Jahresbericht 1997
Homepage

Impressum
Berlin
Deutschland
Europa
International
Recht
Technisch-Organisatorische  Maßnahmen
Aktuelles
Adressen von Datenschutzbehörden
Materialien
Service und Verweise
Datenschutz nach Themen

Abgeordnetenhaus von Berlin: Drucksache 13/2267

Mitteilung - zur Kenntnisnahme -
über Entwicklung des Datenschutzes -
Gibt es ein Spannungsfeld zwischen informationellem Selbstbestimmungsrecht und schutzwürdigen Belangen der Allgemeinheit?

Der Senat legt nachstehende Mitteilung dem Abgeordnetenhaus zur Besprechung vor.

 
Inhaltsübersicht:

Seitenanfang


"Spannungsbericht":
Gibt es ein Spannungsfeld zwischen informationellem Selbstbestimmungsrecht und schutzwürdigen Belangen der Allgemeinheit?

Zur Inhaltsübersicht

I. Vorbemerkungen

Der Schutz des informationellen Selbstbestimmungsrechts der Bürger ist eine originäre verfassungsrechtlich verankerte Pflicht des Staates (Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 33 VvB). Gesetze, die dem Schutz der personenbezogenen Daten des einzelnen dienen, werden also auch im staatlichen und damit öffentlichen Interesse erlassen. Datenschutz ist mithin kein Gegenpol zu den Interessen der Allgemeinheit, Datenschutz gehört zu den Interessen der Allgemeinheit. Ein Spannungsverhältnis ist insoweit nicht zwingend.

Gleichwohl kann ein Spannungsverhältnis bestehen. Dies ist z. B. der Fall, wenn der Datenschutz mit gleichrangigen anderen Interessen der Allgemeinheit konkurriert. Dieses Spannungsverhältnis ist dann vom Gesetzgeber bzw. von der gesetzesausführenden Verwaltung insbesondere durch eine Abwägung im Rahmen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit aufzulösen.

Gegenstand dieses Berichts sind solche Aufgabenbereiche in der Berliner Verwaltung, in denen nach Einschätzung der jeweiligen Senatsverwaltungen ein besonderes Spannungsverhältnis zwischen dem Datenschutz und anderen wichtigen Interessen der Allgemeinheit besteht. Es liegt auf der Hand, daß hierbei insbesondere solche Problemfelder benannt werden, in denen aus Sicht der Verwaltung ein Reformbedarf besteht. Dies darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß es viele Aufgabenfelder gibt, in denen ein mögliches Spannungsverhältnis ohne Probleme aufgelöst wird und die derzeitige Rechtslage beibehalten werden kann.

Bei den folgenden Belangen der Allgemeinheit handelt es sich um wichtige schutzwürdige Belange der Allgemeinheit, die in vielen Fällen mit dem informationellen Selbstbestimmungsrecht Betroffener konkurrieren und somit in einem besonderen Spannungsverhältnis zum Datenschutz stehen:

- Strafverfolgung und Verbrechensbekämpfung

- Einfachheit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsverfahrens

- Haushalts- und personalwirtschaftliche Interessen des Staates.

Die einzelnen Aufgabenbereiche, in denen die genannten Belange mit Vorschriften des Datenschutzes konkurrieren, werden im folgenden einzeln behandelt.


Zur Inhaltsübersicht

II. Polizei

1. Aufgabenbereich

Der Polizeipräsident in Berlin hat die gesetzliche Aufgabe,

- Gefahren für die öffentlichen Sicherheit oder Ordnung abzuwehren und im Rahmen dieser Aufgabe auch die erforderlichen Vorbereitungen für die Hilfeleistung und das Handeln in Gefahrenfällen zu treffen, 1 Abs. 1 des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG);

- Straftaten zu verhüten, 1 Abs. 3 ASOG;

- für die Verfolgung künftiger Straftaten vorzusorgen, 1 Abs. 3 ASOG und

- Straftaten zu erforschen, 163 Abs. 1 der Strafprozeßordnung (StPO).

2. Belange der Allgemeinheit

Die Erhaltung der öffentlichen Sicherheit, namentlich der Schutz vor Kriminalität, gehört zu den unverzichtbaren Grundbedingungen für ein funktionierendes Gemeinwesen und ist deshalb von überragendem Allgemeininteresse.

Ein Spannungsfeld zwischen dem Datenschutz und den Belangen der Allgemeinheit besteht im Rahmen der polizeilichen Aufgabenwahrnehmung unter drei Gesichtspunkten.

2.1 Wirksame Strafverfolgung und Verbrechensbekämpfung

Mit ihren Aufgaben der Strafverfolgung, der Verhütung von Straftaten und der Vorsorge zur künftigen Bekämpfung von Straftaten nimmt die Polizei Aufgaben von Verfassungsrang wahr.

Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu ausgeführt, daß das Grundgesetz den Erfordernissen einer an rechtsstaatlichen Garantien ausgerichteten Rechtspflege im Hinblick auf die Idee der Gerechtigkeit einen hohen Rang zuweist. Die unabweisbaren Bedürfnisse einer wirksamen Strafverfolgung und Verbrechensbekämpfung wurden hervorgehoben, das öffentliche Interesse an einer möglichst vollständigen Wahrheitsermittlung im Strafverfahren betont und die wirksame Aufklärung gerade schwerer Straftaten als ein wesentlicher Auftrag eines rechtsstaatlichen Gemeinwesens bezeichnet (BVerfG NJW 90, 563, 564). Danach kommt dem Schutz des Gemeinwesens und möglicher Opfer von Straftaten oder allgemein dem Schutz der öffentlichen Sicherheit eine ebenso große Bedeutung zu, wie dem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, das wesentliches Element des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ist. Das Allgemeininteresse an wirksamer Strafverfolgung und Verbrechensbekämpfung und am Schutz zukünftiger Opfer von Straftaten setzt dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung Schranken. Das gilt insbesondere für Daten des einzelnen, die sein soziales Verhalten betreffen und deshalb seiner ausschließlichen Verfügungsmöglichkeit entzogen sind. Insbesondere strafrechtlich relevante Verhaltensweisen betreffen nicht nur den privaten Lebensbereich des einzelnen, sondern berühren auch Belange der Allgemeinheit und damit den Aufgabenbereich der für die Bekämpfung von Straftaten zuständigen Behörde (BVerwG Urteil vom 20. Februar 1990, 1 C 29.86).

2.2 Einfachheit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsverfahrens

Zu den Belangen der Allgemeinheit gehört auch eine einfache und zweckmäßige Führung der Verwaltung. Der Bundesgesetzgeber hat dies im 10 Satz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes ausdrücklich festgelegt. Auch nach 2 der GGO I sind die Aufgaben der Verwaltung bürgernah, schnell, wirksam und wirtschaftlich zu erfüllen.

Diese Grundentscheidungen werden teilweise unterlaufen durch Verfahrensregelungen, deren Aufwand in keinem vertretbaren Verhältnis zum tatsächlich erzielten Nutzen steht.

2.3 Haushalts- und personalwirtschaftliche Interessen

In engem Zusammenhang mit dem Gebot der einfachen und zweckmäßigen Verwaltungsführung stehen haushalts- und personalwirtschaftliche Interessen. Datenschutzrechtliche Regelungen binden in erheblichem Umfang Arbeitskapazität von Polizeivollzugsbeamten, die zur Erfüllung originärer polizeilicher Aufgaben dann nicht mehr zur Verfügung stehen. Mittelbar beeinträchtigt dies die polizeiliche Aufgabenerfüllung. Ferner verursachen datenschutzrechtliche Vorgaben erhebliche Kosten.

3. Beschreibung des Spannungsverhältnisses

3.1 Wirksame Strafverfolgung und Verbrechensbekämpfung, Schutz zukünftiger Opfer von Straftaten

3.1.1 Allgemeines

Ursprünglich ging es beim Datenschutz nur um den Schutz vor mißbräuchlicher Verwendung von vorhandenen Daten, um den besonderen Gefährdungen durch die Nutzung der automatischen Datenverarbeitung - so das Bundesverfassungsgericht in seinem Volkszählungsurteil - Rechnung zu tragen. Die ersten Datenschutzgesetze in Bund und Ländern regelten auch nur die Datenverarbeitung in automatisierten Dateien.

Im folgenden war die Entwicklung des Datenschutzrechts im wesentlichen geprägt von

- der Ausdehnung des Datenschutzrechts auf die manuelle Datenverarbeitung in Akten,

- der Einbeziehung der Datenerhebung in den Regelungsbereich des Datenschutzrechts und

- die Einführung von Auskunfts- und Benachrichtigungspflichten.

Dieser Entwicklung folgend wurden auch die Befugnisse der Polizei und der Ordnungsbehörden im Allgemeinen Sicherheitsund Ordnungsgesetz (ASOG vom 14. April 1992) unter datenschutzrechtlichen Aspekten umfassend neu geregelt, so daß jetzt

jede Form der polizeilichen Datenverarbeitung von der Datenerhebung über die Speicherung, Nutzung und šbermittlung bis hin zur Löschung unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten bewertet werden muß. Polizeitaktische oder kriminaltaktische Notwendigkeiten kommen dabei häufig zu kurz.

Kriminalpolizeiliche Ermittlungen bestehen zwangsläufig und unverzichtbar aus der Erhebung, systematischen Ordnung und Bewertung personenbezogener Daten. Jede Ermittlung ist damit von datenschutzrechtlicher Bedeutung.

Eine am datenschutzrechtlichen Idealzustand orientierte Gesetzgebung steht im Zielkonflikt zur Forderung nach wirksamer Kriminalitätsbekämpfung, insbesondere nach Bekämpfung von BtM-, Organisierter, Milieu-, Wirtschafts-, Arbeitsrechtlicher und politisch motivierter Kriminalität und von Geldwäscherei. Anzeigen werden in diesen Deliktsbereichen kaum erstattet, der zureichende Anfangsverdacht muß von der Polizei aktiv gewonnen werden. Das geht nicht ohne die Verarbeitung personenbezogener Daten, auch der Daten von Personen, die noch nicht Tatverdächtige, Zeugen oder (im polizeirechtlichen Sinne) Störer sind.

Wer eine verstärkte Bekämpfung der sich im verborgenen abspielenden Kontrollkriminalität, wie z. B. des Menschenhandels - fordert, erhebt zwingend auch die Forderung nach mehr Datenverarbeitung.

Wer weniger Datenverarbeitung bei der Polizei fordert, nimmt eine Beschränkung der Ermittlungstätigkeit, zumindest aber der Ermittlungsmöglichkeiten in Kauf.

Der beste denkbare Datenschutz und die besten denkbaren Ermittlungsmöglichkeiten können nicht gleichzeitig erreicht werden.

3.1.2 Umfassende Kontrolle durch den Datenschutzbeauftragten

Durch die Einbeziehung aller Phasen polizeilicher Ermittlungsarbeit in datenschutzrechtliche Regelungen hat der Datenschutzbeauftragte die Stellung eines umfassenden Kontrollorgans über polizeiliche Tätigkeit erlangt, das unabhängig von der ohnehin gewährleisteten Kontrolle durch Fachaufsicht, Gerichte und Parlament wirkt. Seine Prüfungen beschränken sich dabei nicht auf die Frage einer mißbräuchlichen Verwendung von Daten, sondern erstrecken sich mindestens ebenso häufig auf die Frage, ob Daten überhaupt erhoben, d. h. Ermittlungen überhaupt geführt werden durften. Damit greifen die Prüfungen des Berliner Datenschutzbeauftragten tief in die rechtliche und fachliche Beurteilungskompetenz der Polizei, der Staatsanwaltschaft, der Fachaufsichtsbehörden und der Gerichte ein.

Dies mag ein Beispiel verdeutlichen:

Der Berliner Datenschutzbeauftragte hat in einer Beanstandung, in der es um die erkennungsdienstliche Behandlung von zwei südamerikanischen Staatsbürgern am Breitscheidplatz ging, behauptet, es werde der Eindruck gefördert, ". . . daß die Durchführung von erkennungsdienstlichen Behandlungen hier nicht zum Zweck der Identitätsfeststellung der Betroffenen, sondern vielmehr als belastende Maßnahme zu deren Einschüchterung bzw. Abschreckung dienen soll."

In der Tat wurden die Lichtbilder in Fehlbeurteilung der Rechtslage unzulässigerweise angefertigt. Die Polizei hat diese Bilder aber noch am gleichen Tage wieder vernichtet. Die rechtliche Fehleinschätzung der vor Ort eingesetzten Beamten wurde noch am gleichen Tage korrigiert, ohne daß es eines Anstoßes bzw. der Beanstandung durch den Datenschutzbeauftragten bedurft hätte. Die innerbehördlichen Kontrollmechanismen haben funktioniert. Diesen Vorgang zum Gegenstand einer Beanstandung zu machen und der Polizei indirekt vorzuwerfen, sich bewußt und gewollt rechtswidrig zu verhalten und damit polizeistaatlicher Methoden zu bedienen, stellt aus Sicht des Senats eine überzogene Reaktion dar.

Zwei weitere Beispiele zeigen, daß der Berliner Datenschutzbeauftragte mit seiner Bewertung der Erforderlichkeit datenverarbeitender Maßnahmen im Gegensatz zu den fachlich zuständigen und kompetenten Behörden steht.

Der Berliner Datenschutzbeauftragte beanstandete die regelmäßigen polizeilichen Meldungen über straffällig gewordene Jugendliche an die Jugendämter (Jugendgerichtshilfe). Die Berliner Jugendämter, die von der Polizei um eine Äußerung zur Erforderlichkeit dieser Meldungen gebeten wurden, haben mitgeteilt, daß diese Meldungen aus fürsorgerischen Gründen erforderlich seien und die vom Berliner Datenschutzbeauftragten geäußerten Bedenken (unnötige Bloßstellung, Stigmatisierung) nicht geteilt werden und nicht nachvollzogen werden können. Der Generalstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft I bei dem Landgericht Berlin hat die polizeiliche Praxis für rechtlich unbedenklich gehalten und darum gebeten, diese Praxis fortzuführen.

Zuweilen versucht der Berliner Datenschutzbeauftragte mit großem Eifer, Behörden zu rechtlich nicht gebotenen Verfahrensweisen zu bewegen. So konstruiert er auch in seinem Jahresbericht 1996 wieder eine Verpflichtung der Polizei zur Gewährung von Akteneinsicht in Kriminalakten, obwohl es ein solches Akteneinsichtsrecht nach dem ASOG - im Gegensatz zum allgemeinen Datenschutzrecht - nicht gibt. Der Gesetzgeber hat in 50 Abs. 1 ASOG bewußt nur einen Anspruch der betroffenen Personen auf Auskunft über gespeicherte Daten geregelt. Für die Polizei ist die Auskunftserteilung, bei der dem Betroffenen ein Extrakt der vorhandenen Informationen bekanntgegeben wird, weniger aufwendig, als die Aufbereitung der Akten durch Schwärzen, Umkopieren oder Entfernen von Aktenteilen, die dem Betroffenen nicht zur Kenntnis gegeben werden dürfen, weil sie andere Personen betreffen, aus Akten anderer Behörden (z. B. Justizakten) stammen oder aus kriminaltaktischen Gründen geheimhaltungsbedürftig sind.

