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Anlage 2.2 zum Jahresbericht 1997
Entschließung der Konferenz der Datenschutzbeauftragten
des Bundes und der Länder vom 20.Oktober 1997
Entschließung zu den Vorschlägen der Arbeitsgruppe der Arbeits- und Sozialministerkonferenz (ASMK) "Verbesserter Datenaustausch bei Sozialleistungen"
Mit dem von der ASMK-Arbeitsgruppe vorgeschlagenen erweiterten
Datenaustausch bei Sozialleistungen wird die Bekämpfung von
Leistungsmißbräuchen angestrebt. Soweit dieses Ziel
der Arbeitsgruppe mit einer Veränderung der Strukturen der
Verarbeitung personenbezogener Daten im Sozialleistungsbereich
- insbesondere mit veränderten Verfahren der Datenerhebung
- erreicht werden soll, muß der verfassungsrechtlich gewährleistete
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet werden.
Die gegenwärtigen Regelungen der Datenerhebung im Sozialleistungsbereich
sehen unterschiedliche Verfahren der Datenerhebung vor, vor allem
- Datenerhebungen beim Betroffenen selbst
- Datenerhebungen bei Dritten mit Mitwirkung des Betroffenen
- Datenerhebungen bei Dritten ohne Mitwirkung des Betroffenen
aus konkretem Anlaß
- Datenerhebungen bei Dritten ohne Mitwirkung des Betroffenen
ohne konkreten Anlaß (Stichproben/Datenabgleich)
Diese Verfahren der Datenerhebung sind mit jeweils unterschiedlich
schwerwiegenden Eingriffen in das Persönlichkeitsrecht der
Betroffenen verbunden. So weiß z.B. bei einer Datenerhebung
beim Betroffenen dieser, wer wann welche Daten zu welchem Zweck
über ihn erhebt und Dritte erhalten keine Kenntnis von diesen
Datenerhebungen.
Im Gegensatz dazu wird bei einer Datenerhebung bei Dritten ohne
Mitwirkung des Betroffenen dieser darüber im unklaren gelassen,
wer wann welche Daten zu welchem Zweck über ihn erhebt und
Dritten werden Daten über den Betroffenen zur Kenntnis gegeben
(z.B. der Bank die Tatsache, daß der Betroffene Sozialhilfeempfänger ist).
Dieses System der Differenzierung des Verfahrens der Datenerhebung
entspricht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Ferner ist zu differenzieren, ob Daten aus dem Bereich der Sozialleistungsträger
oder Daten außerhalb dieses Bereichs erhoben werden.
In dem Bericht der Arbeitsgruppe wird dieses System zum Teil aufgegeben.
Es werden Verfahren der Datenerhebung vorgesehen, die schwerwiegend
in die Rechte der Betroffenen eingreifen, ohne daß hinreichend
geprüft und dargelegt wird, ob minder schwere Eingriffe in
das Persönlichkeitsrecht zum Erfolg führen können.
Die Datenschutzbeauftragten wenden sich nicht um jeden Preis gegen
Erweiterungen des Datenaustauschs, gehen aber davon aus, daß
pauschale und undifferenzierte Änderungen des gegenwärtigen
Systems unterbleiben.
Datenabgleichsverfahren sollen nur in Frage kommen bei Anhaltspunkten
für Mißbrauchsfälle in nennenswertem Umfang. Deshalb
müssen etwaige neue Datenabgleichsverfahren hinsichtlich
ihrer Wirkungen bewertet werden. Daher ist parallel zu ihrer Einführung
die Implementierung einer Erfolgskontrolle für das jeweilige
Abgleichsverfahren vorzusehen, die auch präventive Wirkungen
erfaßt. Dies ermöglicht, Aufwand und Nutzen zueinander
in das verfassungsmäßig gebotene Verhältnis zu setzen.
Soweit unter Beachtung dieser Prinzipien neue Kontrollinstrumente
gegen den Leistungsmißbrauch tatsächlich erforderlich
sind, muß für den Bürger die Transparenz der Datenflüsse
sichergestellt werden. Diese Transparenz soll gewährleisten,
daß der Bürger nicht zum bloßen Objekt von Datenerhebungen wird.
Bezugnehmend auf die bisherigen Äußerungen des BfD
und von LfD bestehen gegen folgende Vorschläge im Bericht
gravierende Bedenken:
- 1. Mitwirkung bei der Ahndung des Mißbrauchs (für
alle Leistungsträger) und Verbesserungen für die Leistungsempfänger
(zu D.II.10.1 und B.I) (S. 30 u. S. 2)
Die vorgeschlagenen Möglichkeiten von anlaßunabhängigen
Mißbrauchskontrollen beinhalten keine Klarstellung der gegebenen
Rechtslage, sondern stellen erhebliche Änderungen des bisherigen
abgestuften Systems der Datenerhebung dar.
