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Anlagen zum Jahresbericht 1996

§§ 119, 123, 249, 276, 535 BGB

Es besteht kein Sicherungsbedürfnis des Vermieters dahingehend, daß der Mieter an einem bestimmten Arbeitsplatz seinen Lebensunterhalt verdient.

Aufklärung über seine Vermögensverhältnisse braucht der Mietinteressent angefragt nicht zu erteilen, es sei denn, er ist überhaupt zahlungsunfähig.

(AG Stuttgart-Bad Cannstatt, Urteil vom 8. 8. 1986 - 3 C 1485/86)

Die Parteien schlossen am 30. 10. 1985 einen Mietvertrag über die 3-Zimmer-Wohnung des Beklagten. Das Mietverhältnis sollte am 1. 3. 1986 beginnen. Als monatlicher Mietzins waren 750 DM vereinbart.

Mit Schreiben v. 3. 2. 1986 teilte der Beklagte den Klägern mit, daß ihm zur Kenntnis gekommen sei, daß der Kläger seine Arbeit bei der Tankstelle X. nicht aufnehme und somit keine Gewähr mehr vorhanden sei, daß die Kläger ihre Miete korrekt bezahlen würden. Er sehe sich leider gezwungen, den abgeschlossenen Mietvertrag aufzuheben und die ganze Angelegenheit als erledigt zu betrachten.

Die Kläger beauftragten ihren Prozeßbevollmächtigten mit der Wahrung ihrer rechtlichen Interessen. Dieser wies den Beklagten mit Anwaltsschreiben v. 10. 2. 1986 darauf hin, daß die Kläger einer Aufhebung des Mietverhältnisses nicht zustimmen und auf der Einhaltung des Mietvertrages bestehen würden. Der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten legte in seinem Antwortschreiben v. 17. 2. 1986 dar, daß der Beklagte unter anderem deshalb zur Anfechtung berechtigt sei, weil die Kläger dem Beklagten eine erhebliche Verschuldung in Höhe von ca. 25000 DM und die wechselnden Tätigkeiten des Klägers verschwiegen haben. Mit seinem Schreiben v. 18. 2.1986 setzte der Prozeßbevollmächtigte der Kläger dem Beklagten eine Frist bis spätestens 25. 2. 1986 zur Erklärung, daß der Mietvertrag vom Beklagten erfüllt werde. Nachdem binnen dieser Frist keine Erklärung des Beklagten einging, erklärten die Kläger mit Anwaltsschreiben v. 27. 2. 1986 den Rücktritt vom Mietvertrag. Noch am 26. 2. 1986 hatte der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten dem Prozeßbevollmächtigten der Kläger telefonisch erklärt, daß der Beklagte erfüllungsbereit sei.

Die Kläger verlangen vom Beklagten die Erstattung ihrer Anwaltskosten als Schadensersatz.

Seitenanfang Der Beklagte meint, daß es sein gutes Recht gewesen sei, mit seinem Schreiben v. 13. 2. 1986 den Versuch zu machen, eine Aufhebung des abgeschlossenen Mietvertrags zu erreichen. Der Beklagte habe sich darauf verlassen gehabt, daß der Kläger bei Herrn X. ein Arbeitsverhältnis aufnimmt und dieses eine Gewähr dafür gewesen sei, daß die Miete pünktlich bezahlt werde. Nachdem er erfahren habe, daß der Kläger die Arbeit bei Herrn X. nicht antreten werde, sondern vorhabe eine Tankstelle zu übernehmen, sei die Sicherheit für die Mietzahlungen nicht mehr gegeben gewesen. Außerdem habe er gehört, daß der Kläger bei verschiedenen Firmen Schulden in Höhe von ca. 25000 DM habe und daß Herr X. für ihn ein Moratorium vereinbart habe, daß damit gleichfalls hinfällig geworden sei. Zudem habe der Beklagte nicht gewußt, daß der Kläger seine Tätigkeiten immer wieder gewechselt habe. Das Schreiben v. 3. 2. 1986 sei lediglich ein Angebot des Beklagten zum Abschluß eines Mietaufhebungsvertrages gewesen. Letztlich habe sich der Beklagte noch am 26. 2. 1986 erfüllungsbereit erklärt. Da der Kläger den Rücktritt vom Mietvertrag erklärt habe, könne er gerade keine Schadensersatzansprüche geltend machen.