Ungeachtet der klaren Rechtslage verwendet der Jahresbericht 96 eineinhalb Seiten für dieses Thema.

Der Arbeitsaufwand für derartige Auseinandersetzungen um Fragen, die der Gesetzgeber bereits entschieden hat, ist beträchtlich.

3.1.3 Einzelbeispiele

3.1.3.1 Fehlende Befugnisse

Es gibt eine Reihe von Einzelbeispielen dafür, daß fehlende oder unzureichende Datenverarbeitungsbefugnisse die polizeiliche Aufgabenerfüllung erschweren:

Strukturkartei

Vor Inkrafttreten des ASOG in der novellierten Fassung vom 14. April 1992 wurde beim Kontaktbereichsdienst der Polizeiabschnitte eine sogenannte Strukturkartei geführt. Diese enthielt Angaben über jedes Grundstück im Kontaktbereich mit den Anschriften des Eigentümers, Verwalters, Hauswarts und des Verantwortlichen für die Schnee- und Eisbeseitigung. Ferner enthielt sie Angaben über jeden Gewerbebetrieb, seine Lage, seine Art und über Besonderheiten (z. B. besondere Gefährlichkeit dort produzierter Güter) sowie Anschriften des Betriebsinhabers und Geschäftsführers und Angaben über Gewerbeerlaubnisse und -anzeigen. Die Strukturkartei enthielt ferner Angaben über polizeilich relevante Objekte, d. h. Objekte, von denen Gefahren ausgehen können (z. B. Objekte, in denen gefährliche Güter produziert, bearbeitet oder gelagert werden) oder denen Gefahren drohen können (z. B. Geldinstitute, Verkehrseinrichtungen, wertvolle Kulturgüter, Wohnsitz prominenter Persönlichkeiten) oder deren Kenntnis bei der Gefahrenabwehr von Bedeutung sein kann. Eingetragen wurden Lage, Anschrift, Erreichbarkeit des Verantwortlichen nach Betriebsschluß, besondere Anlagen oder Einrichtungen (z. B. Kassen oder Tresorraum, Fernmeldezentrale, Hauptschlüssel) und sonstige Besonderheiten wie Alarmanlagen, Wachschutz, Zugänge usw . . .

Die Angaben der Strukturkartei basierten teilweise auf freiwillig gegebenen Auskünften, teilweise auf Unterlagen, die auf anderen Dienststellen der Polizeibehörde vorhanden waren oder aus öffentlich zugänglichen Quellen entnommen werden konnten.

Nach den jetzt geltenden Bestimmungen des ASOG ist eine Führung der Strukturkarteien nur noch in eingeschränktem Umfang zulässig. 19 ASOG erlaubt nur unter engen Voraussetzungen die Erhebung personenbezogener Daten zur Vorbereitung für die Hilfeleistung in Gefahrenfällen. Soweit diese Voraus

setzungen nicht erfüllt sind, dürfen Daten für Strukturkarteien nur noch mit Einwilligung der betroffenen Personen erhoben werden. Dies hat zur Folge, daß der Informationswert von Strukturkarteien für die polizeiliche Aufgabenerfüllung deutlich abgenommen hat.

Zuhältereikartei

Ein weiteres Beispiel für den von der Polizei unlösbaren Zielkonflikt zwischen datenschutzrechtlichem Idealzustand und wirksamer Verbrechensbekämpfung ist die Kartei Zuhälterei, Menschenhandel und ähnliche Delikte. Diese Kartei wird im Kriminalreferat zur Bekämpfung organisierter Kriminaltität als manuelle Kartei zur Bekämpfung von Menschenhandel, Zuhälterei, Förderung der Prostitution und ähnlicher oder damit zusammenhängender Delikte geführt. In der Folge einer Kleinen Anfrage vom Oktober 1989 wurde sie zum datenschutzrechtlichen Zankapfel.

Das Anzeigenaufkommen in den genannten Deliktsfeldern ist naturgemäß äußerst gering, so daß auch hier eine wirksame Kriminalitätsbekämpfung ohne aktive Verdachtsgewinnung durch die Polizei nicht möglich ist. Deshalb muß die Polizei, wie es ihrem Auftrag aus 1 Abs. 3 ASOG entspricht, für die Verfolgung künftiger Straftaten Vorsorge treffen und bereits im Vorfeld der Verfolgung konkreter Straftaten die handelnden Personen, Strukturen und Verbindungen des Milieus kennen. Das ist nur möglich, wenn sie auch solche Personen registriert, die zwar selbst keiner Straftaten verdächtig sind, aber den Kontakt zwischen Tatverdächtigen herstellen oder in das kriminelle Milieu eingebunden sind und als Opfer oder Zeugen künftiger Straftaten in Betracht kommen. Von größtem Nutzen sind dabei Lichtbilder, die oftmals allein eine Identifizierung ermöglichen. Das gilt nicht nur für Lichtbilder von Tätern und Tatverdächtigen, sondern auch für zu identifizierende Zeugen und Opfer.

Nach dem ASOG in der Fassung vom 11. Februar 1975 konnte die Aufbewahrung von Lichtbildern nicht tatverdächtiger Personen auf 16 Abs. 1 gestützt werden, wenn dies zur Verhütung von Straftaten erforderlich war. Das jetzt geltende ASOG läßt die Aufbewahrung von Lichtbildern nicht tatverdächtiger Personen überhaupt nicht mehr zu, so daß in der Kartei keine Fotos von potentiellen Zeugen und Opfern mehr enthalten sind.

Dies mag aus der Sicht des Datenschutzes als Erfolg bewertet werden (vgl. den Jahresbericht 1996 des Berliner Datenschutzbeauftragten, S. 30). Die Kartei hat dadurch aber ihren Nutzen für die Bekämpfung der Milieukriminalität zu einem großen Teil eingebüßt.

Ob dies für die betroffenen Frauen ein Gewinn ist, erscheint zweifelhaft. Zum einen sind bei der Senatsverwaltung für Inneres keine Beschwerden oder Rechtsbehelfe von Betroffenen gegen eine Erfassung in der Kartei bekannt geworden, obwohl in den Jahresberichten des Berliner Datenschutzbeaufragten und auch in der Presse regelmäßig über die Karteiführung berichtet wurde. Zum anderen wurde anläßlich der Präsentation des Arbeitsberichtes der Berliner Fachkommission Frauenhandel im April 1997 gegenüber der Polizei der Vorwurf erhoben, sie tue zu wenig gegen den Frauenhandel.

Das Beispiel macht deutlich, daß der datenschutzpolitisch erwünschte Erfolg einer Beschneidung polizeilicher Befugnisse zwingend den kriminalpolitisch unerwünschten Effekt geringerer Ermittlungserfolge bedingt.

Datentrennung im Melderegister (vgl. auch V.)

Oftmals führen datenschutzrechtliche Regelungen im Melderecht dazu, daß die polizeiliche Aufgabenerfüllung erheblich beeinträchtigt wird. Spätestens nach Vollendung des 27. Lebensjahres muß die Datenverknüpfung der Personalien von Eltern und Kindern im Melderegister aufgelöst werden. Mit dieser Trennung der Datensätze von Eltern und Kindern wird es für die Polizei fast unmöglich, in Unglücksfällen und bei Unfällen, bei Todesermittlungen und bei Aufenthaltsermittlungen Angehörige der betroffenen Personen zu ermitteln. Informationen sind wenn überhaupt - nur über Kontaktpersonen, Mitbewohner oder z. B. anhand vorgefundener Telefonnummern zu erlangen. Diese Ermittlungen sind sehr zeitaufwendig und führen nicht immer zum Erfolg. So kann es dazu kommen, daß Angehörige von Opfern erst aus den Medien von einem Unglück oder einer Straftat erfahren. Auch hierfür eine Beispiel:

Bei einem erweiterten Suizid wurde das Opfer in seiner Wohnung durch mehrere Schüsse schwer verletzt, der Täter tötete sich selbst durch einen Kopfschuß. In der Wohnung des Opfers konnten zunächst keine Hinweise auf nächste Angehörige gefunden werden. Die Durchsicht eines Adreßbuches und auch die šberprüfung im Einwohnermelderegister gab keine Anhaltspunkte. Die Tochter des Opfers erhielt erst durch eine Pressemeldung Kenntnis von dem Geschehen und setzte sich mit der sachbearbeitenden Polizeidienststelle in Verbindung.

In solchen Fällen wirkt sich der Datenschutz gegen die Interessen der Geschützten aus. Es dürfte im Interesse aller Bürger liegen, über Unglücksfälle von Angehörigen informiert zu werden. Wer sonst - wenn nicht die Polizei - sollte dies übernehmen?

3.1.3.2 šbermittlungsbeschränkungen

Eine erhebliche Behinderung effektiver polizeilicher Arbeit stellen die vielfältigen šbermittlungsbeschränkungen dar, die es anderen Stellen verbieten oder nur unter eingeschränkten Voraussetzungen erlauben, personenbezogene Daten an die Polizei zu übermitteln.

Sozialgeheimnis

In 35 des Allgemeinen Teils des Sozialgesetzbuches (SGB I) hat der Gesetzgeber den Schutz von Sozialdaten als Sozialgeheimnis geregelt. Nach 35 Abs. 2 und 3 SGB I ist die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Sozialdaten nur unter den Voraussetzungen des 2. Kapitels des 10. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) zulässig. Soweit eine šbermittlung nicht zulässig ist, besteht keine Auskunftspflicht, keine Zeugnispflicht und keine Pflicht zur Vorlegung oder Auslieferung von Schriftstükken, Akten und Dateien.

Die Vorschriften im 2. Kapitel des SGB X enthalten in den 68 ff. äußerst restriktive Regelungen hinsichtlich der Voraussetzungen und des Umfangs bei der šbermittlung von Sozialdaten. Damit wurden die Sozialdaten einem besonderen - über den normalen datenschutzrechtlichen Standard hinausgehenden Schutz unterstellt, der Strafermittlungen, aber auch die Verhütung von Straftaten in der Praxis erheblich erschwert.

Nach 68 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist es z. B. grundsätzlich zulässig, der Polizei zur Erfüllung ihrer Aufgaben Namen, Vornamen, Geburtsdatum, Geburtsort, derzeitige Anschrift des Betroffenen und Anschriften seiner derzeitigen Arbeitgeber zu übermitteln. Der Umfang dieser ohne richterliche Anordnung übermittelbaren Daten ist insbesondere im Bereich der Kindesmißhandlungen und -vernachlässigungen viel zu gering. Bei diesen Straftaten handelt es sich um Dauerdelikte, die sich nach den polizeilichen Erfahrungen über Monate, sogar Jahre erstrecken. In derartigen Verdachtsfällen ist zunächst zu prüfen, ob es sich um ein einmaliges Vorkommnis handelt und gegebenenfalls eine šberschreitung des Züchtigungsrechtes vorliegt. Anders ist die Sachlage, wenn wiederholt Verletzungsspuren an dem Kind gesehen wurden. Hier muß rückwirkend ermittelt werden. Die Beweise kann die Polizei in aller Regel nicht allein erheben, denn erwachsene Zeugen sind selten vorhanden und die Betroffenen können, wenn sie Kleinkinder sind, kaum beweiskräftige Angaben machen. Die Verdächtigen und nahe Angehörige haben das Recht, die Aussage zu verweigern. Häufig sind dagegen aus den Unterlagen der Sozialbehörden die meisten notwendigen Einzelheiten zu ersehen. Dubiose Verletzungen sind festgehalten, ärztliche Befunde und Krankenhausberichte liegen vielfach vor und können von einem Gerichtsmediziner ausgewertet werden. Frühere Hinweise aus dem Umfeld des Kindes sind möglicherweise mit Datum und Namen erfaßt und können Aufschluß über Zeugen geben.

All diese Informationen dürfen aber nach 68 Abs. 1 SGB X nicht übermittelt werden und stehen der Polizei zur Gefahrenabwehr, z. B. um mögliche weitere Schäden von einem Kind abzuwenden, nicht zur Verfügung.

Erst wenn dies zur Durchführung eines Strafverfahrens wegen eines Verbrechens oder wegen einer sonstigen Straftat von erheblicher Bedeutung erforderlich ist, läßt 73 Abs. 1 eine šbermitt

lung aller Sozialdaten auf Grund richterlicher Anordnung zu. Das bedeutet, daß das Kind erst Opfer einer schweren Straftat geworden sein muß (in der Regel zu Tode gekommen sein muß), bevor gegenüber der Polizei die an sich schon zur Verhütung der Straftat erforderlichen Angaben gemacht werden dürfen. In solchen Fallkonstellationen führt der Schutz der Sozialdaten unmittelbar zur Gefährdung der Personen, um deren Daten es geht.

Weitgehende šbereinstimmung mit dem Berliner Datenschutzbeauftragten besteht inzwischen zu der Frage, unter welchen Bedingungen Mitarbeiter der Sozialämter anderen Behörden davon Mitteilung machen dürfen, daß sich eine von der Polizei gesuchte Person in den Räumen eines Sozialamts zum Empfang von Sozialleistungen aufhält. Der Berliner Datenschutzbeauftragte teilt nunmehr unsere Rechtsauffassung, daß der Aufenthalt einer solchen Person in einem Sozialamt der Polizei zu melden ist, ohne daß es dazu einer richterlichen Anordnung bedarf.

Allerdings hält der Berliner Datenschutzbeauftragte weiterhin die šbermittlung des nächsten Vorsprachetermins, also eines künftigen Aufenthalts in der Sozialbehörde, für unzulässig (vgl. IV) . . .

Schutz von Schülerdaten

Im Rahmen von Personenfeststellungsverfahren hatte die Polizei auch mit Schulbehörden zusammengearbeitet und Personendaten von Schülern beigezogen. 5 a Abs. 2 des Schulgesetzes für Berlin läßt dies nicht mehr zu. Personenbezogene Daten von Schülern und Erziehungsberechtigten dürfen u. a. an die Gerichte und die Staatsanwaltschaft übermittelt werden, eine Datenübermittlung an die Polizei läßt das Schulgesetz auf keinen Fall zu. Das führt dazu, daß Lehrer, Erzieher oder Sozialarbeiter keine Angaben über die Identität von jugendlichen oder kindlichen Straftätern gegenüber der Polizei machen und diese ihr Fehlverhalten zunächst ungestört von staatlichen Maßnahmen fortsetzen können.

Ärztliches Schweigen

Nach 22 Abs. 2 des Berliner Meldegesetzes sind Krankenhäuser verpflichtet, Namen, Geburtstag und -ort, Staatsangehörigkeit, Anschrift und Tag der Aufnahme und Entlassung von aufzunehmenden Personen in ein Verzeichnis einzutragen. Nach 22 Abs. 4 können Auskünfte aus dem Verzeichnis an Ordnungs- und Sicherheitsbehörden gegeben werden, soweit überwiegende Belange des Gemeinwohls dies zwingend gebieten und die ärztliche Schweigepflicht nicht verletzt wird. Diese auslegungsbedürftige šbermittlungsregelung führt immer wieder zu Problemen.

