei erfaßt ist. So werden z.B. über alle polizeilichen Einsätze Berichte gefertigt und zum großen Teil dezentral - sortiert nach Zeit, Ort und Anlaß des Einsatzes - in Tagebüchern zu Dokumentationszwecken für einen Zeitraum von zwei Jahren aufbewahrt. Eine Recherche nur nach den Personalien eines Auskunftssuchenden ist in diesen Datensammlungen nicht möglich. Nur durch die genannten zusätzlichen Angaben ist es mit vertretbarem Aufwand möglich, eventuell vorhandene Daten zur Person des Auskunftsbegehrenden festzustellen. Das Verfahren entspricht den Bestimmungen des § 50 Abs.1 Satz 2 ASOG und ist datenschutzrechtlich nicht zu beanstanden.

Interessante Angaben zum Auskunftsanspruch gegenüber der Polizei enthält die Antwort auf eine Kleine Anfrage. Folgende Zahlen wurden vorgelegt:

1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997
133
Anträge
82
Anträge
456
Anträge
232
Anträge
241
Anträge
261
Anträge
182
Anträge

Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer eines Datenauskunftsantrages betrug im ersten Halbjahr 1997 etwa drei Monate (Antwort des Senats auf die Kleine Anfrage Nr. 13/2768 vom 07.10.97).

Fristenberechnung bei der vorbeugenden Straftatenbekämpfung

Bei der Speicherung von Daten eines Betroffenen zur vorbeugenden Straftatenbekämpfung gemäß § 42 Abs.3 ASOG ist es Praxis des Polizeipräsidenten in Berlin, daß die Prüffrist für die Aufbewahrung der Daten bzw. Unterlagen schematisch nach dem Zeitpunkt des zuletzt gespeicherten Datensatzes berechnet wird. Für bereits vorhandene Datenspeicherungen verlängert sich die Prüffrist - unabhängig von der Art der Daten - entsprechend. Eine Einzelfallprüfung zur Erforderlichkeit einer weiteren Speicherung dieses Altdatenbestandes über den ursprünglich festgesetzten Zeitpunkt hinaus findet nicht statt.
Durch diese schematische Anwendung der Prüffristen kann eine unvertretbare "Fristenspirale" in Gang gesetzt werden. Im Ergebnis führt dies in vielen Fällen dazu, daß die zur Person gespeicherten Datensätze über Tatvorwürfe Auskunft geben, für die allein die übliche Speicherfrist schon verstrichen wäre. Besonders problematisch werden kann dieser Automatismus, wenn kurz vor Ablauf der Speicherfrist für das erste Delikt ein weiteres aus einem anderen Deliktsbereich hinzukommt oder wenn es nur um ein Bagatelldelikt geht.

Gemäß § 48 Abs.4 Satz 3 ASOG beginnt der Fristenlauf regelmäßig mit dem letzten Anlaß für eine Datenspeicherung. Die von der Polizei geübte Praxis der Fristenberechnung steht im Widerspruch zu dieser Bestimmung. Durch die Verwendung des Begriffes "regelmäßig" hat der Gesetzgeber klargestellt, daß beim Hinzutreten von Datenspeicherungen die Erforderlichkeit einer weiteren Speicherung bereits vorhandener Daten nicht schematisch vorausgesetzt werden darf, sondern in jedem Einzelfall zu prüfen ist.


Verfassungsschutz

Sicherheitsüberprüfungen

Seit Jahren ist das Fehlen hinreichender Rechtsvorschriften für die Durchführung der Sicherheitsüberprüfungen der bedeutendste Mangel der Berliner Gesetzgebung. Es ist deshalb zu begrüßen, daß das Gesetz über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen im Land Berlin (Berliner Sicherheitsüberprüfungsgesetz - BSÜG -) vom Senat im März 1997 im Abgeordnetenhaus eingebracht und dort beraten wurde [Drs. 13/1472] . Es wird Anfang 1998 in Kraft treten. Das Gesetz regelt den personellen Geheim- und Sabotageschutz bei öffentlichen und nicht-öffentlichen Stellen. Es enthält Bestimmungen über die Voraussetzungen und das Verfahren der Sicherheitsüberprüfung von Mitarbeitern, die Beschreibung der Sachverhalte, die ein Sicherheitsrisiko begründen, den Umfang der zu erhebenden Daten, die Nutzung der erlangten Daten für andere Zwecke, die Wiederholungsprüfungen und die Auskunftsrechte des Betroffenen.

