Anlagen zum Jahresbericht 1996
§§ 119, 123, 535, 554 a BGB
Der Mieter ist bei den Vertragsverhandlungen nicht verpflichtet,
über seine Aufenthaltsberechtigung in Deutschland unaufgefordert
oder auf Nachfrage Auskunft zu geben.
(AG Wiesbaden, Urteil vom 31. 7. 1992 - 98 C 251/92)
Die Beklagte ist Mieterin in Wiesbaden. Das Mietverhältnis
begann ausweislich des Mietvertrages v. 28. 2. 1991 am 1. 3. 1991
und sollte am 1. 3. 1992 enden, wobei es sich um jeweils ein Jahr
verlängern soll, sofern es nicht gekündigt wird.
Mit Schreiben v. 12. 11.. 1991 kündigte die Klägerin
das Mietverhältnis ohne Angabe von Gründen zu 1. 3.
1992. Die Beklagte widersprach der Kündigung. Mit anwaltlichen
Schreiben v. 2. 6. 1992 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis
erneut fristlos. Von der Ausländerbehörde will die Klägerin
mitgeteilt bekommen haben, daß die Beklagte nicht berechtigt
sei, sich in Deutschland aufzuhalten. Die Klägerin behauptet
weiter, dies sei der Beklagten bereits bei Abschluß des
Mietvertrages bekannt gewesen. Sie habe deshalb die Klägerin
über ein wichtiges Merkmal getäuscht.
Die Beklagte bestreitet die Behauptung der Klägerin und beruft
sich darauf, daß ihr Aufenthalt derzeit in Deutschland geduldet
werde.
Aus den Gründen:
Das Mietverhältnis ist nicht durch das Kündigungsschreiben
v. 12. 11. 1991 zum 1.
3. 1992 beendet worden, da die Kündigung unwirksam ist. Weder
enthält sie irgendwelche Angaben über Kündigungsgründe
noch ist der Hinweis auf ein Widerspruchsrecht erfolgt.
Das Mietverhältnis ist auch nicht aufgrund der fristlosen
Kündigung v. 2. 6. 1992 beendet worden. Der von der Klägerin
behauptete Grund, nämlich, daß sich die Beklagte rechtswidrig
in Deutschland aufhalte, trifft nicht zu, da sie derzeit eine
Aufenthaltsgenehmigung hat.
Schließlich ist das Mietverhältnis auch nicht als von
Anfang nichtig anzusehen. Sofern die Klageschrift v. 10. 3. 1992
als an Anfechtung des Mietverhältnisses verstanden werden
soll, löst diese jedenfalls nicht die Rechtsfolge der Nichtigkeit
des Mietvertrages aus.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin bei Abschluß
des Mietvertrages davon ausging, daß die Beklagte sich rechtmäßig
in Deutschland aufhalte und sie möglicherweise zu dem damaligen
Zeitpunkt eine Aufenthaltsgenehmigung noch nicht hatte.
Die Beklagte hatte die Klägerin über die Umstände
ihres Aufenthaltes in Deutschland nicht aufzuklären. Den
Mieter treffen nämlich Aufklärungspflichten nur über
solche Umstände, die
für den Vermieter bei objektiver Wertung unter Berücksichtigung
schutzwürdiger Belange des Mieters der Auskunft bedürfen.
Das ist bezüglich solcher Umstände zu bejahen, die für
das Vertragsverhältnis wesentlich sind und deren Offenbarung
dem Mieter zuzumuten sind. Selbst hierüber ist der Mieter
nicht verpflichtet, ungefragt Angaben zu machen.
Auch ist das Informationsinteresse des Vermieters gegen das Interesse
des Mieters, seine Privatsphäre zu schützen, abzugrenzen.
Fragen nach seinem persönlichen Status sind deshalb
unzulässig, soweit sie sich nicht auf besondere Qualifikationsmerkmale
beziehen, die nach dem Gesetz oder nach der Art des Mietobjektes
gegeben sein müssen oder die den Mietgebrauch betreffen.
Es ist bereits zweifelhaft, ob die Klägerin bei Abschluß
des Mietvertrages die Beklagte überhaupt fragte, inwieweit
diese sich rechtmäßig in Deutschland aufhalte. Nicht
ersichtlich ist jedenfalls, inwieweit dies Einfluß auf das
Mietverhältnis haben könnte, da der Abschluß des
Mietvertrages es nicht erfordert, daß der Mieter seinen
berechtigten Aufenthalt nachweist.
Sofern die Klägerin sich über die Berechtigung geirrt
haben mag, handelt es sich hier um einen unbeachtlichen Motivirrtum
, der sie nicht zur Anfechtung berechtigt. Die Klage war nach
alledem mit der Kostenfolge des § 91 ZPO abzuweisen.
Mitgeteilt von RAen Fallak, Berchtold und Hessenauer, Wiesbaden
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