Nach Selbsttötungsversuchen werden in Lebensgefahr schwebende bzw. erheblich verletzte Personen in Krankenhäuser transportiert. Zu den Aufgaben der Polizei gehört es auch zu erforschen, ob eine Straftat im Zusammenhang mit dem Geschehen stehen könnte. Von Krankenhäusern wird immer wieder die Auskunft darüber verweigert, ob jemand in das Krankenhaus aufgenommen worden ist, weil auch dies schon der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen solle. So hat es auch nach dem Anschlag auf die Diskothek La Belle, bei dem zahlreiche Verletzte durch private Verkehrsteilnehmer zu verschiedenen Krankenhäusern gebracht wurden, mehrfach Auskunftsverweigerungen gegeben. Das hat dazu geführt, daß die bei der Polizei anfragenden besorgten Angehörigen nicht über das Schicksal der Verletzten unterrichtet werden konnten.

šberwachung von Abfallströmen

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Umweltschutz und Technologie hält die rechtlichen Möglichkeiten zur šberwachung und Kontrolle von Abfallströmen für nicht ausreichend, da durch datenschutzrechtliche Vorschriften ein umfassender Informationsaustausch zwischen den šberwachungsbehörden zur Aufdeckung illegaler Entsorgungspraktiken nicht möglich ist. So können Betriebsdaten nur an Behörden übermittelt werden, die bei konkreten Entsorgungsvorgängen betroffen sind. Nötig wäre eine zentrale, durchgängig erreichbare Informationsstelle.

3.2 Einfachheit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsverfahrens

Errichtungsanordnungen

Nach 49 Abs. 1 ASOG muß für jede automatisierte Datei über personenbezogene Daten und solche nichtautomatisierten Dateien über personenbezogene Daten, aus denen personenbezogene Daten an andere Stellen übermittelt werden, eine Errichtungsanordnung erlassen werden. Nach den Ausführungsvorschriften zu 49 ASOG trifft die Anordnung über die Errichtung einer Datei der Landeskriminalpolizeidirektor oder der Landesschutzpolizeidirektor. Die Errichtungsanordnungen sind sodann der Senatsverwaltung für Inneres zur Zustimmung vorzulegen. Nach Prüfung und Zustimmung übersendet der Polizeipräsident in Berlin die Errichtungsanordnungen auf dem Dienstweg dem Berliner Datenschutzbeauftragten. Ferner hat er dem Berliner Datenschutzbeauftragten alle von ihm betriebenen automatisierten und nichtautomatisierten Dateien, aus denen personenbezogene Daten an Dritte übermittelt werden, zum Dateienregister anzumelden. Dieses Verfahren führt zu einem bürokratischen Aufwand, dessen Nutzen nicht erkennbar ist. Für die Zwecke der Fachaufsicht würde es ausreichen, wenn die Polizei die Errichtungsanordnungen ohne weitere Zustimmung erließe und der Senatsverwaltung für Inneres sodann zur Kenntnis gäbe. Das würde ausreichen, um notfalls im Wege der Fachaufsicht korrigierend eingreifen zu können.

3.3 Haushalts- und personalwirtschaftliche Interessen

Datenschutzrechtlich begründete Benachrichtigungs- und Auskunftspflichten führen bei der Polizei zu einem großen Personalund Kostenaufwand. Dazu zwei Beispiele:

4 ASOG enthält besondere Regeln für die Speicherung, Veränderung und Nutzung von Daten in Dateien. Nach 43 Abs. 3 ASOG ist eine betroffene Person über eine länger als fünf Jahre dauernde Speicherung personenbezogener Daten in automatisierten Dateien zu unterrichten, soweit die Aufgabenerfüllung dadurch nicht gefährdet wird und die Anschrift der betroffenen Person ohne erheblichen Verwaltungsaufwand ermittelt werden kann.

Neben dem stadtweit betriebenen automatisierten Informationssystem für Verbrechensbekämpfung (ISVB) werden auf polizeilichen Dienststellen etwa 130 PC-gestützte Dateien zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten betrieben. Allein im ISVB sind ca. 3,5 Millionen Personen erfaßt. Dabei kann es sich um Daten von Beschuldigten oder Tatverdächtigen, von Mittätern, von Anzeigenden oder Geschädigten und von gesuchten Personen handeln. Pro Jahr werden im ISVB etwa 150 000 Personendatensätze neu erfaßt. Bei über 370 000 Personendatensätzen ist die Frist nach 43 Abs. 3 ASOG erreicht, so daß geprüft werden muß, ob die betroffenen Personen ohne erheblichen Verwaltungsaufwand und ohne Gefährdung der Aufgabenerfüllung benachrichtigt werden können. Dies muß in einem äußerst aufwendigen Verfahren geschehen.

Zunächst muß festgestellt werden, ob überhaupt eine zustellungsfähige Anschrift für die betroffene Person bekannt ist. Wenn das nicht der Fall ist, müssen die Daten der zu benachrichtigenden Person mit dem Meldedatenbestand des Landeseinwohneramts abgeglichen werden, um - soweit dort vorhanden - die Zustellanschrift für die Benachrichtigungen zu ermitteln. Soweit dieser Abgleich erfolgreich ist, können automatisierte Benachrichtungen gefertigt werden. In den anderen Fällen wären weitere manuelle Anschriftenermittlungen erforderlich, wenn nicht wegen des Verwaltungsaufwands auf eine Benachrichtigung verzichtet werden soll.

In regelmäßigen Abständen muß erneut überprüft werden, ob weitere Benachrichtigungen fällig sind. Dazu muß jeweils der gesamte Personendatenbestand des ISVB erneut danach abgeglichen werden, ob Benachrichtigungen bereits erfolgt, fällig, nicht fällig oder unmöglich sind. Sodann muß bei unvollständigen oder alten Anschriften im ISVB erneut versucht werden, über einen Abgleich mit dem Meldedatenbestand aktuelle Zustellanschriften zu erhalten, um eine automatisierte Fertigung der Benachrichtungen zu ermöglichen.

Die Kosten für das Benachrichtigungsverfahren lassen sich zur Zeit nur grob schätzen. Die technischen Vorbereitungen für einen Anschriftenvergleich mit dem Meldebestand des Landeseinwohneramts verursachen Kosten in Höhe von ca. 20 000 DM. Diese Kosten fallen bei jedem neuen Abgleich, also jeder neuer Benachrichtigungsaktion in gleicher Höhe an. Beim Landeseinwohneramt entstehen beim ersten Abgleich ebenfalls Kosten in Höhe von ca. 20 000 DM. Bei geringeren Datenmengen können diese Kosten bei weiteren Abgleichen sinken. Das Einlesen der Daten nach erfolgreicher Anschriftenermittlung und die automatisierte Herstellung der Benachrichtigungsschreiben erzeugt Kosten in Höhe von jeweils etwa 5 000 DM. Die Portokosten für die Versendung der Benachrichtigungsschreiben können nur geschätzt werden, da sie von der Zahl der zu versendenden Briefe abhängen.

Diese Hinweise machen deutlich, daß die in 43 Abs. 3 ASOG festgeschriebene Benachrichtigungspflicht ganz erhebliche Kosten für die Polizeibehörde erzeugt. Der Arbeitsaufwand läßt sich zur Zeit nicht abschätzen. Allerdings erscheint es fraglich, ob der Aufwand noch in einem vertretbarem Verhältnis zum Nutzen, d. h. zum Gewinn an mehr Datenschutz steht. Dabei ist zu berücksichtigen, daß ohnehin jeder, der als Beschuldigter oder Tatverdächtiger, als Anzeigender oder Geschädigter Angaben bei der Polizei gemacht hat, weiß, daß diese Angaben dort gespeichert werden.

Tätigkeiten, die auf Grund des Datenschutzes erforderlich sind, binden in der Polizei die Arbeitskapazität von 47 Mitarbeitern.

Sechs Mitarbeiter befassen sich u. a. mit dem Entwurf und dem Änderungsdienst von Errichtungsanordnungen. Ein Mitarbeiter wäre damit voll ausgelastet.

Sieben Mitarbeiter bearbeiten Anträge auf Datenauskunft, Datenlöschung und Vernichtung von erkennungsdienstlichen Unterlagen. (1980 waren nur zwei Mitarbeiter mit diesen Aufgaben beschäftigt.)

In der zentralen Datenschutzstelle der Polizei sind drei Mitarbeiter beschäftigt.

Mit der Erfassung von Aussonderungsprüffristen, Löschungen und Teilbereinigungen nach Fristablauf, Einzellöschungen auf Antrag und Löschungen von erkennungsdienstlichen Daten, der Paßwortverwaltung und der Verwaltung von Nutzerausweisen sind 16 Mitarbeiter ausschließlich bzw. überwiegend befaßt. Darüber hinaus hat der Datenschutz auch Auswirkungen auf die Programmierung (Beachtung datenschutzrechtlicher Vorgaben), den Einsatz von PC (Sicherheitskonzept) und die Beantragung und Vergabe von Zugriffsberechtigungen. Der Zeitaufwand hierfür läßt sich nur schätzen und liegt bei etwa 5 % bis 30 % pro Mitarbeiter. Umgerechnet auf die Gesamtzahl der Mitarbeiter des Referats Datenverarbeitung bedeutet das, daß die Arbeitskapazität von weiteren zehn Mitarbeitern durch Datenschutzaufgaben gebunden wird.

Im Landesschutzpolizeiamt befassen sich zehn Mitarbeiter mit Datenschutzaufgaben.

Die von der Polizei zu bearbeitenden Anträge auf Datenauskunft und Datenlöschung haben seit 1980 kontinuierlich zugenommen:

1980 65 Anträge

1990285 Anträge

1991372 Anträge

1992326 Anträge

1993789 Anträge

1994482 Anträge

1995515 Anträge

Die ungewöhnliche Steigerung im Jahr 1993 dürfte auf ein Datenschutzscheckheft des Berliner Datenschutzbeauftragten zurückzuführen sein, dem fertig vorformulierte Anträge zu entnehmen waren.

Die Bearbeitung eines Antrags auf Datenauskunft verursacht etwa 6 Stunden Arbeitsaufwand, für die Bearbeitung eines Datenlöschungs- bzw. -vernichtungsantrags müssen etwa 15 Arbeitsstunden aufgewendet werden. Für die Bearbeitung derartiger Anträge müssen innerhalb der Polizeibehörde bis zu 25 Dienststellen beteiligt werden, da personenbezogene Daten nicht nur zentral, sondern auch dezentral verarbeitet werden. Das bedeutet, daß jede datenverarbeitende Fachdienststelle prüfen muß, ob ein Antragsteller dort erfaßt ist und die Daten gegebenenfalls gelöscht werden können.

Alle diese Arbeiten müssen von Vollzugsbeamten erledigt werden. Die Entscheidung, ob Daten geheimhaltungsbedürftig sind, ob eine weitere Speicherung erforderlich ist oder ob zu erwarten ist, daß ein Betroffener erneut kriminalpolizeilich in Erscheinung treten wird, muß in jedem Einzelfall auf Grund einer kriminalistisch-kriminologischen Prognose und unter Berücksichtigung kriminalistischer Arbeitsmethoden getroffen werden. Diese Entscheidung kann nicht auf Hilfskräfte übertragen werden.

Potentiell kostenträchtig ist auch die Regelung technisch-organisatorischer Maßnahmen im Berliner Datenschutzgesetz.

Nach 5 Abs. 1 des Berliner Datenschutzgesetzes hat jede Behörde, die personenbezogene Daten verarbeitetet, technische und organisatorische Maßnahmen zum Datenschutz zu treffen. Die Art und Weise der Maßnahmen muß sich dabei nach dem jeweiligen Stand der Technik richten. Dieses Erfordernis führt dazu, daß stets neue Maßnahmen getroffen und finanziert werden müssen, wenn sich der Stand der Technik weiterentwickelt. Das Bundesdatenschutzgesetz enthält in 6 Abs. 1 eine Klausel, wonach neue technische und organisatorische Maßnahmen nur erforderlich sind, wenn ihr Aufwand in einem angemessenen Verhältnis zu dem angestrebten Schutzzweck steht. Da im Berliner Datenschutzgesetz eine entsprechende Klausel fehlt, müßten bei strenger Anwendung des Gesetzeswortlauts technische Datenschutzmaßnahmen ungeachtet des mit ihnen verbundenen Aufwands durchgeführt werden (vgl. III. 1.8).


Zur Inhaltsübersicht

III. Verfassungsschutz

Die Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz haben naturgemäß einen umfangreichen und unmittelbaren Bezug zu personenbezogenen Daten. In dem Gesetz über das Landesamt für Verfassungsschutz (LfVG) sind differenzierte Regelungen zum Datenschutz enthalten.

Nach Einschätzung der Senatsverwaltung für Inneres besteht bei den Aufgaben des Landesamtes für Verfassungsschutz in einzelnen Bereichen ein Spannungsverhältnis zwischen dem Datenschutz einerseits und haushalts- und personalwirtschaftlichen Interessen sowie dem öffentlichen Interesse an der effektiven Beobachtung extremistischer Bestrebungen andererseits. Einzelne im LfVG enthaltene datenschutzrechtliche Vorschriften geben in bestimmten Bereichen bei der Auflösung des Spannungsverhältnisses dem Datenschutz in unverhältnismäßiger Weise den Vorrang, was von der Senatsverwaltung für Inneres als unbefriedigend empfunden wird.

1. Spannungsverhältnis mit haushalts- und personalwirtschaftlichen Interessen

1.1 Dokumentationspflicht des Landesamtes für Verfassungsschutz bei Informationsübermittlungen

Die Dokumentationspflicht des Landesamtes für Verfassungsschutz bei der šbermittlung von Informationen nach 27 Abs. 7 LfVG an das Landesamt verursacht einen sehr hohen personellen und finanziellen Aufwand. In den Auswertungsbereichen sind pro Jahr etwa 9 000 Dokumentationsnachweise erforderlich. Der durchschnittliche Zeitaufwand hierfür liegt bei 3 bis 10 Minuten pro Dokumentationsvorgang. Ein einfacher Werbungsvorgang, bei dem die persönlichen Verhältnisse der Zielperson abgeklärt werden müssen, führt beispielsweise zu 24 Seiten Dokumentation.

Eine vergleichbare Regelung besteht z. B. beim Bundesverfassungsschutzgesetz nicht.

Da auch die übermittelnde Stelle die Informationsübermittlung aktenkundig zu machen hat, wird die Dokumentationspflicht beim Landesamt in Anbetracht der haushaltswirtschaftlichen Auswirkungen und dem Nutzen der Dokumentation als überzogen angesehen. Sie sollte deshalb abgeschafft werden.

1.2 Aktenrückhalt bei Speicherung in Dateien

Die Regelung in 11 Abs. 3 LfVG, wonach in Dateien gespeicherte Informationen durch Aktenrückhalt belegbar sein müssen, wirkt sich dahingehend aus, daß bei der zunehmenden Verarbeitung von Informationen aus Mail-Boxen und aus dem Infopool der Landesämter, die als Dateiverarbeitung ohne papierne Unterlagen stattfindet, dennoch ein Großteil der Daten ausgedruckt werden muß, um Akten zu erhalten. Die Vorteile der automatisierten Datenverarbeitung werden damit aufgehoben und die Effektivität der Aufgabenerledigung beeinträchtigt.

Eine entsprechende bundesrechtliche Vorschrift besteht nicht.

Die Senatsverwaltung für Inneres empfiehlt eine Streichung der Pflicht zum Aktenrückhalt für die genannten Fälle, um die Effektivität der Aufgabenerledigung zu erhöhen und den Arbeitsaufwand zu reduzieren. Eine wesentliche Beeinträchtigung des Datenschutzes würde hierbei nicht eintreten.