Die mit der Datenerhebung verbundene Offenlegung des Kontaktes
bzw. einer Leistungsbeziehung zu einem Sozialleistungsträger
stellt einen erheblichen Eingriff für den Betroffenen dar,
u.a. da sie geeignet ist, seine Stellung in der Öffentlichkeit,
z.B. seine Kreditwürdigkeit, wesentlich zu beeinträchtigen.
Anfragen bei Dritten ohne Kenntnis des Betroffenen lassen diesen
im unklaren, welche Daten wann an wen übermittelt wurden.
Derartige Datenerhebungen werden vom geltenden Recht deshalb mit
Rücksicht auf das verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprinzip
nur in begrenzten und konkretisierten Ausnahmefällen zugelassen.
Von dieser verfassungsrechtlich gebotenen Systematik würde
die vorgeschlagene Neuregelung grundlegend abweichen. Die Datenschutzbeauftragten
betonen bei dieser Gelegenheit den allgemeinen Grundsatz, daß
Datenerhebungen, die sowohl pauschal und undifferenziert sind,
als auch ohne Anlaß erfolgen, abzulehnen sind.
Die Datenschutzbeauftragten weisen schließlich darauf hin,
daß gegen eine Ausnutzung der technischen Datenverarbeitungmöglichkeiten
zugunsten des Betroffenen (B.I des Berichts) nichts spricht, solange
die Betroffenen davon informiert sind und soweit sie dem Verfahren
zugestimmt haben.
- 2. Nachfrage beim Wohnsitzfinanzamt des Hilfesuchenden zu Schenkungen
und Erbschaften (zu D.I.1.1) (S. 6)
Die Datenschutzbeauftragten teilen nicht die Auffassung, daß
Stichproben nach der geltenden Rechtslage zu § 21 Abs 4 SGB
X möglich sind. § 21 Abs 4 SGB X ist eine Auskunftsvorschrift
für die Finanzbehörden, die über die Datenerhebungsbefugnis
der Sozialleistungsträger nichts aussagt. Die Leistungsträger
dürfen diese Auskünfte bei den Finanzbehörden als
Dritten nur nach Maßgabe des § 67a SGB X einholen,
soweit das erforderlich ist: Diese Erforderlichkeit setzt Anhaltspunkte
für Leistungsmißbrauch im Einzelfall voraus.
- 3. Auskunftspflicht der Banken und Lebensversicherungen (zu
D.II.1.6) (S. 13)
Die Datenerhebung im Sozialbereich ist von einer möglichst
weitgehenden Einbeziehung des Betroffenen gekennzeichnet. Der
Vorschlag zur Einführung einer Auskunftspflicht geht auf
dieses differenzierte System der Datenerhebungen im Sozialbereich
überhaupt nicht ein.
Die Annahme in der Begründung des Vorschlags, ohne eine derartige
Auskunftspflicht bestünden keine sachgerechten Ermittlungsmöglichkeiten,
trifft nicht zu. Der Betroffene ist verpflichtet, Nachweise zu
erbringen; dazu können auch Bankauskünfte gehören.
Allerdings ist dem Betroffenen vorrangig Gelegenheit zu geben,
solche Auskünfte selbst und ohne Angabe ihres Verwendungszwecks
beizubringen. Nur soweit dennoch erforderlich, ist der Betroffene
im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht gehalten, sein Einverständnis
in die Erteilung von Bankauskünften zu geben.
Die vorgeschlagene pauschale Auskunftsverpflichtung birgt deshalb
die Gefahr in sich, daß dann generell ohne Mitwirkung des
Betroffenen und ohne sein Einverständnis sofort an die Bank/Lebensversicherung
herangetreten wird mit der Wirkung, daß der Betroffene desavouiert wird.
Die Datenschutzbeauftragten halten deshalb eine Klarstellung für
dringend erforderlich, daß derartige unmittelbare Anfragen
und Auskünfte erst in Betracht kommen, wenn die Ermittlungen
unter Mitwirkung des Betroffenen zu keinem ausreichenden Ergebnis
führen und Anhaltspunkte dafür bestehen, daß bei
der fraglichen Bank/Lebensversicherung nicht angegebenes Vermögen
vorhanden ist.
- 4. Akzeptanz des Datenaustausches (zu E.IV) (S. 36)
Datenabgleiche beinhalten eine Verarbeitung personenbezogener
Daten, die nicht beliebig durchgeführt werden darf und anerkanntermaßen
einer gesetzlichen Grundlage bedarf. Die im Papier der Arbeitsgruppe
unter E.IV vertretene These, daß anlaßunabhängige
Datenabgleiche keiner speziellen gesetzlichen Grundlage bedürften,
trifft deshalb nicht zu.
Die Datenschutzbeauftragten wenden sich nicht gegen einzelne Veränderungen
der Datenverarbeitung im Sozialleistungsbereich, soweit sie tatsächlich
erforderlich und verhältnismäßig sind und die
zuvor aufgezeigten Grundsätze beachtet werden. Die Datenschutzbeauftragten
sind dazu gesprächsbereit.
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