Aus den Gründen:

Die Kläger haben aus positiver Vertragsverletzung einen Anspruch auf Erstattung ihrer Anwaltskosten von 574,67 DM.

1. Es stellt eine positive Vertragsverletzung dar, wenn der Schuldner ernstlich und endgültig die Erfüllung seiner Vertragspflichten verweigert, ohne daß es darauf ankommt, daß die Vertragsaufsage schon vor oder erst nach Fälligkeit der Leistung erklärt wurde (vgl. Emmerich im Müchener Kommentar, 2. Aufl., Rz. 120 vor § 275). Das Schreiben des Beklagten v. 3. 2. 1986 stellt eine solche Erfüllungsverweigerung dar. Die Auslegung der damit abgegebenen Willenserklärung gem. den §§ 133, 157 BGB ergibt eindeutig, daß der Beklagte mit seinem Schreiben nicht nur ein Angebot zur Vertragsaufhebung abgeben wollte, sondern unmißverständlich beabsichtigte, sich ernstlich und endgültig vom Vertrag loszusagen. Die erklärte Vertragsaussage war auch verschuldet, weil der Beklagte nicht berechtigt war, aus den von ihm genannten Gründen eine einseitige Vertragsaufhebung herbeizuführen.

Der Beklagte kann sich insbesondere nicht darauf berufen, daß der Kläger seine Arbeitsstelle nicht wie ursprünglich beabsichtigt bei Herrn X. aufnehmen wollte. Es mag zwar eine Sicherung für den Beklagten bedeutet haben, wenn der Kläger bei dem ihm bekannten Herrn X. langfristig beschäftigt und die Mietzahlungen deshalb gewährleistet waren. Ein mietvertraglicher Anspruch auf eine solche Sicherheit stand dem Beklagten jedoch nicht zu.

Auch zu unterstellende Schulden der Kläger in der Größenordnung von 25 000 DM und das behauptete Scheitern eines Moratoriums ergäben für den Beklagten noch keine Berechtigung, die Vertragserfüllung zu verweigern oder den Vertrag wirksam anzufechten.

Eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gem. § 123 Abs. 1 BGB wegen der Schulden der Kläger kommt nicht in Betracht, auch wenn die Kläger bei Abschluß des Mietvertrages dem Beklagten diese Schulden nicht offenbart haben. Daß die Kläger dem Beklagten bei Vertragsschluß hinsichtlich ihrer Schulden ausdrücklich die Unwahrheit gesagt haben, hat der Beklagte nicht vorgetragen. Eine Rechtspflicht aus Treu und Glauben, die Schulden bei Abschluß des Mietvertrages dem Vermieter ungefragt mitzuteilen, besteht nicht. Eine solche Aufklärungspflicht kommt lediglich dann in Betracht, wenn der Mieter schon bei Vertragsschluß nicht in der Lage ist, den monatlichen Mietzins aufzubringen, also überhaupt zahlungsunfähig ist. Solches hat aber der Beklagte weder behauptet, noch ergibt sich dieses schon aus der vorgetragenen Schuldenhöhe. Zudem wollte der Kläger unstreitig noch zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses das Arbeitsverhältnis bei Herrn X. aufnehmen.

Der Beklagte wäre auch nicht berechtigt gewesen, den Mietvertrag gem. § 119 Abs. 2 BGB wegen Irrtums über verkehrswesentliche Eigenschaften der Person der Kläger anzufechten. Die Kreditwürdigkeit einer Person kann eine verkehrswesentliche Eigenschaft i.S.d. § 119 Abs. 2 BGB darstellen. Ob ein solcher Irrtum über die Kreditwürdigkeit aber einen Anfechtungsgrund darstellt, ist von den Umständen des Einzelfalles abhängig, wobei auf das angefochtene Rechtsgeschäft und seine Zielsetzung abzustellen ist (vgl. BGHZ 88, 240, 246). Somit sind nur Eigenschaften einer Person im konkreten Fall verkehrswesentlich, wenn sie vom Vertragspartner erkennbar dem Vertrag zugrunde gelegt wurden (BGH a.a.0.). Hier fehlt es schon am Vortrag des Beklagten, daß er irgendwie gegenüber den Klägern zum Ausdruck gebracht hat, daß er nur mit schuldenfreien Metern abschließen wollte. Zwar ist davon auszugehen, daß er erkennbar daran interessiert gewesen war, daß er auch in Zukunft laufend seine Miete erhält, ohne daß die Kläger über kurz oder lang in Zahlungsverzug geraten. Alleine die Schuldenhöhe von 25000 DM läßt aber noch nicht auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit der Kläger schließen.