1.3 Begründungspflicht des Landesamtes bei der Ablehnung von Auskunftsanträgen

Das Landesamt für Verfassungschutz muß die Ablehnung von Anträgen auf Auskunftserteilung über gespeicherte personenbezogene Daten nach 31 Abs. 3 LfVG insoweit begründen, daß eine gerichtliche Nachprüfung der Verweigerungsgründe gewährleistet ist. Weil naturgemäß die Begründung selbst schon den Zweck der Auskunftsverweigerung gefährden würde, beschränkt sie sich häufig auf abstrakte Ausführungen zum Geheimhaltungsinteresse und zur Rechtsgüterabwägung. Da immer die Gefahr besteht, daß aus einzelfallbezogenen Ausführungen Schlüsse auf Art und Inhalt der vorhandenen Informationen bzw. auf ihre Herkunft gezogen werden können, bedarf jede Formulierung in der Begründung der Bescheide einer sehr genauen und äußerst zeitintensiven Prüfung und Abstimmung mit dem zuständigen Fachreferat. Gleichwohl ist die Begründung im Ergebnis für alle Beteiligten unbefriedigend, da der Betroffene, aber auch ein Gericht die šberlegungen des Landesamtes zwangsläufig nur in Ansätzen nachvollziehen kann.

Das Spannungsverhältnis zwischen Datenschutz und den Interessen des Landesamtes wird durch die geltende Rechtslage somit für beide Seiten unbefriedigend aufgelöst. Das Informationsinteresse des Betroffenen wird nicht befriedigt, das Landesamt ist zu einer aufwendigen aber ineffektiven Arbeit verpflichtet.

Beim Bund bedarf nach 15 Abs. 4 BVerfSchG die Ablehnung einer Auskunftserteilung keiner Begründung, soweit dadurch der Zweck der Auskunftsverweigerung gefährdet würde.

Es wird empfohlen, sich an der Rechtslage im Bund zu orientieren. Die Begründungspflicht sollte gegebenenfalls ganz entfallen. Die Gründe der Ablehnung sollten jedoch in jedem Fall aktenkundig zu machen sein. Ein Rechtsschutz wäre dadurch nicht ausgeschlossen, die Möglichkeit der Anrufung des Berliner Datenschutzbeauftragten nach 31 Abs. 4 bliebe erhalten.

1.4 Umgang mit abzulegenden Unterlagen

Das Aufbewahren von Daten auf einem Datenträger stellt eine Speicherung und damit eine Datenverarbeitung im Sinne von 4 Abs. 2 BlnDSG dar. Eine Differenzierung danach, ob die Aufbewahrung zu dem Zweck der weiteren Verarbeitung oder Nutzung erfolgt, ist gesetzlich nicht vorgesehen. Dies wirkt sich insbesondere bei abzulegenden Unterlagen aus. So müssen z. B. Wochenund Monatsberichte des Bundesamtes für Verfassungsschutz, die nach Auswertung abgelegt werden, gemäß 27 Abs. 6 LfVG gesperrt werden, soweit sie personenbezogene Daten enthalten, die für die Aufgabenerfüllung des LfV nicht mehr erforderlich sind. Damit müssen die gesamten Berichte - auch soweit sie nur wenige Monate gelagert werden - jeweils mit umfangreichen Sperrvermerken versehen werden. Dies führt zu einem erheblichen Aufwand.

Es wird vorgeschlagen, die Regelung in 27 Abs. 6 LfVG zu modifizieren. In Anlehnung an 3 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BDSG sollte ein Aufbewahren nur dann als Speicherung mit der Folge einer Sperrungsnotwendigkeit angesehen werden, wenn es zum Zwecke der weiteren Verarbeitung erfolgt.

1.5 Löschen von Daten

Das Löschen von Daten erfordert nach dem Berliner Datenschutzgesetz eine Beseitigung, also physikalische Vernichtung der jeweiligen Informationen. Dies ist in der Praxis technisch äußerst schwierig und zeitaufwendig, da EDV-Systeme Daten in der Regel durch šberschreiben löschen. Damit sind Daten unkenntlich gemacht, aber nicht "beseitigt".

Um den Aufwand beim Landesamt zu verringern, sollte wie beim Bund ( 3 Abs. 5 Satz 2 Nr. 5 BDSG) für eine Löschung ausreichend sein, daß die Daten unkenntlich gemacht worden sind. Der Datenschutz würde hierdurch nicht verringert.

1.6 Dokumentationspflicht für nur kurzfristig vorgehaltene Dateien

16 LfVG fordert die Erstellung einer Dokumentation (Dateianordnung) für jede automatisierte Datei. Entgegen der Rechtslage im Bund ( 18 Abs. 3 BDSG) fallen hierunter auch nur kurzfristig vorgehaltene Dateien.

Es wird vorgeschlagen, eine zeitliche "Geringfügigkeitsgrenze" einzuführen. Hierdurch würde uneffektiver Aufwand beim Landesamt verringert, ohne den Datenschutz wesentlich zu beeinträchtigen. Durch eine Regelung in 19 BlnDSG könnte die vorgeschlagene Änderung auf die gesamte Berliner Verwaltung ausgeweitet werden.

1.7 Datenspeicherung bei besonderen Formen der Datenerhebung

Daten, die das LfV Berlin mit nachrichtendienstlichen Mitteln erhoben hat, müssen nach 9 Abs. 3 Satz 4 LfVG unverzüglich gelöscht werden, wenn sie für das Verständnis der zu speichernden Informationen nicht erforderlich sind. Die Vorschrift birgt die Gefahr einer Doppelarbeit. Das LfV ist ohnehin verpflichtet, personenbezogene Informationen zu löschen ( 14 Abs. 2 LfVG) bzw. zu sperren ( 15 Abs. 2 LfVG), wenn ihre Kenntnis für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist. 9 Abs. 3 Satz 4 LfVG sollte deshalb gestrichen werden.

1.8 Technische und organisatorische Maßnahmen

Das Landesamt für Verfassungsschutz ist wie jede andere Berliner Behörde verpflichtet, sich bei technischen und organisatorischen Sicherheitsmaßnahmen nach 5 BlnDSG nach dem jeweiligen Stand der Technik zu richten. Dies macht eine unter Umständen sehr kostenintensive permanente Aktualisierung der Informationstechnik erforderlich. Dies führt im Einzelfall zu erheblichen haushaltsmäßigen Belastungen, ohne daß in jedem Fall die Neuerung zu einem erhöhten Sicherheitsstandard führt. Die Berliner Verwaltung wird durch das Berliner Datenschutzgesetz insoweit verpflichtet, auf dem Gebiet der sicherheitstechnischen Ausstattung eine Vorreiterrolle zu spielen. Dies erscheint angesichts der Haushaltslage des Landes Berlin als nicht sachgerecht.

Der Bund oder auch das Land Brandenburg sehen in ihren Datenschutzgesetzen insoweit ein Korrektiv vor. Erforderlich sind jeweils nur Maßnahmen, deren Aufwand in einem angemessenen Verhältnis zu dem Schutzzweck steht. Teure Maßnahmen, die keine oder nur eine geringe Verbesserung des Sicherheitsstandards bringen, sind demnach nicht erforderlich, selbst wenn sie dem Stand der Technik entsprechen.

Es wird vorgeschlagen, 5 BlnDSG der Rechtslage im Bund bzw. in Brandenburg anzupassen. Eine wesentliche Verschlechterung des Sicherheitsstandards wird hierdurch nicht erwartet. Auf der anderen Seite werden Haushaltsbelastungen und -risiken vermieden.

2. Spannungsverhältnis mit einer effektiven Beobachtung extremistischer insbesondere terroristischer Bestrebungen

2.1 Speicherungsdauer von personenbezogenen Informationen

Nach 13 Abs. 1 LfVG müssen sämtliche Informationen über extremistische Bestrebungen spätestens 10 Jahre nach der letzten Speicherung gelöscht werden. Es kann aber in Einzelfällen erforderlich sein, personenbezogene Daten auch länger aufzubewah

ren. Gerade im Bereich der Terrorismusbeobachtung muß immer wieder festgestellt werden, daß über lange Zeiträume hinweg keine Informationen zu gewinnen sind, obwohl sich die betreffende Person nicht von ihren Aktivitäten losgesagt hat.

Für das Bundesamt für Verfassungsschutz besteht die Möglichkeit, von der grundsätzlich ebenfalls bestehenden Maximalfrist von zehn Jahren abzuweichen, sofern "der Behördenleiter oder sein Vertreter . . . im Einzelfall ausnahmsweise eine andere Entscheidung" trifft ( 12 Abs. 3 BVerfSchG).

Es wird vorgeschlagen, 13 Abs. 1 LfVG an die bundesgesetzliche Regelung anzupassen. In bestimmten Fällen muß zugunsten einer effektiven Aufgabenerfüllung des Landesamtes eine erweiterte Aufbewahrungsmöglichkeit bestehen. Dies dürften in aller Regel Fälle sein, in denen das Interesse der Allgemeinheit an einer Beobachtung extremistischer Bestrebungen erheblich höher einzuschätzen ist als das Interesse Betroffener am Datenschutz.

2.2 Speicherung personenbezogener Informationen über Minderjährige

Die Speicherung von personenbezogenen Informationen über Minderjährige, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, ist dem LfV Berlin nach 12 LfVG ausnahmslos verboten. Dieser Umstand führt in Teilbereichen der Extremismusbeobachtung zu Erkenntnisdefiziten. Der Personenkreis, der in extremistischen Bestrebungen eingebunden ist, wird immer jünger. So bedienen sich etwa die PKK und autonome Gruppen bewußt strafunmündiger Minderjähriger zur Begehung von Gewaltaktionen.

Das LfVG löst das Spannungsverhältnis somit zu undifferenziert auf. Die Regelung im Bund ist differenzierter ( 11 Abs. 1 BVerfSchG). In Dateien ist die Speicherung von Informationen über Minderjährige vor Vollendung des 16. Lebensjahres ohne Ausnahme unzulässig. In Akten dürfen Daten über diesen Personenkreis gespeichert werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte im Hinblick auf eine Katalogstraftat nach 2 des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz vorliegen.

Es wird vorgeschlagen, die Rechtslage des Bundes zu übernehmen. Dabei ist zu beachten, daß der Bund den besonderen Schutz Minderjähriger sogar bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres ausdehnt.

2.3 Einbeziehung von Vorentwürfen und Notizen in den Datenschutz

Auch Vorentwürfe und Notizen, die nicht Bestandteile eines Vorgangs werden, gelten nach 4 Abs. 3 Nr. 4 BlnDSG als Daten, die den Verarbeitungsvoraussetzungen des 11 LfVG unterliegen. Da bei Notizen, die sich z. B. ein Ermittler des LfV Berlin macht, im Augenblick des Anfallens nicht sofort entschieden werden kann, inwieweit diese Information für die Aufgabenerfüllung des Amtes relevant sind, kann diese Regelung in der Praxis kaum eingehalten werden. Die Bestimmung ist auch sachlich bedenklich. Es muß einem Ermittler möglich sein, stichwortartig und ohne Wertung alles, was seine Nachforschungen ergeben haben, zu notieren. Erst in den Ermittlungsbericht gelangen dann die seiner Ansicht nach relevanten Informationen.

In 3 Abs. 3 BDSG werden Vorentwürfe und Notizen vom Aktenbegriff ausgenommen.

Um eine praxisnahe Regelung zu schaffen, sollten deshalb in 11 LfVG Vorentwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, vom Regelungsbereich ausgenommen werden.


Zur Inhaltsübersicht

IV. Ordnungsaufgaben in Angelegenheiten des Aufenthaltsrechts der Ausländer

Die Ordnungsaufgaben in Angelegenheiten der Ausländer sind im wesentlichen bundesrechtlich geregelt. Datenschutzrechtlich relevant sind u. a. insbesondere die Maßnahmen, die mit dem illegalen Aufenthalt von Ausländern im Zusammenhang stehen. Das Spannungsverhältnis zwischen dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung der gegen ausländerrechtliche Bestimmungen verstoßenden Ausländer und dem Interesse der Allgemeinheit an der Beendigung des illegalen Aufenthalts der Ausländer und der Bekämpfung ausländerrechtlicher Straftaten ist durch den Bundesgesetzgeber in den 76 bis 77 AuslG geregelt worden.

Als problematisch hat sich hier insbesondere die Mitteilungspflicht öffentlicher Stellen über die Kenntnis des illegalen Aufenthalts von Ausländern an die Ausländerbehörde erwiesen. Teilweise sind die Mitteilungspflichten nicht bekannt, teilweise werden sie nur unvollständig beachtet.

Von zentraler Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Auslegung des 76 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 AuslG. Nach der Rechtsauffassung des Senats, die der des Bundes sowie der überwiegenden Zahl der Bundesländer entspricht, ist danach auch der tatsächliche Aufenthalt mitzuteilen. Dazu zählt nach Auffassung des Senats sowohl der aktuelle Aufenthalt als auch der nächste Vorsprachetermin bei einer öffentlichen Stelle.

Defizite liegen eher in der Umsetzung der einschlägigen Regelungen. Um die Einhaltung der Mitteilungspflichten durch die Sozialbehörden sicherzustellen, hat der Senat am 13. Mai 1997 eine ergänzende verbindliche Verwaltungsvorschrift erlassen.


Zur Inhaltsübersicht

V. Meldewesen

Bevor auf ein konkretes datenschutzrechtlich bedingtes Spannungsfeld im Bereich Meldewesen näher eingegangen wird, ist vorab darauf hinzuweisen, daß das Berliner Melderegister in seiner Gesamtheit die umfangreichste Datensammlung innerhalb der öffentlichen Verwaltung überhaupt darstellt. Dies bezieht sich weniger auf den zahlenmäßigen Umfang oder eine etwa besonders hohe Sensibilität der von der Meldebehörde, dem Landeseinwohneramt, über den einzelnen Einwohner jeweils gespeicherten Daten als vielmehr darauf, daß die Meldebehörde als einzige speichernde Stelle in der öffentlichen Verwaltung bestimmte personenbezogene Daten über jeden einzelnen (meldepflichtigen) Einwohner zu speichern hat.

Durch den im Melderecht geregelten bereichsspezifischen Datenschutz soll sichergestellt werden, daß das Recht auf informationelle Selbstbestimmung auch unter den modernen Bedingungen der Datenverarbeitung gewahrt wird. Dabei ist ein natürliches Spannungsfeld zwischen dem informationellen Selbstbestimmungsrecht des melderechtlich zu registrierenden Einwohners und den Anforderungen an ein effektives und bürgernahes Meldewesen, das den diversen Belangen der Allgemeinheit gerecht wird, der Regelungsmaterie stets immanent. Festzustellen ist aber auch, daß das in seiner jetzigen Form und Ausgestaltung geregelte Meldewesen sich in seinen Grundzügen bewährt hat und die im Melderecht enthaltenen datenschutzrechtlichen Bestimmungen ein Beispiel für einen der Regelungsmaterie angemessenen effektiven bereichsspezifischen Datenschutz sind, mit dem die Spannung Individuum-Gemeinschaft einer im Grundsatz durchaus sachgerechten Lösung zugeführt wird.

