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Anlagen zum Jahresbericht 1996
Tagesspiegel vom 16.11.96
Korruptionsbekämpfung: Kritik der Datenschützer
Berliner Gesetzesvorlage will Beamte zur Anzeige von Hinweisen
auf Bestechlichkeit verpflichten
VON JAKOB MENGE
BERLIN. "Mit rechtlichen Grundsätzen nicht vereinbar".
So lautet das vernichtende Urteil der stellvertretenden Datenschutzbeauftragten
Claudia Schmid zum geplanten Korruptionsvorbeugegesetz. Schmid
äußerte sich gestern gegenüber dem Tagesspiegel.
Der Berliner Entwurf war einen Tag zuvor bei einer ÖTV-Veranstaltung
erörtert worden. Was die Anti-Korruptions-Arbeitsgemeinschaft
der Justizsenatorin vorschlägt, hat es so in Deutschland
noch nicht gegeben. Nach der Vorlage hätten Beamte und Angestellte
eine Meldepflicht gegenüber einer neueingerichteten Stelle,
angesiedelt direkt bei der Justizsenatorin, wenn sie Kollegen
der Bestechlichkeit verdächtigen. Bloße Hinweise,
also nicht nur Anhaltspunkte dafür, sollen ausreichen. Das
ist neu und öffnet nach Meinung der Datenschützerin
Claudia Schmid "der Denunziation Tor und Tür".
Bei der folgenden Ermittlung sollen der zentralen Erfassungsstelle
in der Vorlage ungewöhnliche Möglichkeiten zugesprochen
werden. Wenn ein Tatverdacht besteht, ginge der Fall zur Staatsanwaltschaft.
Wenn nicht, könnte ein Stochern im dunkeln beginnen. Die
Stelle dürfte dann Innenrevisoren in der Behörde veranlassen
oder den Rechnungshof auf die Tips ansetzen. Um ein Korruptionsraster
zu erstellen, könnte sie alle Hinweise, die von Bürgern
kommen können, speichern und unbefristet aufbewahren. Dabei
könnte jemand, so Claudia Schmid, jahrelang registriert sein,
ohne daß ihm etwas nachgewiesen würde.
Der Mann hinter dem Gesetzentwurf, Cornel Christoffel, versuchte
am Donnerstag abend bei einer Diskussion mit Richtern und Staatsanwälten
der ÖTV, die Vorwürfe zu entkräften. Er teile
ja viele Bedenken, und die Gesetzesvorlage sei so noch gar nicht
spruchreif. Doch der Leiter der Anti-Korruptions-Arbeitsgemeinschaft
der Justizsenatorin hatte einen schweren Stand. Zwar waren sich
alle einig, daß die anscheinend ausufernde Korruption mit
neuen Methoden angepackt werden müsse, doch über das
Wie wurde kräftig gestritten.
Die neue Erfassungsstelle sei ein "Mischmasch", so die
ebenfalls eingeladene Renate Künast, rechtspolitische Sprecherin
der Bündnisgrünen. Einerseits solle sie selbst keine
Strafverfolgung in Angriff nehmen. Andererseits gebe sie die
Hinweise bei Tatverdacht eben doch an die Staatsanwaltschaft weiter.
Das widerspreche sich, und deshalb plädiere sie dafür,
die neue Stelle "ganz ehrlich" bei der Staatsanwaltschaft
anzusiedeln. Das brächte nach Meinung Christoffels aber
nicht viel. Denn das Problem sei ja, daß niemand sich traue,
zur Staatsanwaltschaft zu gehen. Doch auch die anwesenden Richter
und Staatsanwälte gaben Christoffel fast keine Unterstützung.
Angesichts der wunderbar funktionierenden Maschinerie der Korruption
werde wahrscheinlich auch das neue Gesetz nicht durchgreifend
helfen.
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