Über die von uns bereits gegenüber der Innenverwaltung vorgebrachten, aber nicht akzeptierten Empfehlungen (vgl. JB 1996, 5.1), hinaus wurden in den Beratungen im Unterausschuß "Datenschutz" des Abgeordnetenhauses weitere Verbesserungen erzielt:

  • Es soll genauer angegeben werden, welche Voraussetzungen vorliegen müssen, damit eine öffentliche Stelle oder ein Privatunternehmen als "lebens- oder verteidigungswichtig" eingestuft werden kann. In einer Rechtsverordnung sind die zu schützenden Arten von Einrichtungen abschließend festzulegen. Damit wird für die Betroffenen transparent, in welchen Bereichen sie einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen werden können. Nicht gefolgt wurde unserer Empfehlung, Sicherheitsüberprüfungen nur auf die Bereiche zu beschränken, in denen einer erheblichen Bedrohung für das Leben zahlreicher Menschen vorgebeugt werden muß (vgl. JB 1995, Anlage 2.2).
  • Es wird klargestellt, daß der Betroffene auch über die bei der Sicherheitsüberprüfung beabsichtigten Datenerhebungen, z.B. bei Dritten, zu unterrichten ist.
  • Gestrichen wurden die erweiterte Sicherheitsüberprüfung bei Mitarbeitern, die in Teilen von Behörden tätig sind, die zum Sicherheitsbereich erklärt wurden, die aber selbst keinen Zugang zu Verschlußsachen haben. Hier soll die einfache Sicherheitsüberprüfung genügen. Angaben, die den Ehegatten oder Lebenspartner betreffen, werden künftig bei den Betroffenen selbst erhoben und nicht in einem einheitlichen Sicherheitsfragebogen abgefragt.
  • Eine beabsichtigte Beschränkung des Kontrollrechts des Berliner Datenschutzbeauftragten wurde fallengelassen. Personenbezogene Daten einer Person, der Vertraulichkeit zugesichert worden ist, sind entgegen dem Entwurf zumindest dem Berliner Datenschutzbeauftragten persönlich zu offenbaren. Dies ist auch vorgesehen, wenn die Senatsverwaltung für Inneres im Einzelfall feststellt, daß dies die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gebietet.
  • Der Betroffene erhält einen Anspruch auf Akteneinsicht. Das Landesamt für Verfassungsschutz und der Geheimschutzbeauftragte seiner Beschäftigungsstelle haben ihm auf Antrag Einsicht in die Teile der Akten zu gewähren, die Daten zu seiner Person enthalten. Auch soll dem Betroffenen nicht mehr die Mitteilung verweigert werden, woher die über ihn gespeicherten Daten stammen und an welche Stellen sie weitergeleitet wurden, wenn dem nicht Geheimhaltungsinteressen entgegenstehen.

In folgenden Punkten wurde unseren Empfehlungen nicht gefolgt:

  • Festgehalten wurde an den weitgehenden Möglichkeiten zu Befragungen Dritter. Diese sollen bereits möglich sein, "wenn die Erhebung bei dem Betroffenen oder seinem Lebenspartner nicht ausreicht". Durch diese großzügige Ausdehnung der Befragungen können die Grenzen zwischen den einzelnen Stufen der Sicherheitsüberprüfung (einfache Sicherheitsüberprüfung, erweiterte Sicherheitsüberprüfung und erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen) zerfließen und die Dreiteiligkeit, mit der dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung getragen werden soll, ihrem Sinn nach ins Leere laufen. Der Begriff "geeignete Stellen" oder "weitere geeignete Auskunftspersonen" läßt für den Betroffenen offen, welche Befragungen hier konkret vorgenommen werden. Es bleibt dem Landesamt für Verfassungsschutz überlassen, den zu befragenden Personenkreis zu bestimmen. Die Regelung widerspricht der Forderung der Datenschutzkonferenz vom 13.September 1985 [vgl. JB 1985, Anlage 4] nach Transparenz des Sicherheitsüberprüfungsverfahrens.
  • Auch die zugelassene Nutzung der Daten für fast alle Aufgaben des Verfassungsschutzes ist bedenklich. Damit kann das Landesamt für Verfassungsschutz durch seine Mitwirkung bei der Sicherheitsüberprüfung in den Besitz von Daten gelangen, die es für seine Aufgaben nicht hätte erheben dürfen.
  • An den großzügigen Datenspeicherungsbefugnissen des Landesamtes für Verfassungsschutz wurde festgehalten. Es darf nicht nur die Daten des Betroffenen, sondern auch die Daten des Ehegatten oder Lebenspartners in automatisierten Dateien, insbesondere im NADIS, dem bundesweiten Informationssystem der Nachrichtendienste, speichern. Die Möglichkeit, Erkenntnisse, die ein Sicherheitsrisiko begründen, in einer automatisierten Datei zu speichern, soll zwar auf unsere Anregung auf Erkenntnisse über "objektive Sicherheitsrisiken" beschränkt werden; diese verkürzte Darstellung des Akteninhalts in einer Datei bringt dennoch die Gefahr einer Verfälschung und irreführender Verkürzungen der ursprünglichen Aussage mit sich. Gleichzeitig pflegen sich derartige Darstellungen gegenüber der in den Akten enthaltenen Langfassung zu verselbständigen in der Weise, daß bevorzugt und fast ausschließlich auf die Kurzfassung zurückgegriffen wird.

Beobachtung von Gruppierungen innerhalb der PDS

Aus der Mitte des Abgeordnetenhauses wurden wir um Überprüfung der Verarbeitung personenbezogener Daten im Zusammenhang mit der Beobachtung von Gruppierungen innerhalb der PDS gebeten.
Das Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet sieben als verfassungsfeindlich eingestufte Gruppierungen innerhalb der PDS, soweit erforderlich auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln. Eine Beobachtung der PDS als Gesamtpartei erfolgt nicht.

Die fachliche Schlußfolgerung, daß tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen bei den beobachteten Gruppierungen vorliegen, ist nicht vom Berliner Datenschutzbeauftragten zu bewerten. Unsere Prüfung beschränkte sich auf die Frage, ob vor dem Hintergrund der negativen Erfahrungen im Zusammenhang mit der Beobachtung der AL (vgl. JB 1989, 2.2) sichergestellt ist, daß keine Daten über Personen erhoben und gespeichert werden, die lediglich im Zusammenhang mit der PDS stehen und keine als verfassungsschutzrelevant eingestuften Aktivitäten im Zusammenhang mit den beobachteten Gruppierungen entfalten.

Datenspeicherungen über Personen allein aufgrund ihrer Tätigkeit in der PDS haben wir bei unseren Stichproben in den Akten nicht festgestellt. Bei den eingesehenen Akten war das Bemühen erkennbar, nur die für die beobachteten Gruppierungen relevanten personenbezogenen Informationen zu sammeln. Die Durchführung dieser Differenzierung ist in der Praxis - angesichts der vielfältigen Aktivitäten der Mitglieder dieser Gruppierungen innerhalb der PDS - jedoch schwierig. So sind Angaben über PDS-Mitglieder oft schwer von diesen Informationen zu trennen. Wir haben einen strengen Maßstab für Datenspeicherungen in diesem Zusammenhang gefordert. Das Landesamt für Verfassungsschutz hat zugesagt, unseren Empfehlungen auf Herausnahme von einigen Unterlagen nachzukommen.

Bei der Beeinflussung einer Partei durch Gruppierungen, die als verfassungsschutzrelevant eingestuft werden, muß sich die Beobachtung des Landesamtes für Verfassungsschutz auf die Personen beschränken, die die als verfassungsschutzrelevant eingestuften Gruppierungen nachhaltig unterstützen.

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 Letzte Änderung:
 am 28.12.1998
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