In der Verwaltungspraxis dennoch bestehende "Problemfelder" lassen sich im wesentlichen auf wenige Bereiche reduzieren. Explizit wird in diesem Zusammenhang auf das Problem melderechtlicher Auskunftssperren eingegangen.

In unserer Gesellschaft mit ihren vielfältigen Kommunikationsformen und -zwängen kann es nicht hingenommen werden, daß sich jemand ohne triftigen Grund seiner Umwelt gänzlich entzieht. Er muß erreichbar bleiben und es hinnehmen, daß andere Mitbürger notfalls staatliche Hilfe erwarten, um mit ihm Kontakt aufnehmen zu können. Dies ist z. B. der Fall bei der Durchsetzung von finanziellen Forderungen oder von Erziehungspflichten.

Die Meldebehörde ist auf Grund ihrer Aufgabenstellung die berufene Stelle, dieses Informationsbedürfnis der Mitbürger zu erfüllen. Sie steht hierbei im Spannungsverhältnis zwischen dem Datenschutz und dem Interesse der anfragenden Bürger. Dieses Spannungsverhältnis wird in 28 MeldeG aufgelöst.

Die Meldebehörde darf nach 28 Abs. 1 MeldeG über bestimmte Daten einzelner bestimmter Einwohner Auskunft erteilen. Diese einfache Melderegisterauskunft ist grundsätzlich

von keinerlei Voraussetzungen abhängig. Der Gesetzgeber ging insoweit davon aus, daß die vorbezeichneten Daten offenkundig sind und jedermann zugänglich gemacht werden können.

Schutzwürdige Belange des Betroffenen werden u. a. dadurch berücksichtigt, daß nach 28 Abs. 5 MeldeG jede Melderegisterauskunft unzulässig ist, wenn der Betroffene der Meldebehörde das Vorliegen von Tatsachen glaubhaft gemacht hat, die die Annahme rechtfertigen, daß ihm oder einer anderen Person hieraus eine Gefährdung für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder ähnliche schutzwürdige Belange erwachsen kann.

Der Berliner Datenschutzbeauftragte interpretiert diese Vorschrift dahin, daß jede Melderegisterauskunft an Privatpersonen unzulässig ist, wenn einem Antrag auf Einrichtung einer Auskunftssperre stattgegeben wurde. Hierdurch wird auch die Möglichkeit ausgeschlossen, daß sich der Auskunftssuchende eines Strohmannes bedient, den die Meldebehörde als solchen nicht zu erkennen vermag. Da der Unterausschuß des Abgeordnetenhauses von Berlin sich dieser Rechtsauffassung angeschlossen hat, hat die Senatsverwaltung für Inneres 1990 das Landeseinwohneramt angewiesen, Auskunftssperren gegenüber jedermann gelten zu lassen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Berliner Meldebehörde trotz einer Auskunftssperre im Einzelfall Auskünfte erteilt, wenn eine Gefährdung durch die Erteilung der konkreten Auskunft nicht erkennbar war und das Interesse des Antragstellers an der Erteilung der Auskunft das Interesse des Betroffenen an der Verweigerung der Auskunft überwog.

Gegenwärtig kann also eine Güterabwägung im Einzelfall nicht erfolgen. Dies hält die Senatsverwaltung für Inneres für unbefriedigend. Personen, für die auf Grund einer Gefährdungssituation zu Recht eine Auskunftssperre eingetragen wurde, können sich dadurch z. B. dem Zugriff ihrer privaten Gläubiger entziehen, obwohl eine Auskunft an diese keine Gefahren im Sinne des 28 Abs. 5 MeldeG bedeuten würde. Auskunftssperren sollten kein unüberwindliches Hindernis für die Erteilung von Auskünften sein, sondern lediglich sicherstellen, daß Auskünfte nur nach Anhörung des Betroffenen und nach gründlicher Prüfung des Einzelfalls unter Abwägung aller Interessen erteilt werden.


Zur Inhaltsübersicht

VI. Personalaktenrecht für Beamte

Für das Personalaktenrecht der Beamten wurden durch die 56 ff. LBG datenschutzrechtliche Vorschriften in das Landesbeamtengesetz eingefügt. Hierdurch gibt es spezialgesetzliche Regelungen, die das Spannungsverhältnis zwischen den personenbezogenen Daten betroffener Beamten und der Funktionsfähigkeit der Verwaltung des Dienstherren regeln.

Der Berliner Datenschutzbeauftragte hält die genannten Vorschriften im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot nicht für ausreichend. Er hält für bestimmte Fälle spezifizierte Vorschriften für erforderlich.

Die Senatsverwaltung für Inneres hält dagegen die geltenden Vorschriften für ausreichend. Sie ermöglichen gegebenenfalls ein flexibles Reagieren des Dienstherren auf Änderungen des Beamtenrechts und weiterer mit dem Dienstverhältnis in Verbindung stehender Rechtsvorschriften.


Zur Inhaltsübersicht

VII. Staatsangehörigkeitsangelegenheiten

Für die Bearbeitung von Staatsangehörigkeitsangelegenheiten, z. B. die Prüfung der Voraussetzungen einer Einbürgerung, benötigt die zuständige Behörde verschiedene Auskünfte über den jeweiligen Antragsteller. Dies betrifft z. B. Auskünfte aus dem Bundeszentralregister und dem Melderegister sowie Auskünfte der Ausländer-, Strafverfolgungs-, Sicherheits- und Leistungsbehörden.

Im Staatsangehörigkeitsrecht besteht damit ein besonderes Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz der personenbezogenen Daten des Antragstellers und dem Interesse der zuständigen Behörde an der Erlangung der für die Rechtsprüfung notwendigen Informationen.

Gesetzliche Regelungen für das Spannungsverhältnis bestehen im Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz, Ausländergesetz sowie weiteren Spezialnormen. Die Senatsverwaltung für Inneres geht davon aus, daß die Normen, die z. B. Einbürgerungsvoraussetzungen festlegen, auch die jeweilige Behörde ermächtigen, die notwendigen Anfragen bei anderen Behörden zu stellen. Ferner kann das jeweilige ausdrückliche Einverständnis des Betroffenen zur Datenerhebung eingeholt werden.

Der Berliner Datenschutzbeauftragte fordert dagegen spezifizierte Ermächtigungsgrundlagen für die Einholung der notwendigen Auskünfte. Ein Einverständnis dürfe nur eingeholt werden, wenn eine spezialgesetzliche Ermächtigung für dieses Vorgehen vorliege.

Die Senatsverwaltung für Inneres hält an ihrer Rechtsauffassung fest. Im übrigen bleibt die Novellierung des Staatsangehörigkeitsrechts abzuwarten.


Zur Inhaltsübersicht

VIII. Öffentlich-rechtliche Änderungen von Familiennamen

Bei Namensänderungen hat die zuständige Behörde auch die Aspekte des Gläubigerschutzes und der Verhinderung von Straftaten unter neuem Namen zu berücksichtigen. Hieraus folgt, daß auch Auskünfte aus den Schuldnerverzeichnissen, dem Vorstrafenregister sowie über anhängige Ermittlungsverfahren einzuholen sind. Insoweit besteht ein besonderes Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz der personenbezogenen Daten des Antragstellers und den von der Behörde zu beachtenden genannten öffentlichen Interessen.

Dieses Spannungsverhältnis wird durch das Namensänderungsgesetz nicht hinreichend geregelt. Einzelheiten regelt lediglich die bundeseinheitliche Namensänderungsverwaltungsvorschrift. Diese Verwaltungsvorschrift hat ansich keine hinreichende Rechtsqualität für Datenerhebungen. Die Senatsverwaltung für Inneres hält deshalb gesetzliche Regelungen über die Datenerhebung in Namensänderungsverfahren durch den Bund für erforderlich. Bis dahin muß jedoch entsprechend der Verwaltungsvorschrift verfahren werden, wobei eine Abwägung im Einzelfall vorzunehmen ist.


Zur Inhaltsübersicht

IX. Steuerverwaltung

Die Abgabenordnung als das Verfahrensgesetz der Steuerverwaltung, die gegenüber dem Datengeheimnis nach den Datenschutzgesetzen als Spezialvorschrift für das Steuerrecht vorrangig ist, beinhaltet seit jeher seinem Wesen nach das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Bürger durch das Rechtsinstitut des Steuergeheimnisses.

Daher ist es nicht überraschend, daß die Erfahrungen gezeigt haben, daß dem Datenschutz in der Steuerverwaltung große Aufmerksamkeit gewidmet wird und die Mitarbeiter in hohem Maße für die Belange des Datenschutzes sensibilisiert sind.

Die Regelungen, die der Wahrung des Steuergeheimnisses im Besteuerungs- und Festsetzungsverfahren dienen, werden von den Angehörigen der Steuerverwaltung selbstverständlich beachtet, was zu einem hohen Grad an Verfahrenssicherheit führt.

Gleichzeitig führt die Beachtung der Datenschutzvorschriften auch zu Erschwernissen bei der täglichen Arbeit.

Das Gebot der informationellen Selbstbestimmung der Bürger muß im Interesse einer funktionsfähigen Verwaltung auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unterliegen. Regelungen sollten so ausgestaltet werden, daß höherstehende Allgemeininteressen zu beachten sind und daß die anzustrebenden und notwendigen Zwecke auch mit realistischen Erfolgsaussichten verfolgt werden können.

Nachfolgend sind Beispiele genannt, in denen der Datenschutz die Arbeit der Steuerverwaltung behindert oder erschwert:

1. Sicherungsverfahren im Rahmen des Einsatzes dezentral wirkender Computerleistungen (DCL)

2. Besteuerung bei den Finanzämtern für Körperschaften

3. Steuererhebung (Aufrechnung in Konkursfällen)

4. Ermittlung der aktuellen Anschrift des Steuerpflichtigen

5. Meldungen zum Dateien- und Geräteverzeichnis.

1. Sicherungsverfahren im Rahmen des Einsatzes dezentral wir kender Computerleistungen (DCL)

Nach den Regelungen des Sicherungsverfahrens im Rahmen des Einsatzes dezentral wirkender Computerleistung (DCL) unterliegen grundsätzlich alle Datenabrufe (Abfragen auf Echtkonten und auf die maschinelle Zentralkartei) in den Finanzämtern rechnergesteuert einer stichprobenweisen maschinellen Protokollierung (5 % Quote). Gleichzeitig werden die Abrufenden in diesen Fällen aufgefordert die Gründe des Datenabrufs listenmäßig festzuhalten. Die Datenabrufe der OFD werden vollständig maschinell protokolliert und sind vom Abrufenden in jedem Fall schriftlich zu begründen.

Die o. a. Datenschutzmaßnahmen führen in den Finanzämtern in Höhe der Stichprobenquote und in der OFD in jedem Fall zur schriftlichen Begründung des Datenabrufs unter Angabe von:

- Datum der Abfrage

- Steuernummer

- Name des Bearbeiters

- Art der Abfrage

- Grund der Abfrage und gegebenenfalls

- ersuchende Stelle.

Die Liste zur Abfrageprotokollierung ist im Zusammenhang mit der Liste der maschinell gefertigten Abfrageprotokolle stichprobenweise zu prüfen. Hierbei sind mindestens 10 %, nicht jedoch unter 60 %, der ausgegebenen Fälle zu kontrollieren.

Die šberprüfung der maschinell protokollierten und schriftlich begründeten Fälle ist enorm zeitaufwendig. So kann davon ausgegangen werden, daß für rd. 1 000 zu prüfende Fälle pro Jahr bis zu 6 Arbeitstage aufgewendet werden müssen. Dies trifft auf mehr als die Hälfte der Berliner Finanzämter zu. Bei rd. 1/3 der Berliner Finanzämter sind pro Jahr mehr als 1 500 Fälle bis rd. 3 200 Fälle zu prüfen.

Bei den šberprüfungen wurden in der Regel keine oder nur geringe Beanstandungen, wie z. B. versehentlich fehlende schriftliche Begründungen, festgestellt, so daß das Verhältnis zwischen der bestehenden Datenschutzregelung und dem erheblichen Arbeitsaufwand unangemessen ist.

2. Besteuerung bei den Finanzämtern für Körperschaften

Seit Jahren besteht in den Finanzämtern für Körperschaften der Bedarf, die Namen der jeweiligen Geschäftsführer im Grundinformations-Verfahren (GRINFO) zu speichern.

Damit verbinden sich folgende Vorteile:

- Für die Betriebsprüfung lassen sich konzernähnliche Verflechtungen feststellen, die bisher in den meisten Fällen - mangels vorhandener Informationen - nicht ersichtlich sind; Prüfungen können koordiniert veranlaßt werden und Mißbräuche der steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten mit Auswirkungen, die in Millionenhöhe gehen, könnten verhindert werden.

- Unternehmen kommen ihren steuerlichen Verpflichtungen nicht nach und müssen auch bald den Geschäftsbetrieb einstellen. Es kommt dabei relativ häufig vor, daß der Geschäftsführer eine neue GmbH mit anderem Namen aber gleichem Geschäftszweck und oft der alten Betriebsausstattung gründet. Das bleibt aber den für das Altunternehmen zuständigen Dienstkräften meist verborgen. Gerade im Bereich der Vollstreckungsstelle und des Zwangsgeld- und Haftungsverfahrens würden sich durch die Inanspruchnahme einer Geschäftsführerkartei neue Möglichkeiten der tatsächlichen Vereinnahmung festgesetzter Steuern ergeben. Desweiteren könnten schon präventiv Steuerausfälle verhindert werden, wenn einschlägig bekannte Geschäftsführer auf diese Weise im Vorfeld enttarnt und bei USt-Erstattungen und Stundungs- bzw. Aussetzungsanträgen entsprechend reagiert werden könnte.

Wegen Bedenken von Datenschützern konnte dieses Verfahren noch nicht eingeführt werden. Das ist insoweit kritisch zu bemerken, da noch nicht einmal innerhalb desselben Finanzamts diese Abfragemöglichkeit eingeräumt wird. Somit wird durch den Datenschutz bewirkt, daß die Enttarnung eventuell unseriöser Geschäftsführer und verdeckter Konzernverbindungen weiterhin dem Zufall überlassen bleibt.

Es wird vorgeschlagen, gegebenenfalls eine gesetzliche Ermächtigung zur Speicherung, die derzeit nicht erfolgt, vorzusehen.

3. Steuererhebung (Aufrechnung in Konkursfällen)

Es kommt immer wieder vor, daß in Konkursfällen Steuerrückstände bestehen, der Gemeinschuldner aber noch Forderungen (meist aus Werkverträgen) gegen das Land Berlin hat. Da die Finanzämter von diesen Forderungen in der Regel keine Kenntnis haben, können sie nicht - wie in 70 LHO vorgesehen - aufrechnen. Die auszahlende Kasse ist mangels gesetzlicher Grundlage aus datenschutzrechtlichen Gründen an einer Unterrichtung der Finanzämter gehindert.

Das Interesse der Allgemeinheit an einer Vereinnahmung von Steuern sollte in diesen Fällen höher eingestuft werden als das informationelle Selbstbestimmungsrecht. Wegen fehlender gesetzlicher Ermächtigung kann das Spannungsfeld von den Behörden jedoch nicht in diesem Sinne aufgelöst werden.