Auch wenn ein von Herrn X. ausgehandeltes Moratorium durch die Nichtaufnahme des Arbeitsverhältnisses hinfällig gewesen sein sollte, hätte dieses zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages beim Beklagten keinen Irrtum auslösen können, da hier ein nachträglich eingetretener Umstand vorliegen würde. Im übrigen ging der Beklagte nach seinem eigenen Vortrag davon aus, daß der Kläger lediglich eine andere Tankstelle übernehme wollte, also doch eine Erwerbsquelle in Aussicht hatte.

Schließlich kann auch der Umstand, daß der Kläger in der Vergangenheit mehrmals seinen Arbeitsplatz gewechselt haben soll, kein Anfechtungs- oder Vertragsaufsagerecht des Beklagten begründen.

2. Im Falle der positiven Vertragsverletzung durch Erfüllungsverweigerung ist der Gläubiger berechtigt. sofort Schadensersatz zu verlangen, ohne daß es einer Ablehnungsandrohung mit Nachfristsetzung gem. § 326 Abs. 1 BGB bedarf. Da bereits die unberechtigte Erfüllungsverweigerung im Schreiben des Beklagten v. 3. 2. 1986 den Schadensersatzanspruch auslöste, kommt es nicht darauf an, ob sich der Beklagte später im Nachhinein doch erfüllungsbereit gezeigt hat, weil er sich an den Folgen der einmal erklärten Erfüllungsverweigerung festhalten lassen muß. Auch bedarf es keiner Entscheidung, ob die Kläger später zu Recht vom Vertrag zurückgetreten sind oder nicht.

Für die den Klägern entstandenen, hier in Streit stehenden Anwaltskosten, war die Erfüllungsverweigerung des Beklagten vom 3. 2. 1986 kausal, ohne Rücksicht darauf, welche Verteidigungsmaßnahmen der Prozeßbevollmächtigte der Kläger später ergriffen hat.

Im Rahmen des vom Beklagten zu leistenden Schadensersatzes gem. § 249 BGB können im Einzelfall die Gebühren eines eingeschalteten Rechtsanwalts gehören (BGH LM <Ha> Nr. 15 zu 249 BGB; Palandt-Heinrichs, BGB, 45. Aufl., 249 Anm. 2 e). Der Anspruch auf Ersatz der aufgewendeten Rechtsanwaltskosten setzt aber voraus, daß die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts auch erforderlich war (OLG Köln VersR 1975, 1106; LG Nürnberg/Fürth MDR 1982, 668), wobei von der Lage auszugehen ist, in welcher sich der Geschädigte zum damaligen Zeitpunkt befunden hat und wobei die Dinge von seinem damaligen Standpunkt aus zu betrachten sind (BGHZ 30, 158). Im vorliegenden Fall war die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts zur Verteidigung gegen die vom Beklagten ausgesprochene Erfüllungsverweigerung erforderlich. Die Vertragsaufsage des Beklagten erreichte die Kläger knapp 4 Wochen vor Termin. Wegen der unklaren rechtlichen Situation und der Eilbedürftigkeit der Sache waren die Kläger darauf angewiesen, einen Rechtsanwalt zu konsultieren, um ihre Ansprüche effektiv durchsetzen zu können. Die geltend gemachten Gebühren sind der Höhe nach unstreitig.

Mitgeteilt von RA Tollkiehn, Stuttgart

Zuletzt geändert:
am 20.02.97

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