Es ist anzustreben, daß sich die Vergabebehörden bei Erteilung öffentlicher Aufträge eine Ermächtigung zur evtl. Unterrichtung der Finanzämter geben lassen. Gegebenenfalls sollte eine gesetzliche Ermächtigung geschaffen werden.

4. Ermittlung der aktuellen Anschrift des Steuerpflichtigen

Beim Fehlen einer aktuellen Anschrift des Steuerpflichtigen darf das Finanzamt die aktuelle Anschrift auf Grund melderechtlicher Bestimmungen nicht selbst aus dem Melderegister abrufen, sondern muß hierzu eine formelle schriftliche Anforderung an das Landeseinwohnermeldeamt richten. Durch den eintretenden Zeitverlust können sowohl Vollstreckungsmöglichkeiten verloren gehen als auch die Arbeit der Steuerfahndung erheblich behindert werden. Außerdem kann sich die Bekanntgabe von Steuerbescheiden erheblich verzögern (z. B. bei der Kraftfahrzeugsteuer).

Zur Erhöhung der Effektivität der Verwaltung sollten die melderechtlichen Vorschriften geändert werden, um einen Abruf zu ermöglichen.

5. Meldungen zum Dateien- und Geräteverzeichnis

Die Meldung zum Geräteverzeichnis werden durch ein vom LIT entwickeltes Verfahren zur Inventarisierung informationstechnisch unterstützt (Verfahren INVENT). Die vom Verfahren INVENT gelieferten Ausdrucke für die Meldung entsprechen im Aufbau den von der Senatsverwaltung für Inneres geforderten Formularen. Für die Meldung zum Dateienverzeichnis gibt es keine derartige informationstechnische Unterstützung. Auch hier muß die Meldung ausschließlich mit vorgegebenen Formularen abgegeben werden. Die Formulare sind für die Darstellung komplexer Datenbestände des automatisierten Besteuerungsverfahrens teilweise ungeeignet. Dies betrifft insbesondere die Darstellung von Datenfeldern und die Beschreibung von technischen und organisatorischen Maßnahmen gemäß 5 BlnDSG. Zwar können die Meldungen auch informationstechnisch durch bestimmte Textsysteme unterstützt werden, aber der Aufbau der Vordrucke muß dabei eingehalten werden. Abweichungen hiervon (z. B. die Darstellung aller Besteuerungsdaten als "logische Dateiensammlung") erfordern bei jeder Meldung zusätzliche Abstimmungen mit dem behördlichen Datenschutzbeauftragten sowie mit dem zuständigen Bearbeiter beim Berliner Datenschutzbeauftragten. Dasselbe gilt für die Darstellung der organisatorischen und technischen Maßnahmen nach dem Katalog des 5 BlnDSG. Die tatsächlich durchgeführten Maßnahmen für Datensicherheit berühren meistens mehrere der Kontrollanordnungen des BlnDSG und sind für die verschiedenen Rechnerbetriebe unterschiedlich zu beschreiben. Eine für Dritte übersichtliche und ausreichende Darstellung ist nur möglich, indem das Schema des vorgegebenen Formulars in diesem Punkt abgewandelt wird.

Weiterer Verwaltungsaufwand entsteht dadurch, daß bei Erstmeldungen von Dateien der Landesfinanzbehörden bzw. Änderungsmeldungen nach der Neufassung des BlnDSG für die Aufnahme in das besondere Dateienregister (kann nicht von jedem eingesehen werden - 25 BlnDSG) ein besonderer Antrag zu stellen ist, der über SenFin und SenInn mit dem BlnDSB abgestimmt werden muß. Bei der Menge der im Rahmen des Gesamtvorhabens "DCL" eingeführten bzw. geplanten Verfahren, bindet auch diese Verwaltungsaufgabe Arbeitskräfte über längere Zeit.

Hinzu kommt eine große Änderungshäufigkeit sowohl im Gerätebestand (Umsetzungen innerhalb eines FA, Zusammenlegung/Auflösung von FA, Neubeschaffungen) als auch im Datenbestand (Gesetzesänderungen, Verfahrenserweiterungen). Dies hat zur Folge, daß nicht nur mit den Erstmeldungen zum Dateienregister erheblicher Verwaltungsaufwand verbunden ist, sondern daß mit der ständig erforderlichen Fortschreibung der Meldung auch auf Dauer personeller Aufwand verbunden ist.

Es sollte daher bei umfangreichen Datenbeständen und komplexen Verfahren wie in der Berliner Steuerverwaltung die Möglichkeit eingeräumt werden, von den vorgegebenen Formularen in begründeten Fällen abzuweichen, z. B. durch verwaltungsmäßige Absprache oder durch entsprechende Ergänzung der Dateienregisterverordnung.

Fazit der Betrachtung ist, daß für bestimmte Maßnahmen zum Datenschutz, die über die grundsätzlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Entwicklung und Durchführung von IT-Verfahren (Verfahrenssicherheit, Informationsschutz, Bestandskontrolle, Dokumentation) im Detail und im Formalismus hinausgehen, auch bei Auslegung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften zugunsten der Funktionsfähigkeit der Verwaltung auf Dauer zusätzlicher personeller und finanzieller Aufwand verbunden ist.

Der Zustand ist dann nicht mehr hinnehmbar, wenn der für derartige Verwaltungsaufgaben zusätzlich erforderliche personelle Aufwand bei knapper werdenden Ressourcen nicht mehr erbracht werden kann. Insoweit müßte die Verhältnismäßigkeit von Aufwand und Schutzzweck neu bestimmt werden.


Zur Inhaltsübersicht

X. Justizbereich

1. Ordentliche Gerichtsbarkeit

1.1 Aufgabenbereich

Funktionsfähigkeit der Gerichtsverwaltung im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit

1.2 Betroffene schutzwürdige Belange der Allgemeinheit

Aufrechterhaltung des Gerichtsbetriebes

1.3 Beschreibung des Spannungsverhältnisses

a) Auskunftsbegehren der Bürger;

b) Beanstandungen des Datenschutzbeauftragten in Verfahren, die der verfassungsrechtlich garantierten Unabhängigkeit der Rechtsprechung unterliegen.

1.4 Darstellung der jeweiligen Rechtsgrundlagen

a) 24 I AGGVG;

b) 24 II BlnDSG; teilweise wird über die Kontrollbefugnis in Grenzbereichen kontrovers diskutiert

1.5 Auflösung des jeweiligen Spannungsverhältnisses

a) Im Einzelfall wird bei rechtsmißbräuchlichen Begehren keine Auskunft erteilt.

b) Auf die Beanstandung wird nach Maßgabe des Einzelfalls reagiert.

1.6 Schlußfolgerungen

a) Der Zustand ist hinnehmbar.

b) Es wäre schon hilfreich, wenn der Datenschutzbeauftragte Hinweise der Gerichtsverwaltungen auf die Unabhängigkeit der Gerichte akzeptieren und seine Beanstandungen in diesem Bereich einstellen würde, sofern ersichtlich ist, daß die Justizverwaltung im Dienstaufsichtswege wegen der Unabhängigkeit der Richter oder Rechtspfleger auf das Verfahren keinen Einfluß nehmen kann. šberflüssiger Schriftwechsel könnte damit vermieden werden.

2. Sozialgerichtsbarkeit

2.1 Aufgabenbereiche

a) Rechtsprechungstätigkeit in den der Sozialgerichtsbarkeit zugewiesenen Angelegenheiten

b) Gerichtsverwaltungstätigkeit im Bereich der Sozialgerichtsbarkeit

2.2 Betroffene schutzwürdige Belange der Allgemeinheit

zu a) und zu b):

Funktionsfähigkeit der Sozialgerichtsbarkeit; Kriminalitätsbekämpfung; Informationsbedürfnis der ™ffentlichkeit

2.3 Beschreibung des Spannungsverhältnisses

(1) Die Staatsanwaltschaft fordert die Akten eines (laufenden oder abgeschlossenen) Sozialgerichtsverfahrens an, um gegen einen Verfahrensbeteiligten oder (auf Anzeige eines Verfahrensbeteiligten hin) gegen einen Richter zu ermitteln. Gegenläufig sind das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Verfahrensbeteiligten bzw. der betroffenen Richter.

(2) Im Rahmen oder nach Abschluß eines Sozialgerichtsverfahrens ergeben sich für den Richter Hinweise auf Straftaten von Verfahrensbeteiligten oder Zeugen, und er übersendet daher die Gerichtsakten der Staatsanwaltschaft; der Sozialdatenschutz der Angezeigten steht in einem Spannungsverhältnis dazu.

(3) Die Gerichtsverwaltung stellt wegen grober Ehrverletzung zum Nachteil einer Gerichtsperson (z. B. eines Richters) einen Strafantrag gegen einen Verfahrensbeteiligten oder spricht deswegen ein Hausverbot gegen den Täter aus, wofür auf Erkenntnisse aus den Gerichtsakten zurückgegriffen wird; auch hier besteht ein Widerspruch zum Sozialdatenschutzinteresse des Betroffenen.

(4) Ein am Gerichtsverfahren nicht beteiligter Dritter begehrt Akteneinsicht bzw. šberlassung der Abschrift einer gerichtlichen Entscheidung; die Datenschutzrechte der Verfahrensbeteiligten könnten dem entgegenstehen.

(5) Ein Richter der Sozialgerichtsbarkeit fordert im Rahmen eines Rechtsstreits zur Aufklärung des Sachverhalts Unterlagen (z. B. Akten) von Dritten an, die personenbezogene Daten und gesundheitliche Verhältnisse von Verfahrensbeteiligten betreffen.

2.4 Darstellung der jeweiligen Rechtsgrundlagen

Zu 3. (1): Einerseits gelten für die Staatsanwaltschaft die Vorschriften der Strafprozeßordnung, andererseits existieren für die Sozialgerichte bislang keine expliziten klaren Rechtsgrundlagen hinsichtlich der Verpflichtung zur Datenübermittlung. Teilweise wird die Ansicht vertreten, 120 SGG schließe das Akteneinsichtsrecht Dritter in Sozialgerichtsakten ohne Zustimmung der Betroffenen aus (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 5. Aufl. 1993, 120 Rdnr. 2); teilweise wird auf 299 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit 202 SGG zurückgegriffen; in diesem Rahmen finden Amtshilfegrundsätze (Art. 35 Abs. 1 GG) Anwendung, wobei die Wertungen aus dem Volkszählungs-Urteil des Bundesverfassungsgerichts (vor allem: Grundsatz der Verhältnismäßigkeit) und aus den für das Verwaltungsverfahren bei den Sozialleistungsträgern geltenden 35 SGB I, 67 ff. SGB X in die jeweilige Entscheidung einfließen. 73 SGB X, der die Zulässigkeit der šbermittlung von Sozialdaten zur Durchführung eines Strafverfahrens regelt, rich

tet sich unmittelbar nur an die Sozialleistungsträger. Nach 78 Abs. 1 SGB X unterliegen die Gerichte aber auch einer im einzelnen geregelten Zweckbindung in bezug auf die Ihnen von den Sozialleistungsträgern übermittelten Sozialdaten.

Zu 3. (2): Es existieren keine klaren Rechtsgrundlagen. Die Verständigung der Ermittlungsbehörden dürfte im Ermessen des jeweiligen Richters liegen, dem öffentlichen Interesse an einer Strafverfolgung Ausdruck zu verleihen.

Zu 3. (3): Das Strafantragsrecht des Dienstvorgesetzten ist ausdrücklich in 77 a, 194 Abs. 3 StGB geregelt. Soweit durch grobe öffentliche Beleidigungen gegen Gerichtspersonen die Funktionsfähigkeit des Gerichtsbetriebes und der Schutz von Rechtsgütern und Ansehen des Gerichtspersonals betroffen sind, kann auf das öffentliche-rechtliche Hausrecht zurückgegriffen werden.

Zu 3. (4): 120 SGG sowie 299 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit 202 SGG können als Rechtsgrundlagen herangezogen werden.

Zu 3. (5): Rechtsgrundlagen sind in 103, 106 SGG enthalten.

2.5 Auflösung des jeweiligen Spannungsverhältnisses

Zu 3. (1): Es erfolgt in der Regel eine Abwägung der wechselseitigen Interessen im Einzelfall unter strikter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips und der Wertungen der unter 4. zu 3. (1) genannten Vorschriften. Soweit Zweifel bestehen, wird bei der Staatsanwaltschaft angefragt, für welche konkreten Zwecke die Gerichtsakten benötigt werden. Soweit nur Rechtsgutsverletzungen von geringerer Bedeutung im Raum stehen, wird seitens der Gerichtsverwaltung darauf verwiesen, daß die Staatsanwaltschaften eine Einwilligungserklärung des in seinen Rechten Betroffenen beibringen möge. Nach BGH NJW 1992, 1973 ist im Streitfall die Aktenbeschlagnahme durch den Ermittlungsrichter möglich; im Verhältnis zum Sozialgericht und Landessozialgericht Berlin ist es zu solchen Entscheidungen bislang nicht gekommen.

Zu 3. (2): Allgemeine Aussagen lassen sich nicht treffen; es erfolgt eine Abwägung im Einzelfall, wobei der aus Art. 97 Abs. 1 GG folgende Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit zu respektieren ist.

Zu 3. (3): Auch hier erfolgt jeweils eine Abwägung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange im Einzelfall unter dem Blickwinkel des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Von daher ist hier etwa ein Hausverbot unter folgenden Maßgaben ausgesprochen worden: Das Betreten des Gebäudes wurde dem Betroffenen nur zur Wahrnehmung von Gerichtsterminen, zu denen er geladen ist, sowie zur Akteneinsichtnahme in eigenen Verfahren gestattet; die Akteneinsichtnahme bedarf der vorherigen Anmeldung und Bestätigung durch den zuständigen Sachbearbeiter; Ladung bzw. Bestätigungsschreiben sind dem Pförtner bei Betreten des Gebäudes unaufgefordert vorzulegen.

Strafanzeigen gegen Verfahrensbeteiligte erfolgen von Seiten der Gerichtsverwaltung, wenn diese die Ehre von Gerichtspersonen in einer besonders gröblichen, auch durch die Prozeßsituation nicht mehr erklärbaren Weise verletzt haben.

Zu 3. (4): Akteneinsicht an Dritte (z. B. auf Bitte um šbersendung von Gerichtsentscheidungen) wird grundsätzlich nur nach Anonymisierung der personenbezogenen Daten oder (selten) unanonymisiert nach ausdrücklicher Einwilligung des Betroffenen gewährt.

Zu 3. (5): Die Beiziehung von Prozeßbeteiligten betreffenden personenbezogenen Unterlagen, die medizinische Daten enthalten, erfolgt in den Gerichtsverfahren regelmäßig nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung der Betroffenen.

2.6 Schlußfolgerungen

Durch das in Vorbereitung befindliche Justizmitteilungsgesetz ist zu erwarten, daß hierdurch einige immer wieder auftretende Problemkonstellationen entschärft werden könnten (etwa: Pflicht zur šbermittlung von Sozialdaten vom Gericht an andere Institutionen).

3. Justizvollzug

Im Bereich des Justizvollzuges treffen schutzwürdige Interessen der Allgemeinheit mit den Persönlicheitsrechten von Gefangenen naturgemäß immer wieder aufeinander. Das größte Problem, dem sich der Justizvollzug dabei ausgesetzt sieht, besteht in dem Umstand, daß noch immer keine bereichsspezifische datenschutzrechtliche Regelung, die seitens des Bundes zu schaffen ist, vorliegt. Viele verstreute Regeln, eine fehlende Strukturierung und das häufig unglückliche Nebeneinander bundesrechtlicher und landesrechtlicher Vorgaben erschwert dabei die Arbeit der Justizvollzugsbediensteten. Die Erfahrung hat gezeigt, daß die vorhandenen Schwierigkeiten in aller Regel am wirkungsvollsten dadurch gelöst werden können, daß eine sachbezogene Diskussion mit allen Beteiligten, insbesondere auch mit dem Berliner Datenschutzbeauftragten, herbeigeführt wird. Dies schließt indes nicht aus, daß in Einzelfragen immer wieder Spannungen auftreten:

3.1 Auskünfte über Gefangene

3.1.1 Aufgabenbereich

Die Justizvollzugsanstalten werden jeden Tag in unzähligen Fällen von Privatpersonen um Auskunft gebeten, ob sich ein Gefangener in der Anstalt befindet.

3.1.2 Betroffene schutzwürdige Belange der Allgemeinheit

Für die Auskunft muß jedesmal die konkrete Einwilligung des Gefangenen eingeholt werden. Der damit verbundene Verwaltungsaufwand steht in keinem Verhältnis zu den schutzwürdigen Belangen des Strafgefangenen, wo dieser selbst - im eigenen Interesse - eine generelle Einwilligung zur Auskunftserteilung zu geben bereit ist.

3.1.3 Beschreibung des Spannungsverhältnisses

siehe Ziffer 2.

3.1.4 Darstellung der jeweiligen rechtlichen Grundlagen

Eine generelle Rechtsgrundlage für eine Auskunftserteilung an Privatpersonen besteht nicht.

3.1.5 Auflösung des jeweiligen Spannungsverhältnisses

Das Spannungsverhältnis wird dadurch gelöst, daß der Anfragende auf den Schriftweg verwiesen wird, da dadurch der für die Anstalt erforderliche Verwaltungsaufwand zur Einholung der Einwilligung reduziert wird. Dies führt für den Anfragenden jedoch zu zeitlichen Verzögerungen. Darüber hinaus wurde zeitweise versucht, die Einwilligung im Einzelfall durch ein generell erklärtes Einverständnis des Gefangenen zur Auskunftserteilung bei eindeutig definierten und vom Anfragenden glaubhaft gemachten Zwecksetzungen zu ersetzen. Diese erfolgreiche Praxis stieß jedoch auf den Widerstand des Berliner Datenschutzbeauftragten.

3.1.6 Schlußfolgerungen

Der Berliner Datenschutzbeauftragte sollte seine Haltung zur Unzulässigkeit generell erklärter Einwilligungen überdenken.

3.2 Gefangeneneinkauf

3.2.1 Aufgabenbereich

Einsatz von Strafgefangenen bei der Durchführung des monatlichen Gefangeneneinkaufs.

3.2.2 Betroffene schutzwürdige Belange der Allgemeinheit

Bei vorbereitenden Arbeiten zur Durchführung des monatlichen Gefangeneneinkaufs ist es aus organisatorischen (Personalersparnis) und vollzugsinhaltlichen (Schaffung von Gefangenenarbeitsplätzen) Gründen unvermeidbar, daß die dort eingesetzten Inhaftierten mit personenbezogenen Daten ihrer Mitgefangenen in Berührung kommen.

3.2.3 Beschreibung des Spannungsverhältnisses

Zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Ablaufs des monatlichen Gefangeneneinkaufs ist es unerläßlich, auf die Unterstützung durch Gefangene zurückzugreifen, da über die im Gefangeneneinkauf volltags beschäftigten Bediensteten des allgemeinen Vollszugsdienstes hinaus weder weiteres Personal zur Verfügung steht, noch entsprechende Stellen vorhanden sind. Nach Auffassung des Berliner Datenschutzbeauftragten stellt die Kenntnisnahme von Kontoständen und Personaldaten der Mitgefangenen eine Datenübermittlung an Private dar, die problematisch sei, da insoweit für die Datenübermittlung weder eine Rechtsvorschrift greife, noch die Einwilligung der Betroffenen vorliege. Die Reduzierung oder gar Anonymisierung von personenbezogenen Daten birgt allerdings die Gefahr einer zu hohen Fehlerquote. Unabhängig von der Frage der Ausgleichspflicht daraus resultierender Defizite und der zu erwartenden finanziellen Belastung (Schadenersatzforderungen gegen die Justizvollzugsanstalt), steht nicht genügend Personal zur Verfügung, um den verwaltungsbezogenen Aufwand allein durch Bedienstete bewältigen zu lassen.

3.2.4 Darstellung der jeweiligen rechtlichen Grundlagen

Aus 22 Abs. 1 StVollzG ergibt sich für die Gefangenen das "Recht auf Einkauf" und somit die Pflicht der Anstalt, die Wahrnehmung dieses Rechtes durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen.

Als Rechtsgrundlage für die Zulässigkeit der Datenübermittlung ist hier 15 BlnDSG zu prüfen. Im Strafvollzugsgesetz steht eine Rechtsgrundlage bislang nicht zur Verfügung.

3.2.5 Auflösung des jeweiligen Spannungsverhältnisses

Erste šberlegungen, das Problem der Kenntnisnahme von personenbezogenen Daten Dritter durch Einholung genereller Einverständniserklärungen, zu lösen, sind schon daran gescheitert, daß für den Fall, in dem ein Gefangener mit der Kenntnisnahme seiner personenbezogenen Daten durch die im Einkauf eingesetzten Inhaftierten nicht einverstanden ist, keine Möglichkeit besteht, den Einkauf auf andere Weise sicherzustellen. Hinzu kommt, daß ohne den Einsatz von Inhaftierten im Gefangeneneinkauf noch weniger Arbeitsplätze für Inhaftierte zur Verfügung stehen würden, der Arbeitseinsatz an sich aber einen wesentlichen Bestandteil der Resozialisierungsarbeit einer Vollzugsanstalt darstellt. Die konsequente Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Belange würde hier dazu führen, daß die ohnehin nicht ausreichend vorhandenen Arbeitsplätze reduziert werden müßten, was nicht nur den Gefangeneneinkauf betreffen würde.

Im Einvernehmen mit dem Berliner Datenschutzbeauftragten wurde das Problem zunächst dergestalt gelöst, daß ein Formblatt entworfen wurde, mit dem die im Einkauf tätigen bzw. künftig dafür vorgesehenen Gefangenen mit ihrer Unterschrift die Kenntnisnahme von dem Erfordernis eines sensiblen Umgangs mit den ihnen im Rahmen ihrer Tätigkeit bekanntwerdenden Daten erklären. Gleichwohl haben wir die Mitarbeiter des Berliner Datenschutzbeauftragten darauf aufmerksam gemacht, daß eine solche Erklärung unter Berücksichtigung des angesprochenen Personenkreises allenfalls appellativen Charakter hat und dadurch einer möglicherweise mißbräuchlichen Nutzung bzw. Verarbeitung von Daten durch die Gefangenen keinesfalls vorgebeugt werden kann. Auch fehlt es an der Möglichkeit, Gefangene im Sinne des Berliner Datenschutzbeauftragten zur Einhaltung der entsprechenden Vorschriften zu verpflichten oder gar auf die Schweigepflicht im Sinne des 203 StGB hinzuweisen, da diese Rechtsgrundlage hier nicht greifen würde.

3.2.6 Schlußfolgerungen

Die beschriebene Verfahrensweise kann nur eine vorübergehende Lösungsmöglichkeit darstellen. Es werden weiterhin Bemühungen unternommen, den Umfang der für die ordnungsgemäße Abwicklung des Einkaufes bislang erforderlichen Daten weiter zu reduzieren.

Im Rahmen der datenschutzrechtlichen Ergänzung des Strafvollzugsgesetzes wurde darüber hinaus angeregt, daß eine entsprechende Rechtsgrundlage für den Einsatz von Gefangenen in Bereichen, in denen sie mit personenbezogenen Daten von Mitgefangenen in Berührung kommen, geschaffen wird.

3.3 Lichtbildaufnahmen

3.3.1 Aufgabenbereich

Lichtbildaufnahmen zu Identifizierungszwecken, hier insbesondere bezogen auf die zu Lockerungsmaßnahmen zugelassenen Gefangenen.

3.3.2 Betroffene schutzwürdige Belange der Allgemeinheit

Für den Fall, daß Gefangene, die zu Urlaub oder selbständigen Vollzugslockerungen zugelassen sind, sich durch Nichtrückkehr dem weiteren Vollzug der Freiheitsstrafe entziehen oder eine begleitete Außenmaßnahme zur Flucht nutzen, sind aktuelle Lichtbilder für die Fahndung bzw. Wiederergreifung flüchtiger Gefangener - vor allem zum Schutze der Allgemeinheit - erforderlich.

Ferner entstehen disziplinarisch bzw. strafrechtlich relevante Folgen für die Bediensteten, die bei Verwechslungen in akute Rechtfertigungsnot geraten.

3.3.3 Beschreibung des Spannungsverhältnisses

Aus vollzuglicher Sicht ist es unerläßlich, von allen Gefangenen, die sich in Begleitung wie auch unbegleitet außerhalb der Anstalt aufhalten, Fotos anzufertigen. Dem steht die in dem Bericht über die datenschutzrechtliche Prüfung der JVA Tegel vom 10. Januar 1996 vertretene Auffassung des Berliner Datenschutzbeauftragten entgegen, daß "auch für den Ausgang eines Gefangenen eine erkennungdienstliche Behandlung nur zulässig ist, wenn tatsächlich Fluchtgefahr besteht". Wenngleich einschlägigen Kommentierungen zu 86 StVollzG vergleichbare Auslegungen zu entnehmen sind, ergibt sich hinsichtlich der vollzugsrelevanten Bedeutung hier ein massiver Widerspruch, da eine gegebenenfalls vorliegende Fluchtgefahr ein ausdrückliches Ausschließungskriterium darstellt und Gefangene, bei denen Fluchtgefahr anzunehmen ist, nicht zu Lockerungen zugelassen werden ( 11 Abs. 2 StVollzG).

Dem Schutz der Allgemeinheit steht hier das - wenn auch teilweise eingeschränkte - Recht der Gefangenen auf informationelle Selbstbestimmung hinsichtlich der von ihnen angefertigten Fotos entgegen.

3.3.4 Darstellung der jeweiligen rechtlichen Grundlagen

Sofern eine Notwendigkeit von Lichtbildaufnahmen von Gefangenen vorliegt, erfolgt die Anfertigung von Fotos nach Maßgabe des 86 StVollzG, wonach u. a. die Aufnahme von Lichtbildern zur Sicherung des Vollzuges zulässig ist. Wie bereits ausgeführt, stehen sich hinsichtlich des Begriffs "Sicherung des Vollzuges" die hier vertretene Auslegung und die des Berliner Datenschutzbeauftragten gegenüber.

3.3.5 Auflösung des jeweiligen Spannungsverhältnisses

Derzeit wird 86 StVollzG in der Weise ausgelegt, daß die vollzugliche Praxis (s. o.) zulässig ist.

3.3.6 Schlußfolgerungen

Mit dem Berliner Datenschutzbeauftragten wird gegenwärtig eine sachgerechte Auslegung des 86 StVollzG erörtert, die den schutzwürdigen Belangen der Allgemeinheit gerecht wird und die bisherige Praxis absichert.

3.4 Zusammenarbeit mit anderen Behörden beim Leistungs mißbrauch

3.4.1 Aufgabenbereich

Zusammenarbeit mit Sozialämtern und Arbeitsämtern in Fragen bestehender Leistungsberechtigung.

3.4.2 Betroffene schutzwürdige Belange der Allgemeinheit

Leistungsmißbrauch.

3.4.3 Beschreibung des Spannungsverhältnisses

Im Bereich des Justizvollzuges ist es im Rahmen der Gefangenenbetreuung auf Grund der Vorschriften des Berliner Datenschutzgesetzes möglich, daß ein Gefangener zu Unrecht Leistungen in Anspruch nehmen kann, weil eine Mitteilung des Umstandes seiner Inhaftierung an Leistungsträger nur auf freiwilliger Basis erfolgt. Bezieht ein Gefangener Sozial- oder Arbeitslosenhilfe bzw. Arbeitslosengeld, entfällt die Verpflichtung zur Zahlung mit dem Zeitpunkt seiner Inhaftierung. Der Gefangene ist gemäß 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I und der entsprechenden Vorschriften des 143 AFG verpflichtet, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind, unverzüglich mitzuteilen. Im Vollzugsalltag gestaltet sich die Mitteilungspflicht praktisch dahingehend, daß der zuständige Bedienstete den Gefangenen befragt, ob diese Veränderungsmitteilung durch die Anstalt erfolgen soll. Ist der Gefangene mit dieser Regelung einverstanden, wird der o. g. Mitteilungspflicht genüge getan. Verweigert er jedoch sein Einverständnis, kann die Justizvollzugsanstalt die zur Einstellung der Leistungen notwendigen Anzeigen auf Grund der Vorschrift des 6 Abs. 1 Nr. 2 des Berliner Datenschutzgesetzes nicht erstatten, da eine besondere Rechtsvorschrift zur Weiterleitung nicht existiert.

3.4.4 Darstellung der jeweiligen rechtlichen Grundlagen

Hinsichtlich des Leistungsmißbrauchs ergibt sich eine strafrechtliche Relevanz aus 263 Abs. 1 StGB. Die Vorschriften des StGB, des BSHG und des AFG enthalten aber keine Ermächtigungsgrundlage zur Weitergabe personenbezogener Daten; auch die Vorschriften über die Amtshilfe im Verwaltungsverfahrensgesetz können nicht herangezogen werden.

3.4.5 Auflösung des jeweiligen Spannungsverhältnisses

Wie bereits vorstehend dargestellt, kann das Spannungsverhältnis nach derzeit geltendem Recht lediglich durch die jeweilige, im Einzelfall einzuholende Einwilligung des Gefangenen zur Weitergabe seiner personenbezogenen Daten gelöst werden.

3.4.6 Schlußfolgerungen

Aus hiesiger Sicht ist die oben dargestellte Rechtslage unbefriedigend und sollte demzufolge dahingehend geändert werden, daß in den o. g. Leistungsgesetzen eine Ermächtigungsgrundlage zur Weitergabe personenbezogener Daten verankert wird.

4. Justizprüfungsamt

4.1 Aufgabenbereich

Im Zusammenhang mit der Abnahme von juristischen Staatsprüfungen sind hin und wieder Anfragen von Kindergeldkassen und Ämtern für Ausbildungsförderung zu beantworten, mit denen Auskunft über Zeitpunkt und Ergebnis der Ablegung der Prüfung erbeten wird, weil die Fortdauer der Ausbildung Voraussetzung für die Gewährung öffentlicher Leistungen (Kindergeld, Leistungen nach dem BAföG) ist.

4.2 Betroffene schutzwürdige Belange der Allgemeinheit

Das Interesse der Allgemeinheit besteht darin, eine - wegen Wegfall der Voraussetzungen - nicht mehr gerechtfertigte Weiterzahlung der Leistungen zu vermeiden.

4.3 Beschreibung des Spannungsverhältnisses

Der Auskunftserteilung steht entgegen, daß gemäß 17 Abs. 2 des Gesetzes über die Juristische Ausbildung (JAG) Auskunft aus den Prüfungsakten nur mit schriftlichem Einverständnis des Prüflings erteilt werden darf. Eine Auskunftserteilung nach 12 Abs. 1 Satz 2 BlnDSG kommt auch nicht in Betracht, wonach innerhalb des öffentlichen Bereichs Daten auch übermittelt werden dürfen, wenn sie vom Empfänger zur Erfüllung des gleichen Zwecks benötigt werden, zu dem sie erhoben werden (also: Prüfungszwecke). Eine die Auskunftserteilung ermöglichende Auslegung dieser Vorschriften ist nicht vertretbar.

4.4 Darstellung der jeweiligen rechtlichen Grundlagen

Siehe zu 3.

4.5 Auflösung des jeweiligen Spannungsverhältnisses

Den auskunftsuchenden Behörden wird unter Hinweis auf die dargestellte Rechtslage mitgeteilt, daß Auskünfte der gewünschten Art nicht möglich sind.

4.6 Schlußfolgerungen

Diese Situation ist hinnehmbar. Einer Änderung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen bedarf es nicht; denn die jeweiligen Leistungsträger haben die Möglichkeit, die Weitergewährung der Leistungen vom Nachweis des Fortbestehens der Ausbildung abhängig zu machen, bzw. von einer Einverständniserklärung zur Einholung einer Auskunft aus den Prüfungsakten.

5. Gerichts- und Bewährungshilfe

5.1 Aufgabenbereich

Erstellung von Gerichts- und Bewährungshilfeberichten und Verwertung von im Zusammenhang mit einem Gerichtshilfeauftrag gewonnenen Erkenntnissen für Zwecke der Bewährungshilfe und umgekehrt.

5.2 Betroffene schutzwürdige Belange der Allgemeinheit

Siehe zu 3.

5.3 Beschreibung des Spannungsverhältnisses

Das Strafverfahren erfordert ein umfassendes Bild der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschuldigten für die Rechtsfolgeentscheidung und die gemäß 463 d StPO zu treffende Nachtragsentscheidung.

Dazu gehört die Kenntnis der in einem früheren Verfahrensstadium oder in anderen Strafverfahren gewonnenen Daten eines Bewährungs- und/oder Gerichtshelfers. Die Verweigerung dieser Datenverarbeitung unter Hinweis auf die Zweckbindung der erhobenen Daten verschlechtert die Qualität der Berichte, die keine Entwicklungstendenzen aufzeigen könnten, die sich aus einem Datenvergleich ergäben.

5.4 Darstellung der jeweiligen rechtlichen Grundlagen

Die Zulässigkeit der Datenverarbeitung ergibt sich aus 6 BlnDSG in Verbindung mit 13 bis 15 BDSG.

5.5 Auflösung des jeweiligen Spannungsverhältnisses

Nach Auffassung des Berliner Datenschutzbeauftragten ist die Verwertung von Gerichtshilfeberichten für Zwecke der Bewährungshilfe und umgekehrt sowie die Verwertung von Daten, die in Erfüllung eines der Gerichtshilfe erteilten Auftrags gemäß 160 Abs. 3 StPO gewonnen werden, zur Erfüllung eines gemäß 463 d StPO erteilten Auftrages eine zweckändernde Nutzung, die nur unter den Voraussetzungen des 14 Abs. 2 Nr. 7 BDSG nämlich zur Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten, zur Vollstreckung oder zum Vollzug von Strafen - zulässig ist. Die in früheren Berichten gewonnen Daten sind nach Auffassung des Datenschutzbeauftragten weder für die Strafverfolgung erforderlich, noch sei Strafverfolgung Aufgabe der Gerichtshilfe.

Nach hiesiger Auffassung ist der beschriebene Datenaustausch keine zweckändernde Nutzung und gemäß 14 Abs. 1 BDSG erforderlich und zulässig. In 18 Abs. 3 der Allgemeinen Verfügung über die Organisation und die Aufgaben der Sozialen Dienste der Justiz - Gerichtshilfe und Bewährungshilfe - ist festgelegt worden, daß bestehende Vorgänge über den Betroffenen, die nicht älter als drei Jahre sind, für die Berichterstattung heranzuziehen sind, ältere Berichte nur, wenn sie noch aktuell sind und sich zur Charakterisierung der Betroffenen eignen.

5.6 Schlußfolgerungen

Da ein Teil der Gerichts- und Bewährungshelfer die datenschutzrechtlichen Bedenken des Datenschutzbeauftragten teilt, ist nicht abzusehen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang in der Praxis die Vorschrift des 18 der Allgemeinen Verfügung umgangen wird.

Eine klarstellende oder erweiternde Definition der Zweckbindung in 11 BlnDSG wäre wünschenswert.

6. Staatsanwaltschaften

In diesem Bereich soll die Stellungnahme im Anschluß an einige grundsätzliche Erwägungen zum Spannungsverhältnis Strafverfolgung/Datenschutz auch auf einige wenige Bespiele beschränkt werden, die stellvertretend wiederkehrende praktische Schwierigkeiten mit datenschutzrechtlichen Vorgaben darstellen. Weitere Anmerkungen der Praxis, mit denen auf den erheblichen Verwaltungsaufwand wegen datenschutzrechtlicher Vorkehrungen hingewiesen wird (z. B. bei Mitteilungen nach MiStra) oder auf eine noch unsichere Rechtslage (z. B. Rechte und Pflichten der šbermittlung nach 67 ff. SGB X; Voraussetzungen der unterschiedlichen Akteneinsichtsrechte), werden dabei nicht berücksichtigt.

Strafverfolgung und Datenschutz sind jeweils Aufgaben mit Verfassungsrang, die wegen ihrer unterschiedlichen Zielstellung in einem grundsätzlichen Spannungsverhältnis zueinander stehen. Anliegen des Staates und der Verwaltung muß daher die Bestimmung der Wertigkeit der Ziele und ein größtmöglicher Ausgleich der Interessen innerhalb des konkret betroffenen Zusammenhangs sein.

Daß die Strafverfolgung auf Grund ihrer Bedeutung für den einzelnen Bürger, dessen Sicherheit und für den inneren staatlichen Frieden überhaupt eine besonders hohe Präferenz innerhalb der staatlichen Zielstellungen hat, versteht sich von selbst und wird von niemandem angezweifelt. Daraus folgt allerdings nicht, daß der Datenschutz gegenüber den Stafverfolgungsinteressen prinzipiell zurückzutreten habe. Zum einen unterliegt auch insoweit die staatliche Strafverfolgung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dies wird ebenfalls von niemandem in Frage gestellt und findet sich im Strafprozeßrecht vielerorts wieder (z. B. kein Geständniszwang, Zeugnisverweigerungsrechte, Beschlagnahmeverbote, Beschränkungen bei der Informationserhebung durch technische Mittel, Achtung des Intimbereichs). Ferner darf der Datenschutz nicht - nur - in seiner individualrechtlichen Ausprägung, d. h. als Abwehrrecht gegenüber dem Staat ("Recht auf informelle Selbstbestimmung") gesehen werden. Die Gewährleistung des Datenschutzes gehört zu den strukturellen Grundlagen des demokratischen Staats, da der Bürger im Zeitalter der elektronischen Datenverarbeitung - durch seine grundsätzliche Unkenntnis, wer zu welchem Zweck und unter welchen Voraussetzungen auf seine Daten zurückgreift - ohne entsprechende Vorkehrungen seine verfassungsmäßigen Rechte (z. B. Wahlen, Meinungs-, Koalitions-, Vereinigungsfreiheit) zunehmend weniger souverän wahrnehmen könnte. Auch dies ist im Grundsatz seit langem anerkannt.

Zahlreiche Strafprozeßrechtsnovellen (z. B. Entwurf eines Justizmitteilungsgesetzes - Drs 13/470; Entwurf eines Strafverfahrensänderungsgesetzes 1996 - BR-Drs 961/96; des Strafverfahrensänderungsgesetzes zur DNA-Analyse ["genetischer Fingerabdruck"] - Drs 13/667) tragen dem Umstand Rechnung, daß datenschutzrechtliche Regelungen auch im Bereich des Strafverfahrens Geltung beanspruchen. Allerdings sind dabei die Besonderheiten des Strafverfahrens zu beachten (s. o. II. 2.1).

Es liegt in der Natur der Sache, daß insbesondere im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, das zunächst vorrangig - gegebenenfalls auch zugunsten des Beschuldigten - der Wahrheitsermittlung dient, andere Maßstäbe gelten müssen, als bei rein verwaltungsmäßigen oder privatrechtlichen Vorgängen. So geht zum Beispiel das Datenschutzrecht von dem Grundsatz aus, daß Daten beim Betroffenen mit dessen Wissen und Zustimmung erhoben werden (vgl. z. B. 10 Abs. 1 BlnDSG). Dieser Grundsatz ist für das Strafverfahren unbrauchbar, weil eine Zustimmung des Beschuldigten zur Datenerhebung in der Regel weder zu erwarten noch zu erlangen ist, und er die Erhebung der Daten bei Kenntnis von den Ermittlungen behindern würde. Deswegen sieht die Strafprozeßordnung als Regelfall die zwangsweise Erhebung der Daten vor, wobei diese häufig ohne Kenntnis des Beschuldigten und nicht bei ihm, sondern bei unbeteiligten Dritten erfolgt.

Weiterhin geht das Datenschutzrecht davon aus, daß personenbezogene Daten grundsätzlich nur zu dem Zweck weiterverarbeitet werden dürfen, zu dem sie erhoben oder gespeichert worden sind (vgl. 11 Abs. 1 BlnDSG). Bei Durchsuchungen, Beschlagnahmen, Zeugenvernehmungen und Auskunftsersuchen werden dagegen häufig Daten erlangt, die ursprünglich zu einem ganz anderen Zweck erhoben wurden. Diese Daten dürfen zum Teil in anderen Verfahren verwertet werden, so z. B. Zufallsfunde bei einer Durchsuchung ( 108 StPO), zum Teil nur eingeschränkt, so z. B. Erkenntnisse aus einer Telefonüberwachung ( 100 b Abs. 5 StPO). Anders als das Datenschutzrecht geht die StPO jedenfalls ersichtlich nicht von einer generellen Unzulässigkeit der Verwertung der Daten in anderen Verfahren aus.

Vor diesem Hintergrund werden beispielhafte folgende konkrete Konfliktpunkte genannt, in denen die staatsanwaltschaftliche Praxis von einer Behinderung der Strafverfolgung wegen zu weitgehenden Datenschutzes berichtet hat. Die Aufstellung ist nicht umfassend oder repräsentativ.

a) Als Beispiel kann das Verhalten der Direktion des Amtsgerichts O im hiesigen Ermittlungsverfahren 53 Js (. . .) angesehen werden. Der Beschuldigte dieses Verfahrens war wegen Betruges angezeigt worden. Er hatte sich zur Sache eingelassen, auf einen zwischen dem Anzeigenerstatter und ihm beim AG O geführten Zivilrechtsstreit hingewiesen und zu seiner Entlastung die Beiziehung dieser Zivilakte beantragt. Dies stellte sich als unerwartet schwierig heraus, weil die Direktorin des AG O die šbersendung der Akte vom Ergebnis einer Anhörung des Anzeigenerstatters und gleichzeitigen Klägers abhängig machte und von diesem Standpunkt trotz Schriftwechsels nicht abweichen wollte. Damit hat sie die Verteidigung des Beschuldigten vom Wohlwollen des Anzeigeerstatters abhängig gemacht und den Abschluß des Verfahrens um Monate verzögert.

b) Mit ähnlichen Problemen hat sich die Amtsanwaltschaft konfrontiert gesehen, wenn sie bei Berliner Amtsgerichten Betreuungsakten angefordert hat um zu prüfen, ob Ermittlungsverfahren gegen Beschuldigte wegen Schuldunfähigkeit einzustellen sind. Insbesondere die Direktorin des Amtsgerichts M verweigerte die Aktenübersendung auch dann, wenn der Aktenübersendungsantrag schriftlich begründet wurde, übersandte jedoch schließlich wenigstens einzelne Unterlagen aus den Akten. Die generelle Verweigerung der Aktenübersendung ist jedoch aus hiesiger Sicht ein Verstoß gegen 21 Abs. 5 Nr. 1 AGGVG Berlin.

In den vorgenannten Beispielen ist ein rechtlicher Grund für die Verweigerung der Aktenübersendung nicht erkennbar. Rechtsgrundlage des Ersuchens ist 161 StPO bzw. 21 Abs. 5 Nr. 1 AGGVG, soweit Berliner Stellen ersucht werden. Ohne weitere Klärung des Sachverhalts ist davon auszugehen, daß hier eine unrichtige Interpretation der Rechtslage zugrundeliegt.

c) Als problematisch stellt sich auch die Zusammenarbeit mit den Sozialbehörden dar. Hier fällt vor allem auf, daß einzelnen Sozialbehörden die gesetzlichen Beschränkungen des Sozialgeheimnisses unbekannt sind. Obwohl 69 Abs. 1 Nr. 2 SGB X die Offenbarung von Sozialdaten in Ermittlungsverfahren wegen des Mißbrauchs von Sozialleistungen zuläßt, sind die Sozialämter in einzelnen einschlägigen Verfahren zunächst nicht einmal bereit gewesen anzugeben, ob Sozialleistungen gezahlt werden.

d) Zu Schwierigkeiten hat in der Vergangenheit auch die Fassung des 68 Abs. 1 S. 1 SGB X geführt. Nach dieser Vorschrift können die Sozialbehörden den Staatsanwaltschaften zur Erfüllung ihrer Aufgaben den Namen, Vornamen, das Geburtsdatum, den Geburtsort, die derzeitige Anschrift und den derzeitigen Arbeitgeber einer Person mitteilen, soweit kein Grund zur Annahme besteht, daß dadurch schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt werden. Mit Ausnahme des derzeitigen Arbeitgebers handelt es sich ausnahmslos um solche Daten, die für die Durchführung eines Strafverfahrens zwingend erhoben werden müssen und deren Beantwortung gemäß 111 OWiG kein Beschuldigter verweigern darf. Aus hiesiger Sicht können daher insoweit schutzwürdige Interessen der Auskunftserteilung nicht entgegenstehen. Der Wortlaut von 68 Abs. 1 S. 1 SGB X erweckt jedoch den Anschein, als ob die Sozialbehörden im Einzelfall das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung

mit dem persönlichen Interesse des Beschuldigten auf Straffreiheit abwägen müßten. Eine Verwaltungsvorschrift für die Sozialbehörden wird zwar im Falle ihrer Umsetzung die Situation wesentlich verbessern. Ein Ersatz für eine gesetzgebereiche Klarstellung ist sie aber schon deswegen nicht, weil sie nur für Berliner Sozialbehörden gelten kann. Verfahren wegen Mehrfachbezugs von Sozialleistungen betreffen jedoch typischerweise Sozialbehörden in verschiedenen Städten, also auch außerhalb Berlins.


Zur Stellungnahme des Berliner Datenschutzbeauftragten Zur Stellungnahme des Berliner Datenschutzbeauftragten
 Letzte Änderung:
 am 05.10.1998
mail to webmaster